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Montag, 17. August 2009

Richard Band (Teil 2) - Zur Etablierung von musikalischen Themen

Wie arbeiten Sie in der Regel mit den Regisseuren zusammen? Haben die Filmemacher gewöhnlich klare Vorstellungen von der Musik, die sie für ihre Filme haben wollen?
Nicht jeder Regisseur ist die kreative Kraft. Manchmal ist es der Produzent oder der ausführende Produzent. Manchmal ist es der Regisseur. Und manchmal wissen die Regisseure nicht, was sie wollen. Gelegentlich haben sie genaue Vorstellungen, wissen sie aber nicht auszudrücken. Ein Beispiel für einen Regisseur, der sich gut verständlich machen kann und mit dem ich oft zusammenarbeite, ist Stuart Gordon. Wir machten RE-ANIMATOR, FROM BEYOND, FORTRESS und viele andere Filme zusammen, wobei wir eine gute Beziehung über die Jahre entwickelten. Ich habe gerade vor zwei Wochen einen Film mit ihm beendet (CASTLE FREAK), was ganz interessant war, weil es der erste Horrorfilm nach vier Jahren gewesen ist, in denen ich nicht wie früher Genre-Filme wie Horror oder Science Fiction gemacht habe, sondern Kinderfilme, Komödien und anderes.

Wegen Stuart bin ich aber zum Horrorfilm zurückgekehrt. Die Art, wie ich den Score produziert habe, war insofern einzigartig, weil ich wegen des geringen Budgets kein Orchester über die elektronische Musik legte, sondern nur ein Streichquartett. Es hat Spaß gemacht, dieses Quartett mit Synthesizern und Percussion zu verbinden.
Um aber auf den Regisseur zurückzukommen: Ich habe mit Stuart viele Jahre lang zusammengearbeitet und kenne ihn ziemlich gut. Auch wenn er nicht sehr gut in musikalischen Termini kommuniziert, kann er sehr gut erläutern, wie eine spezielle Szene sein soll. Aber letztlich überlässt er die musikalischen Belange mir.
Einige Regisseure unterlegen ihre Filme mit anderer Musik, um mir eine Vorstellung zu vermitteln, was sie für ihren Film haben möchten. Aber das ist etwas, womit ich nicht gern arbeite, weil jeder, der in den Film involviert ist, sich an die Musik gewöhnt, die vorübergehend in dem Film eingesetzt worden ist. Oftmals ist es nicht die richtige Musik, oder ein Low-Budget-Film wird mit Musik von einem 100-köpfigen Orchester unterlegt, wogegen das Budget gerade mal einen Mundharmonika-Spieler erlaubt. Das kann schwierig werden.
Es sind aber nicht immer die Regisseure, die die kreativen Ideen haben. Ich habe auch schon mit Produzenten wie Igo Kantor gut kollaboriert, die ihren Stoff gut kennen und sich mit der Musik für ihren Film auseinandersetzen. Ich kann am besten dann arbeiten, wenn die Kommunikation gut funktioniert und ich anschließend allein an der Musik arbeiten kann.

Im Booklet zu THE PIT AND THE PENDULUM schrieb Stuart Gordon über den Konflikt zwischen der Musik und den Sound Effects. Wie gehen Sie mit dem Problem um?
Ich versuche, damit so gut wie möglich umzugehen. Es ist ein Kampf, der gewöhnlich verloren wird. Wenn man zum Schluss Sound Effects, Dialog und Musik abmischt, tritt in den meisten Fällen die Musik hinter den Sound Effects zurück. Das liegt in der Natur der Sache. Man muss sich darauf vorbereiten, dass vieles von der Musik, die man geschrieben hat, von Sound Effects geschluckt wird. Es ist selten geworden, dass die Leute der Musik den Vorzug vor den Sound Effects geben. Hier kommt einem wieder die Technologie zu Hilfe.
Mit dem Aufkommen von Dolby Stereo und Digital Stereo, die man auch zuhause einsetzen kann, sind die Dinge besser geworden, weil man Sound Effects, Dialog und Musik separat abmischen kann, so dass sie über verschiedene Lautsprecher gehen. Die Zukunftsperspektiven sind besser, weil man Sound Effects, Musik und Dialog wahrnehmen kann, ohne dass eine Komponente die anderen beiden zu sehr ausschaltet, aber generell steht die Musik an letzter Stelle.

Stuart Gordon machte bei THE PIT AND THE PENDULUM auf die widerstrebenden Gefühle des Grand Inquisitors aufmerksam. War das für Sie der Ausgangspunkt bei der Komposition der Filmmusik?
Es gab verschiedene Elemente, von denen keines einzeln betrachtet werden kann, sondern die alle miteinander verwoben sind. Der erste und wichtigste Ausgangspunkt für THE PIT AND THE PENDULUM war die zeitliche und örtliche Positionierung im Spanien des 16. Jahrhunderts. Diese Komponente verband sich mit der Tatsache, dass es auch um eine Kirche ging. Da waren also der religiöse Aspekt des Inquisitors und die ihn umgebende Kirche und der Umstand, dass die Geschichte im Spanien des 16. Jahrhunderts spielte. Der nächste Aspekt war der Konflikt des Inquisitors zwischen seinem kirchlichen Glauben und seinem sexuellen Verlangen nach diesem Mädchen Maria.
Richard Band und Lance Henriksen bei den Dreharbeiten zu THE PIT AND THE PENDULUM
Die choralen Arrangements bei THE PIT AND THE PENDULUM wurden oft mit der OMEN-Trilogie von Goldsmith verglichen. Haben Sie Goldsmiths Chöre im Hinterkopf gehabt, als Sie die Chorpassagen für THE PIT AND THE PENDULUM schrieben?
Ich habe mich nicht auf Goldsmiths OMEN-Trilogie berufen, und ich denke, das ist auch kein fairer Vergleich. Ich glaube, sie sind sehr verschieden. Auf der anderen Seite wird chorale Musik im Film fast immer mit der OMEN-Trilogie verglichen, weil sie dafür berühmt ist. Zu jener Zeit war der Choreinsatz auch sehr einzigartig. Aber als das OMEN erschien, verglich man die Musik mit CARMINA BURANA, genauso wie man Teile von THE PIT AND THE PENDULUM mit CARMINA BURANA verglich. Man kann natürlich immer Vergleiche anstellen, aber letztlich ist es ein spezieller choraler Stil. Da ich italienisch spreche und Latein gelernt habe, sind die ganzen choralen Worte in THE PIT AND THE PENDULUM in Latein gesungen, Lyrics, die ich in Latein geschrieben habe.
Der Score zu RE-ANIMATOR ist wegen seiner Referenz gegenüber Herrmanns PSYCHO-Score bekannt. Haben Sie sich auf Herrmanns Score bezogen, um die Parallelität in der Psyche von Herbert West und Norman Bates aufzuzeigen, oder wollten Sie damit auch Ihre Bewunderung für Bernard Herrmann ausdrücken?
Es war eine bewusste Entscheidung, Herrmanns PSYCHO-Score zu verwenden, und zwar als Scherz, weil der Film mit abgehackten Köpfen und spritzendem Blut wirklich schrecklich gewesen ist. Meine Idee war, Spaß aus dem Horror zu machen. Ich wollte es dem Publikum ermöglichen, sich den Horror anzusehen, indem es auch darüber lachen konnte. Meine erste Überlegung war, welche Musik in der Filmgeschichte für den wahren Horror, die wahre Spannung steht. Eine davon war natürlich Bernard Herrmanns PSYCHO, weil sie jeder kennt.
Es war also zunächst eine bewusste Entscheidung, Herrmanns Musik zu adaptieren, sie aber mit meinen eigenen Themen zu kombinieren, die auf jeden Fall in Herrmanns Stil geschrieben werden sollten, so dass jeder es bemerken würde, was offensichtlich funktionierte. Außerdem wollte ich den Wahnsinn von Herbert West mit dem Wahnsinn von Anthony Perkins´ Rolle in PSYCHO gleichsetzen.
Die anschließende Kontroverse entzündete sich an der Überzeugung, dass ich Herrmanns Musik kopierte, was wirklich nicht der Fall war. Tatsächlich war es als Versuch gedacht, musikalischen Humor zu erzeugen, was die meisten Leute nicht nur verstanden, sondern auch gemocht haben. In den Credits des Films stand eigentlich ein Satz, der ungefähr lautete: "with greatful acknowledgments and apologies to Bernhard Herrmann", aber er erschien nicht, was mich ärgerte, weil es schließlich darum ging, Bernard Herrmanns Musik auch zu würdigen.

Ein weitaus schwerwiegenderes Problem hinsichtlich des Bezugs auf die Musik anderer ist das Temptracking. Wie setzen Sie sich damit auseinander?
Viele Regisseure benutzen Temp Tracks für ihre Filme, und zwar aus unterschiedlichen Gründen. Manchmal dient es dem Produzenten, dem Verkauf ans Ausland, bevor der Film fertig ist, aber es ist eine schreckliche Praxis, weil die Regisseure, Produzenten und jeder, der in den Film involviert ist, sich an die vorübergehende Musik gewöhnt. Was dann passiert, ist, dass die Leute sagen: "Nun, diese Musik passt uns sehr gut. Können Sie uns auch so eine Musik schreiben?" Es kann z.B. vorkommen, dass jemand einen Science-Fiction-Film dreht und ihn mit der STAR-WARS-Musik von John Williams unterlegt. Dann fragt man mich, ob ich so eine Musik machen könnte, die mit einem 100köpfigen Orchester eingespielt wurde, während auf der anderen Seite ein Budget von 4,50 Dollar vorhanden ist. Aber in kreativer Hinsicht ist diese Situation noch viel schlimmer, weil sich die Regisseure und Produzenten so an die Temp Tracks gewöhnt haben, selbst wenn sie nicht zu dem Film passen, dass sie von dem Komponisten verlangen, etwas ähnliches zu schreiben.
Insofern kämpft man als Komponist zwei Schlachten. Man versucht einerseits, mit Themen anzukommen, die für den Film geeignet sind, andererseits versucht man, die Filmemacher davon zu überzeugen, dass die Musik, die man selbst komponiert, besser für ihre Filme funktioniert als die Temp Tracks. In vielen Fällen wird aber eine Musik für den Film geschrieben, die der ähnlich ist, mit der der Film vorübergehend unterlegt wurde.
Es ist eine schreckliche Lage, die immer schlimmer wird. Die beste Situation ist natürlich die, wenn man mit einem Film ohne Musik konfrontiert wird, wenn man also mit frischen Ideen ankommen kann und nicht mit den Regisseuren und Produzenten kämpfen muss.
Im Booklet zu THE ARRIVAL erwähnten Sie, dass Komponisten im Horror-Genre selten die Möglichkeit haben, melodisch zu sein, aber ich denke, dass Sie zusammen mit Christopher Young ein Beispiel für das Gegenteil sind, dass die Faszination von Filmen wie HELLRAISER auch auf das Einfangen des Publikums mit eindringlichen Melodien beruht.
In der Geschichte der Horror- und Science-Fiction-Filme passierten in den letzten dreißig Jahren interessante Dinge. Vor dreißig Jahren und davor gab es Genre-Filme, deren Musik auf Melodien basierte. In den späten 50er, 60er bis Mitte der 70er Jahre wurde Musik wie ein Sound Effect behandelt, wurde total atonal, ambient. Ich hielt das für keine gute Idee, weil die Notwendigkeit einer Melodie wichtig für die emotionale Teilnahme am Film ist. Ein Thema oder Motiv oder auch beides sind die emotionalen Verbindungen, mit denen sich die Zuschauer in den Film hineinversetzen können. Man muss das Publikum mit etwas einfangen. Die beste Methode, das zu tun, ist die Verwendung von Themen und/oder Motiven, kleinen Dingen, die für das Publikum wahrnehmbar sind.
Wenn man zu Beginn des Films ein Thema etabliert, das später wieder auftaucht, erinnert sich der Zuschauer an das Thema, wenn nicht bewusst, so doch unbewusst. Und der Zuschauer versteht beispielsweise, warum diese Charaktere dieses Thema hat. Wenn man also die Charaktere eines Films oder Teile des Films mit Themen besetzt, bindet man auf emotionale Weise den Zuschauer an den Film. Wenn das nicht passiert, verliert der Film an Aussagekraft. Ich war von früh an ein starker Anhänger dieser Theorie, und es gibt bei mir eigentlich keinen Score ohne ein vorherrschendes Thema in irgendeiner Art.

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