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Sonntag, 11. Oktober 2009

James Newton Howard (Teil 4) - Disney & Shyamalan

Seit diesem Interview, das ich mit James Newton Howard 1996 geführt habe, ist der Komponist neben Hans Zimmer der wohl gefragteste Mann seiner Zunft in Hollywood.
Ein wichtige Station in der Karriere von James Newton Howard ist sein Engagement für Walt Disney gewesen, das sich über die drei Animationsfilme „Dinosaur“, „Atlantis“ und „Treasure Planet“ erstreckte.

„Ich hatte die gleiche Zeit, an ihnen zu arbeiten wie an anderen Filmen, es ist nur die Disney-Methode, dass man mit den Filmemachern an Bord kommt, das hat starken „Komitee“-Charakter. Es sind Diskussionen am runden Tisch, anstatt dass der Komponist in seinem Elfenbeinturm arbeitet, bist du nur einer unter anderen arbeitenden Männern“, erläuterte Howard in einem Interview mit Soundtrack.net die unterschiedliche Arbeitsweise. „Da sind Autoren, Animateure, Produzenten und Music Supervisor, und jeder sitzt herum und arbeitet alles aus. In jedem Fall schrieb ich zunächst das Material für die Hauptthemen, was schwierig für mich ist, weil ich es vorziehe, das thematische Material gewöhnlich dann zu entwickeln, wenn ich Zeit mit dem Film verbracht habe. Bei ‚Dinosaur‘ war die erste Sache, die ich tun sollte, die Flugsequenz. Das war sehr hart. Mein erster Part wurde nahezu akzeptiert, abgesehen von dem größten Part, wo der Pteranodon abhebt und wir zum Hauptthema übergehen. Sie wollten etwas Eingängigeres. Also ging ich zurück und machte es noch einmal – und ich denke, das war richtig! Aber man unternimmt es in Abschnitten. So machten wir es, jeder beendet seine Themen, dann gehst du zurück und machst 40 Minuten, und wenn das fertig ist, machst du die nächsten 40 Minuten. Das ging vier Monate so.
Das Besondere an der Animation ist, dass das Detail enorm ist. Ich denke, das erfordert, dass du breiter in deinem Ansatz sein musst. Da gibt es ikonische Versionen jeder Art von Musik, die man je gehört hat: Fanfaren, Big Band, im Allgemeinen komisch und tragisch und alles in einem Film – und sie bewegt sich konstant von einem Moment zum nächsten. Ich denke, das ist der schwierige Teil – du musst es unauffällig und doch ausweglos mit dem Film verbunden gestalten. Animation ist wirklich schwierig, aber ich denke, ich habe mehr über orchestrales Schreiben bei diesen Projekten gelernt als bei allem, was ich vorher gemacht habe. Es war wie eine ‚rite de passage‘, ich denke, es ist eine ‚rite de passage‘ für jeden Komponisten.“
Zu seinen langjährigen Partnerschaften mit Regisseuren wie Lawrence Kasdan und Michael Hoffman sind mittlerweile etliche weitere wichtige Filmemacher hinzugekommen, die auf die ausgefeilten Fertigkeiten des Star-Komponisten nicht mehr verzichten wollen.
Besonders hervorzuheben ist dabei M. Night Shyamalan, der seit seinem Regiedebüt mit „The Sixth Sense“ im Jahre 1999 auch alle nachfolgenden Werke mit der Musik von James Newton Howard untermalen ließ („Unbreakable“, „Signs“, „The Village“, „Lady In The Water“,  „The Happening“ und "The Last Airbender").
„Nun, er hat eigentlich mit einem anderen Komponisten an dem Film begonnen zu arbeiten, aber sie mussten ihn aus irgendeinem Grund ersetzen. Ich habe ein paar Filme mit den Produzenten Kathleen Kennedy und Frank Marshall gemacht, und sie riefen mich an und erzählten mir, dass sie einen jungen Autor/Regisseur hätten, der einen erschreckenden Film gemacht habe, mit einem kleinen Budget, und ob ich ihn gern sehen würde“, berichtete Howard Soundtrack.net die Anfänge der Zusammenarbeit mit M. Night Shyamalan. „Also sah ich mir den Film an, und das war es! Es ist irgendwie in vielerlei Hinsicht ein perfekter Film für dieses Genre. Night und ich haben lange am Telefon gesprochen und entschieden, es zu machen. Ich glaube, wir haben um die sechs Wochen für diesen Score gehabt.“
„Da es unser erster Film gewesen ist, schrieb ich Demos, und er antwortete auf die eine oder andere Weise darauf“, ergänzte Howard in einem Interview mit BSO Spirit.
„Dann hatten wir zu ‚Unbreakable‘ eine Unterhaltung, in der Night mir gegenüber zum Ausdruck brachte, dass er für diesen Film einen noch einzigartigeren Qualitäts-Sound haben wollte, weil er das Gefühl hatte, dass obwohl der ‚Sixth Sense‘-Score dem Film sehr gut gedient hatte, er über keinen ausgeprägten repräsentativen Sound verfügte. So begann ich, Themen für den nächsten Film zu schreiben, und einer davon war definitiv der Main Title. Am Ende hatte ich bei dieser Art zu arbeiten viel Material, das Night als Temp Score verwenden konnte, während er den Film schnitt. Das war der Moment, an dem wir darüber nachdachten, dass ich Musik schreibe, bevor er tatsächlich mit den Dreharbeiten beginnen würde, und so machten wir es bei ‚Signs‘.“

“Night und ich versuchen immer so wenig Musik wie möglich in unseren Filmen zu verwenden”, erläutert Howard die Zusammenarbeit mit dem Mystery-Spezialisten weiter. „Das beste Beispiel für diese Absicht ist ‚Signs‘. Unsere erste Intention war, nur in den letzten 17 Minuten Musik zu benutzen … aber am Ende werden Nights Filme sehr gut durch Musik unterstützt, und wir fügen letztlich mehr Musik in die Filme ein, um sie besser funktionieren zu lassen.“

Vor allem die Solo-Violine in dem wunderschönen Score zu „The Village“ sorgte für ein echtes Highlight in der Filmografie des Komponisten.
„Ich fälle keine bewussten Entscheidungen, wenn ich einen Score komponiere, weil ich immer versuche, einige neue Wege für das zu finden, was ich musikalisch auszudrücken versuche. Die Solo-Violine ist schon immer mein bevorzugtes Instrument gewesen, und ich verwendete eine in ‚Snow Falling On Cedars‘, aber hier in ‚The Village‘ habe ich zwei Dinge wiederzugeben versucht – zunächst die Initimität in der Beziehung zwischen den verschiedenen Charakteren und in der Love-Story, und ich wollte ein so kleines Ensemble wie möglich verwenden … die andere Sache, die ich repräsentieren wollte, war die Auflösung des Dorfes, die Aufregung, die diese utopische Gesellschaft zu fühlen begann …“
Dabei kam die Solo-Violine erst sehr spät in die Entwicklung des Scores zu „The Village“ zum Einsatz, wie Howard im Interview mit Soundtrack.net berichtete.
„Ich habe tatsächlich in den ersten drei Monaten des Projekts einen ganz anderen Score für ‚The Village‘ komponiert. Und dann, wie es so oft mit Night der Fall ist, betrachteten wir das, was wir gemacht haben. Einiges davon ist geblieben, aber gut 2/3 davon wurde neu erfunden – sehr zu meinem Vergnügen! Für mich war nämlich der dankbarste emotionale Aspekt des Films die Love-Story – und das war das, was ich am meisten betonen wollte. Vorher dachte ich darüber nach, etwas zu schreiben, das folkig und Appalachen-mäßig klang und irgendwie klein und intim. Ich liebe die Solo-Violine. Ich habe dafür etwas in einigen anderen Scores geschrieben, vielleicht am bemerkenswertesten für ‚Snow Falling On Cedars‘, aber ich hatte nicht wirklich eine echte Gelegenheit dazu. Also machte ich ein paar Demos von einigen Dingen, die ich für den Film geschrieben habe, und das klang sehr vielversprechend. Hilary Hahn ist einer meiner ewigen größten Helden. Ich denke, sie ist eine außergewöhnliche Violinistin – ich habe ihre Arbeit von Anfang an geliebt. Der Film ist eine Frauengeschichte, und ich dachte, wer könnte das besser spielen als Hilary Hahn! Natürlich ist es eine dieser wahrgewordenen Träume, dass sie verfügbar gewesen ist, wir machten die Planung, und sie machte einen großartigen Job!“
Eine nahezu minutiöse Planung war vor allem deshalb vonnöten, weil James Newton Howard zur gleichen Zeit auch Michael Manns Thriller „Collateral“ zu scoren hatte. Bei dem enormen Zeitdruck, dem sich Howard nie wieder in diesem Maße aussetzen möchte, war ihm wenigstens der Umstand behilflich, dass beide Filme eine ganz andere Art der musikalischen Untermalung erforderten, dass beide Regisseure auch ganz verschiedene Ansätze verfolgen, Musik in ihren Filmen einzusetzen. Michael Mann ist bekannt dafür, in seinen Filmen nicht nur verschiedene Songs einzusetzen, sondern auch mehrere Komponisten. „Manhunter“, „Heat“, und „Ali“ sind berühmte Beispiele für die außergewöhnliche Verbindung zwischen ausgewählten Songs und Score-Anteilen, zudem sind bei „Miami Vice“ (John Murphy und Klaus Badelt) und bei „The Insider“ (Lisa Gerrard + Pieter Bourke sowie Graeme Revell) auch schon mehrere Komponisten engagiert worden.
„Ich denke, jeder, der einen Film mit Michael Mann macht, ist glücklich genug damit, es machen zu dürfen, und man muss nur wissen, dass er diesen Anspruch an einen Score hat. Er verwendet alles, was ihm irgendwie passend erscheint, und jeder Cue kann zu jeder Zeit von einem anderen ersetzt werden. Ich wusste das, und ich ging sehenden Auges in das Projekt – was aber einen Unterschied für mich bedeutete, war, dass er viel mehr Score zum großen Finale des Films haben wollte, und so wurden die letzten 17 Minuten oder so weitaus mehr speziell gescored. Das ist bei seinen vorherigen Filmen so noch nie der Fall gewesen. Das bedeutet nicht, dass das vorher noch nie versucht geworden ist, aber Michael ist mit diesem Ansatz bislang nie zufrieden gewesen. Es ist gerade für diesen Film geeignet gewesen, und es schien gut zu funktionieren. Das erste Stück, mit dem ich anfing, war der Anfang der Jagd bis zum Ende, und ich wusste, dass würde der Löwenanteil dessen sein, was ich machen würde. Dann ging ich zurück und schrieb den Rest des Films, und einige der Cues blieben drin, andere nicht.“
Auch P.J. Hogan verlässt sich bei seinen Komödien gern auf die versierten Künste des Komponisten, seit die erste Zusammenarbeit bei „Die Hochzeit meines besten Freundes“ gleich so erfolgreich für beide Parteien verlaufen war. Hier folgten bis heute „Unconditional Love“, „Peter Pan“ und „Confessions of a Shopaholic“. Und nicht zu vergessen sind natürlich Edward Zwick (“Blood Diamond”, “Defiance”) und Tony Gilroy (“Michael Clayton”, “Duplicity”), für die James Newton Howard Aufsehen erregende Soundtracks kreiert hat. Dazu gehören die auch mit seinem Freund Hans Zimmer gemeinsam komponierten Scores zu „Batman Begins“ und „The Dark Knight“, mit denen Regisseur Christopher Nolan erfolgreich frisches Blut in die zu Pop-Spektakeln verkommene „Batman“-Serie gebracht hat.
„Hans fragte mich, ob ich ihm bei ‚Batman Begins‘ behilflich sein wolle, weil wir seit langer Zeit mal etwas zusammen machen wollten und wir ohnehin gute Freunde sind“, erzählte Howard in einem Interview mit Firstshowing.net.
„Es ist dieser Zusammenarbeit zu verdanken, dass wir jetzt noch bessere Freunde sind. Jemand musste der designierte Führer sein, und das war Hans. Ich liebe das, weil es das einzige Mal in meinem musikalischen Leben gewesen ist, dass jemand meine Musik auf essentielle Weise produziert, und das auf so wunderbar intelligente und einsichtige Weise. Einem modernen Komponisten passiert so etwas einfach nicht. Die meisten anderen Komponisten würden sehr unsicher oder nervös sein, so etwas zu tun.“
Den beiden Top-Komponisten kam bei ihrer Zusammenarbeit sehr zugute, dass Regisseur Christopher Nolan bereits vor Drehbeginn von „Batman Begins“ musikalische Demos anforderte, mit denen er arbeiten konnte. Und aus Sicherheitsgründen bekamen sie später den Film nur in Schwarz-Weiß zu sehen, was der Musik ihren düsteren Charakter verleihen sollte. Bei „The Dark Knight“ waren Zimmer und Howard bereits ein eingespieltes Team …
„Wir haben so viel Arbeit an ‚Batman Begins‘ geleistet, dass wir diese als Grundlage für Teile des neuen Scores verwenden und uns erlauben konnten, uns davon abzuwenden und die weniger traditionellen Dinge zu schreiben. Hans war ziemlich allein für den Joker verantwortlich, während ich für Harvey Dent verantwortlich zeichnete und wir alles dazwischen mehr oder weniger zusammen ausarbeiteten.
Jede weitere Arbeit, die wir an diesen Filmen absolvierten, war außergewöhnlich diszipliniert, was die Komposition anging. Wir haben über nahezu jede Note des Scores gesprochen, warum sie existiert und existieren sollte, wie sie in Beziehung zu den anderen Ideen steht, die im Film ausgedrückt werden. Wir waren sehr kritisch darüber, was wir uns musikalisch für den Film erlauben, und es war ein langer, ein destillierender Prozess, wirklich zum Kern zu gelangen und zum reinsten Weg, das zu sagen, was wir sagen wollten.“

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