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Sonntag, 6. Dezember 2009

John Carpenter (Teil 1) - Ein Meister des Suspense-Kinos

Man nennt ihn den „Meister des Horrors“ und darf ihn zu Recht als Kultregisseur bezeichnen. Mit seinen Science-Fiction- und Horror-Thrillern „Halloween“, „Die Klapperschlange“, „Christine“ und „Die Fürsten der Dunkelheit“ schuf John Carpenter Klassiker, die sowohl Kritiker als auch das Publikum zu begeistern verstanden.

Zwar sind seine letzten Filme „Das Dorf der Verdammten“, „Flucht aus L.A.“ und „Ghosts Of Mars“ nicht nur an der Kinokasse gefloppt, sondern ließen auch in künstlerischer Hinsicht zu wünschen übrig. Doch egal, wie gut oder schlecht seine kommenden Filme auch ausfallen mögen, Carpenters in den 70er und 80er Jahren produzierten Filme und Soundtracks zählen schon heute zu den Juwelen des amerikanischen Nachkriegskinos und haben das Multitalent, das Drehbücher schreibt, Filme dreht, schneidet, produziert und vertont, in gewisser Hinsicht unsterblich gemacht.
John Carpenters Leidenschaft für den Film wurde schon von seinen Kindesbeinen an entdeckt und gefördert, und die Tatsache, dass John Carpenter aus einem sehr musikalischen Hause kommt, erklärt sein Talent für die passende musikalische, atmosphärisch intensive Untermalung der von ihm inszenierten Bilder.
Sein Vater, Howard Carpenter, studierte nämlich an der berühmten Eastman Musikschule in Rochester, New York, und war Musiklehrer am College von Bowling Green, Kentucky, wo der am 16. Januar 1948 in Carthage geborene John H. Carpenter auch aufgewachsen ist.
Sowohl Vater als auch Mutter spielten Geige und Klavier, ermunterten ihren Sohn zum Musizieren, doch mit vier Jahren fand dieser noch keinen rechten Gefallen am Geigen- und Klavierunterricht.
Nachdem er aber Humphrey Bogart in John Hustons „African Queen“ sah, stand sein Entschluss fest, selbst Schauspieler zu werden, zumindest aber Filmregisseur.
„Mein Wunsch, Regisseur zu werden, geht auf ein Erlebnis zurück, das ich mit fünf Jahren hatte. 1953 sah ich mir Jack Arnolds 'It Came From Outer Space' in 3-D an. Die erste Sequenz zeigte, wie ein Meteor vom Himmel fiel. Ein Feuerball, der direkt von der Leinwand auf dich zuzufliegen schien und explodierte. Ich sprang auf, schrie und lief den Seitengang hinauf. Aber plötzlich merkte ich, dass ich nicht wirklich Angst hatte. Ich war im Innersten aufgewühlt und erregt“, blickt John Carpenter zurück. „Ich sagte mir: Das möchte ich auch mit den Leuten machen. Ich will so eine Art von Erregung schaffen. Ich ging also zu meinem Platz zurück, setzte mich und sah mir den Rest des Films an. Von da an wollte ich Filmregisseur werden. Ich wollte Filme machen, die die Leute von den Sitzen reißen.“
Carpenters Eltern unterstützten ihren Zögling, nachdem sie sich vom humanistischen Charakter der von Arnold verfilmten Ray-Bradbury-Story überzeugt hatten, und schenkten ihm eine 8mm-Kamera, nachdem er zunächst die Kamera seines Vaters verschlissen, den halben Monatslohn in einer Woche an Materialkosten verdreht und wahre Action-Orgien im Sandkasten hinter dem Haus entfacht hatte.
Sein erster, von Jack Arnold und anderen SF- und Fantasy-Regisseuren inspirierter Film hieß „Revenge of the Colossal Beasts“, eine 40minütige Invasionsgeschichte mit riesigen Aliens.
Bis zu seinem 14. Lebensjahr drehte er mit „Gorgo vs. Godzilla“, „Terror From Space“ und „Sorcerer From Outer Space“ drei weitere Kurzfilme, gründete mit Emerald Productions seine erste Produktionsfirma und experimentierte in „Warrior and the Demon“ erstmals mit Stop-Motion, während er beim Dreh von „Gorgon the Space Monster“ zahlreiche Effekte erprobte.
Als John Carpenter entdeckte, dass er die Faszination für Monster, Mutationen und Aliens mit vielen anderen teilte, verstärkte das nur seine Ambitionen. Wie zu jener Zeit üblich gründete auch John Carpenter sein eigenes Fanzine, „Fantastic Films Illustrated“, dessen Cover er selbst zeichnete und mit Wasserfarben kolorierte. Zusammen mit einigen Freunden rezensierte der junge Carpenter aktuelle Filme und Klassiker, schrieb Science-Fiction- und Fantasy-Geschichten und träumte von fremden Welten und Imperien.
Nach drei Heften schloss John Carpenter mit diesem Kapitel ab, veröffentlichte anschließend - als Hommage an Ernest B. Schoedsack, dem Regisseur des 1933 publizierten „King Kong“-Films - das „King Kong Journal“, um sich danach mit dem Heft „Phantasm - Terror Thrills of the Films“ endgültig in die Richtung zu bewegen, die er später als Regisseur einschlagen sollte.
Doch zunächst lernte Carpenter sehr gründlich das Handwerk des Filmemachens. Seine Eltern überredeten ihn, die Filmklasse der Universität von Süd-Kalifornien (USC) zu besuchen.
Seit seiner Immatrikulation dort im Jahre 1968 drehte er elf Studentenfilme, vor allem aber studierte er die Handschriften seiner Vorbilder.
„Die Film-Universität war eine unschätzbare Erfahrung für mich“, blickt Carpenter zurück, „allerdings nicht im traditionellen Sinn von solchen Erfahrungen, also dass man für einen bestimmten Job vorbereitet wird, diesen Job erhält und dann jahrzehntelang macht. Das ist im Film ja anders."
"Ich habe die technischen Aspekte des Films gelernt, ich habe alle Aspekte des Filmemachens kennengelernt, von der Regie zur Kameraführung, über den Ton zum Schnitt und auch zur Postproduktion. Und ich habe jeden Tag Filme angeschaut. Im Vorführraum haben wir gesessen und Filme angesehen, bis wir eingeschlafen sind. Ich habe alle Filme von Howard Hawks, Orson Welles und John Ford gesehen. Das sind Giganten des Kinos. Das war eine wundervolle Zeit in meinem Leben und sehr aufregend, aber auch ziemlich unrealistisch, wenn man bedenkt, was für Filme zu dieser Zeit tatsächlich gemacht wurden. Aber das war in diesem Moment nicht so wichtig.“
Fasziniert war Carpenter vor allem von Howard Hawks, der in allen Genres (Komödie: „Leoparden küsst man nicht“; Krimi: „Tote schlafen fest“; Science Fiction: „Das Ding aus einer anderen Welt“; Western: „Rio Bravo“) beheimatet war und als klassischer Handwerker des Hollywood-Kinos gilt. Sowohl seine bevorzugte Kameraführung in Augenhöhe als auch sein Lieblingsthema - eine Gruppe zusammengewürfelter, teils gebrochener Charaktere muss sich einer Übermacht stellen - tauchen später bei John Carpenter auf.
Dieser konnte 1970 seinen ersten großen Erfolg feiern, als er für seinen Kurzfilm „The Resurrection of Bronco Billy“ den Academy Award gewann. Carpenter finanzierte den Film mit Sponsorgeldern seines Vaters und einer Reihe von Nebenjobs.
Die Gemeinschaftsproduktion von Carpenter und zwei Kommilitonen erzählt innerhalb weniger Minuten die Geschichte eines jungen Mannes, der mit seinem Leben nicht klar kommt und in eine märchenhafte Westernwelt flieht.
Damit verarbeitete Carpenter teilweise seine eigenen Universitätserfahrungen und ließ dabei bereits sein vielseitiges Talent erkennen, indem er als Co-Autor, Co-Regisseur, Produzent und Komponist fungierte. Angespornt durch diesen großartigen Erfolg - den Carpenter bislang nicht wiederholen konnte - begann er noch im selben Jahr mit den Dreharbeiten zu „Dark Star“, die als Abschlussarbeit gedacht war und Carpenter als Sprungbrett für seine zukünftige Karriere dienen sollte. Unterstützt wurde er dabei von seinem Freund Dan O’Bannon, der den Filmschnitt besorgte, an den Effekten arbeitete und als Darsteller auftrat. Später schrieb er das Drehbuch für „Alien“ und wurde von George Lucas für die Computer-Animationen von „Star Wars“ engagiert.
Bis 1972 hatten Carpenter und O’Bannon eine 45 Minuten lange Version fertig, doch spürten die beiden, dass in der Science-Fiction-Parodie auf die legendären Kubrick-Filme „Dr. Seltsam oder wie ich lernte, die Bombe zu lieben“ und „2001 - Odyssee im Weltraum“ das Potential für einen größeren Film steckte. Von Jack H. Harris, der 1958 „The Blob“ produzierte und mit dem Porno-Kultfilm „Deep Throat“ zum Millionär geworden war, bekamen die beiden Studenten 60.000 Dollar und konnten bis 1974 eine Spielfilmfassung fertigstellen, die auf der jährlichen „Los Angeles Film Exhibition“ debütierte. Die Weltraum-Variante von „Warten auf Godot“, wie Carpenter sein Kino-Debüt bezeichnete, spiegelte in gewisser Hinsicht die Lebensumstände der beiden Späthippies wider, die während des Vietnam-Krieges mehr am Konsum von Haschisch-Zigaretten und ausgeflippter Musik als an der ernsthaften Weiterentwicklung ihrer Situation interessiert waren. Die Geschichte spielt im 22. Jahrhundert, als es der Menschheit bereits gelungen ist, das irdische Sonnensystem bis an die Grenzen zu erforschen und sich dabei befindet, sich in immer entferntere Regionen zu bewegen. Die fünfköpfige Crew des Erkundungsschiffes „Dark Star“ hat dabei den Auftrag, den Weg für die großen Transporter mittels thermonuklearer Bomben freizumachen. Allerdings ist die „Dark Star“-Besatzung schon seit über zwanzig Jahren im Weltraum unterwegs und hat seit langem jeglichen Kontakt mit der Erde verloren. Der Bordcomputer bestätigt den Army-Seargeants Doolittle, Pinback, Boiler, Talby und dem verstorbenen, im Gefrierraum konservierten Kommandanten zwar immer wieder, dass „alles klar“ sei, doch das Raumschiff gammelt so allmählich vor sich hin. Als schließlich eine Bombe abgeworfen werden soll, um Asteroiden aus dem Weg zu räumen, bleibt sie im Schacht stecken und kündigt an, dass sie bald explodieren wird - was sie nach einem philosophischen Diskurs mit der Besatzung schließlich auch tut...
Während einer der Piloten auf einem Wrackteil durchs All gleitet, ertönt die von Carpenter komponierte fetzige Country-Musik. Der spannende, teils von makabrem Humor und spöttischer Satire gespickte Film ist sicher zum einen ein höchst unterhaltsames Werk geworden, zum anderen aber auch eine treffende Anspielung auf das SF-Genre mit seiner strengen Wissenschaftsgläubigkeit.
„Das Besondere an 'Dark Star' ist nicht die Technologie des Raumschiffes oder die Handlung. Es ist vielmehr die Situation“, meint Carpenter.
„Die Helden sind für zwanzig Jahre in ihrem Schiff im Weltall eingeschlossen; sie werfen Bomben auf instabile Planeten, um sie zu zerstören und Platz zu schaffen für die Raumschiffe, die ihnen folgen. Und, na gut, die Leute sind ein bisschen wahnsinnig geworden in dem Raumschiff... Im Grund macht nur die Situation, das, was den Helden widerfährt, den Film ungewöhnlich, nicht das Raumschiff oder die Technologie oder die Raumanzüge. 'Star Wars' zum Beispiel oder '2001' - da sind die Effekte die Stars der Show. Nicht so in 'Dark Star'. Da ist es die Situation.“
Nach einigen Anlaufschwierigkeiten begeisterte der Film auf einigen Festivals Publikum und Kritiker und spielte in den USA im ersten Anlauf an der Kinokasse bereits sieben Millionen Dollar ein.
Dank dieses finanziellen Erfolgs war es John Carpenter möglich, seinen nächsten Film „Assault on Precinct 13“ mit einem Budget von 200.000 Dollar zu realisieren. Inspiriert wurde Carpenter dazu durch eine wahre Begebenheit im Kontext der zunehmenden Gewalt auf den Straßen von Los Angeles: Im Jahr 1975 hing eine Gang von Jugendlichen an einer Bushaltestelle herum, bis ein Bus kam und einer der Jungen ankündigte: „Ich erschieße den ersten, der jetzt aussteigt.“ Nachdem ein kleines Mädchen die Bustür als erstes passierte, wurde sie von dem Jungen erschossen, der darauf in seinen Wagen stieg und davonfuhr.
„Was sind das für Leute, die so etwas tun?“, fragte sich Carpenter daraufhin. „Am helllichten Tag. Ihre Aktionen sind völlig sinnlos und verrückt. Dass ich einfach so durch die Straßen gehe und irgendeiner erschießt mich, einfach nur so - das ist für mich ein wahnsinniger Gedanke, der mir unheimlich angst macht.“
Bei der filmischen Umsetzung dieser Gewalt berief sich Carpenter vor allem auf Howard Hawks Western-Klassiker „Rio Bravo“, dessen Mythos er in die Slums der modernen Großstädte transformierte. Zugleich verband der erste Breitwand-Film von John Carpenter das klassische amerikanische Erzählkino mit der synthetischen und sterilen Produktionsweise, die in einem Großteil der in den Spätsiebzigern inszenierten Hollywood-Filme vorherrschte.
Ausgangspunkt der Story von „Assault“ ist eine in den Massenmedien verbreitete Nachricht, dass die Polizei in einem Feuergefecht sechs Jugendliche erschossen hat. Doch die gesuchten automatischen Waffen wurden nicht bei ihnen gefunden, und man hofft, dass nicht die anderen Bandenmitglieder in ihrem Besitz sind. Derweil plant der Rest der Gang einen Rachefeldzug, bei dem zunächst einige Zivilisten wahllos erschossen werden, bis man schließlich das Polizeirevier 13 in einem menschenleeren Stadtteil von Los Angeles ins Visier nimmt.
Die Situation der drei Polizisten und der beiden weiblichen Angestellten sowie den Gefangenen scheint ausweglos, zumal die Gang Verstärkung gefunden hat. Immer mehr namen- und gesichtslose Bewaffnete dringen in die behelfsmäßige Festung ein, die Leichenberge häufen sich, doch letztlich kann das Revier befreit werden.
Carpenters Film bietet keine Lösungsvorschläge für die beängstigenden Ausmaße urbaner Gewalt. Die brutale Realität dient auch nur als Mittel zum Zweck, nämlich Spannung zu erzeugen.
Mit zuweilen bis zu 25 Schnitten pro Minute und einer dumpf pulsierenden Musik, die die Zuschauer auf die nächste gewalttätige Handlung vorbereitet, schuf Carpenter ein Meisterwerk des Suspense-Kinos. Allerdings lehnt Carpenter Vergleiche mit dem Meister des Suspense, Alfred Hitchcock, vehement ab. „Wie jeder andere Regisseur habe ich eine Menge von ihm gelernt. Ich bewundere ihn auch, und dennoch habe ich niemals versucht, ihn zu kopieren - im Gegenteil: Ich wollte es immer irgendwie anders machen als er. Er war der Meister des Suspense, jener Spannung, die sich über eine halbe Stunde hinweg entwickeln kann. Ich aber konfrontiere mein Publikum lieber mit Schocks - das geht schneller.“
Und so erzielte Carpenter mit der kalkulierten Ökonomie der dramaturgischen und produktionstechnischen Mittel ein Höchstmaß an Spannung, die sich ohne Rücksicht auf tiefere Bedeutung ganz der Maxime verpflichtet, das Publikum gut zu unterhalten.
„Ich habe das Gefühl, dass ich mich mit diesem Film auf sehr dünnem Eis bewege“, meinte Carpenter damals. „Wenn ich diesen Film unheimlich realistisch, ohne Feinheiten und Ironie gemacht hätte, wäre er in Amerika wahrscheinlich sehr viel besser angekommen. Meine Absicht war es, die Zuschauer zu unterhalten, sie mit den Personen im Film zum Lachen zu bringen und gleichzeitig die Gewalt im Film zu entwickeln.“
Dieses Ziel schien der Regisseur auch erreicht zu haben. Allein in den USA spielte der Film mit knapp acht Millionen Dollar wieder das Vielfache seiner Herstellungskosten ein und wurde zu einem Meilenstein in der Karriere des vielseitigen Regisseurs, der es schon immer vorgezogen hat, auch selbst die Musik zu seinen Filmen einzuspielen.
„Ich mache die Musik zu meinen Filmen deshalb selbst, weil ich der preiswerteste Komponist bin, den ich finden kann, und nebenbei auch gleich der beste. Ich arbeite sehr schnell. Ich kenne alle Szenen eines Films und weiß, was gerade gebraucht wird. Gerade für die kleinen und preiswerten Filme brauchten wir große Soundtracks. Und ich wollte nicht die üblichen Klischees von spannender Musik. Ich bin überzeugt davon, dass Musik einen Film total ruinieren kann, besonders die tollen Effekte eines Films.“

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