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Sonntag, 6. Dezember 2009

John Carpenter (Teil 3) - Ärger mit den großen Studios

Für das 1981 inszenierte Sequel „Halloween II“ schrieb Carpenter nur noch das Drehbuch, produzierte den Film zusammen mit Debra Hill und steuerte auch wieder die Musik bei. Nachdem der Film zwar genügend Geld einbrachte, um eine weitere Fortsetzung zu drehen, aber in allen Belangen künstlerisch enttäuschte, überließ er für die 1982 inszenierte Fortsetzung „Halloween III - Seasons of the Witch“ seinem Freund Tommy Lee Wallace nicht nur die Regie, sondern auch das Drehbuch, und war an diesem Teil nur noch als Produzent und Komponist beteiligt, bevor er ganz die Finger von den weiteren Sequels ließ.

Dafür nahm er sich 1983 des gerade auf den Bestsellerlisten ganz oben rangierenden neuen Stephen-King-Romans „Christine“ an. Die Vorproduktion war bereits bei Erscheinen des Romans, in dem ein 58er Plymouth ein unheimliches, mörderisches Eigenleben entwickelt, abgeschlossen. Mit fünf Wochen Drehzeit und einem Budget von 10 Millionen Dollar ging es dann an die Arbeit.
„Ich spürte sofort, dass dieses Buch viel mit dem Amerika von heute zu tun hat“, meinte Carpenter nach der Lektüre des Romans. „Es ist eine phantastische Geschichte, die man hervorragend verfilmen kann.“
Auch Stephen King war von der Idee angetan, dass John Carpenter seinen Bestseller auf die Leinwand bringen sollte.
„Wir beide lieben es, den Leuten Angst einzujagen, keine Frage, und beide mögen wir auch Fantasy-Elemente, und davon kann man eine Menge in den Film einbauen. Ich denke, John Carpenter ist ein extrem farbenfroher Regisseur mit einer gewaltigen Imagination. Er hat Energie, eine Menge Energie, die er in seinen Filmen umsetzt, und deswegen gehe ich eben in solche Filme, weil man diese Energie da sehen kann.“ Allerdings fiel Kings Reaktion offensichtlich etwas anders aus, nachdem er den Film gesehen hatte. „Stephen King mochte den Film überhaupt nicht“, meint Carpenter. „Er warf mir vor, seinen Stoff lieblos behandelt zu haben. Wahrscheinlich berührten ihn die Kritiker-Reaktionen nach „The Thing“ doch mehr, als er zugeben wollte, denn bei „Christine“ verzichtete er auf Splatter-Effekte, ließ dadurch aber den gesamten Film sehr blutleer wirken.
Daraufhin zog sich der Regisseur erst einmal aus dem Horror-Genre zurück und inszenierte 1984 das von Michael Douglas mitproduzierte Science-Fiction-Märchen „Starman“.
„Ich habe eine ganze Menge Thriller, Suspense- und Horrorfilme gemacht. Da möchte ich langsam auch in andere Gefilde. 'Starman' ist ein Schritt in die Richtung des eher dramatischen Films. Da gibt es auch Komödien-, Abenteuer- und Science-Fiction-Elemente, und das sind ja Dinge, an die ich gewöhnt bin“, begründete Carpenter den Genre-Wechsel, der zudem eine weitaus positivere Grundstimmung aufwies als seine apokalyptisch gefärbten Action- und Horror-Thriller.
„Es gibt so viele Filme in den USA heutzutage, die nur im Blickpunkt haben, was an diesem Land nicht stimmt. Mit 'Starman' gab es endlich einmal die Gelegenheit, die gute Seite Amerikas zu zeigen, die Schönheit des Landes und das Potential der Menschen, die darin wohnen.“
Jeff Bridges spielt darin einen Außerirdischen, der der Einladung der Voyager II Folge leistet, die Erde zu besuchen, wird aber von US-Kampfbombern abgeschossen. Während sein Körper beim Absturz des Raumschiffes verglüht, bleibt sein Geist in einem glühenden Energiefeld erhalten und findet im Wald ein beleuchtetes Haus. Anhand eines Fotos und einer Haarlocke verwandelt sich der Starman in das Ebenbild des kürzlich verstorbenen Mannes der Hausbewohnerin, die sich nach anfänglicher Verwirrung um den geheimnisvollen Besucher aus dem All kümmert und sich in ihn verliebt.
Für Jeff Bridges gab es immerhin eine Oscar-Nominierung, aber der domestizierte Regisseur, der das Komponieren der Filmmusik diesmal Jack Nitzche überlassen musste, wurde wieder mit dem Vorwurf konfrontiert, unter den Bedingungen eines Major-Studios seine eigene Handschrift eingebüßt zu haben. Da die „E.T.-Version für Erwachsene“ (Carpenter) aber genügend Zuschauer in die Kinos lockte, stand bereits das nächste Studio vor Carpenters Tür.
20th Century Fox plante den opulentesten Film überhaupt, und das Drehbuch zu „Big Trouble in Little China“ gefiel Carpenter so gut, dass er sogar das Angebot ablehnte, den Eddie-Murphy-Film „Auf der Suche nach dem goldenen Kind“ zu machen.
 Kurt Russel und John Carpenter am Set von "Big Trouble In Little China"

„Ein unglaubliches Potential an Magie, Unschuld, Freiheit und Verrücktheit“, schwärmte der Regisseur, der seit langem ein Fan der ostasiatischen Kampfsportarten Martial Arts war und immer davon geträumt hatte, einen Kung-Fu-Film zu drehen.
„Ich dachte lange darüber nach, was das Publikum wohl zu diesem Film sagen wird, als ich das Skript las. Mein Gott, ich habe nie zuvor etwas Abgedrehteres gelesen als das. Es ist ein amerikanischer Film mit amerikanischem Humor. Das Publikum, das sich mit unserem Protagonisten identifiziert, wird mit ihm in eine Welt katapultiert, in der es nie zuvor war, eine Welt, die so voll von Action und Abenteuern ist, dass man es kaum glauben kann.“
Allerdings war das Publikum von dem 19 Millionen Dollar teuren effektüberladenen Genre-Mix aus Abenteuerfilm, Thriller, Kung-Fu-Action und Fantasy-Spektakel allzu irritiert und verwehrte ihm den großen Erfolg.
Zwar sorgten die knallbunten Kostüme, die choreographisch hervorragend inszenierten Kampfszenen, die spektakulären Special Effects und die witzigen Dialoge für gute Unterhaltung, doch die Marketing-Strategie, den Film als „Indiana Jones“-Variante anzubieten, zündete nicht. Letztlich war auch John Carpenter mit seiner Situation unzufrieden und kündigte an, nie mehr mit einem großen Studio zusammenarbeiten zu wollen.
 „Ich hatte es satt, mich mit den Studios und unübersehbaren Budgets herumzuschlagen. Mit 15-20 Millionen Dollar werden die kreativen Instinkte nämlich paralysiert. Man will nichts mehr wagen und schläft selbstzufrieden ein“, meinte Carpenter, nachdem er einen Vertrag bei Alive Films unterschrieben hatte, die ihm völlige Freiheit bei seinen Filmen zusicherten.
„Sehen Sie sich die großen Produktionen doch einmal an. Jeder Special Effect kostet ein Vermögen, niemand bemüht sich mehr, erfinderisch zu sein. Wenn ich sage, da soll ein abgeschlagener Kopf am Boden mit den Augen rollen, dann rechnet mir der Experte vor, dass ich eine Gussplastik des Kopfes mit eingebauter Mechanik für die rollenden Augen benötige. Die können gar nicht mehr anders. Ich muss selbst kommen und diesem Experten sagen, dass sie vielleicht einen lebenden Mann einbuddeln, nur seinen Kopf zeigen, ein bisschen Make-up um den Hals legen, und dann ist der ach so teure Effekt fertig. Dann bekomme ich sofort recht. Aber niemand denkt mehr preiswert und kreativ. Da liegt die Misere.“
Mit seinem nächsten Film kehrte John Carpenter in vieler Hinsicht zu seinen Ursprüngen zurück. Zum einen finanzierte er „Prince Of Darkness“ (1987) mit einem relativ bescheidenen Budget von drei Millionen Dollar, wandte sich wieder dem von ihm so geschätzten Horror-Genre zu und griff in der Story ein Motiv auf, das er bereits in „Assault“ erfolgreich umsetzte: eine kleine Gruppe von „guten“ Menschen verbarrikadiert sich in einem Gebäude und wird von bösen Kreaturen belagert. Bei den guten Menschen handelt es sich um Studenten der Fachgebiete Atomphysik, Mikrobiologie, Chemie, Astrologie und Theologie, die in einer Kirche ein mysteriöses Gefäß mit einer grün leuchtenden Flüssigkeit untersuchen sollen, das von der ausgestorbenen Sekte der „Bruderschaft des Schlafes“ hinterlassen wurde.
Dabei stellt sich heraus, dass Satan selbst in diesem Gefäß gefangen ist und sich durch die Flüssigkeit, die aus dem Behälter dringt, ebenso vermehrt wie die finsteren Kreaturen (unter ihnen der brillante Alice Cooper), die um die Kirche herum lungern.

Die Voraussetzungen für einen erfolgreichen Film waren durchweg vorhanden: John Carpenter konnte - unter dem Pseudonym Martin Quatermass - sein eigenes Drehbuch verfilmen, seine Wunsch-Crew einsetzen und noch einen genialen, düster-wabernden, sphärisch-dichten Synthi-Score mit seinem Partner Alan Howarth komponieren, der durch die neu eingesetzte Midi-Technik sehr komplex wirkt und seine unheimliche Wirkung noch verstärkt.
„Der Einsatz der Midi-Technik ermöglichte es Alan, verschiedene Synthesizer übereinanderzulegen, die gleichzeitig von einem Keyboard gespielt wurden. Früher hätten wir beachtliche Zeit gebraucht und viele Tonspuren verwendet, um unsere musikalische Linie zusammenzustellen. Jetzt konnten alle Synthesizer im Studio zur gleichen Zeit auf einer Spur gespielt werden. Die orchestralen und elektronischen Möglichkeiten werden so plötzlich riesig.“
Abgesehen von der absoluten Kontrolle, die John Carpenter vertraglich von Alive Films für die vier vereinbarten Projekte bereits im Vorfeld durch Carolco finanziell abgesichert, die durch ihre Stallone- und Schwarzenegger-Produktionen Riesengewinne erzielt hatte und eine geschickte Video-, TV- und Auslandsmarketing-Strategie entwickelte.
„Na los, dann wollen wir mal sehen, ob ich jetzt mal wieder ein paar gute Filme machen kann. Ich habe mehr als vier Ideen im Kopf“, meinte damals ein optimistischer John Carpenter, der von seinem Alive-Debüt „Prince Of Darkness“ sehr angetan war. „Eine Kombination von Science Fiction und Horror, mit der ich wieder zu meinen Ursprüngen zurückkehrte. Von all meinen Filmen wurde er am meisten unterschätzt. Er war seiner Zeit weit voraus.“
Vielleicht konnte sich der Film deshalb nicht so recht an der Kinokasse durchsetzen. Auch wenn er der treuen Fangemeinde endlich wieder ein paar schauderhafte Gruselmomente präsentierte, blieben die Schockeffekte letztlich zu sehr der Horror-Tradition der 70er Jahre verhaftet.
Dank Carpenters rationeller und kostengünstiger Produktionsweise wurde das Drei-Millionen-Dollar-Budget immerhin schnell wieder eingespielt und sogar weit übertroffen. Es schien, als würden Carpenters Filme sowohl in künstlerischer als auch finanzieller Hinsicht besser abschneiden, wenn nicht so große Budgets und Kontrollinstanzen im Spiel sind.
„Jeder weiß, dass es einen direkten Zusammenhang zwischen meinen niedrigen Budgets und der kreativen Kontrolle über meine Filme gibt. Weniger Geld heißt weniger Leute, die mir in meine Anliegen hineinpfuschen können“, erklärte Carpenter diesen Zusammenhang. „Es heißt auch, dass ich nicht mehr den Verlockungen der Mega-Budgets erliegen kann. Jetzt bin ich wieder in der Wirklichkeit - in meiner Wirklichkeit.“

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