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Donnerstag, 2. September 2010

Dead Can Dance (Teil 1) - Vom Tode zum Leben

Seit über zwei Jahrzehnten faszinieren uns Dead Can Dance mit einer ganz außergewöhnlichen Musik, die mühelos alle musikalischen Grenzen und zeitlichen Horizonte zu überschreiten in der Lage zu sein scheint. Brendan Perry und Lisa Gerrard, die beiden mit der Musik auf fast magische Weise verwobenen Künstler, haben mit Dead Can Dance ein Forum geschaffen, das nun weit über die Dark-Wave-Szene, aus der das Duo anfangs seine größte Anhängerschaft rekrutiert, hinaus die menschlichen Sinne, sowohl das Herz als auch den Verstand zu betören versteht. Mittlerweile können die versierten und so vielseitigen wie feinfühligen Musiker auf sieben Studioalben zurückblicken, von denen keines dem anderen gleicht. 

Obwohl Dead Can Dance von früh an in die romantisch verklärte Mittelalter-Ecke gesteckt wurde, richteten Brendan und Lisa ihr Augenmerk immer nach vorn, waren stets auf der Suche nach neuen musikalischen Ausdrucksformen.
Ihren Ausgangspunkt nimmt die Geschichte von Dead Can Dance 1980, als sich die beiden Australier anglo-irischer Abstammung in Melbourne kennenlernen und nicht nur gemeinsamen Gefallen an Musik, Literatur und den darstellenden Künsten finden, sondern auch aneinander. 1981 gründen sie Dead Can Dance und veröffentlichen zunächst den scheppernd rhythmischen, wavigen Instrumental-Track „The Fatal Impact“ auf dem australischen Tape-Magazin „Fast-Forward“.
„Der Song handelt von den katastrophalen Folgen der Übernahme Australiens durch die Europäer und die daraus resultierende Zerstörung einer Aborigine-Kultur, die wesentlich älter und weiser war als die, die an ihre Stelle trat“, erklärt Brendan, der Anfang 1982 auf der Suche nach einem geeigneten Publikum mit Lisa nach London zieht, wo sie ein Jahr später von 4AD-Labelchef Ivo Watts-Russell unter Vertrag genommen werden, der an ein Demo-Tape der Band gekommen ist. Obwohl der Bandname leicht Assoziationen zur Wave- und Gothic-Ecke wecken konnte, wollten Brendan und Lisa doch etwas viel Fundamentaleres damit zum Ausdruck bringen, was gerade im Zusammenhang mit dem im März 1984 veröffentlichten und Songs aus den vergangenen vier Jahren enthaltenen Album „Dead Can Dance“ deutlich wird.
Das schwarze Cover mit dem archaischen Schriftzug der Band wird nämlich von einer Maske geziert, die stellvertretend das Konzept der Band symbolisiert.
„Das Bild auf dem Album, eine rituelle Maske aus Neu Guinea, versuchte, eine visuelle Neuinterpretation der Bedeutung des Namens Dead Can Dance zu liefern“, erläutert Brendan. „Die Maske, obwohl einst lebendiger Bestandteil eines Baumes, ist tot; dennoch ist sie durch die Kunst des Schnitzers mit eigener Lebenskraft beseelt. Um verstehen zu können, warum wir diesen Namen wählten, muss man an die Verwandlung von Unbeseeltheit in Beseeltheit denken, an die Prozesse im Zusammenhang mit `Leben aus dem Tod´ und `vom Tode zum Leben´.
So viele Menschen verkannten den inhärenten Symbolismus und waren der Annahme, dass wir `morbide Gothic-Typen´ sein müssten.“
„Der Name bezieht sich auf jenes Zwischenreich des schon Entschlafenen und noch Gegenwärtigen, aus dem man noch viel schöpfen kann“, fügt Lisa hinzu. „Tote können tanzen: Das bedeutet, dass man Verschüttetes wieder lebendig machen kann - so wie wir mit unserer Musik.“
Obwohl der Sound auf dem Debütalbum noch sehr zu wünschen übrig lässt und eine scheppernde Symbiose aus schneidenden E-Gitarren, rhythmischen Bässen, treibenden Percussionklängen und den schon erkennbar wandelfähigen Stimmen von Brendan und Lisa darstellt, wird schon in den Songtiteln wie „East Of Eden“, „A Passage in Time“, „Wild In The Woods“ und „Musica Eternal“ deutlich, dass man hier auf dem Weg ist, Musik für die Ewigkeit, jenseits von engen und einengenden musikalischen Stil- und Epochenbegriffen zu kreieren.
Die ebenfalls 1984 veröffentlichte 4-Track-EP „Garden Of The Arcane Delights“ ist wiederum mit einem äußerst symbolträchtigen Cover versehen.
„Die nackte Gestalt mit den verbundenen Augen stellt den primitiven Menschen dar, der - seiner Wahrnehmungskraft beraubt - innerhalb der Mauern eines Gartens (der Welt) mit einer Fontäne und Obstbäumen steht. Er streckt seinen rechten Arm - die Suche nach Wissen - zu einem der Obstbäume, um dessen Stamm sich eine Schlange windet. In der Gartenmauer - der Mauer zwischen Freiheit und Eingesperrtsein - gibt es zwei Türen: der dualistische Gedanke der Wahl. Das ist Blakes Theorie vom Universum, in dem die Menschheit sich nur selbst retten und von ihrer Blindheit befreien kann, wenn sie die Zeichen und Warnungen der Natur deutet.“
Mit dem 1985 erschienenen zweiten Album „Spleen And Ideal“ kommen Dead Can Dance ihrem umfassenden Musikverständnis und der eigenen Konzeption ihrer Kunst ein großes Stück näher. Das auf dem Debütalbum noch vorherrschende konventionelle Line-up aus Bass, Gitarre und Drums weicht auf dem Nachfolger einer verstärkt klassischen Instrumentierung aus Streichern, Percussions und Posaune; die grandiosen Stimmen der beiden Musiker kommen noch besser zum Ausdruck.
„Ich denke, dass dieses Album unser kreatives Aufblühen repräsentiert“, meint Brendan. „Wir sind der Interpretation des Ideals, für das Dead Can Dance steht, viel näher gekommen.“
Während auf der einen Seite die Einflüsse von Komponisten wie Igor Strawinsky oder Scott Walker deutlicher zutage treten, kommt auf der anderen Seite auch die unterschiedliche Gesangsarbeit der beiden zur Geltung. Lisa vermittelt den Songinhalt mit ihrer ganz individuellen Lautsprache aus keltischen, griechischen, archaischen und fiktiven Wortfetzen auf eine ganz intuitive Weise, während Brendan seinen Kompositionen eine eigene Poesie verleiht, die von Gefühlskonflikten, Seelenschmerzen und Unverständnis über die Übel dieser Welt geprägt ist.
„Die Begriffe `Spleen´ und `Ideal´ stammen aus dem Konzept der Symbolisten des 19. Jahrhunderts“, erläutert Brendan dann auch das Konzept des Albums.
„Spleen, das sind die bösen und zerstörerischen Aspekte der menschlichen Natur - Neid, Launen, Schadenfreude und Intoleranz. Sie galten damals als untrennbar mit dem Ideal verbunden. Einerseits verhinderten diese Aspekte das Bestehen des Ideals, andererseits bestimmten und beeinflußten sie seine Natur. Dementsprechend handeln unsere Stücke von Wahrheit und Illusion, Fremdbestimmung und Freiheit, Zweifel und Glauben, und darüber steht die Suche nach Vollkommenheit, das Erlangen des Ideals.“

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