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Sonntag, 22. Mai 2011

Playlist # 59 vom 22.05.11 - "THE CROW"-Special

„Creatures kissing in the rain/Shapeless in the dark again/In a hanging garden/Wearing furs and masks.“ 
Diese Zeilen aus dem 82er Song „The Hanging Garden“ von The Cure zählten zu den unzähligen Einflüssen, die der Comic-Zeichner James O‘Barr zu seiner mittlerweile berühmten „The Crow“-Comic-Serie inspiriert haben, die dann mit Brandon Lee genauso erfolgreich wie unglücklich verfilmt wurde. Zu tragischem Ruhm gelangte der Film zunächst durch den mysteriösen Tod des Hauptdarstellers, der ironischer weise einen von den Toten auferstandenen Rockmusiker mimt, der den brutalen Mord an seiner Verlobten rächen muss.
Dass sowohl O‘Barrs Comic-Bücher als auch die ersten beiden „The Crow“-Filme wie bislang kaum ein anderes Kulturgut das Lebensgefühl der Indie-Szene bildlich wie musikalisch zu reflektieren verstanden, ist in erster Linie natürlich den Visionen des Comic-Autors zu verdanken, aber letztlich auch den Produzenten der beiden Filme, die die Comic-Vorlage dem Massenmarkt zugänglich gemacht und dafür gesorgt haben, dass das Lebensgefühl eines bestimmten Teils der Jugendlichen in den 90ern auf transparente Weise in adäquater Atmosphäre manifestiert wurde.
James O’Barr schuf das Konzept von „The Crow“ in den frühen 80er Jahren als Reaktion auf den gewaltsamen Tod seiner Verlobten. Der autodidaktische Künstler, der in der Umgebung von Detroit zum Teil in Heimen und bei Pflegeeltern aufwuchs, fing während seiner Zeit beim Militär an, seine persönliche Tragödie zeichnerisch zu verarbeiten. Zu jener Zeit war er gerade mit der Marineinfanterie in Berlin stationiert, wo er an die Heerestruppen „ausgeliehen“ wurde, um einige Nahkampf-Unterrichtsbücher zu illustrieren:
„Ich meldete mich zum Marineinfanterie-Corps, damit ich aufhören musste zu grübeln und um meinem Leben eine feste Struktur zu geben“, blickte James O’Barr zurück. „Aber ich hatte immer noch so viel Wut und Frustration in mir, die einfach heraus mussten. Also begann ich eines Tages, ‚The Crow‘ zu zeichnen. Als ich mit dem Buch begann, war das für mich eine Art von Therapie. Ich zog es vor, statt eines sinnlosen Aktes der Selbstzerstörung lieber meine Wut auf Papier zu bannen.“
Dabei verarbeitete O’Barr so vielschichtige, düster-atmosphärische Einflüsse von Dichtern wie Edgar Allan Poe, Arthur Rimbaud, George Bataille, Nathaniel Hawthorne und Antonin Artaud ebenso wie dem Film noir, einem zweijährigen Medizinstudium sowie dem Studium klassischer Renaissance-Skulpturen, aber vor allem der Musik, die er Anfang der 80er Jahre in Berlin kennenlernte, nämlich von Bands wie Joy Division, The Cure, Bauhaus, die mit ihrem Outfit auch die Gestalt von Eric Draven prägten, der in der mythischen Geschichte um Liebe, Tod und Rache in „The Crow“ eine Schlacht gegen das Böse führt.
© Copyright by J. O'Barr
Die Körpersprache seines Protagonisten entlieh O’Barr der Punk-Ikone Iggy Pop, die Gesichtszüge dem damaligen Bauhaus-Sänger Peter Murphy, während das weiß geschminkte Gesicht mit den schwarzen Rändern um Mund und Augen auf den KISS-Masken basiert.
Das Comic erzählt die Geschichte von Eric, der in der Halloween-Nacht aus seinem Grab aufersteht, um von mysteriösen Kräften getrieben Rache für die vor genau einem Jahr begangenen brutalen Morde an seiner Verlobten Shelly und ihm selbst zu nehmen.
Bei seiner Mission wird er von einer geheimnisvollen Krähe geführt, die ihn als spiritueller Verbindungsbote zwischen der Welt der Lebenden und dem Reich der Toten zu den Mördern führt.
„Die Krähe, also der Vogel im Film, ist eine Art Begleiter, ein Teil von Erics eigener Persönlichkeit, der ihn in sein Leben zurückgeleitet und ihn daran erinnert, wer er war und was mit ihm geschah“, erklärte Eric-Draven-Darsteller Brandon Lee die Rolle der Krähe im Comic/Film. „Sie hilft ihm, das zu tun, was er tun muss, in einem sehr praktischen Sinn: Sie hilft ihm, Orte und Menschen zu finden, die er finden muss.“
Und deshalb müssen einer nach dem anderen von Top Dollars Gang, die gerade die Nacht des Teufels feiert und vor einem Jahr das brutale Verbrechen an Shelly und Eric begangen hat, für ihre Taten büßen. In einer Kirche kommt es schließlich zum Showdown zwischen Top Dollar, der mit seiner Geliebten Myca Shellys Erics kleine Freundin Sarah und die Krähe in der Gewalt hat, und Eric, der nun feststellen muss, dass auch er verwundbar ist, wenn die Krähe verletzt wird.
Zunächst schien sich kein Verleger für die düstere, von Liebe und Rache gespeiste Geschichte zu interessieren. Nach einigen Absagen verschwand das Manuskript für sieben Jahre in der Schublade, bis sich ein unabhängiger Verlag aus Detroit, Caliber Comics, O‘Barrs Werk annahm. Zwischen 1988 und 1989 erschienen dort vier Folgen von „The Crow“, bis finanzielle Probleme des Verlages ein weiteres Erscheinen der Serie beendeten. Doch O‘Barr, der in dieser Zeit auch für andere Bücher von Caliber Comics die Umschläge illustrierte, konnte „The Crow“ bei Kevin Eastmans Tundra Press unterbringen, wo man aus den Comic-Heften zwei Buchfolgen machte und mit einem dritten Buch mit völlig neuem Material die „Crow“-Saga zu Ende führte.
Ungefähr zu jener Zeit erwarb der Produzent Jeff Most eine Option auf die Verfilmungsrechte, als der Science-Fiction- und Fantasy-Autor John Shirley ihn auf „The Crow“ aufmerksam machte. Jeff Most war von dieser düsteren Großstadt-Allegorie, die sowohl in der Tradition der Gothic Novels als auch des Film noir stand, sofort begeistert.
„Was mich an dem Helden dieser Story so faszinierte, war, dass es sich hier nicht um den typischen Comic-Helden handelte. Hier haben wir einen Mann, der Gedichte rezitiert und der von Liebe und Zärtlichkeit motiviert ist“, meint Jeff Most. „Er erinnert mich sehr an das Frankenstein-Monster - dieselbe Humanität, die gepaart ist mit einem sehr starken Rachebedürfnis.“
Most fand sich schnell mit dem Produzenten Edward R. Pressman zusammen, der mit David J. Schow und John Shirley zwei erfahrene Fantasy- und Horror-Autoren für das Drehbuch verpflichtete.
Schow hat sich bislang vor allem als Splatterpunk-Autor einen Namen gemacht und die Drehbücher zu „Critters 3“, „Critters 4“, „Leatherface: The Texas Chainsaw Massacre III“ und „Nightmare on Elm Street V“ sowie einige Episoden für „Tales from the Crypt“ verfasst.
John Shirley ist vor allem Fantasy- und Science-Fiction-Lesern ein Begriff, vor allem durch seine Cyberpunk-Trilogie „Eclipse“.
Zunächst unternahmen Shirley und Schow einige Veränderungen an der Geschichte des Comics, um sie für die Leinwand adaptieren zu können.
So machte man aus Eric, dessen Background im Comic nicht explizit erwähnt wird, einen Rockmusiker, der aus der Arbeiterklasse kommt. Schließlich stellte die Musik eine entscheidende Inspirationsquelle für „The Crow“ dar, nachdem James O’Barr während seiner Highschool-Zeit in Detroit tief beeindruckt von KISS, den Stooges, den Ramones und der britischen Punk-Szene worden ist.
„Als ich das erste Mal Ian Curtis und Joy Division hörte, wusste ich sofort, dass ich endlich gefunden hatte, was ich suchte“, erinnert sich O'Barr. „Nichts war heilig; sie würden auf absolut ehrliche Weise über jede Art von Schmerz reden. Ich fühlte mich, als hätte ich einen Partner gefunden, der mich unterstützt. Ich habe endlos ihre Platten gehört, als ich an ‚The Crow‘ arbeitete. Später kamen The Cure hinzu, vor allem mit dem ‚Pornography‘-Album.“
Insofern verwundert es nicht, wenn Eric - dessen Nachname Draven im Film ein direkter Verweis auf Edgar Allan Poe ist, dessen Verse sowohl im Comic als auch im Film zitiert werden - nach Vorbildern aus dieser Szene modelliert wurde. Mit Brandon Lee, der für die Rolle des Eric Draven 15 Pfund abspeckte und Gitarre spielen lernte, hatte Edward Pressman auch bald den idealen Darsteller gefunden.
Der 1963 geborene Sohn des Kung-Fu-Action-Stars Bruce Lee sah in der Rolle des Eric Draven die größte Herausforderung innerhalb seiner Karriere und ging in der visuell überwältigenden Umsetzung der von Musik beseelten Erzählung von Liebe, Tod und Rache völlig auf.
„Es ist eine wunderbare Rolle, eine Rolle, bei der man Risiken eingehen muss“, erzählte Lee in seinem letzten Interview. „Man hat die seltene Gelegenheit, diese Risiken einzugehen, sie bis zum Äußersten auszuleben, weil niemand weiß, wie sich ein Mensch verhält, der von den Toten zurückkommt. Das ist mit das Schönste an der Rolle: Man kann mit vollem Einsatz spielen, weil es keine Regeln dafür gibt, wie sich eine Person verhalten wird, die von den Toten zurückkommt.“
Fasziniert war Brandon Lee vor allem von der Tiefe von Erics Emotionen. Der deutsche Film-Untertitel „Rückkehr aus Rache“ verweist zwar auf die vordergründige Antriebskraft, die Eric von den Toten zurückkehren lässt, und in dem einsamen Kampf gegen die brutale Verbrecher-Gang bleibt Erics Zorn allgegenwärtig, doch die in leuchtendem Rot gefilmten Erinnerungen an die glücklichen Tage mit Shelly demonstrieren auf der anderen Seite die aufrichtige Liebe, die Eric für sie empfand.
„Ein Teil von Eric ist voller Zorn, voller Hass auf das, was ihm angetan wurde. Ich finde es sehr schön, dass alle Wesenszüge der Hauptfigur gleichermaßen zum Tragen kommen“, meinte Lee.
„Eric ist ein emotional, körperlich und psychisch zerrissener Mensch. Ich glaube, Erics Mission ist rein und klar. Er ist zurückgekommen, um Gerechtigkeit zu finden.“
Dass ihm bei der Erfüllung dieser Aufgabe alle Mittel recht sind, auch die extrem gewalttätigen, war für Brandon Lee angesichts des qualvollen Todes, den gerade Shelly erleiden musste, nur allzu legitim: „In keinem Film, in dem ich gespielt habe, war, denke ich, Gewalt so gerechtfertigt wie in diesem. Es ist hier nicht notwendig, über Mitleid nachzudenken. Hier geht es um Gerechtigkeit, das sagt mir mein Gefühl, und ich weiß, ich würde in dieser Situation das Gleiche tun. Es gibt etwas, das Eric tun muss, und er ist gezwungen, seinen Schmerz so lange zu überwinden, bis er seine Aufgabe erfüllt hat. In diesem Film geht es um das Gleichgewicht zwischen Gut und Böse. Weil wir nicht wissen, wann wir sterben werden, sehen wir das Leben als unerschöpfliche Quelle“, philosophierte Brandon Lee kurz vor seinem eigenen Tod. „Aber die Dinge geschehen nur wenige Male und dann nie wieder. An wie viele Tage der Kindheit erinnert man sich, die das Leben so stark beeinflusst haben, dass es ohne sie nicht denkbar wäre? Vielleicht vier, fünf oder noch weniger? Wie viele Male sieht man den Vollmond aufgehen? Vielleicht zwanzigmal? Alles ist begrenzt. Das ist die Ansicht, die diese Figur den ganzen Film hindurch vertritt, weil ihr klar ist, wie wunderschön jeder Augenblick ihres Lebens ist.“

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Wie begrenzt die schönen Dinge des Lebens sind, musste Brandon Lee auf tragische Weise kurz darauf am eigenen Leib erfahren. Am 30. März 1993, acht Tage vor Aufnahmeschluss, sollte die Szene gedreht werden, in der Eric Funboy aufsucht, der sich gerade mit Sarahs drogenabhängigen Mutter Darla vergnügt. Als das „Action!“-Kommando von Alex Proyas am Set in den Carolco Studios ertönte, feuert Funboy-Darsteller Michael Massee wie geplant aus seiner Pistole, Kaliber 44, auf Brandon Lee, der daraufhin blutend zusammenbrach. Die Waffe, die nach der Benutzung in einer anderen Szene nicht überprüft wurde, war mit Patronenattrappen geladen, deren Pulverladung zu stark für die kurze Distanz zwischen Ziel und Schütze war und Brandon Lee tödlich verletzte. Zwar kämpften die Ärzte des New Hanover Regional Medical Center 13 Stunden lang um das Leben des 28-jährigen Schauspielers, doch verstarb dieser in den frühen Morgenstunden des 31. März.
Während die Crew schockiert vor der schweren Entscheidung stand, ob der Film beendet werden soll oder nicht, untersuchte der Staatsanwalt von North Carolina, ob die Crew oder die Produktionsfirma Crowvision Inc. Brandon Lees Tod zu verschulden hatte, fand aber keine Beweise dafür.
Derweil nahmen Brandon Lees Mutter Linda Lee Caldwell und seine Verlobte Eliza Hutton der Crew die Entscheidung über die Fortsetzung des Films ab. „Er sprach von der besten Rolle seiner Karriere und setzte große Hoffnungen auf den Film. Die Fertigstellung wäre in seinem Sinne gewesen“, meinte Eliza.
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Durch die Verzögerung waren die Produktionskosten zwar um acht auf 23 Millionen Dollar angestiegen, doch wollte man den Film nun von allen Seiten her unbedingt fertigstellen.
„Alle Beteiligten standen zu ‚The Crow‘ aufgrund der Arbeit, die Lee bereits vollbracht hatte“, meinte der ausführende Produzent Robert Rosen.
„Für uns war es gar keine Frage, dass wir hier eine komplette und bemerkenswert intensive darstellerische Leistung auf Film hatten. Wir wussten - wie schwierig es auch war, ohne ihn die Arbeit wiederaufzunehmen -, dass wir einen immens starken Film erhalten würden.“
Um den Film wie geplant beenden zu können, wurden nicht nur einige Szenen und Dialogpassagen neu geschrieben, um den psychologischen Aspekt, die der Todesfall in den Film brachte, herauszuheben, sondern es musste auch eine Lösung gefunden werden, wie die mit Brandon Lee noch geplanten Szenen realisiert werden konnten.
Die F/X-Firma Dreamquest Images, die ursprünglich insgesamt 44 digitale Effektszenen bearbeiten sollte, stand nun auch noch vor der Herausforderung, den verstorbenen Star wieder zum Leben zu erwecken.
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Da man keinen Darsteller mit einer Latex-Maske von Brandon Lee einsetzen wollte, konzipierte die F/X-Firma das Software-Programm „Image Stabilisation & Tracking“, mit dem Brandons Kopf aus bestimmten Szenen isoliert, im Computer zerlegt und auf dem Gesicht eines vor gleichem Hintergrund gefilmten Doubles wieder zusammengesetzt werden konnte. Außerdem ermöglichte das Programm die Herauslösung eines Schauspielers aus einem Bild, um ihn dann in ein anderes einzusetzen.
Auch die andere Hauptrolle des Films, die Krähe, benötigte einen Special-Effects-Experten. Da manche Szenen mit der Krähe unmöglich mit einer echten, wenn auch dressierten Krähe gedreht werden konnten, konstruierte man ein originalgetreues, batteriebetriebenes Vogel-Modell.
Über die Rolle der Krähe, deren mythologische Geschichte im Nachwort von A.A. Attanasio zum Comic rekapituliert wird, meinte Brandon Lee:
„Die Krähe, also der Vogel im Film, ist eine Art Begleiter, ein Teil von Erics eigener Persönlichkeit, der ihn in sein Leben zurückgeleitet und ihn daran erinnert, wer er war und was mit ihm geschah. Eric ist ein Mensch, der an die Grenzen seiner Fähigkeit der Realitätsbewältigung stößt. Manchmal dreht er gewissermaßen durch, ist er völlig krank. Beinahe schon so, wie man sich Verrückte vorstellt, die Stimmen hören - Stimmen der Vernunft, die ihn leiten, und eher irrationale Stimmen des Gefühls. Ich denke, dass die Krähe die Stimme der Vernunft ist, die ihn leitet. Sie hilft ihm, das zu tun, was er tun muss, in einem sehr praktischen Sinn: Sie hilft ihm, Orte und Menschen zu finden, die er finden muss.“
Mit Alex Proyas hatte man einen zwar noch Hollywood-unerfahrenen, aber für das ästhetische Programm des Films idealen Regisseur gefunden, der sowohl die düstere Atmosphäre als auch die tragende Rolle der Musik adäquat filmisch in Szene zu setzen verstand.
„Die Musik ist praktisch ein weiterer Darsteller im Film“, erklärt Jeff Most. „Uns war klar, dass die Musik zweierlei Aufgaben zu erfüllen hatte. Sie musste die Story vorantreiben und den Stil und die Stimmung des Comics transportieren, während er filmisch umgesetzt wurde.“
Alex Proyas schien deshalb der geeignete Mann für diese Aufgabe zu sein, weil der australische Musikvideo- und Werbefilmer bereits mit so hochkarätigen Künstlern wie INXS, Sting, Fleetwood Mac, Steve Winwood, Joe Jackson und Mike Oldfield zusammengearbeitet und Werbespots für Swatch, Nissan, Kleenex, American Express, Nike und Coca Cola gedreht hat.
1992 wurde er sowohl in Sydney als auch in London mit dem Best Commercial Director Award ausgezeichnet.
Er verstand es, sowohl die düstere, post-apokalyptische Großstadt-Atmosphäre des Comics als auch die ungewöhnlich herausragende Rolle der Musik auf eine einzigartige Weise zu visualisieren.
„Der Comic ist in schwarz-weiß und er spielt auch in einer schwarz-weißen Welt des Guten und des Bösen“, erklärt der Regisseur. „Wir haben dem Film diese Qualität durch die Art der Ausleuchtung gegeben und dadurch, dass wir nur sehr selektiv und spezifisch mit Farben gearbeitet haben. Wir verwenden keine Blau- oder Grüntöne, was dem Film einen dunklen und expressionistischen Look gibt. Das ist ein sehr aggressiver Stil, dem die Rockmusik Tempo verleiht. Ich wollte dieses rohe Gefühl frenetischer Energie, das aus der Rockmusik stammt, die wir auf unserem Soundtrack haben.“
Ein Film, dessen Inspiration größtenteils auf dem alternativen Düsterrock von Bands wie The Cure und Joy Division zurückzuführen sind und dessen visueller Stil eben darauf zugeschnitten sein soll, muss natürlich den musikalischen Aspekt auf besondere Weise hervorheben. Mit einem simplen Underscoring, als dem musikalischen Untermalen der filmischen Handlung, das oftmals kaum bewusst wahrgenommen wird, konnte es bei „The Crow“ nicht getan sein. Auch begnügte man sich nicht mit der üblichen Praxis, einen Sampler mit bekannten Titeln zusammenzustellen, um ihn im Zuge des Filmerfolgs gut verkaufen zu können.
Was den Part der instrumentalen Filmmusik angeht, engagierte man mit Graeme Revell einen Komponisten, der zum einen mit seiner früheren Post-Industrial-Band SPK in der alternativen Musikszene groß geworden ist, bis er mit der Filmmusik zu Phillip Noyce‘ 89er Psychothriller „Dead Calm“ die Aufmerksamkeit von Hollywoods Top-Agenten für Filmkomponisten, Richard Kraft, erweckte. Zum anderen zählt er in Hollywood zu der jüngeren Garde von Komponisten, die mit recht eigenwilligen, unkonventionellen Methoden für neue Töne in der Filmmusik sorgen. Revell komponierte für „The Crow“ einen ungewöhnlich ethnisch geprägten und percussionkräftigen Score, der auch viel mit dem Einsatz unterschiedlicher Stimmen arbeitet.
"Bevor der Unfall mit Brandon Lee passierte, sah ich die Zukunft nicht als post-apokalyptisches Desaster. Ich glaube nicht, dass wir uns das so vorgestellt haben, noch betrachtete ich es als modernes und sauberes japanisches Unternehmens-Ballungsgebiet, was die Kehrseite der Zukunftsvision zu sein scheint, die die meisten Science-Fiction-Filme propagieren. Ich sah die Zukunft als exotische Misch-Kultur, die die Informationsrevolution jedem ins Haus und in jedermanns Psyche bringt. Als ich erfuhr, dass der Film in Detroit spielen sollte, meinte ich, okay, aber das ist kein Grund, um nicht mit Hardcore-Rap anzukommen. Denn die Zukunft in Detroit ist wie die Zukunft vieler Orte auf dieser Welt und deshalb eine Mixtur aus vielen Einflüssen. Das ist meine musikalische Vision von dem, was die Zukunft bringen wird. Als ich dann anfing, mit Djivan Gasparyan zu arbeiten, der das armenische Duduk spielte, klang es ein wenig zu ethnisch, also verband ich das Duduk mit Stimmen, was ein neues Instrument ergab. Man konnte nicht mehr bestimmen, was man genau hörte und wo man sich geographisch befand. Danach spielte ich mit barocken Elementen, mit einem Kinderchor.
Ich glaube, dass dadurch nicht nur die ganze Welt zusammengekommen ist, sondern auch die Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft. Der Grund, warum wir so auf barocke Musik ansprechen, liegt auch am Erfolg der Chormusik, ganz unabhängig von Religion und Rasse, was die Leute immer noch gern hören.“
Wenn man nicht gerade Revells atemberaubende Musik im Film zu vernehmen ist, treiben die Songs von Nine Inch Nails (mit dem grandiosen Joy-Division-Cover „Dead Souls“), The Cure mit dem wütend pulsierenden „Burn“ oder die auch im Film präsenten Acts My Life With The Thrill Kill Kult („After The Flesh“) und Medicine („Time Baby III“) die Handlung voran und untermalen gleichzeitig Erics Emotionen im Kampf gegen das Böse, unterstreichen aber auch die Atmosphäre der großstädtischen Schauplätze des Films.
Schließlich hat Graeme Revell den balladesken End-Titles-Song „It Can’t Rain All The Time“ für Jane Siberry geschrieben, der das - wenn man es so nennen mag - Happy End musikalisch beschließt, als Eric nach erfolgreicher Mission auf den Friedhof zurückkehrt, um ein letztes Mal Abschied von Shelly zu nehmen, die ihm noch einmal als Vision erscheint.
Natürlich kann man auf der einen Seite über das filmische Endprodukt meinen, es sei nur „eine dünnblutige Grufti-Variante simpler ‚Ein Mann sieht rot‘-Vergeltungsplots“ (Cinema 8/94), denn in der Tat wirken die Figuren im Film stereotypisch und eindimensional, sind entweder eindeutig gut oder böse. Doch in visueller Hinsicht zählt die Verfilmung von James O‘Barrs Kult-Comic zu den besten Realumsetzungen solcher Vorlagen, verstand es Proyas doch vorzüglich, die trostlose, in Regen und Dunkelheit getauchte Atmosphäre des postapokalyptischen Detroit auf finstere Weise in Szene zu setzen und der Inspirationsquelle Musik die Bedeutung zukommen zu lassen, die die Geschichte so geprägt hat. Letztlich sind es die visuell überwältigenden dunklen Farbgebungen, die atemlose Schnittfolge und die brillante Musik sowohl von Graeme Revell als auch den Vertretern der Underground-Rock-Szene, die einem im Gedächtnis bleiben und weniger die kaum differenzierten schauspielerischen Leistungen und das eher schwache Drehbuch.
Dank der außergewöhnlichen Atmosphäre des Films - und wohl auch wegen Brandon Lees tragischen Tod - entwickelte sich der Gothic-Fantasy- und Action-Film zu einem Überraschungshit, der weltweit mehr als 100 Millionen Dollar einspielte.
Trotz Brandon Lees Tod stand es außer Frage, dass es eine Fortsetzung der ohnehin als Trilogie geplanten „Crow“-Saga geben würde. Obwohl die Geschichte von Eric Draven sowohl im Comic als auch im Film abgeschlossen war, ließ die Comic-Vorlage keinen Zweifel daran, dass der Geist der Krähe auch weiterhin ihren Einfluss auf ruhelose Seelen ausüben würde.
In vielerlei Hinsicht blieben die Produzenten Ed Pressman und Jeff Most dem Konzept des ersten „Crow“-Films treu: Mit Tim Pope engagierte man wieder einen Hollywood-Neuling als Regisseur, der aber aufgrund seiner langjährigen Zusammenarbeit mit The Cure (für die er 32 Clips und den Konzertfilm „Live In Orange“ drehte), aber auch mit Acts wie Soft Cell, The The, Iggy Pop, The Psychedelic Furs, Neil Young und Paul Mc Cartney noch besser dafür geeignet erschien, James O‘Barrs Visionen auf der Leinwand gerecht zu werden.
Alex Mc Dowell besorgte als Production Designer wieder eine abgrundtief düstere Gothic-Kulisse, während Graeme Revell einen noch mystischeren, kraftvolleren und größtenteils choralen und äußerst rhythmischen wie ethnischen Score komponierte, aber auch zusammen mit Jeff Most und seinem Freund, Real-World-Label-Chef George Acogny, den Rock-Sampler produzierte.
Mit Vincent Perez, der Regisseur Tim Pope durch seine Darstellung in „Die Bartholomäusnacht“ aufgefallen war, hatte man einen Schauspieler gefunden, der in der Rolle des neuen Helden Ashe Corven zwar Eric Draven verblüffend ähnlich sieht, aber einen ganz anderen Charakter darstellt. Für Vincent Perez bedeutete das nichtsdestotrotz, sich zunächst mit dem auseinanderzusetzen, was in Sachen „The Crow“ bislang produziert worden ist.
„Die Art, wie ich damit umgegangen bin, umfasste viele verschiedene Stufen. Am Ende war es so, dass ich mich glücklich schätzte, dass Brandon Lee und James O’Barr so etwas in Gang gesetzt haben“, verriet mir der Charakterdarsteller in Hamburg beim Interview. „James O‘Barr verlor seine Freundin und brauchte Jahre, um sich von diesem Verlust zu erholen. Man schlug ihm vor, das Comic zu verfilmen, und auch Brandon Lee, der ein guter Freund von ihm war, starb bei den Dreharbeiten, so dass die Tatsache, dass ein weiterer ‚Crow‘-Film gemacht werden sollte, für ihn sehr schwer zu verdauen war. Aber je länger wir an dem Film arbeiteten, um so mehr schienen sich die negativen Assoziationen aufzulösen, weil uns bewusst geworden ist, dass James O‘Barr und Brandon Lee etwas ganz besonderes geschaffen haben. Die ‚Crow‘-Filme bedeuten eine Art des Respekts für das, was James O‘Barr initiiert hat. Die Idee, die hinter seinen Comics steht, ist die, dass jeder die Krähe sein kann. Wenn man seine Comic-Bücher liest, kann man beobachten, dass jede Geschichte einen anderen Stil aufweist.“
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So wurde der Schauplatz der neuen Geschichte von Detroit nach Los Angeles verlegt, wo der Mechaniker Ashe und sein Sohn Danny zufällig Zeugen eines Mordes werden, worauf sie von den skrupellosen Killern des Drogenbarons Judah umgebracht und ins Wasser geworfen werden. Sarah, das kleine Mädchen aus dem ersten Film, ist nun eine erwachsene Frau und wird Zeuge von Ashes Wiederauferstehung. Wieder begleitet die Krähe eine ruhelose Seele bei ihrem Weg zurück zu den Lebenden. Durch sie realisiert Ashe, warum er zurückgekehrt ist.
„Ashe hat seinen Sohn verloren und war mit ihm im Limbus (Vorhölle als Aufenthaltsort u.a. ungetauft gestorbener Kinder, Anm. d. Verf.) gefangen. Beide starben und erlitten gewaltige Pein“, erklärte Vincent Perez. „Ashe musste den Limbus verlassen und die Reise antreten, um Rache zu üben, das Ritual durchzuführen, damit die ruhelosen Seelen um ihn herum Ruhe geben, die ebenso Opfer waren wie er und sein Sohn.
Ich denke, es geht um Reinheit und nicht darum, Leute umzubringen. Es geht darum, Dingen gegenüberzutreten, darum, sterben zu können. Man muss in gewisser Weise seinen Sünden entgegentreten. Ashe muss herausfinden, ob die Leute in der Welt, in die er eintritt, lebende Menschen sind oder Geister wie er selbst. Er hat Angst davor, den Tod zu akzeptieren ebenso wie der von Iggy Pop gespielte Curve Angst vor Gott hat. Deshalb hält Ashe eine Art Messe für ihn ab, als Curve stirbt, lebt ihm eine Münze in den Mund und erzählt ihm die Geschichte über den Fluss Styx. So etwas haben wir für jede Rolle gemacht, was ich sehr interessant fand.“
Letztlich führt Ashe das gleiche Ritual durch, das schon Eric Draven im ersten Film hinter sich bringen musste, um seine Seele zur Ruhe kommen lassen zu können. Er spürt mit Hilfe der Krähe Judahs Gang auf - darunter eben auch Iggy Pop, der bereits im ersten Film den Part von Funboy übernehmen sollte, wegen bevorstehender Plattenaufnahmen aber nicht konnte - und bringt einen nach dem anderen um, bis er sich inmitten der Feierlichkeiten zum „Tag der Toten“ dem sadistischen Drogenbaron stellen muss, in dessen Händen sich sowohl Sarah als auch die Krähe befinden.
Obwohl der Charakter von Ashe das gleiche Schicksal wie Eric Draven teilt und den gleichen Weg zu Erlösung beschreiten muss, ging Vincent Perez sehr ambitioniert an seine Rolle heran.
„Ich hatte die Idee, Ashe als eine Art Mischung zwischen Hamlet und Jim Morrisson darzustellen, und zwar wegen der Reflexionen über den Tod, über das Reale und Irreale. Ist das, wie ich lebe, real oder entspringt es meiner Imagination. Deshalb geht Ashe zurück in die Garage, um nachzusehen, ob sein Sohn wirklich tot ist. Aber selbst als er sich davon überzeugt hat, wirkt alles so unwirklich. Ich fand diesen Kampf, den Ashe mit sich selbst austrug, sehr interessant. Auf der anderen Seite lag Jim Morrisson wegen der Anziehungskraft des Todes, der Ruhe des Todes, dem Wunsch, den Tod zu küssen, nahe, wegen des Wunsches, die Zunge tief in den Mund des Todes zu stecken, was für die sexuelle Anziehungskraft des Todes steht“, erläuterte Vincent Perez im Interview. „Ich denke, der ganze Film handelt vom Leben nach dem Tod. Die ruhelosen Seelen versuchen einen Weg zu finden, zur Ruhe zu kommen. Ich denke, dass alle Rollen in dem Film Seelen sind. Die ganze Stadt ist voller Seelen. Das ist eine Idee, die ich sehr mag. Zunächst war Sarah die Führerin von Ashe, dann wurde Ashe der Führer all dieser Opfer und zum Schluss führt einer den anderen zu diesem Ort des Friedens. Am Ende geht Sarah zu Gott, vor dem sie zunächst Angst hatte, und er geht zu seinem Sohn zurück.“
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Den Vorwurf, dass „The Crow: City Of Angels“ nur die Geschichte des ersten Films auf andere Weise erzählt und keine eigentlich neuen Ideen zu präsentieren hat, ließ Perez nicht gelten.
„Ich kann wirklich nicht verstehen, wie die Leute auf die Idee kommen können, dass die Filme einander ähnlich sein sollen. Wenn man sich die Comic-Bücher anschaut, sind da zwanzig, dreißig verschiedene ‚Crow‘-Geschichten drin. Dabei geht es um ein Ritual. Und jeder Darsteller muss dieses Ritual durchführen. Aber jede Person erlebt dieses Ritual auf andere Weise, redet anders, bewegt sich in andere Richtungen und auch in einer anderen Welt. Die Welt des ersten Films war regnerisch und nass, diese ist gelblich und die meiste Zeit trocken.“
Auch Jeff Most beschwörte den eigenständigen Charakter des neuen Films: „Diesmal ist die Geschichte nicht in Detroit, sondern in einem düsteren, unheimlich anmutenden Teil von Downtown L.A. angesiedelt - einem fast schon ätherisch anmutenden Ort, der den perfekten Raum bildet für die Trauer und die Schwierigkeiten, die Ashe überwinden muss. Und er ist ein Held von geradezu klassischem Format; wir haben nicht einfach nur Eric durch eine andere Person ersetzt. Ashe besitzt eine weitaus größere emotionale Tiefe. Diese zu zeigen, dazu gibt ihm eine verbotene Liebe Gelegenheit - nämlich die Liebe zwischen einer Person aus Fleisch und Blut und einer, die definitiv nicht von dieser Welt ist.“
Schließlich lenkte auch Drehbuchautor David Goyer von den extrem gewalttätigen Elementen des Films ab. Eigentlich hatte er beabsichtigt, die Beziehung zwischen Ashe und Sarah in den Vordergrund zu stellen.
„Viele Leute befürchteten, dass wir eine Art ‚Ein Mann sieht rot‘-Version aus ‚The Crow‘ machen würden. Ich denke, sie werden angenehm überrascht sein, denn im Kern handelt es sich um eine tragische Liebesgeschichte“, meinte Goyer, der die Zitate von Edgar Allan Poe aus dem ersten Film durch Hinweise auf Motive aus der griechischen Mythologie, Dantes „Inferno“ und aus dem Symbolismus ersetzte. Die Essenz von O’Barrs Comic-Vorlage - wahre Liebe ist stärker als der Tod - wurde nicht nur durch die innige Beziehung zwischen Ashe und seinem Sohn, sondern auch zwischen ihm und Sarah mit in den zweiten Film transportiert.
„Ashe ist in gewissem Sinne ein Rächer wider Willen. Es erschien logisch, mit Sarah eine Frau zurückzubringen, die schon einmal mit der Krähe in Verbindung stand, um Ashe bei seinem spirituellen Übergang zu begleiten.“
Tim Pope oblag es nun, zum einen die Atmosphäre, die den ersten Film auszeichnete, nicht nur wieder herzustellen, sondern sogar noch zu intensivieren: zum anderen kam es darauf an, den neuen Film mit einer eigenständigen Handschrift zu versehen.
'The Crow: City Of Angels‘ ist aufgrund der Art und Geschichte des Films einer der am schwierigsten zu realisierenden Nachfolgefilme überhaupt“, gestand der erfahrene Musikvideo-Regisseur. „Als ich an Bord kam, jagte mir zunächst der Gedanke Angst ein, die Sache weiterzuspinnen. Schließlich war der erste Film ein großer Erfolg gewesen, der Hauptdarsteller aber nicht mehr am Leben.“
Deshalb bemühte sich Pope mehr darum, den neuen Protagonisten tiefer auszuloten und sein Tun transparenter zu machen. „Was ich mit dem Film vor allem versuchte zu erforschen, war das Paradoxon von Ashes Charakter. Er ist eigentlich tot, erwacht jedoch zu neuem Leben, um ein paar Leute zu killen und sich dann für immer schlafenzulegen. Ich würde den Job nicht wollen, aber Ashe hat keine Wahl - er muss irgendwie mit dieser Situation klarkommen, die ihm in seinem Innersten schwer zu schaffen macht. Außerdem fand ich es wichtig, die Idee, dass Liebe über den Tod hinaus existieren kann, noch genauer zu ergründen. Denn dies ist der entscheidende Weg, um die Hauptfigur und deren Handlungsweisen wirklich zu begreifen.“
Auch in visueller Hinsicht bemühten sich Tim Pope und Alex McDowell um eine Abgrenzung vom ersten „The Crow“-Film, tauchten die Filmszenerie in ein gelbliches Natrium-Licht, das speziell bei schwarzweißen Modeaufnahmen verwendet wird.
„Der erste Film roch nach Erde“, beschrieb der Regisseur, „was aus dem Umstand resultierte, dass Eric aus dem Grab gestiegen kam. Mein Film riecht nach Wasser und Nebel - tatsächlich ist Wasser im Film die entscheidende Metapher. Wir waren schwer angetan von der Idee, dass das, was unter der Oberfläche zu sehen ist, lediglich ein Reflex dessen ist, was sich über der Oberfläche befindet. Wir schufen eine Stadt, die eingeschlossen ist von einem Fluss und die man deshalb nur über eine Brücke erreicht. Der Fluss ist unser Styx, und Brücken sind die Verbindung zwischen Leben und Tod.“
Allerdings zählen weder die symbolischen Elemente noch die im Grunde genommen bereits in „The Crow“ erzählte Geschichte zu den Stärken des Films - es ist einmal mehr die mächtige visuelle, höchst intensiv und beklemmend wirkende Schaueratmosphäre in Verbindung mit einem krachenden Rock-Soundtrack, der durch Graeme Revells symphonischen, choralgewaltigen Score kongenial ergänzt wird.
Nachdem sich der Rock-Sampler zum ersten Film weltweit mehr als 2,7 millionenmal verkauft hatte, sollte das Song-Album zu „The Crow: City Of Angels“ ebenfalls eine „Background-Story zum Film“ (Tim Pope) liefern.
Jeff Most, George Acogny und Graeme Revell haben dafür wieder ein breites Spektrum an zumeist extra für den Film aufgenommene Songs zusammengestellt, die die Genres College Rock, Alternative Metal, Rap, Blues Rock und Techno Rock abdecken. Das britische Erfolgsquartett Bush spielte eine schleppende Coverversion von New Orders „In A Lonely Place“ ein, Hole verpassten dem Stevie-Nicks-Song „Gold Dust Woman“ eine aggressive Note, und die Metal/Funk-Formation White Zombie nahm sich KC & The Sunshine Bands Klassiker „I’m Your Boogie Man“ an. PJ Harvey, Pet, NY Loose, Iggy Pop, Filter, Korn, Deftones, Linda Perry und andere teilweise hierzulande noch unbekannte Acts komplettieren den 74-minütigen, aufwendig gestalteten Soundtrack, der wie Graeme Revells Score bei Hollywood Records erschienen ist.
Auf dem Score-Album befindet sich auch die schöne Ballade „Believe In Angels“, die Revell mit Heather Nova geschrieben hat.
"Der erste Soundtrack repräsentierte noch die 80er Gothic-Welt, der neue Sampler ist rauer, den 90ern angepasst“, erläuterte Revell mir das Konzept des Samplers. „Die einzigen beiden Gruppen, die ich erneut auf dem Soundtrack hätte haben wollen - obwohl die meisten der Gruppen des ersten Samplers auch auf den zweiten wollten, doch wir mussten anders an den zweiten Sampler herangehen, damit es nicht wie ein ausbeutendes Sequel wirkt -, waren The Cure, und ich habe Bush gefragt, ob sie den Joy-Division-Song ‚In A Lonely Place‘ covern wollten. Das haben sie auch gemacht, es ist einer meiner Lieblingssongs. The Cure sandten einen Song ein, aber der schien nicht recht zu passen. Wir haben eine Menge anderer Bands, die wirklich merkwürdig sind.
Als es darum ging zu überlegen, welche Musik zu dem Film passen würde, hatten wir nicht nur das Skript zu berücksichtigen, sondern den Film als kulturelles Phänomen zu betrachten, zum Teil wegen Brandon Lees Tod, aber auch wegen des Rock'n'Roll-Soundtracks. Die Erwartungen des Publikums sind an etwas gebunden, was man nur als den ‚Cool‘-Faktor des Films bezeichnen kann. Abgesehen von den dramatischen Erfordernissen, die die Musik zu erfüllen hat, muss man sie dem Publikum auf eine Weise präsentieren, dass es sie cool findet. 
Man muss bestimmte Entscheidungen treffen. Als wir damit begannen, den Rock'n'Roll-Soundtrack zusammenzustellen, den ich produziere, konnten die Anwälte und Produzenten nicht verstehen, dass wir mit einer Liste von Gruppen ankamen, von denen sie noch nie etwas gehört haben. Z.B. verkauft eine Gruppe wie Korn, was eine der neuen amerikanischen Bands ist, 400.000 Platten, aber niemand kennt sie, weil es eine neue Art von Independent-Band ist, die durchs College-Radio verbreitet wird.
Das ist großartig, etwas, das in Europa um 1980 herum passierte. Diese Wahl muss man ebenso treffen wie die, z.B. ein Action-Thema zu schreiben. Es gibt vielleicht zwanzig verschiedene Wege, ein Action-Thema zu komponieren, aber nur einen für einen Film wie ‚The Crow‘, weil man berücksichtigen muss, wie das Publikum aussieht und was es hören möchte. Es geht eben nicht nur darum, den Film als 90-minütiges Werk an sich zu betrachten, sondern man verbindet ihn mit allen anderen Filmen, die man bisher gesehen hat."
Ob die „Crow“-Saga tatsächlich noch in die dritte Runde geht, war lange Zeit fraglich, denn der zweite Film erfüllte kaum die Erwartungen seiner Produzenten. Vincent Perez stand jedenfalls nicht mehr für ein weiteres Sequel zur Verfügung. „Ich glaube jeder ‚Crow‘-Film benötigt einen neuen Darsteller. Man muss die Idee der Comic-Bücher respektieren, denn da spielt in jeder Geschichte eine andere Person“, meinte Vincent Perez. „Vielleicht sollte man für einen weiteren Film eine Frau nehmen.“
Zunächst ging „The Crow“ aber auf dem Fernsehbildschirm in Serie. In „The Crow – Stairway To Heaven“ versuchte Martial-Arts-Action-Star Mark Dacascos („Crying Freeman“) 1998 in 22 Folgen als Eric Draven ein Gleichgewicht zwischen Gut und Böse auf der Erde herzustellen.
Zwar erschien im Jahre 2000 mit „The Crow: Salvation“ ein weiteres Sequel im Spielfilmformat, wurde aber gleich direkt auf Video veröffentlicht, hierzulande unter dem Titel „The Crow III – Tödliche Erlösung“. Unter der Regie von Bharat Nalluri stand im dritten „Crow“-Films Alex Frederic Corvis (Eric Mabius), der irrtümlicherweise wegen Mordes an seiner Freundin Lauren auf dem elektrischen Stuhl schmoren muss. Wie aus den früheren „Crow“-Filmen bekannt, kehrt auch Alex aus dem Reich der Toten zurück, um den Mord aufzuklären und die wahren Schuldigen zu bestrafen, wobei er feststellen muss, dass es die Mörder mittlerweile auch auf Laurens Schwester Erin (Kirsten Dunst) abgesehen haben. Auch wenn der Film selbst in Videotheken ein Schattendasein fristete, gaben sich die Filmemacher bei den Soundtracks wieder große Mühe. Als Komponisten konnte man immerhin Marco Beltrami verpflichten, der später auch mit „The Crow“-Regisseur Alex Proyas an „I, Robot“ und „Knowing“ zusammenarbeitete. Und auf dem Rock-Sampler waren Top-Acts wie Filter, Stabbing Westward, Kid Rock, Danzig, Rob Zombie, Tricky, Monster Magnet, Hole und andere vereint.
Mit „The Crow: Wicked Prayer“ wurde 2005 ein weiterer Versuch gestartet, der düsteren Saga um Liebe, Tod und Rache neues Leben einzuhauchen.
Als während eines grausamen satanistischen Rituals Jimmy Cuervo (Edward Furlong) und seine Freundin Lily getötet werden, kehrt Jimmy noch vor Vollendung des Rituals mithilfe der Macht der Krähe aus dem Reich der Toten zurück und will Rache für den Tod seiner Geliebten und zudem verhindern, dass der Anführer der satanischen Biker-Bande nach dem Ritual unsterblich wird … Trotz prominenter Darsteller wie David „Angel“ Boreanaz, Tara Reid und Dennis Hopper bleibt „The Crow: Wicked Prayer“ durch seine platte Story und die holprige Inszenierung das mit Abstand schwächste Sequel in der „The Crow“-Reihe.
So hat man mittlerweile auch auf die Veröffentlichung eines Soundtracks verzichtet. Der Score von Video-Spiel-Komponist Jamie Christopherson („Spider-Man: Web Of Shadows“, „Lost Planet: Extreme Condition“, „The Golden Compass“) ist nur als Promo erhältlich.
Doch damit ist das „The Crow“-Kapitel längst nicht beendet. Wie zuvor bei „Halloween“, „Freitag, der 13.“, „Texas Chainsaw Massacre“, „The Hills Have Eyes“ oder „A Nightmare On Elm Street“ wird nun auch „The Crow“ wahrscheinlich 2013 als Remake auf der Leinwand zu sehen sein ...

Filmographie:
1994 – „The Crow“
1996 – „The Crow: City Of Angels“
1998 – “The Crow: Stairway To Heaven” (TV-Serie, 22 Folgen)
2000 – “The Crow: Salvation”
2005 - "The Crow: Wicked Prayer"
2013 (?) – “The Crow” (Remake)

Playlist:
 
1 Graeme Revell - Birth Of The Legend (The Crow - Score) - 06:16
2 The Cure - Burn (The Crow - Soundtrack) - 06:39
3 Bush - In A Lonely Place (The Crow: City Of Angels - Soundtrack) - 06:01
4 Linda Perry feat. Grace Slick - Knock Me Out (The Crow: City Of Angels - Soundtrack) - 06:51
5 Graeme Revell - The Campanile (The Crow: City Of Angels - Score) - 04:10
6 Graeme Revell - The Crow Descends (The Crow - Score) - 02:30
7 Marco Beltrami - Alex Corvis' Execution (The Crow: Salvation - Score) - 04:05
8 Tricky - Antihistamine (The Crow: Salvation - Soundtrack) - 04:39
9 Peter Manning - Telling A Story (The Crow: Stairway To Heaven) - 03:04
10 Michael Hoenig - Track 31 (The Crow: Stairway To Heaven) - 02:50
11 Jamie Christopherson - Wedding Chapel (The Crow: Wedding Chapel) - 03:05

Playlist # 59 vom 22.05.11 - NEUHEITEN 2011 (1)

Zur Abwechslung gibt es in der zweiten Stunde der heutigen Sendung mal kein Special zu einer Filmreihe, einem Komponisten, Regisseur oder Schauspieler, sondern ein Potpourri aktueller Soundtrack-Veröffentlichungen.

Den Anfang macht der wunderschöne Score zu Peter Weirs Ende Juni in Deutschland anlaufenden Drama „The Way Back“ des gebürtigen Frankfurters Burkhard Dallwitz, der im Alter von zwanzig Jahren nach Australien ausgewandert ist und mit Peter Weir bereits 1999 an dessen Film „The Truman Show“ zusammengearbeitet hat, in den letzten Jahren aber vor allem fürs australische Fernsehen tätig gewesen ist („Underbelly Files“).
Auch von Rachel Portman war in der jüngsten Vergangenheit wenig zu hören. Für die Bestseller-Verfilmung „Never Let Me Go“, die hierzulande unter dem Titel „Alles was wir geben mussten“ seit April in den Kinos läuft, hat die britische Komponistin wieder einen sehr gefühlvollen, minimalistisch instrumentierten, von Streichern und Piano getragenen Score produziert, der in bester Tradition ihrer Meisterwerke wie „Gottes Werk und Teufels Beitrag“ oder „Die Legende von Bagger Vance“ steht.
Weitaus umtriebiger ist dagegen Hollywoods Top-Komponist James Newton Howard. Nach seinen eindrucksvollen Zusammenarbeiten mit seinem ebenso illustren Freund Hans Zimmer an den beiden „Batman“-Reboots „Batman Begins“ und „The Dark Knight“ war er zuletzt mit der Agenten-Action-Komödie „The Tourist“, den beiden Comic-Verfilmungen „The Green Hornet“ und „Green Lantern“ ebenso zu hören wie nun in der Bestseller-Verfilmung von Sara Gruens „Water For Elephants“, die den versierten Komponisten erneut mit Regisseur Francis Lawrence („I Am Legend“) zusammenbrachte. Dabei bettete er seine einfühlsamen Melodien in ein Geflecht von konventionellen Orchester-Arrangements und einem Zirkus/Jazz-Ensemble ein, womit Howard einmal mehr ein außergewöhnliches Album gelungen ist.
Animationsfilme erfreuen sich seit Jahren schon großer Beliebtheit an den Kinokassen, und oftmals war Hans-Zimmer-Adept John Powell bei der musikalischen Untermalung mit von der Partie („Ice Age 2+3“, „Horton hört ein Hu!“, „Robots“). Wie bereits bei „Kung Fu Panda“ kreierten John Powell und Hans Zimmer den Score zu „Kung Fu Panda 2“ gemeinsam und bringen eine erfrischende chinesische Note in das putzige Dreamworks-Animationsabenteuer. In Eigenregie verzaubert John Powell auf seinem Score zu „Rio“ mit brasilianischen Klängen, in die er Fragmente von den Songs „Favo Del Mel“, „Funky Monkey“ und „Ararinha“ eingebettet hat.
Hans Zimmer selbst überrascht auf dem Soundtrack zum neuen „Fluch der Karibik“-Abenteuer „Fremde Gezeiten“ derweil mit ungewöhnlich zurückhaltenden Tönen. Zwar ist auf dem Soundtrack immer mal wieder der Zimmer-typische Soundwall-Bombast zu hören, wie er bei Jerry-Bruckheimer-Action-Blockbustern Konvention geworden ist, aber es überwiegen auf angenehme Weise die Klänge des mexikanischen Gitarrenduos Rodrigo y Gabriela. Abgerundet wird das Soundtrack-Album mit diversen DJ- und Electro-Remixen.
Brian Tyler ist gleich mit zwei neuen Action-Filmen im Kino zu sehen und zu hören. Während er auf dem fünften „The Fast & The Furious“-Abenteuer „Fast Five“ ein interessant brodelndes Gemisch aus coolen Electro-Klängen und satten Orchester-Arrangements präsentiert, bietet er beim apokalyptischen Kriegsdrama „Battle: LA“ das ganze Kontingent des Hollywood Studio Symphony Orchesters auf und lässt dabei vertraute Americana-Harmonien durchdringen.
Vom britischen Komponisten Paul Leonard-Morgan war hierzulande noch nicht viel zu hören. Das könnte sich mit seinem ersten Blockbuster-Film „Limitless“ demnächst ändern. Auf vitale Weise verbindet er hier chillend groovende Electro-Sequenzen mit feinen Orchester-Sounds, die man sich durchaus einmal öfter anhören mag.
Noch elektronischer geht es natürlich bei The Chemical Brothers und ihrem Score zu „Wer ist Hanna?“ zu. Mit ihren progressiven Electro-Tracks war das Duo aus Manchester bereits auf etlichen Soundtracks wie „The Jackal“, „Lara Croft: Tomb Raider“, „The Saint“ oder „Gone In Sixty Seconds“ vertreten, nun legen sie mit „Hanna“ ihren ersten eigenständig produzierten Score vor, das mit einem herrlich verträumt-verspielten Hauptthema aufwartet, oft aber die typisch Electro-Rhythmen präsentiert, für die Ed Simons, Tom Rowlands bekannt sind.
Zum Abschluss geht es aber wieder groß orchestral zu. Christopher Young hat in Hollywood den mühsamen Weg über unzählige Horror- und Psychothriller-B-Produktionen nehmen müssen, bis er zu dem gefragten Meisterkomponisten der heutigen Tage geworden ist und Major-Produktionen wie „Untraceable“, „The Informers“, „Spider-Man 3“ und „Schiffsmeldungen“ mit seinen brillanten Kompositionen veredelt. Aber Young, der durch Horror-Filme wie „Hellraiser“, „Hellbound“, „Species“ und „The Fly II“ bekannt geworden ist, kehrt auch heute noch immer wieder gern in dieses Genre zurück. Nach Sam Raimis „Drag Me To Hell“ und „Der Exorzismus der Emily Rose“ präsentiert er mit seinem Score zur Manga-Verfilmung „Priest“ wieder einen gotisch anmutenden, stark chorallastigen Soundtrack, der Horror-Herzen höher schlagen lässt.
Auch Shakespeare-Experte Kenneth Branagh („Viel Lärm um nichts“, „Henry V.“) hat sich überraschender weise für seinen neuen Film eine Comic-Vorlage ausgesucht, nämlich Stan Lees 1962 gestartete „Thor“-Serie, die Branagh nun bildgewaltig auf die Leinwand gebracht hat. Sein Stamm-Komponist Patrick Doyle schuf dazu die passend heldenhaft-pompöse musikalische Untermalung.

Playlist:
1 Burkhard Dallwitz - Tibet (The Way Back) - 05:26
2 Rachel Portman - Main Titles (Never Let Me Go) - 02:58
3 James Newton Howard - Circus Fantasy (Water For Elephants) - 03:45
4 John Powell und Hans Zimmer - Save Kung Fu (Kung Fu Panda 2) - 03:41
5 John Powell - Bedtime Flyers (Rio) - 02:58
6 Hans Zimmer feat. Rodrigo y Gabriela - South of Heaven's Chanting Mermaids (Pirates of The Caribbeans: On Stranger Tides) - 05:50
7 Brian Tyler - We Are Still Here (Battle: Los Angeles) - 03:15
8 Brian Tyler - Turning Point (Fast Five) - 03:47
9 Paul Leonard-Morgan - Trippy (Limitless) - 03:45
10 The Chemical Brothers - Hanna’s Theme (Vocal Version) (Hanna) - 05:27
11 Christopher Young - A World Without End (Priest) - 07:38
12 Patrick Doyle - The Compound (Thor) - 07:42

Sonntag, 8. Mai 2011

Playlist # 58 vom 08.05.11 - WES CRAVEN Special

Wes Craven – am 2. August 1939 in Cleveland, Ohio, unter dem Namen Wesley Earl Craven geboren – zählt neben John Carpenter und George Romero zu den bekanntesten Filmemachern des Horror-Genres, der bereits mit seinen Frühwerken „Das letzte Haus links“ (1971) und „Hügel der blutigen Augen“ (1977) neue Maßstäbe gesetzt hat, vor allem aber mit „A Nightmare On Elm Street“ 1984 eine der erfolgreichsten Horror-Serien in Gang setzte. Dieses Kunststück gelang Craven 1996 auf eindrucksvolle Weise ein weiteres Mal, als er mit „Scream“ für eine neue Art des Schreckens auf der Leinwand sorgte. Anfang Mai startet Teil 4 der erfolgreichen Reihe auch in den deutschen Kinos.
Wes Craven wuchs in einer strenggläubigen Baptisten-Familie auf, doch seine Eltern ließen sich scheiden, als der junge Wes gerade mal sechs Jahre alt war, was tiefe Wunden in der Seele des kleinen Jungen hinterließ und erklärt, warum die kleinbürgerliche amerikanische Durchschnittsfamilie oft eine so große Rolle in Cravens Filmen spielt. Nach seinem Studium der Literatur und Psychologie am Wheaton College in Illinois, seinen erfolgreichen Abschlüssen in Philosophie und „Writing“ an der John Hopkins Universität und seiner anschließenden Lehrertätigkeit am Clarkson College in Potsdam, New York, stellte er nämlich in seinem Debütfilm „Das letzte Haus links“ eine intakte Familie in den Mittelpunkt, die von einem gesuchten Mörder heimgesucht wird, der bereits die vermisste Tochter auf dem Gewissen hat. Doch bis zu seinem ersten Film war es ein langer Weg. Als Kind strenggläubiger Eltern waren ihm Ablenkungen, die die Populärkultur bot, verboten. Er heiratete jung und trug schnell die Verantwortung für eine Familie, die er ernähren musste.
Als er während seiner Lehrtätigkeit 1968 mit seinen Studenten den 45-minütigen Kurzfilm „The Searchers“ fertigstellte, merkte Craven, dass er seine Profession wechseln möchte. Er verließ das College, nachdem er in den Semesterferien eine Filmschule in Manhattan besucht hatte. Mit Filmschnitt-Jobs bei Sex-Produktionen und als Taxi-Fahrer hielt sich Craven leidlich über Wasser, musste dann die Trennung von seiner Frau verkraften. Doch das Schicksal wendete sich zum Besseren, als Wes Craven den jungen Filmemacher Sean S. Cunningham kennenlernte, für dessen Sex-Drama „Together“ er 1971 zunächst den Schnitt, dann auch die Co-Regie übernahm. Der Film wurde so erfolgreich, dass das Studio Cunningham 90000 Dollar für einen Film seiner Wahl zur Verfügung stellte. Da dieser aber mit anderen Projekten beschäftigt war, trug er Wes Craven den Job an, der an einem Wochenende das Skript zu „Das letzte Haus links“ verfasste. Inspiriert von Ingmar Bergmans Klassiker „Die Jungfrauenquelle“ wollte Craven allerdings nicht wie Bergman über die Existenz Gottes diskutieren und keine philosophische Auseinandersetzung mit Schuld und Sühne inszenieren, sondern den Akt der Gewalt und seine moralischen Implikationen beleuchten. Für Cunningham fiel der Film allerdings zu hart aus. Entsetzt musste er feststellen, dass Craven nicht wie die meisten seiner Kollegen über eine Schere im Kopf verfügte. Für Craven bedeutete der Film allerdings auch die Verarbeitung all der Enttäuschungen und Entbehrungen der letzten Jahre. Obwohl der Film in oft um 15 bis 20 Minuten gekürzten Versionen in den Kinos zu sehen war, wurde „Das letzte Haus links“ zu einem großen Erfolg und stempelte Wes Craven als Horrorfilmregisseur ab.
So sehr er sich das auch wünschte, andere Möglichkeiten, als im Horror-Genre zu arbeiten, ergaben sich für Craven nicht. So nahm er 1977 etwas widerstrebend das Angebot an, für seinen Freund, den B-Movie-Produzenten Peter Locke „Hügel der blutigen Augen“ zu inszenieren. Der Film handelt von einer Familie, die mit ihrem Wohnmobil in der Wüste eine Panne hat und von einer Kannibalenfamilie, die durch Atomtests in den 50er Jahren degeneriert ist, konsequent dezimiert wird.
„Ein großer Teil des Horrors steckt in den rauen Bildern, einer Mischung aus cinéma verité und Exploitation, und in der musique concrete der Wüste, einer seltsamen Geräuschsymphonie. (…) Zudem haben Cravens Monster Überzeugungskraft. Man hat Angst vor ihnen, und man hat Mitleid. Sie sind eine tatsächlich schreckliche, grausame Addams-Familie der Wüste, Punks eines nuklear verseuchten Wasteland, Techno-Kannibalen mit Walkie-Talkies, verwildert auf dem Müllplatz der Zivilisation“, urteilt Hans Schefferle in seinem Buch „Die 100 besten Horror-Filme“ (Heyne, S. 78).
Bei der Auftragsarbeit „Eine tödliche Bedrohung“ fürs Fernsehen musste sich Wes Craven ein Jahr später allerdings in Sachen Gewaltdarstellung stark zurücknehmen. 1981 durfte er mit „Tödlicher Segen“ erstmals einen Film für ein Major Studio realisieren. Der Film handelt von einer religiösen Sekte, deren Anführer seine Jünger mit fanatischem Eifer zu einem gottgefälligen Leben anhält.
Als zwei hübsche Mädchen vom College in der texanischen Stadt auftauchen, wird die Gemeinde durch eine Reihe offenbar religiöser Morde erschüttert. Wie seine Vorgänger erwies sich auch „Tödlicher Segen“ als gewinnträchtig, aber Craven musste feststellen, dass er im Studiosystem von Hollywood nur bestehen konnte, wenn er sich auf Änderungswünsche der Produzenten einließ.
Für seinen nächsten Film, eine Verfilmung des erfolgreichen DC-Comics „Das Ding aus dem Sumpf“, konnte der Regisseur mit dem höchsten Budget seiner bisherigen Karriere arbeiten, immerhin drei Millionen Dollar. Der Film erzählt die Geschichte des Arztes Alec Holland, der im Kampf gegen den Hunger ein Pflanzenwachstumsmittel herstellen wollte, aber einem Anschlag des Milliardärs Arcane mit dem Mittel infiziert wurde und zu einer grässlichen Kreatur - halb Mensch, halb Pflanze - mutierte. Cravens in den Sümpfen angesiedelte Version von „Das Schöne und das Biest“ scheiterte allerdings kläglich an den Kinokassen.
Als eine ebenso unglücklich erwies sich Cravens Entscheidung, mit „Im Todestal der Wölfe“ 1983 eine Fortsetzung von „Hügel der blutigen Augen“ zu drehen.
Erst mit „Nightmare – Mörderische Träume“ gelang Craven der große Coup, mit dem er zu einem Meister des Genres avancierte. Im Gegensatz zu den humorfreien Teenie-Slashern „Halloween“ und „Freitag, der 13.“ wollte Craven mit „A Nightmare On Elm Street“ ein breites Publikum ansprechen und seine Hauptfigur Freddy Krueger als verunstaltete Kreatur die Träume seiner Opfer heimsuchen lassen. Zu den Erfolgsfaktoren des Films zählen nicht nur die gelungene Inszenierung und die starken Schockmomente. Craven bewies ein gutes Gespür für die Befindlichkeiten des jugendlichen Publikums. Statt sie zu verklären oder zu verharmlosen, setzte er sich ernsthaft mit ihren Problemen und Ängsten auseinander und bereitete damit gewissermaßen den Weg für die populären Teenager-Dramen „The Breakfast Club“, „Pretty In Pink“ oder „Ist sie nicht wunderbar?“.
„Freddy ist der Geist eines Kinderschänders, den die Eltern in der Elm Street bei lebendigem Leib verbrannt haben. Der Dämon also spricht nicht nur von seiner eigenen Schuld (von einer furchtbaren Drohung, die uns in die Welt der Kindheit schien), sondern auch von der lange verdrängten Gegenschuld der Eltern. Die Gestalt von Freddy Krueger, sein zynischer, böser Humor, seine Mischung aus Schrecken und Groteske wurde zu einem ungemein verbreiteten Ikon in der Teenager-Kultur. (…) Die primäre Erfahrung der jugendlichen Heldinnen und Helden in den ‚Nightmare‘-Filmen ist Einsamkeit und Verlassenheit, die Unfähigkeit der Erwachsenen, der Gesellschaft, der Religion, der Wissenschaft, sie gegen das selbst erzeugte Böse zu beschützen. So können die jugendlichen Zuschauer Freddy gar nicht wirklich hassen; der eigentliche Zorn der Filme richtet sich gegen die Ignoranz der Erwachsenen, gegen ihre Weigerung, Schuld und Gegen-Schuld zu verarbeiten“, fassen Georg Seeßlen und Fernand Jung in „Horror – Grundlagen des populären Films“ (Schüren, S. 653) zusammen.
Trotz des riesigen Erfolgs von „A Nightmare On Elm Street“ gab es erhebliche Differenzen zwischen Craven und dem Studio New Line Cinema, die zwar eine Fortsetzung planten, aber Craven gar nicht erst fragten, ob er daran irgendwie beteiligt sein wollte. Stattdessen inszenierte Craven für CBS zunächst mit „Chiller – Kalt wie Eis“ (1985) seine eigene Frankenstein-Variante und dann einige Folgen für die Neuauflage der erfolgreichen Horror-Serie „Twilight Zone“, die zwischen 1959 und 1965 große Erfolge in den USA feierte. Mit „Die Superdetektive“ entstand 1986 ein familienfreundlicher Fernsehfilm über zwei Kinder und ihren Großvater, die gemeinsam eine Geldfälscherbande auffliegen lassen. Noch im selben Jahr griff Craven das Frankenstein-Motiv für seinen nächsten Kinofilm auf.
In „Der Tödliche Freund“ wird die Frankenstein-Figur von einem 14-jährigen Computergenie verkörpert, der zunächst einen Roboter kreiert und dessen Hauptchip schließlich in den Körper seiner getöteten Freundin implantiert.
Nachdem er mit „Tödlicher Segen“ bereits einen Film mit religiöser Thematik abgeliefert hatte, wandte Craven sich mit „Die Schlange im Regenbogen“ dem Voodoo-Phänomen zu und formte den gleichnamigen Sachbuch-Bestseller des Ethnobotanikers Wade Davis zu einem atmosphärisch dichten Horror-Thriller vor dem Hintergrund der haitianischen Diktatur um. „Terminator“-Komponist Brad Fiedel trug mit seinem großartigen rhythmischen Score sehr zum Gelingen des auf Tatsachen beruhenden Thrillers bei, der vor allem in Japan, aber auch in Frankreich und Großbritannien wie eine Bombe einschlug.
Sehr radikal ging Craven bei seinem nächsten, programmatisch „Shocker“ betitelten Film vor, in dem ein Mörder aus dem Reich der Toten zurückkehrt und sich auf einen niemand verschonenden Rachefeldzug begibt. „Shocker“ ist darüber hinaus aber auch eine kritische Auseinandersetzung mit den Medien, wenn Cravens Protagonisten ins Innere eines Fernsehgeräts geschickt werden und dabei meist bei Sendern landen, die Gewaltfilme zeigen.
„Die entscheidende Gefahr des Fernsehens ist, dass es passiv macht. Ich habe mich in meinem Shocker mit der Vorherrschaft des Fernsehens in unserer Kultur befasst und den düsteren Ausblicken, die diese Tatsache mit sich bringt“, wird Wes Craven in „Teen Scream – Titten & Terror im neuen amerikanischen Kino“ von Rüdiger Dirk und Claudius Sowa (Europa, S. 50) zitiert.
1989 kehrte Craven wieder zum Fernsehen zurück, fungierte zunächst erfolglos als Executive Producer für die Serie „The People Next Door“ und scheiterte auch drei Jahre später mit der Anthologie-Serie „Nightmare Café“, in der Freddy-Krueger-Darsteller Robert Englund Menschen die Möglichkeit eröffnete, sich ihren düstersten Albträumen zu stellen.
Mit „Night Vision“ entstand 1990 eine Art Vorläufer zu Serien wie „Millennium“ und „Profiler“. Doch NBC wollte die Geschichte um eine Polizeipsychologin, die in Trancezuständen fähig ist, sich in die Psyche von Mördern hineinzuversetzen, nicht in Serie gehen lassen.
1991 kehrte Craven mit „Das Haus der Vergessenen“ auf die Kinoleinwand zurück, und zwar auf die kompromisslose Weise seiner Frühwerke. Er erzählt die Geschichte eines namenlosen weißen Hausbesitzer-Paars in einem Ghetto, aus dem die Schwarzen vertrieben werden sollen.
Als der schwarze Fool und seine Mutter aus ihrer Wohnung geschmissen werden, bricht der Junge mit seiner Schwester und zwei Freunden aus Verzweiflung in das Haus seiner Peiniger ein, um Geld für die Operation seiner krebskranken Mutter zu besorgen. Doch die Hausbesitzer entpuppen sich als Psychopathen, die verstümmelte Kinder im Keller gefangen halten und alles töten, was sich ihnen in den Weg stellt. Einzig die hübsche Alice lebt wie ein halbwegs normales Mädchen in dem Haus, darf aber keinen Kontakt zur Außenwelt unterhalten.
Craven verband in diesem Film gleich mehrere Märchenmotive – z.B. aus „Hänsel und Gretel“, „Frau Holle“ und „Aschenputtel“ – und lässt in diesem durchaus mit schaurigen Effekten garnierten Sozialmärchen am Ende die Guten über die Bösen siegen.
„Der Film ist ein Sinnbild dafür, wie sich viele Kinder zuhause fühlen – als Gefangene“, erklärte der Regisseur dazu.
Die Musik zu dem schauderhaften Horror-Märchen lieferten gleich zwei Komponisten, zum einen Don Peake, der für Craven bereits „Hügel der blutigen Augen“ vertont hatte, und Graeme Revell, der seine ersten Credits für Horrorfilme wie Tobe Hoopers „Fire Syndrome“ und „Chucky 2“ verdient hatte.
1991 fand auch die erfolgreiche „Nightmare“-Reihe ihr vorläufiges Ende. Doch der sechste Teil „Freddy’s Dead: The Final Nightmare“ bescherte Freddy Krueger einen mehr als enttäuschenden Abgang. Rechtzeitig zum zehnten Jubiläum des ersten „Nightmare“-Films wollte Wes Craven 1994 etwas Neues zur Serie beisteuern und entschied sich für eine Parodie auf sich selbst. Er ließ in „Freddy’s New Nightmare“ die drei Hauptdarsteller des originalen Films – Robert Englund, John Saxon und Heather Langenkamp – sich selbst spielen und entwickelte eine intelligente Film-im-Film-Thematik, in der die Dreharbeiten zu einem siebten „Nightmare“-Teil von Albträumen, Freddys Rückkehr und entsetzlichen Todesfällen überschattet werden.
Seeßlen/Jung resümieren in „Horror – Grundlagen des populären Films“:
„Während das Slasher Movie der Familie ein Zerrbild der eigenen Widersprüche zwischen Sexualität, Familie und Wahn entgegenhält, drehen sich die Filme der Nightmare-Art förmlich in den Familienroman. Als Zustandsbeschreibung werden sie zugleich genauer und milder, und so wie das Slasher Movie eine furchtbare Art der fundamentalen Moralisierung betreibt, erzeugt der Horrorfilm der Nightmare-Art eine Art der negativen Ideologie. Den Slasher kann man, allenfalls, überleben, Freddy Krueger muss bezwungen werden, indem man soziale und psychische Kompetent mobilisiert, er ist ein sehr schräger Pädagoge, der das seine tut, die amerikanische, bürgerliche Person zu formen. Das Mainstreaming dieser Horror-Figur beschreibt Robert Englund: ‚Die frühen Fans waren Punk-Rocker und Heavy-Metal-Freaks. Heute kommen sie aus allen Schichten: Rechtsanwälte, Star-Trek-Fans, Hardcore-Horror-Fans und Eltern, die 1984 ihr erstes Date im Autokino hatten und vor lauter Angst ein Baby produzierten.‘“ (Schüren, S. 660)
Zwar fuhr „Freddy’s New Nightmare“ einen Gewinn ein, enttäuschte aber alle Erwartungen der Beteiligten. Offensichtlich war das Zielpublikum mit der selbstreflexiven wie selbstironischen Geschichte noch überfordert. Zwei Jahre später ging ein ganz ähnliches Konzept mit „Scream“ allerdings wunderbar auf.
Zuvor sollte tat sich Craven keinen großen Gefallen, die Regie der Eddie-Murphy-Vampirkomödie „Vampire in Brooklyn“ zu übernehmen.
Als Wes Craven das Angebot bekam, für das kleine Major-Studio Miramax einen Horrorfilm mit Drew Barrymore in der Hauptrolle und vielen weiteren Jungschauspielern zu drehen, war er mehr als interessiert. Schließlich unterzeichnete Craven einen Deal über drei Filme, der neben einem möglichen Sequel zu „Scream“ auch einen Film ohne Genrebegrenzung enthielt.
Nachdem die ersten beiden „Scream“-Filme fett an den Kinokassen abgeräumt hatten, wollte Miramax natürlich gern gleich den dritten „Scream“-Film produzieren, doch Craven bestand auf der Einhaltung der Vertragsklausel, einen Film ohne Genrebegrenzung drehen zu dürfen, und erfüllte sich mit „Music Of The Heart“ einen Traum, nämlich eine zu Herzen gehende Geschichte über eine engagierte Geigenlehrerin (Meryl Streep), die schwarzen Kindern im Elendsviertel East Harlem mit ihrem Musikunterricht half, eine Zukunftsperspektive zu entwickeln.
Zwar kehrte Wes Craven anschließend mit „Scream 3“ umgehend zu seinem Erfolgskind zurück, ließ sich anschließend aber Zeit, um den Werwolf-Flop „Verflucht“ (2005) zu inszenieren, der wie die komplette „Scream“-Reihe und alle weiteren Craven-Werke von Horror-Spezi Marco Beltrami („Mimic“, „The Faculty“) vertont wurde. In dem modernen Werwolf-Film spielen Christina Ricci und Jesse Eisenberg ein verwaistes Geschwisterpaar, das bei einer nächtlichen Heimfahrt in einen Autounfall gerät und von einem großen Tier angegriffen wird, das von dem Jungen gleich als Werwolf identifiziert wird. Tatsächlich verspürt das Mädchen bald Lust auf rohes Fleisch …
Das seit der „Scream“-Trilogie eingespielte Team Williamson/Craven kreierte mit „Verflucht“ einen ansehnlichen Schocker, bei dem auch der schwarze Humor nicht zu kurz kommt.
Mit „Red Eye“ drehte Craven zeitgleich einen Suspense-Thriller, in dem die aufstrebende Hotel-Managerin Lisa (Rachel McAdams) während der Wartezeit auf ihren Rückflug von Dallas nach Miami mit dem charismatischen Jackson (Cillian Murphy) flirtet. Doch während des Flugs lernt sie Jacksons dunkle Seite kennen, als ihr Sitznachbar sie nötigt, telefonisch ein einen Zimmertausch in ihrem Hotel anzuordnen, um so einen Anschlag auf einen Geschäftsmann zu ermöglichen – ansonsten löscht ein Killer das Leben ihres Vaters (Brian Cox) aus …
Mit seinem Beitrag „Père Lachaise“ zur Kurzfilm-Anthologie „Paris Je t’aime“ durfte sich Wes Craven anschließend von seiner romantischen Seite präsentieren. Ein Spaziergang über den berühmten Pariser Friedhof führt Frances (Emily Mortimer) vor Augen, dass ihr Verlobter William (Rufus Sewell) völlig humorlos ist. Als sie die Hochzeit platzen lassen will, lehrt der Geist von Oscar Wilde dem verschmähten Mann eine Lektion in Sachen Liebe und Poesie.
Mit dem in 3D gefilmten Teenie-Horror-Streifen „My Soul To Take“ kehrte Wes Craven im vergangenen Jahr zum Slasher-Genre zurück, indem er eine Gruppe 16-Jähriger an einem Seeufer niedermetzeln lässt. Bei der Kritik kam der Slasher nicht so gut weg:
Wes Craven ist seit den 70ern eine feste Größe im Slasher-Kino. ‚Das letzte Haus links‘ und ‚Hügel der blutigen Augen‘ haben sich tief ins Genre-Gedächtnis gebrannt, vor allem aber hat Craven mit Freddy Krueger (‚Nightmare - Mörderische Träume‘) eine Metzel-Ikone geschaffen, die neben haltlosen Sequels und Spin-Offs selbst das Platinum-Dunes-Remake ‚A Nightmare on Elm Street‘ überstanden und sich fest in der Popkultur etabliert hat. Wenn Wes Craven aber eines nicht ist, dann eine feste Größe im zeitgenössischen Horrorfilm. Die Themen heute, das sind die Vampir-Metapher (‚So finster die Nacht‘, ‚True Blood‘), der liebevolle Zombie-Ulk (‚Shaun of the Dead‘, ‚Zombieland‘), kontrovers diskutierter Torture Porn (‚Saw‘, ‚Hostel‘) und das neue Spiel mit Authentizität (‚Paranormal Activity‘, ‚Cloverfield‘). Es braucht schon eine zündende Idee, um dem überrumpelten Slasher-Genre in diesem Chor Gehör zu verschaffen. Seit 1994 (‚Freddy's New Nightmare‘) ist Craven nicht mehr als Regisseur und Autor zugleich aktiv gewesen. Mit dem 3D-Teenie-Horror ‚My Soul to Take‘ steigt er wieder ein und offenbart, dass er keinen Schimmer hat, wie er das Slasher-Motiv noch variieren oder zumindest engagiert inszenieren soll“, kanzelt Jan Hamm Wes Craven in seiner Kritik auf filmstarts.de ab.
Zum Glück hat Wes Craven mit „Scream 4“ wieder zu alten Tugenden zurück gefunden, aber dazu mehr in dem „Scream“-Special in der kommenden Stunde.

Filmographie:
1971: Together
1972: Das letzte Haus links (The Last House on the Left)
1975: Angela, the Fireworks Woman
1977: Hügel der blutigen Augen (The Hills Have Eyes)
1978: Night Kill - Eine tödliche Bedrohung (Stranger in Our House)
1981: Gesichter des Teufels/Tödlicher Segen (Deadly Blessing)
1982: Das Ding aus dem Sumpf (Swamp Thing)
1984: Exit - Ausgang ins Nichts (Invitation to Hell)
1984: Nightmare: Mörderische Träume (A Nightmare on Elmstreet)
1985: Chiller - Kalt wie Eis (Chiller)
1985: Im Todestal der Wölfe (The Hills Have Eyes Part II)
1985: The Twilight Zone (Unbekannte Dimensionen, Fernsehserie)
1986: Die Superdetektive/Eine Schnapsidee (Casebusters, Fernsehfilm)
1986: Der Tödliche Freund (Deadly Friend)
1988: Die Schlange im Regenbogen (The Serpent and the Rainbow)
1989: Shocker
1990: Das Grauen hat viele Gesichter (Night Visions, TV-Pilotfilm)
1991: Das Haus der Vergessenen (The People Under the Stairs)
1992: Nightmare Cafe (Fernsehserie)
1994: Freddy’s New Nightmare (Wes Craven’s New Nightmare)
1995: Vampire in Brooklyn
1996: Scream – Schrei! (Scream)
1997: Scream 2
1999: Music of the Heart
2000: Scream 3
2005: Verflucht (Cursed)
2005: Red Eye
2006: Paris, je t’aime (Segment „Père Lachaise“)
2010: My Soul to Take
2011: Scream 4

Playlist:
1 Charles Bernstein - Main Title (A Nightmare On Elm Street) - 03:29
2 Don Peake - M1-1 (The Hills Have Eyes) - 03:20
3 James Horner - Finale/End Credits (Deadly Blessing) - 04:05
4 Charles Bernstein - BB's Theme (Deadly Friend) - 02:05
5 Brad Fiedel - End Credits (The Serpent And The Rainbow) - 05:10
6 Graeme Revell - Suite Part One (The People Under The Stairs) - 02:42
7 Don Peake - Suite (The People Under The Stairs) - 05:29
8 J. Peter Robinson - Prologue/Theme From Nightmare Cafe (Nightmare Cafe) - 02:52
9 J. Peter Robinson - The Park (Freddy's New Nightmare) - 03:38
10 Marco Beltrami - Trouble In Woodsboro/Sidney's Lament (Scream) - 03:27
11 Marco Beltrami - Stage Fright Requiem (Scream 2) - 02:07
12 Marco Beltrami - Sid Wears A Dress (Scream 3) - 02:48
13 Marco Beltrami - Love Theme (Cursed) - 02:39
14 Marco Beltrami - Takeoff (Red Eye) - 02:52
15 Marco Beltrami - The Ripper Talks (My Soul To Take) - 04:03

Playlist # 58 vom 08.05.11 - "Scream"-Special

„Was ist dein Lieblingshorrorfilm?“ Mit einem Anruf und einer Stimme, die man nie mehr vergisst, begann die grausame Mordserie in Woodsboro, die „Scream“ 1996 zu einem der erfolgreichsten Horrorfilme aller Zeiten machen sollte. In seiner ironischen „Halloween“-Variante ließ Freddy-Krueger-Erfinder Wes Craven gut aussehende Mädchen und hübsche Jungs durch irre Serienkiller niedermetzeln.
Zuvor fristete das Teenie-Slasher-Genre bereits seit Jahren ein Schattendasein in den Videotheken. Nachdem Freddy Krueger, Michael Myers, Jason Vorhees und andere Masken tragende Psychopathen in den 80ern grausame Schrecken auf den Kinoleinwänden verbreiteten , zu Ikonen ihres jugendlichen Publikums wurden und den Teen-Horror als ernstzunehmendes Genre etablierten, haben sich die ewig gleichen Geschichten mit meist talentfreien Jungdarstellern und uninspirierten Autoren/Regisseuren ausgelebt.
„Scream“ war erfrischend anders, gleichzeitig eine Horror-Hommage und Erneuerung des Genres. Kevin Williamson, der das Drehbuch in nur drei Tagen verfasste, nachdem er das Haus eines Freundes gehütet und dort ein gruseliges Geräusch vernommen hatte, ist im Gegensatz zu Wes Craven von Jugend an ein begeisterter Filmfreak gewesen, der eine große Bewunderung für Schocker wie „Das Grauen kommt um 10“, „Prom Night“, „Monster im Nachtexpress“ und natürlich John Carpenters wegweisenden Slasher „Halloween“ hegte. 
Williamson ignorierte jedes übernatürliche Element und siedelte den Horror ganz real in einer idyllischen High-School-Umgebung an, in der ein psychopathischer Killer mit stilisierter Edvard-Munch-Maske und schwarzem Gewand bis zum Schluss seine Identität zu verbergen versteht und bis dahin unter den Jugendlichen Angst, Schmerz und Tod verbreitet.
In der beeindruckenden Eröffnungssequenz muss die hübsche Casey (Drew Barrymore) am Telefon ein Horrorfilm-Ratespiel über sich ergehen lassen, an dessen Ende sie selbst und ihr Freund auf grausame Weise ums Leben kommen. Als die Morde an der nahe gelegenen High School weitergehen, gerät vor allem Caseys beste Freundin Sidney Prescott (Neve Campbell) ins Visier des Killers. Was „Scream“ dabei von seinen Vorgängern unterscheidet, ist seine enorme Selbstreflexion. Nachdem die Eingangsszene eine Reminiszenz an Fred Waltons „When A Stranger Calls“ (1978) darstellte, werden immer wieder ganz offen Genrefilme zitiert, und die jugendlichen Protagonisten kennen ganz genau die Regeln des Genres: Regel Nummer eins - Du darfst keinen Sex haben, denn Sex bedeutet Tod. Regel Nummer zwei – Kein Alkohol und keine Drogen! Das alles fällt unter Sünde. Regel Nummer drei – Sag‘ nie: „Ich komme gleich wieder!“ Denn du kommst nicht wieder!
Am Ende bricht Wes Craven auf überraschende Weise die Konventionen des Genres, als er keinen psychopathischen Außenseiter oder eine bösartige Kreatur aus der Hölle als Killer präsentiert, sondern mit Billy und Stuart zwei bodenständige Jungs aus der High-School-Clique, die Vergeltung für die Affäre zwischen Billys Vater und Sidneys Mutter üben wollten, die Billys Familie auseinanderbrechen ließ.
„Dass der Mörder ein durchgeknalltes Scheidungskind ist (das die denkwürdige Aufarbeitung seines Verlustes mit der Vergewaltigung und Ermordung von Sidneys Mutter begann), dass sich der Mithilfe eines kichernden (und seinerseits einigermaßen Mutter-geschädigten) Horrorfans versichert, ist zugleich Fortsetzung der Genre-Mythologie und Desillusionierung. Die Bedrohung, soviel ist sicher, kommt weder von einem metaphysischen noch einem sozialen Jenseits, sondern aus der Mitte der weißen mittelständischen Jugendkultur selber“, resümieren Georg Seeßlen und Fernand Jung in „Horror – Grundlagen des populären Films“ (Schüren, S. 788).
„Scream“ spielte in kurzer Zeit das Zehnfache seines Produktionsbudgets von 12 Millionen Dollar ein und rehabilitierte Wes Craven nach etlichen durchwachsenen Filmen wieder als ernstzunehmenden Horror-Regisseur. Schon ein Jahr später ließen Craven und Williamson das obligatorische Sequel folgen.
Die Reporterin Gale Weathers (Courteney Cox) hat ihre Erlebnisse um die Woodsboro-Morde in einem Buch verarbeitet, das nun für das Kino adaptiert werden soll. Währenddessen studieren Sidney und Randy, die das Massaker von Woodsboro überlebt haben, an der Filmhochschule und müssen erleben, dass erneut ein Serienkiller sein Unwesen treibt.
Williamson/Craven statteten „Scream 2“ wieder mit etlichen Selbstbezügen aus, arbeiteten mit Gaststars aus populären TV-Serien wie „Dawson’s Creek“ (Joshua Jackson) und „Buffy“ (Sarah Michelle Gellar) und ließ seine Protagonisten über den Sinn von Sequels diskutieren.
„Wir wollten uns von der Idee des Originals verabschieden, Kommentare über andere Schocker und Thriller abzugeben. Gleichzeitig war es uns wichtig anzuerkennen, dass wir mit ‚Scream 2‘ eine Fortsetzung drehen. Eines der Themen mussten also Sequels selbst sein“, meint Wes Craven dazu.
Zwar erreichte „Scream 2“ längst nicht mehr die Qualität des Vorgängers, spielte aber ebenso viel ein und ließ natürlich ein weiteres Sequel folgen, bei dem Kevin Williamson nur noch als Executive Producer tätig war, weil er an seinem Regiedebüt „Tötet Mrs. Tingle“ arbeitete. Das Drehbuch überließ er mit seinem eigenen 30-Seiten-Treatment Newcomer Ehren Kruger.
Auch im dritten Teil darf sich die tugendhafte Sidney glücklich schätzen, noch am Leben zu sein. Ihre Mitmenschen haben oft weniger Glück.
Während in den Sunrise Studios der dritte „Stab“-Film realisiert wird, metzelt ein Killer die Crew nieder. Wes Craven inszenierte mit „Scream 3“ sowohl ein Prequel, das die Geschichte von Sidneys ermordeter Mutter Maureen aufarbeitet, als auch eine wieder vor Ironie strotzende Fortsetzung, die einen Blick hinter die Kulissen der Horrorindustrie wirft.
Mit dem Erfolg der „Scream“-Reihe erblickte eine Vielzahl von ähnlichen Filmen das Licht der Leinwand. „Scream“-Autor Kevin Williamson schrieb auch die Drehbücher zu „Ich weiß, was du letzten Sommer getan hast“ (1997) und „The Faculty“ (1998), andere Highlights waren „Düstere Legenden“ (1998) und „Dich kriegen wir auch noch!“ (1998).
„Der Teen-Horrorfilm der Jahrtausendwende ist die ironisch-milde Mischung aus den expliziten Leinwandgrausamkeiten der Vorjahrzehnte und dem schäbigen Charme des frühen Gruselkinos, wo Türen in Schlössern rütteln, Vorhänge wehen, Frauen in riesige Spinnennetze stolpern und plötzlich das Kerzenlicht erlischt. Das moderne Schauerkino ist abgebrühter als seine klassischen Vorbilder und plündert respektlos Motive und Storyelemente aus der kurvenreichen Geschichte des internationalen Gruselfilms. Zwar schreien sich die Kiddies immer noch mit weit aufgerissenen Augen die Lunge aus dem Hals, auf den Filmplakaten wirken sie jedoch ruhig und gefasst: Fast könnte es sich um Werbung für Unterwäsche handeln, wäre da nicht noch ein Killer im verschmierten Regelmantel mit einem Messer abgebildet. Im Gegensatz zu frühen Kreischdarstellerinnen wie etwa Tippi Hedren in ‚Die Vögel‘ oder Janet Leigh in ‚Psycho‘ wirken die neuen ‚Scream Queens‘ Neve Campbell und Jennifer Love Hewitt kühl und abgeklärt. Die Plakate spielen mit ‚soften‘ Sex- und Erotikfantasien und präsentieren die Darstellerinnen in weißer Spitzenunterwäsche mit leicht geöffnetem Mund“, stellen Rüdiger Dirk und Claudius Sowa in ihrem Buch „Teen Scream“ (Europa, S. 11) fest.
2009 wurde bekannt, dass Wes Craven eine neue „Scream“-Trilogie plant. Mit „Scream 4“ knüpft der Horror-Meister zwar nicht nahtlos an den Erfolg der ursprünglichen „Scream“-Trilogie an, aber solide Horror-Unterhaltung bietet der Film allemal.
In Woodsboro ist nach den schrecklichen Ereignissen von vor fünfzehn Jahren wieder Ruhe eingekehrt. Mittlerweile haben (wie ihre Darsteller im wirklichen Leben) Dorfpolizist Dwight Riley (David Arquette) und die ehemalige Reporterin Gale Weathers (Courteney Cox) geheiratet, Sidney Prescott (Neve Campbell) kehrt zum Jahrestag der Morde als gefeierte Buch-Autorin in ihre Heimat mit sehr gemischten Gefühlen zurück. Wie berechtigt ihre Sorgen sind, müssen Woodsboros Bewohner und Sidneys noch lebenden Verwandten bald am eigenen Leib erfahren, als ein neuer Killer für Schrecken sorgt.

Wes Craven und der zur Serie zurückgekehrte Autor Kevin Williamson spielen auch in ihrem neusten Streich mit den Regeln und Strukturen des Slasher-Genres, halten die Identität des Killers bis zum Schluss geheim, doch haben sie auch etliche interessante Neuerungen eingeführt. So wird der Kreis der Verdächtigen viel schneller dezimiert, und es geht weitaus härter zur Sache, als man es aus der ersten „Scream“-Trilogie gewohnt ist.
In allen „Scream“-Filmen spielt natürlich Musik eine große Rolle, schließlich sind Teenager zugleich Protagonisten und Zielpublikum. Insofern überrascht weniger, dass zu allen bisher erschienenen „Scream“-Filmen Song-Compilations mit sehr bunt gemischten Rock-Songs veröffentlicht wurden, als der Umstand, dass auch alle Scores von Cravens Stamm-Komponist Marco Beltrami („Red Eye“, „Verflucht“, „My Soul To Take“) erhältlich sind.
Für den ersten „Scream“-Soundtrack vereinten die Filmemacher noch so unterschiedliche Tracks wie die eher unbekannten Coverversionen von Alice Coopers „School’s Out“ durch The Last Hard Men und The Icicle Works‘ „Whisper To A Scream“ durch SoHo, sphärischen Pop von Julee Cruise, Electro von Moby, Alternative Pop/Rock von Nick Cave, Gus und Republica bis hin zu härteren Tönen von Sister Machine Gun und Birdbrain. Teil 2 wies da schon eine etwas homogenere Mixtur auf, vereinte Rock-Größen wie Foo Fighters, Everclear und erneut Nick Cave, darüber hinaus etliche Newcomer wie Less Than Jake, Ear2000 und Collective Soul.
Den dritten Teil produzierten die Hardrocker von Creed, die selbst mit den beiden Songs „What If“ und „Is This The End“ auf dem Soundtrack vertreten waren und sich ein Stelldichein mit angesagten Metal- und harten Rock-Acts wie Slipknot, Staind, Powerman 5000, Godsmack und System Of A Down gaben. Dagegen fällt der Soundtrack zu „Scream 4“ enttäuschend unspektakulär aus. Einzig die schwedischen Indie-Rocker The Sounds können mit ihren beiden Tracks „Something To Die For“ und „Yeah Yeah Yeah“ punkten, der Rest ist meist nicht weiter hörenswert.

Playlist:
1 Birdbrain - Youth Of America (Scream) - 03:00
2 Collective Soul - She Said (Scream 2) - 04:50
3 System Of A Down - Spiders (Scream 3) - 03:35
4 Creed - What If (Scream 3) - 05:18
5 Foo Fighters - Dear Lover (Scream 2) - 04:32
6 SoHo - Whisper To A Scream (Scream) - 05:13
7 Eels - Your Lucky Day In Hell (Scream 2) - 04:25
8 The Sounds - Something To Die For (Scream 4) - 03:42
9 Creed - Is This The End (Scream 3) - 06:15
10 Marco Beltrami - The After-After Party (Scream 4) - 03:15
11 The Sounds - Yeah Yeah Yeah (Scream 4) - 03:31
12 Nick Cave & The Bad Seeds - Red Right Hand (Scream 2) - 08:22

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