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Mittwoch, 19. September 2012

Playlist # 94 vom 23.09.2012 (2) - BREAKING BAD Special

Fünf Staffeln lang zählte die Emmy-prämierte Serie „Breaking Bad“ zu den absoluten Highlights des Fernsehprogramms. Im Mittelpunkt der Serie steht die außergewöhnliche Geschichte eines krebskranken 08/15-Chemielehrers, der für das Wohl seiner Familie zum Meth-Produzenten wird. Aus dieser Konstellation heraus erklärt sich auch der merkwürdig anmutende Titel der Serie, denn der aus dem Südstaaten-Slang stammende Begriff bedeutet etwa „auf die schiefe Bahn geraten“ oder auch „sich über geltende Gesetze hinwegsetzen“.

Vince Gilligan kam die Idee zur Serie während einer Schreibblockade, als ihm ein befreundeter Autor vorschlug, statt Drehbücher zu schreiben mit Methamphetamin zu handeln. Als Gilligan über die Motivation zu einer solchen Entscheidung und ihre Folgen nachdachte, war das Konzept für „Breaking Bad“ geboren. 2009 erhielt der Autor dafür den renommierten Writer’s Guild Award.
Als Highschool-Chemielehrer in Albuquerque, New Mexico, kommt der 50-jährige Walter White (Bryan Cranston) mit seiner schwangeren Frau Skyler (Anna Gunn) und dem an zerebraler Kinderlähmung leidenden Teenagersohn Walter Jr. (RJ Mitte) halbwegs über die Runden. Um das Gehalt aufzubessern, jobbt Walter in einer Waschanlage, wo er plötzlich zusammenbricht. Die plötzliche Diagnose, dass der überzeugte Nichtraucher unheilbar an Lungenkrebs erkrankt ist, wirft Walters Lebensplanung komplett über den Haufen. Ausgerechnet sein Schwager Hank (Dean Norris) bringt Walter auf die Idee, wie er die Familie auch nach seinem Ableben versorgen kann: Als er nach einem Fernsehbericht über einen gelungenen Coup der DEA erfährt, wie viel Geld sich mit dem Verkauf von Methamphetamin machen lässt, gerät Walter auf die schiefe Bahn. Zusammen mit dem Kleindealer Jesse (Aaron Paul), den Walter in der Schule durchfallen ließ, macht er sich schnell als versierter Meth-Kocher einen Namen. Nur mit dem Dealen haben Walter und Jesse so ihre Probleme. Denn mit den Gangsterbossen in der Drogenszene ist überhaupt nicht zu spaßen. Und es ist natürlich alles andere als einfach, das neue Doppelleben vor seiner Familie und auch seinem Schwager geheim zu halten.
Ursprünglich war die erste Staffel von „Breaking Bad“ auf neun Folgen ausgelegt, doch der Streik der Drehbuchautoren führte dazu, dass die erste Staffel nach sieben Folgen etwas abrupt enden musste. Bei dem bewusst langsamen Erzählduktus der Serie kann „Breaking Bad“ in der ersten Staffel sein Potenzial nur andeuten. Doch die vorrangigen Stärken kommen bereits gut zur Geltung. Nicht nur Walter White macht aufgrund seiner plötzlichen Krankheit eine sehr ambivalente Entwicklung vom liebenden Familienvater zum Kriminellen mit guter Absicht durch, auch seine Mitmenschen haben ihre Last im Leben zu tragen. Die karge Landschaft, in die sich Walter und sein drogensüchtiger Partner mit dem Wohnmobil zum „Kochen“ zurückziehen, bietet das perfekte Panorama für die oft gebrochenen Figuren, für die der amerikanische Traum in weiter Ferne liegt.
Bryan Cranston („Malcolm mittendrin“, „Seinfeld“) überzeugt in der ungewohnt ernsten Rolle des todkranken Chemielehrers, dessen berufliche Qualifikation ein ganz neues Betätigungsfeld eröffnet, das ebenso illegal und gefährlich wie lukrativ erscheint. Aaron Paul als sein drogensüchtiger Partner-in-crime Jesse Pinkman bildet mit seiner fahrig-nervösen Darstellung ebenso den quirligen wie amüsanten Counterpart zum besonnenen Lehrer wie Dean Norris als Walters Schwager Hank, der sich engagiert dem Kampf gegen den Drogenhandel widmet.
Das außergewöhnliche Serienkonzept von „Akte X“-Mitautor Vince Gilligan, die intelligenten Drehbücher, großartige Darsteller, ein stimmungsvoller, nur dezent platzierter Soundtrack und die Entwicklung der einzelnen Figuren machen „Breaking Bad“ zu einer packenden wie eindringlichen Serie der besonderen Art.
Nachdem die erste Staffel von „Breaking Bad“ über gerade mal sieben Folgen nur anreißen konnte, was sich ein verzweifelter, sterbenskranker Familienvater alles einfallen lässt, um seine Frau und Kinder nach seinem Ableben versorgt zu wissen, entfaltet die zweite Staffel in dreizehn Folgen die ganze Bandbreite des Dilemmas, das mit dem Eintritt eines einfachen Chemielehrers in die Welt des illegalen Drogenhandels einhergeht. Zu Beginn der zweiten Staffel ist der Meth-Handel unerwartet gut angelaufen. Allerdings gehen die schnell erwirtschafteten Gewinne sofort wieder für die kostspieligen Behandlungen drauf, die Walter über sich ergehen lassen muss. Dabei muss er bereits ein großes Maß an Einfallsreichtum beweisen, wenn er seiner Familie glaubwürdig vermitteln will, dass das Geld beispielsweise von Walters ehemaligen Geschäftskollegen Gretchen und Elliott Schwartz stammt, die nicht zuletzt durch Walters fachliche Qualitäten reich geworden sind. Walters hochschwangere Frau Skyler nimmt wieder ihre alte Stelle als Buchhalterin an, um Geld nach Hause zu bringen, und der durch Kinderlähmung behinderte Walter Jr. stellt eine Spenden-Website online, die der angeheuerte Anwalt Saul Goodman fortan zur Geldwäsche des schmutzigen Drogengeldes missbraucht. Während es Walter immer schwerer fällt, das zunehmend komplexere Lügenkonstrukt seiner Familie gegenüber aufrechtzuerhalten, versucht er mit seinem jungen Partner Jesse Pinkman den Verkauf der kostbaren Ware zu beschleunigen und auf andere Reviere auszuweiten. Doch das lässt sich die Konkurrenz natürlich nicht gefallen und dezimiert Jesses Team an Laufburschen, während der DEA-Beamte Hank dem geheimnisvollen Phantom Heisenberg nachjagt, nicht ahnend, dass niemand Geringerer als Walter dahinter steckt …
Die extrem kurze erste Staffel wirkt gerade mal wie ein Prolog zu dieser höchst aufregenden Serie mit dem originellen Konzept, das sich erfrischend von den üblichen Drama-, Crime- und Comedy-Serien abhebt. In der zweiten Staffel werden die einzelnen Figuren weitaus intensiver charakterisiert, ihre liebenswerten wie bedenklichen Macken offensichtlich, was sie zutiefst menschlich und somit authentisch macht. Natürlich ist es vor allem spannend mit anzusehen, wie Walter White zunehmend Gefallen daran findet, in kürzester Zeit so richtig viel Geld zu machen. Und gerade wenn er daran zu denken beginnt, aus dem gefährlichen Geschäft auszusteigen, ist eine weitere Finanzspritze nötig. So entwickelt sich ein dramatisches Puzzle-Spiel, bei dem Walter unauffällig zwischen seinem Lehrerjob, seiner Familie und seinem geheimen Leben als Heisenberg jonglieren muss. Das führt zu so manch tragischen, brutalen, aber auch schwarzhumorigen Zwischenfällen, die „Breaking Bad“ so sehenswert machen.
‘Breaking Bad‘ lockt sehr wirkungsvoll mit dem Reiz des Verbrechens, entpuppt sich aber als eine zutiefst moralische Serie, welche die Charaktere mit ihren Selbsttäuschungen, unter bestimmten Bedingungen das Falsche tun zu dürfen, nicht davonkommen lässt. Nur mal ein bisschen Drogen produzieren, in einer persönlichen Notsituation und mit besten Absichten, ist keine Option. Die Figuren geraten in einen Sog, der sie zu immer auswegloseren Entscheidungen zwischen zwei Übeln zwingt, Entscheidungen auf Leben und Tod. Den ersten Menschen hat der brave Walter White schon in der ersten Folge auf dem Gewissen“, meint Stefan Niggemeier auf faz.de „Danach gibt es kein Zurück. ‚Breaking Bad‘ zeigt uns den Absturz des Walter White, der gleichzeitig eine Befreiung ist. Eine Befreiung aus einem bürgerlichen Alltag voller Routine, Kleinmut und Vernunft, Demütigungen und Zumutungen, symbolisiert schon durch das Auto, das White fährt: einen unförmigen, plastikhaften Pontiac Aztek, schrecklich praktisch und uncool bis weit über die Grenze der Lächerlichkeit hinaus. Als Chemielehrer ist sein Talent verschwendet, die Schüler dämmern vor sich hin, als Drogenproduzent aber kann White seine Genialität zeigen, wird respektiert und schließlich gefürchtet.“
"Breaking Bad"-Komponist Dave Porter - copyright by Julio Moreno
Obwohl Musik und Sounds nur spärlich in „Breaking Bad“ eingesetzt werden, spielt sie eine wichtige Rolle. Komponist Dave Porter hat nicht nur das sehr texanisch klingende Hauptthema komponiert, sondern auch atmosphärische, manchmal mehr nach Sounddesign klingende Cues, die die dramatischen Aspekte der Story unterstreichen.
„Für ‚Breaking Bad‘ habe ich mich fort von meiner traditionellen orchestralen Ausbildung bewegt und ethnische Instrumente, entwickelte Klänge und meine große Sammlung an alten Synthesizern und Effekten bevorzugt. Außerdem ist nahezu alles irgendwie bearbeitet oder verfremdet worden, um die Musik losgelöst und anders klingen zu lassen als das, was man vielleicht erwartet“, bemerkt Dave Porter in einem Interview mit blogs.amctv.com. Für Porter ist Walter White der Dreh- und Angelpunkt der Serie, auch musikalisch gesehen. „Walters Reise und Abstieg ist das Rückgrat der Show. Im Verlauf von verschiedenen Staffeln hat er Orte verlassen, die er sich nie vorstellen konnte, verlassen. Was mich am meisten fasziniert, und ich versuche, immer daran zu denken, wenn ich den Score schreibe, ist, wie weit man als Zuschauer mit Walt zu sympathisieren bereit ist“, meint Porter auf soniccouture.com. „Es gibt Menschen, die von seinem Verhalten seit der ersten Staffel völlig entsetzt sind. Es gibt andere, die ihn verteidigen, egal, was er tut. Auf diese Weise zwingt dich ‚Breaking Bad‘ dazu, deine eigene Reaktion auf die Geschichte zu beobachten. Für mich bedeutet das, musikalisch gesehen, dass ich nie einen bestimmten Moment als ‚Breaking Bad‘-Moment herausstelle … weil es eine graduelle Evolution (oder Devolution) im Verlauf der Serie ist, und die Wahrnehmung des Wendepunktes ist bei jedem anders.“ 
Doch nicht nur der atmosphärische Score von Dave Porter spielt musikalisch eine Rolle, die Serie wartet auch mit einer Vielzahl ganz unterschiedlicher Songs auf, die wesentlich zur gelungenen Stimmung von „Breaking Bad“ beitragen. Music Supervisor Thomas Golubic hat bereits bei “Six Feet Under” sein ausgezeichnetes Gespür für die musikalische Untermalung einer Serie bewiesen. „Ich hüte mich davor, mich in einen Song zu verlieben und davon überzeugt zu sein, dass er in der Show eingesetzt werden sollte. Ich höre Songs, bei denen ich denke, ‚Oh, das klingt ganz nach Walt‘, oder ‚Das würde gut zu Jesse passen‘, aber es gibt ganz unterschiedliche Varianten in dieser Show“, meint Thomas Golubic im Interview mit blogs.amctv.com. „Eine Menge der Musik hat keinen Einfluss auf Walt oder Jesse, Musik aus der Außenwelt, sei es in einem Schuhladen oder einer Boutique, nett und leicht betäubend. Das ist sehr leicht, sanft, eine solipsistische Qualität außerhalb ihrer Welt. Die Welt da draußen ist auf eigene Weise unter Drogen gesetzt. Alles ist ein wenig zu glatt und zu angenehm. Dann hast du diese Welt von Walt und Jesse, die zerlumpt ist und nahezu platzt vor umständlichen Enthusiasmus. Das ist die Dichotomie der beiden verschiedenen Welten.“
Bei „Akte X“-Schöpfer Chris Carter hat Vince Gilligan als Show Runner gelernt, wie man gute Drehbücher für Fernsehserien schreibt. Offensichtlich hat er gut aufgepasst, denn mit seiner eigenen Schöpfung „Breaking Bad“ schuf Gilligan eine thematisch außergewöhnliche, großartig gespielte und perfekt inszenierte Serie. Vor allem die Wandlung von Walter White vom biederen Chemie-Lehrer zum ehrgeizigen Drogenproduzenten verleiht der Serie eine faszinierende Spannung. Nachdem Walter in den ersten beiden Staffeln sein ursprüngliches Ziel erreicht hat, seine Familie nach seinem Ableben versorgt zu wissen, hat sein Doppelleben in der Unterwelt hat längst eine ganz eigene Dynamik entwickelt. Walters Schwager Hank ist dem Phantom „Heisenberg“ – wie sich Walter in den Kreisen des Drogenkartells nennt – immer dichter auf der Spur, Skyler reicht nach der Erkenntnis, woher Walters plötzlicher Wohlstand stammt, entrüstet die Scheidung ein, und Walters Geschäftspartner Jesse entschließt sich nach dem dramatischen Tod seiner Freundin zu einem Drogenentzug. Dem Autorenteam um „Breaking Bad“-Schöpfer Vince Gilligan gelingt es, Walters Leben immer komplizierter zu machen. Es ist faszinierend zu verfolgen, wie Walter sich von einem biederen Highschool-Lehrer ohne Ambitionen zu einem nahezu skrupellosen Geschäftsmann entwickelt, der mit allen Mitteln um seine Vorherrschaft auf dem Markt kämpft. In der dritten Staffel spielen dabei einige neue Charaktere eine wesentliche Rolle, allen voran der aus dem Fernsehen bekannte Anwalt Saul Goodman (Bob Odenkirk), der immer wieder für einen coolen Spruch zu haben ist und so für eine gesunde Prise trockenen Humor sorgt, und Walters Boss Gus (Giancarlo Esposito), der äußerst gelassen sein Revier verteidigt und schon einmal dafür vorsorgt, wenn Walter nicht mehr unter den Lebenden weilt. Doch Walter geht es nach einer gelungenen Operation und Therapie so gut wie lange nicht mehr … Die dritte Staffel von „Breaking Bad“ bietet über 13 Folgen einmal mehr anspruchsvolle Unterhaltung mit interessanten Figuren, Nebenhandlungen und einer gesunden Mischung aus Dramatik und Humor. Auch wenn viele Fans es bedauern, aber nach fünf Staffeln wurde die Serie eingestellt. „Ich möchte nicht, dass ‚Breaking Bad‘ beendet wird. Es ist der beste, befriedigendste Job, den ich je hatte, und ich bin traurig zu behaupten, dass das wahrscheinlich auch so bleiben wird. Diese Serie ist wahrscheinlich in kreativer Hinsicht der Höhepunkt meiner Karriere. Deshalb möchte ich nicht, dass sie endet, aber ich glaube, dass sie es muss. ‚Breaking Bad‘ war von Anfang an als eine sehr in sich abgeschlossene Geschichte konzipiert“, verrät Vince Gilligan im Interview mit blogs.amctv.com. „Man kann eine Story über Wandel und Transformation nur bis zu einem gewissen Punkt bringen. Und so sehr ich die Show liebe und so sehr ich nicht möchte, dass sie endet, möchte ich, dass sie an einem Punkt endet, an dem die Qualität so hoch wie möglich ist. Und ich möchte ‚Breaking Bad‘ so beenden, wie sie begonnen hat, mit Menschen, die von ihr begeistert und irritiert sind. Und ich möchte nicht, dass diese wundervollen Zuschauer jemals gelangweilt werden. Manchmal ist es besser, eine Party zu früh als zu spät zu verlassen.“
Playlist:
1 Dave Porter - Main Title - 01:15
2 Mick Harvey - Out Of Time Man - 02:57
3 Holy Fuck - They're Going To Take My Thumb - 05:27
4 The Silver Seas - Catch Yer Own Train - 03:06
5 The Be Good Tanyas - Waiting Around To Die - 05:12
6 Dave Porter - Baby's Coming - 04:09
7 Dave Porter - The Morning After - 02:24
8 Dave Porter - Searching For Jesse - 02:23
9 Rodrigo y Gabriela - Tamacun - 03:25
10 The Lions - Thin Man Skank - 03:45
11 Gnarls Barkley - Who's Gonna Save My Soul - 03:04
12 Apparat - Goodbye - 04:26
13 America - A Horse With No Name - 04:17
14 Alex Ebert - Truth - 04:20
15 Beastie Boys - Shambala - 03:40
16 Steve Gorn - Afterglow - 09:48

Soundtrack Adventures with BREAKING BAD at Radio ZuSa by Dirk Hoffmann on Mixcloud

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