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Sonntag, 18. Juli 2010

Playlist # 37 vom 18.07.10 - JOHN POWELL

Spätestens mit seinen fulminanten Action-Scores zu den drei bislang inszenierten „Bourne“-Filmen hat sich John Powell in die erste Liga der Hollywood-Komponisten gespielt. Und seine Arbeiten für Filme wie „Jumper“, „Mr & Mrs Smith“, „D-Tox“, „The Italian Job“, „Green Zone“ und „Hancock“ haben immer wieder Powells Virtuosität im Action-Genre unter Beweis gestellt. Schließlich feierte er 1997 mit dem Score zu John Woos Psycho-Thriller „Face/Off“ auch einen imponierenden Einstand in Hollywood.

Seine musikalische Laufbahn begann er im Alter von 13 Jahren im Spannungsfeld zwischen Rock’n’Roll und Jazz, bevor er 1986 seine klassische Musikausbildung am Londoner Trinity College of Music begann. Zu jener Zeit trat er der Performance-Art-Gruppe Media Arts bei, wo er mit seinem langjährigen Partner Gavin Greenaway Musik und Klänge für konzeptionelle Aufführungen komponierte. Ab 1988 fing Powell an, bei der ebenfalls in London ansässigen Firma Air-Edel Music für Werbung und TV-Produktionen zu komponieren, wo er mit seinen Kollegen Hans Zimmer („White Fang“) und Patrick Doyle („Into The West“) zusammenarbeitete. 1995 gründete Powell mit Greenaway die Firma Independently Thinking Music (ITM), wo sie mehr als 100 britische und französische Werbeclips und Independent-Filme vertonten. Zwei Jahre später zog es John Powell in die USA, wo er gleich für Steven Spielbergs Fernsehserie „High Incident“ angeheuert wurde. Mittlerweile ist John Powell als extrem vielseitiger Komponist bekannt. Neben den erwähnten Action-Thrillern sind es vor allem Trickfilme wie „Antz“, „Ice Age 2 + 3“, „Chicken Run“, „Shrek“, „Robots“, „Bolt“, „Horton hört ein Hu!“ und (Liebes-)Komödien wie „Gigli“, „Evolution“, „Rat Race“, „Auf die stürmische Art“, „Be Cool“ und aktuell der Tom-Cruise-Film „Knight And Day“, die John Powells Filmographie und seine musikalische Vielseitigkeit auszeichnen.

Filmographie
1994: Les Escarpins sauvages
1996: High Incident (TV-Serie)
1997: Im Körper des Feindes (Face/Off)
1998: Die menschliche Bombe
1998: With Friends Like These
1998: Antz
1999: Endurance
1999: Auf die stürmische Art (Forces of Nature)
1999: Der Chill Faktor (Chill Factor)
2000: Der Weg nach El Dorado (The Road to El Dorado)
2000: Chicken Run – Hennen rennen (Chicken Run)
2001: Just Visiting – Mit Vollgas in die Zukunft (Just Visiting)
2001: Shrek (mit Harry Gregson-Williams)
2001: Evolution
2001: Rat Race – Der nackte Wahnsinn (Rat Race)
2001: Ich bin Sam (I Am Sam)
2002: D-Tox – Im Auge der Angst (D-Tox - Eye – See You)
2002: Die Bourne Identität (The Bourne Identity)
2002: Drumline
2002: Pluto Nash – Im Kampf gegen die Mondmafia (The Adventures of Pluto Nash)
2002: Ein Chef zum Verlieben (Two Weeks Notice)
2003: Stealing Sinatra
2003: Agent Cody Banks
2003: Ein ungleiches Paar (The In-Laws)
2003: The Italian Job – Jagd auf Millionen (The Italian Job)
2003: Liebe mit Risiko – Gigli (Gigli)
2003: Paycheck – Die Abrechnung (Paycheck)
2004: Die Bourne Verschwörung (The Bourne Supremacy)
2004: Alfie
2004: Mr. 3000
2005: Miss Undercover 2 (Miss Congeniality 2)
2005: Robots
2005: Be Cool
2005: Mr. & Mrs. Smith
2006: Ice Age 2: Jetzt taut's (Ice Age: The Meltdown)
2006: X-Men: Der letzte Widerstand (X-Men: The Last Stand)
2006: Flug 93 (United 93)
2006: Happy Feet
2007: Das Bourne Ultimatum (The Bourne Ultimatum)
2007: P.S. Ich liebe Dich (P.S. I Love You)
2008: Jumper
2008: Horton hört ein Hu! (Horton Hears a Who!)
2008: Kung Fu Panda (zusammen mit Hans Zimmer)
2008: Stop-Loss
2008: Hancock
2008: Bolt – Ein Hund für alle Fälle
2009: Ice Age 3: Die Dinosaurier sind los
2010: Green Zone
2010: Drachenzähmen leicht gemacht (How to Train Your Dragon)
2010: Knight And Day
2010: Fair Game

Playlist
1 John Powell - Ready For The Big Ride (Face/Off) - 03:53
2 John Powell - On Bridge Number 9 (The Bourne Identity) - 03:41
3 John Powell - To The Roof (The Bourne Supremacy) - 05:32
4 John Powell - Golden (The Italian Job) - 04:05
5 John Powell - Foggy Balance (Ice Age: The Meltdown) - 03:53
6 John Powell - Horton Suite (Horton Hears A Who!) - 06:52
7 John Powell - Starbucks & Hospital (I Am Sam) - 05:04
8 John Powell - Kitchen Waltz (P.S. I Love You) - 04:56
9 John Powell - Goodbye (Gigli) - 04:23
10 John Powell - Chaos/Email (Green Zone) - 04:17
11 John Powell - Trouble On I-93 (Knight And Day) - 04:06

Sonntag, 4. Juli 2010

Playlist # 36 vom 04.07.10 - SIMON FISHER TURNER

Simon Fisher Turner wohnt nicht in Hollywood und zählt auch nicht zu den größten Filmkomponisten seiner Zeit, aber er wird all denen ein fester Begriff sein, die die außergewöhnlichen Filme von Derek Jarman kennen. Er hat den Traum-Allegorien und melancholisch-wütenden Filmessays des am 19. Februar 1994 Jahres an AIDS verstorbenen Kultregisseurs stets das entsprechende musikalische Sujet verliehen.

Sein musikalischer Werdegang ist dabei ebenso obskur wie seine surrealistisch anmutende, äußerst feinsinnig inszenierte Musik. Turner studierte am Betteshanger in Kent Piano, Violine, Gitarre, Klarinette und Gesang, arbeitete bei Plattenfirmen wie UK Records, Cherry Red, London Records (USA), war Mitglied von Portsmouth Symphonia, war als Musiker in verschiedenen Galerien tätig, gründete das Label Papier Mache, produzierte zwei Alben von Deux Filles, spielte Gitarre und Bass bei The The (1981/82) und begann 1978 seine langjährige Zusammenarbeit mit Derek Jarman.
"Ich wurde ihm zu einem Zeitpunkt vorgestellt, als ich kein Geld und keinen Job hatte. Er fragte mich, ob ich ihm beim Umzug helfen, ob ich fahren könnte, und ich sagte, ja natürlich. Er hatte gerade 'Jubilee' abgedreht, und ich begann in der Produktionsfirma als künstlerischer Berater zu arbeiten", erinnert sich Simon.
"Danach machte er 'The Tempest', wobei ich wieder in der Produktion tätig war. Aber während der Dreharbeiten zu 'The Tempest' hatten wir am Drehort musikalische Abende, wo ich Piano und Gitarre spielte, ein Tänzer namens Orlando tanzte und H. Williams, der Prospero spielte, seine Gedichte vorlas. Es waren fast kleine Shows, und wir hatten eine Menge Spaß dabei.
Für 'Caravaggio' war ich überraschenderweise als Schauspieler integriert, aber nur in einer Nebenrolle. Während der Dreharbeiten wurde man darauf aufmerksam, dass wir den Film machten, und Komponisten schickten Tapes, um den Job für die Musik von 'Caravaggio' zu bekommen. Derek meinte, ich sollte sie mir alle anhören, und nachdem ich das getan hatte, trafen wir auch einige Leute, aber wir konnten uns für niemanden, der die Musik machen sollte, so richtig entscheiden. Als Derek eines Tages aus Italien zurückkam, fragte er mich, ob ich die Musik machen wollte. Ich nahm begeistert an. Ich wusste nichts über Filmmusik, ich hatte keine Idee, wie ich sie aufnehmen sollte, es war eine völlig neue Welt für mich. Aber es ermöglichte mir auf einmal, mit klassischen Musikern zu arbeiten, alte Instrumente zu benutzen. Ich denke, die Musik zu 'Caravaggio' war die Musik, die ich als Kind hörte, eine simulierte religiöse Musik, die ich ohne Synthesizer, nur mit Instrumenten einspielen wollte.
Heutzutage arbeite ich mit einer Verbindung aus Musikern, die richtige Instrumente wie Cello und Trompete spielen, und Tapes, Samples, Piano, Gitarre."
Simons ausgiebigen, oft siebzigminütigen Scores zu Filmen wie "The Last Of England", "Edward II", "The Garden" und schließlich "Blue" (alle bei Mute erschienen) zählen zu den außergewöhnlichsten Filmmusiken überhaupt, brechen sie doch mit fast allen Konventionen des Genres, und der Enthusiasmus, der dabei in der vielschichtigen Musik zum Ausdruck kommt, resultiert fraglos auch aus der Begeisterung, die Simon seinem Freund entgegenbrachte.
"Die Qualität von Dereks Filmen ist unvorstellbar weit, sie verfügen über eine besondere künstlerische Konzeption von Bildern. Derek war ursprünglich ein Maler und ein Dichter, bevor er eine Super 8-Kamera in die Hand bekam, aber er hatte eine unbeschreibliche Tiefe in den Visionen und der Ehrlichkeit. Er benutzte fast die ganze emotionale Breite. Ich mag nicht alle seine Filme. Ich denke, er brachte zu sehr seine Sexualität mit ein, aber als Regisseur kann er das tun. Dadurch verärgerte er aber auch Teile des Publikums, weil er wegen seiner Sexualität stets sagen wollte: Ich bin homosexuell; ich glaube, dies ist richtig, das ist falsch. Seine Filme waren politisch, außergewöhnlich. Derek hat immer mit einem Kollektiv von Freunden zusammengearbeitet und ließ den Dingen freien Lauf. Es machte immer Spaß, einen Film zu machen, obwohl er sehr ernsthaft war. Spaß war stets dabei, weil die Arbeit um Derek herum passierte, und Derek trieb uns alle an. Ich kann gar nicht sagen, wie sehr ich ihn vermisse. Wir müssen den Geist seiner Arbeit weiterführen, den Enthusiasmus über das Leben."
Als Jarman seinen letzten Film "Blue" realisierte, war er, bedingt durch seine AIDS-Infektion, erblindet und hatte seinen Tod bereits vor Augen. Der Film stellte, da er nur blau war und allein von der Poesie Jarmans und der Musik lebte, auch für Simon eine besondere Herausforderung dar.
"Ich musste den Worten lauschen, die Musik entstand aus den Gedichten, mit denen ich mich sehr vertraut fühlte. Alles, was wir für 'Blue' versuchten, war, allein die Worte zu illustrieren. Das war meine Hauptaufgabe. Wir waren sehr glücklich darüber, mit einem Mann namens Markus Dravius aus Frankfurt zusammenzuarbeiten, der ein Mitarbeiter von Brian Eno ist. Er nahm die Sachen ganz toll auf. Wir hielten uns einen Monat bei Brian auf und entspannten uns einfach. Wir frühstückten und hörten nur den Worten zu und überlegten, welche Musik dazu passen würde. Derek kam immer mal ins Studio, um zu sagen, was ihm gefiel und was nicht. Aber ich wusste von diesem Projekt schon seit Jahren und machte in Italien einige 'Blue'-Konzerte, um das Interesse an dem Film zu wecken.
Die Konzerte waren völlig anders als der Film, aber sie gaben uns eine Idee davon, wie die Musik sein sollte. Danach war es eine Sache des Telefonierens, Freunde zu fragen, ob sie Gefallen an dem Projekt finden würden."
Und so nahmen neben Simon Turner, der die übrigen Musikbeiträge zu einer furiosen Collage zusammensetzte, u.a. Miranda Sex Garden, Coil, Momus, Vini Reilly und Brian Eno teil, die auf ihre Weise einem besonderen Freund huldigten.
Abgesehen von seinen Soloaktivitäten schrieb Simon aber auch für andere Regisseure die Filmmusik, meist für englische Produktionen, von denen Andi Engles "Melancholia" bei Silva Screen auf CD veröffentlicht wurde. Mittlerweile arbeitet er auch mal in Hollywood oder Australien, wobei er stets versucht, einen Kompromiss zwischen den Wünschen des Regisseurs und seinen eigenen Ideen zu finden.
"Mein Job als Soundtrackkomponist ist, das zu tun, was der Regisseur möchte, aber ich mache auch immer das, was ich möchte. Ich bin mir gegenüber in musikalischer Hinsicht nie unglaubwürdig geworden, weil ich von Filmemachern vermutlich gerade wegen meiner Ideen engagiert werde. Aber das ist eine Sache von Kommunikation und Vertrauen. Es wird viel Zeit mit Reden und Nachdenken verbracht. Ich neige dazu, in Filme involviert zu werden, während sie gedreht werden. Die meiste Filmmusik wird komponiert, wenn der Film fertig gestellt ist. Ich habe gerade einen Film gemacht, der in sechs Monaten entstanden ist. Meine Arbeit, den Soundtrack aufzunehmen, dauerte zwei Wochen, aber ich war jeden Tag am Set, wo ich Tape-Recorder, Sampler und Zugang zu allem hatte, was mit dem Film zusammenhing. Das ermöglicht mir einen viel besseren Einblick in den Film, wenn ich ihn vom ersten Tag an verfolge.
Die Leute fragen natürlich, wer ich bin, was ich mit einem Tape-Recorder mache, aber ich habe das immer sehr gemocht, stets am Drehort zu sein. Ich habe in erster Linie dem Regisseur und mir selbst zu gefallen, und ich bin nur dem Regisseur gegenüber verpflichtet, nicht der Produktionsfirma."
Nach dem Tod von Derek Jarman fällt es Simon allerdings schwer, sich für die Filme anderer Leute zu begeistern.
"Ich kam zufällig zur Filmmusik, und zwar durch Derek Jarman. Ich wollte nie ein Komponist werden, schon gar nicht für Filmmusik. Momentan möchte ich tatsächlich viel weniger Musik machen, weil es mir nach dem Tod von Derek und seinem außergewöhnlichen Film 'Blue' schwer fällt, Interesse an Filmen anderer Leute zu finden, obwohl ich gerade ständig an Filmmusik arbeite. Das ist ein ziemliches Problem, da muss ich für mich selbst sorgfältig auswählen. Ich möchte jetzt extreme Bilder haben, aber es gibt heutzutage nicht viele Filmemacher wie Derek einer war."
Tatsächlich ist Simon Fisher Turner in den vergangenen Jahren recht wenig filmmusikalisch tätig gewesen, für das schwarz-weiße Vampir-Drama „Nadja“ beispielsweise. Am liebsten betätigt sich der unkonventionelle Komponist auf den Gebieten experimenteller Musik. Sein 2002 veröffentlichtes Album „Swift“ war beispielsweise wie ein Mosaik konstruiert, bei dem Improvisationen von einem Musiker-Team mit anderen Klangquellen zusammengefügt wurden.
Für das 2004er Nachfolgealbum „Lana Lara Lata“ arbeitete Fisher Turner mit dem französischen Klangkünstler Rainier Lericolais und dem italienischen Electronica-Duo T um‘ zusammen.
'Lana' ist eine Art von Geistermusik. Es ist durch eine Vielzahl von Köpfen und Räumen auf eine Weise gegangen, die ich sehr interessant finde“, erklärt Turner und beschreibt damit einen kreativen Prozess, bei dem das ursprüngliche Material am Ende der musikalischen Verarbeitung nur noch rudimentär vorhanden gewesen ist. Auf dem Album ist der Komponist auch als Sänger zu vernehmen, wenn auch meist elektronisch verfremdet.
„Ob man nun versteht, was ich sage, oder nicht, spielt keine Rolle. Aber was ich sage, ist wahr für mich. Ich liebe es einfach, Songs auf den Punkt zu bringen. Ich liebe es zu singen. Das tue ich, seit ich als Achtjähriger in einem Kirchenchor gesungen habe.“
Wie schon bei „Swift“ ist auch „Lana“ mit einer DVD - „Lara“ - ausgestattet, zu denen Sebastian Sharples die Visuals beigesteuert hat, und mit „Lata“ gibt es zudem auch ein von Paul Farrington kreiertes Klangspielzeug, mit dem der Hörer verschiedene Auszüge aus dem Album manipulieren kann. „Es ist eines der schönsten Dinge, die ich je gesehen habe“, meint Fisher Turner. „Es ist einfach wild. Ich liebe es!”
Doch trotz der ausgefallenen Ideen, die das Schaffen von Simon Fisher Turner prägen, würde er gern auch mal ein Album mit konventionellen Songs produzieren.
„Ich würde es lieben, ein Album mit Songs zu machen, aber ich bräuchte einen Songschreiber-Partner.“ Wir sind gespannt, welche Überraschungen uns da noch ins Haus stehen …

Diskographie:
1973 – Simon Turner
1985 - The Bone of Desire
1986 - Caravaggio Original Soundtrack
1987 - The Last of England Original Soundtrack
1989 - Melancholia Soundtrack
1991 - Edward II Original Soundtrack
1991 - The Garden Original Soundtrack
1992 - I've Heard the Ammonite Murmur
1992 – Sex Appeal (Simon Turner vs. The King of Luxembourg)
1993 – Revox
1993 – The Many Moods of Simon Turner
1994 - Blue: A Film by Derek Jarman
1995 - Live Blue Roma (The Archaeology of Sound)
1995 - Nadja
1996 - Shwarma
1996 - Loaded Original Soundtrack
1999 - Still, Moving, Light
1999 - Oh Venus
1999 - Eyes Open
2000 - Travelcard
2002 - Riviera Faithful
2002 – Swift
2005 – Lara Lana Lata
2008 – Lifesounds
2009 – Music from Films You Should Have Seen

Playlist 
1 Simon Fisher Turner - The End Credits (Edward II) - 06:40
2 Simon Fisher Turner - Autumn Leaf (The Last Of England) - 03:27
3 Simon Fisher Turner - I Love You More Than My Eyes (Caravaggio) - 06:48
4 Simon Fisher Turner - Pure Blue (Live Blue Roma) - 04:26
5 Simon Fisher Turner - Series Of Cars (Lana) - 09:08
6 Simon Fisher Turner - Strung Out (Shwarma) - 07:34
7 Simon Fisher Turner - Virgin On The Rock/Stick Up/Warm (Melancholia) - 03:37
8 Simon Fisher Turner - Love, Death, Avoid It (Nadja) - 03:44
9 Simon Fisher Turner - Moist (Revox) - 09:48

Sonntag, 20. Juni 2010

Elliot Goldenthal (Teil 1) - Das Gewöhnliche trifft das Unerwartete

Wenn auch Elliot Goldenthals Name längst nicht so häufig auf der Leinwand zu sehen gewesen ist wie viele seiner bekannteren Kollegen, zählt er nicht nur durch seine Oscar-prämierte Musik zur Künstlerbiografie „Frida“ zu den anerkanntesten, hoffnungsvollsten und originellsten Filmkomponisten, die derzeit gehandelt werden. Für seinen Score "Interview With The Vampire" erhielt der am 2. Mai 1954 geborene New Yorker eine "Golden Globe"- und Academy-Award-Nomination, nachdem bereits seine Arbeiten zu "Drugstore Cowboy", "Friedhof der Kuscheltiere" und "Alien 3" hochgelobt wurden. 

Was all seine Werke für den Film auszeichnet, ist die offensichtlich seltene Gabe, die Möglichkeiten des Orchesters voll auszuschöpfen, das Gewöhnliche mit dem Unerwarteten zu verknüpfen, wundervolle Melodien mit experimentellen Sounds zu unterlegen, intime Momente mit bombastischen Orchestereskapaden und minimalistischer bis verfremdender Elektronik zu verbinden. Das hat Goldenthal größtenteils seinem Lehrer John Corigliano zu verdanken, während er bei Aaron Copland eher praktische Erfahrungen sammelte.
"Ich denke, dass gerade mein Studium mit John Corigliano extrem wichtig war, weil ich ihm jede Woche meine Arbeiten brachte, er sie analysierte, vor allem die Orchestration und die Idee der Melodie. Er achtete sehr darauf, dass ich nicht immer wieder auf das 19. Jahrhundert zurückgriff. Es war sehr aufregend für mich, wie man die Tradition des 19. Jahrhunderts mit großen Teilen des 20. Jahrhunderts verbinden konnte, wie man die Unterschiede einer Zeit, in der man lebt und in der Jimi Hendrix und Richard Wagner gespielt werden, miteinander aussöhnen, wie man beides simultan zusammenbringen kann", blickt Goldenthal auf seine Zeit an der Manhattan School of Music in New York zurück. "Aaron Copland war ein sehr alter Mann, der am Ende seines Lebens stand. Die große Freude, mit ihm zu arbeiten, war, seine Scores durchzuspielen, mit ihm sehr langsam vierhändig am Piano zu spielen und ihm Fragen über das zu stellen, was er in den 20er, 30er, 40er Jahren komponiert hat. Aber es war alles in slow motion. Es war sehr fördernd für mich, wenn er mir erzählte, wie gut es ihm tat, Sachen für den Film zu machen. Für ihn war es eine unglaubliche Sache, in verschiedene Gebiete außerhalb der Konzertmusik zu gehen, außerhalb des Lebens zwischen den Endpunkten. Er liebte das Radio, den Film und all die Dinge."
Mit Copland teilt Goldenthal das Interesse für interdisziplinäres Arbeiten. Vor allem seine Arbeiten für Orchester, Theater und Oper sind preisgekrönt. Für die Theaterproduktion "Juan Darién", die er 1988 mit der Regisseurin Julie Taymor inszenierte, erhielten beide den Obie Award. Für das Musical "The Transposed Heads" gewann er den ersten American Music Theatre Festival’s Stephen Sondheim Award. Außerdem erhielt er den Edinburgh Festival Critic’s Choice Award, den Toscanini Award for musical composition und den New Music for Young Ensembles composition prize.
1988 wurde er von ASCAP mit einem Orchesterwerk ("Shadow Play Scherzo") anlässlich des 70sten Geburtstags von Leonard Bernstein beauftragt, später mit einer Arbeit für das Haydn-Mozart Chamber Orchestra ("Pastime Variations - An Ebbets Field Memorial") sowie Scores für drei Shakespeare-Stücke.
"Ich war sehr am Kino und Theater interessiert. Mich faszinierte das Theater und die wechselseitige Beziehung zwischen Handlung und gesprochenem bzw. gesungenem Wort, zwischen Songtexten und Musik, wie Musik zu Gesang führt, wie Musik zu solchen Emotionen führt. So schien es mir nur natürlich, in diesem Bereich zu arbeiten", erklärt Goldenthal sein starkes Engagement für Theaterproduktionen. "Meine erste Musik für einen Film war die zu einem Film von Andy Warhol und einem deutschen Regisseur, der viel mit Rainer Werner Fassbinder zusammengearbeitet hat, in Hollywood Fuß fassen wollte, es aber nicht schaffte. Leider machte er Filme, die keiner sehen wollte. Aber ich machte einen Film mit ihm, ‚Blank Generation‘, welcher wirklich ganz gut war und in dem Andy Warhol und er selbst mitwirkten. Das war 1979 und der erste Film, den ich machte."
Eine große Umstellung von der Arbeit fürs Theater zu einer für den Film scheint es für Goldenthal grundsätzlich nicht zu geben.
"Es gibt eigentlich keine großen Unterschiede zwischen der Arbeit für die Leinwand oder für das Theater, wenn man in der glücklichen Lage ist, mit einem Regisseur zusammenzuarbeiten, der einem darin vertraut, was man macht, der gut versteht, was man zu erreichen versucht. Beim Film ist die Arbeit sehr technisch. Wie man weiß, bestehen Filme aus 24 Bildern pro Sekunde. Wenn jemand im elften Bild ein Messer ins Herz gestoßen bekommt und dies der wichtigste Moment ist, muss man seine ganze Musik darauf abstimmen. Man ist also ein Sklave der Zeit, wenn man für einen Film die Musik schreibt. Im Theater ist das natürlich anders, und in der Konzertmusik besteht die Schwierigkeit darin, dass es keine Grenzen gibt. Ohne Beschränkungen wird es viel schwieriger. Für mich ist es jedenfalls so, dass ich mich total unabhängig fühle, wenn man mir eine Beschränkung fortnimmt, und Freiheit ist eine schwierige Sache, um damit umzugehen. Das ist vielleicht auch der Grund dafür, warum Leute wie Alban Berg sich wohl dabei fühlten, innerhalb gewisser Grenzen zu arbeiten, oder Bluesmusiker, die nur sechs oder sieben Noten zur Verfügung haben."
Da für Goldenthal diese Beschränkungen nicht bestehen, sieht er nicht die Notwendigkeit, sich welchen zu unterwerfen, wie es die meisten seiner Kollegen tun. Wann immer Goldenthal engagiert wird, versucht er, ungewöhnliche Arbeiten zu produzieren, die auch für das Ensemble des jeweiligen Orchesters eine besondere Herausforderung bedeuten.
"Viele Sounds entstehen auf ganz natürliche Weise, wenn man versucht, mit einem traditionellen Orchester zu arbeiten. Sehr oft müssen die Bläser tiefere Töne in Verbindung mit Clustern oder Klangfarben spielen, was sehr ungewöhnlich für sie ist. Dann muss ich sehr oft erklären, was ich brauche, das das Orchester ausdrücken soll.
Ich denke, es gibt da noch viel, was man nutzen kann, was die Komponisten des 21. Jahrhunderts am Orchester erforschen können, weil noch so viele Texturen und Farben vorhanden sind, die bislang nicht verwendet wurden. Außerdem macht es die Computer- und Sampletechnik sehr einfach, hausgemachte Sounds zu produzieren und eine ganze Welt zu kreieren, die sehr gut mit dem Orchester zusammenwirken kann, wenn man nach vorn schaut. Ich verlasse mich auf den Computer und das Orchester, um diese Sounds zu kreieren."
Wie alle Filmkomponisten hat natürlich auch Elliot Goldenthal mit den besonderen Zeitbeschränkungen zu kämpfen, die den Komponisten zwingen, oftmals sehr kurzfristig Musik um- oder neu zu schreiben.
"Egal, wie früh ich in ein Projekt involviert werde, letztlich bleiben mir drei bis fünf oder sechs Wochen für die Musik, weil sich am Ende noch so viel ändert. Die Regisseure ändern ihre Meinung, tragen Kämpfe mit den Produzenten aus, so dass es zum Ende hin eine große Herausforderung wird. Man muss also sehr flexibel am Schluss sein. Man kann sich kaum vorstellen, wie viel sich ändern kann. Als ich die Musik für `Alien 3’ schrieb, musste ich am letzten Tag die letzten elf Minuten des Films neu aufnehmen, weil sie sich noch nicht entschieden hatten, ob das Monster aus Sigourney Weavers Körper kommt oder Selbstmord begeht. Es ist sehr schwierig, unter solchen Umständen zu arbeiten, wenn sich am Ende so viel verändert. Egal, wie früh man also in den Film hineinbezogen wird, was zählt, ist der vom Regisseur abgeschlossene Film. Das machte ‘Interview With The Vampire’ einfach, obwohl ich nur drei Wochen Zeit hatte, um achtzig Minuten Musik zu komponieren. Dafür war der Film bereits fertig. Sie änderten nichts mehr, und ich konnte Tag und Nacht die Musik komponieren."
Dass Elliot Goldenthal bislang verhältnismäßig wenig für den Film gearbeitet hat, liegt nicht nur an seinen intensiven Aktivitäten außerhalb Hollywoods, sondern auch an den Voraussetzungen, die Goldenthal an den Film stellt, bevor er sich entscheidet, ihn zu machen.
"Ich lese das Skript und beim Lesen versuche ich festzustellen, ob es Stellen und Möglichkeiten gibt, Musik auf unterschiedliche Weise einzusetzen, ob die Musik eine wichtige Rolle spielt. Z.B. war für ‘Alien 3’ die Musik sehr wichtig. Leider waren auch Sound Effects sehr wichtig. In ‘Drugstore Cowboy’ versuchte ich in der Musik die Drogenzustände auszudrücken, die sehr zentral in dem Film waren. Wo ich mich ausdrücken kann, wo man versteht, was ich mache, das sind die Kriterien, nach denen ich einen Film aussuche.
Ich bekomme viele Angebote, aber das Lesen des Skripts ist wichtig für mich, um zu sehen, dass die Musik eine entscheidende Rolle spielt und der Regisseur und ich keine Zeit verschwenden. Manche Komponisten nehmen alles, was sie kriegen können und gehen dabei in eine Falle. Es gibt sehr viele solcher Fallen. Ich wäre z.B. nicht sehr gut darin, eine romantische Komödie zu machen.
Wenn ich das tun würde, käme vielleicht jemand, der mir eine weitere Komödie anbietet und dann eine weitere, so dass ich zwei Jahre meines Lebens verloren hätte. Ich brauche Filme, in denen es andere Formen von Realität gibt. ‘Demolition Man’ war der letzte Action-Film, den ich je gemacht habe. Ich habe mich einmal an einem Action-Film versucht und würde so etwas nie wieder machen. Zu viele Sound Effects. Aber es war ein Film, der in der Zukunft spielte und mir die Möglichkeit bot, eine Musik zu komponieren, die andere Schichten von Realität aufwies. Ich muss sehr vorsichtig sein bei der Wahl meiner Projekte sein, weil es so viele Fallen gibt, mit denen man seine Zeit verschwenden kann."
Hat er sich aber für ein Projekt erst einmal entschieden, besteht für Goldenthal allerdings oft die Schwierigkeit, sich mit den Regisseuren über die Musik zu unterhalten.
"Die Regisseure haben zwar eine genaue Vorstellung von der Musik, die sie haben wollen, aber sie haben keine von mir. Sie können nicht in musikalischen Begriffen reden, sondern nur über dritte Personen oder andere Musik, also nur indirekt. Neil Jordan spricht z.B. über die Musik nur auf abstrakte Weise, indem er andere Komponisten erwähnt. Es wird dann immer schwierig, wenn ich die Musik vorlege, die ich komponiert habe. Für Neil Jordan habe ich eine Stunde Musik komponiert, die ich ihm zum Anhören vorgelegt habe, damit er seine Kommentare anbringen konnte. Von diesem Punkt an konnten wir zusammenarbeiten. Es ist sehr schwierig, mit einem Regisseur zusammenzuarbeiten, der kein Spezialist ist, der nicht den Musikprozess versteht, der sich nicht vorstellen kann, dass die Musik, die man mit einem Synthesizer eingespielt hat, anders klingt, wenn man sie von einem Orchester spielen lässt."
Die ungewöhnlich intensive Einheit, die Goldenthals Musik mit den Filmen eingeht, und sein ständiges Bemühen, neue Ausdrucksformen für die Filmmusik zu finden, haben nicht nur Vergleiche mit seinem Mentor John Corigliano ("Altered States", "The Ghost of Versailles") heraufbeschworen, sondern ihn als neuen Bernard Herrmann feiern lassen.
"Ich fühle mich sehr geehrt. Historisch gesehen kann man Bernard Herrmann als ersten Minimalisten bezeichnen. Man braucht nur Phillip Glass mit ihm zu vergleichen. Es ist einfach unglaublich, was er natürlich für ‘Psycho’, aber auch für ‘Cape Fear’ komponiert hat. Seine Art der Orchestration war völlig persönlich. Er folgte nicht der Tradition von Konzertkomponisten, die in Hollywood erfolgreich wurden, Leuten wie Max Steiner, die brillante Musiker waren. Aber dann kam Bernard Herrmann und führte vor, wie Musik im Kino klingen sollte. Er definierte nicht nur die Musik neu, sondern schuf ganz neue Welten mit Mr. Hitchcock. Ich fühle mich sehr geschmeichelt, in seine Fußstapfen zu treten."

Elliot Goldenthal (Teil 2) - Aus einer anderen Welt

Doch im Gegensatz zu Herrmann hat Goldenthal nicht mehr die Möglichkeit, die Spannung des Films allein mit musikalischen Mitteln zu erhöhen, da durch die rasante Entwicklung der Technik die Sound Effects immer öfter die Aufgaben dessen übernehmen, was früher die Musik leisten musste.

"Heutzutage gehören Sound Effetcs zum Alltag. Man kann problemlos eine Explosion oder das Geräusch eines mit 110 Kilometern pro Stunde fahrenden Wagens erzeugen. In den 20er, 30er und 40er Jahren waren Sound Effects noch nicht so etabliert. Die Komponisten mussten eine erhöhte Realität des Films durch die Kreation von Musik erzeugen, dass er diesem oder jenem Sound ähnlich klang.
Der Job eines Komponisten war weitaus kreativer. Heutzutage realisieren die Filmemacher so viel mit Sound Effects, dass sie die Musik nicht mehr so wichtig nehmen. Und die Musik wird immer schlechter, solange die Filmemacher nicht verstehen, dass Musik die filmische Realität verstärkt. 
Wenn man an die Duschszene bei Hitchcocks ‘Psycho’ denkt, gibt es weder Sound Effects noch sieht man Blut oder wie das Messer zusticht. All das geschieht durch kreative Einbildung. Bernard Herrmann benutzte die Streicher, um auf abstrakte Weise einen Sound darzustellen, wie ein Messer ins Fleisch eindringt, und auch den Sound eines Vogels, weil Anthony Perkins mit Vögeln verbunden war. Er kreierte die Essenz des Alptraums auf abstrakte Weise. Im Gegensatz dazu würde man heute den Duschvorhang hören, das Wasser, das Messergeräusch, und die Musik würde die Angst reduzieren. Soundtracks werden immer schlechter, weil sich die Regisseure zu sehr auf Sound Effects verlassen. Die Rolle des Komponisten ist sehr eingeschränkt, und sie werden sehr faul, tun nur das, was notwendig ist. Musik ist keine Musik mehr, sondern ein Cue. Ich bin sehr empört darüber, dass sich die Komponisten zurücklehnen und sehr faul sind."
Elliot Goldenthal bei der Arbeit zuhause, 1995 fotografiert von Ted Thai
Andererseits weiß Goldenthal auch von den eingeschränkten Möglichkeiten seiner Kollegen, von denen meist nur verlangt wird, sich innerhalb der vorhandenen Konventionen zu bewegen und sich an ähnlichen Scores zu ähnlichen Filmen zu orientieren. Der Erfolg, den Neutöner wie Goldenthal, Graeme Revell oder Christopher Young aber mittlerweile haben, verweist auf eine Öffnung der Horizonte, auf eine Veränderung der Einstellung der Regisseure und Produzenten zu den Möglichkeiten der Filmmusik.
"Ich denke, dass Komponisten nie die Möglichkeit bekamen, ihre Abenteuerlust so auszudrücken wie heute. Mittlerweile gibt es eine andere Generation von Regisseuren, die selbst abenteuerlustiger sind. Früher waren die Komponisten sicher ebenso experimentierfreudig, bekamen aber nie die Chance dazu."
Wenn die neue Generation von Filmemachern auch die Komponisten ermutigt, sich auf neues Terrain zu wagen, ist mit ihr aber andererseits ein neues Problem aufgetaucht, nämlich die verstärkte Verwendung von Pop-Songs in den Filmen, was die Möglichkeiten des Komponisten wiederum zu reduzieren scheint.
"Das hängt von der Szene ab. In ‘Batman’ gab es eine Szene, wo Batman in das Zimmer der Frau flog, die er küssen wollte. Es war eine sehr romantische Szene und jeder im Studio wollte einen Song für die Szene haben, während ich der Überzeugung war, dass dort ein Streichorchester hingehörte, im Stile von Gustav Mahler, sehr dunkel und brodelnd, aber auch sehr romantisch. Der Regisseur fand, dass meine Idee besser funktionieren würde, weil ein Song in dieser Szene den Zuschauer nicht einbezieht, sondern vom Geschehen distanziert, da man beginnt, dem Song zu folgen und nicht der Szene. In manchen Szenen funktionieren Songs dagegen sehr gut, vor allem bei Übergängen, wenn jemand in ein Auto oder Flugzeug steigt und ein Szenenwechsel folgt. In ‘Drugstore Cowboy’ gab es viele dieser Szenen, bei denen die Songs hervorragend passten. Aber in dramatischen Szenen kann der Song den Zuschauer wegführen. Ein Song hat eine lineare Entwicklung, der man leicht folgen kann, während die Szene vielleicht viel komplexer angelegt ist. Ich denke, Pop Songs in Filmen ist ein großes Problem. Regisseure machen den großen Fehler, wenn sie glauben, dass Songs in der Lage seien, jemanden in einen Film hineinzuziehen. Denn Songs stoßen einen hinaus, distanzieren einen von dem Film. Der Film ist ein sehr sensibles Medium, und Songs sind sehr schwierig, um damit umzugehen. Das ist wie mit Erdbeeren. Die halten nur fünf Tage. Sie können nicht überdauern."
Nach dem 79er Debüt "Blank Generation" verstrichen zehn Jahre, bis Elliot Goldenthal von Mary Lambert engagiert wurde, die Musik für die Verfilmung des Stephen-King-Bestsellers "Friedhof der Kuscheltiere" (Varese Sarabande) zu schreiben. Abgesehen von den melodiösen Pianosequenzen kreierte Goldenthal wahrlich gruselig schrille Klänge, mit denen die Regisseurin offensichtlich Probleme hatte.
"Das größte Problem war, dass Mary Lambert mit meinen Vorstellungen von Melodie nicht zurechtkam. Sie konnte nie hören, dass ich eine Melodie komponiert habe. Sie war eine sehr nette, intelligente, fürsorgliche Frau, die darum bemüht war, den Film so gut wie möglich für das Studio zu machen, aber sie konnte es nicht hören. Ich musste ihr immer wieder sagen: ‘Es tut mir leid, aber es ist eine Melodie.’"
Zur gleichen Zeit arbeitete Goldenthal an dem Gus-Van-Sant-Film "Drugstore Cowboy" (Novus), für den der versierte Komponist einmal mehr ungewöhnliche Musik bereitstellte.
"Gus Van Sant spricht nicht viel. Er ist eher schüchtern. Wir arbeiteten Wochen über Wochen sehr eng miteinander. Die einzige Versicherung, die ich ihm geben konnte, war, dass die Musik für den Film so zu funktionieren hatte. Er fragte: ‘Warum?’ Und ich antwortete: ‘Weil es keinen Sinn macht.’ Worauf er fragte: ‘Was meinst du damit?’ Und ich erklärte ihm, dass es funktioniert, wenn es keinen Sinn macht in diesem speziellen Fall. Ich erklärte ihm wieder und wieder den Spaß und die Bedeutung vom Dadaismus, die Beziehung zu der Kunst, die wir zu kreieren versuchten. Er wollte ursprünglich die Musik benutzen, die ich für ‘Juan Darién’ geschrieben habe, was eine südamerikanische Kurzgeschichte von Horacio Quiroga war und Julie Taymor und ich 1988 inszenierten. Es wurde weltweit aufgeführt, und Gus hörte die Musik. Im Grunde genommen war es die Requiem-Messe in Latein.
Gus setzte die ganze Musik für den Film ein, aber als ich mir den Film ansah, fand ich es schrecklich. Ich konnte nicht die Musik hören und zur gleichen Zeit den Film sehen. Ich habe Gus angerufen und ihm gesagt, dass ich das nicht machen werde und damit beginne, meine Oper ‘Grendel’ zu komponieren. Einige Zeit später erhielt ich einen Anruf, in dem Gus mir erzählte, dass er einen anderen Komponisten gefunden hätte. Gus nahm die Musik von einem anderen Komponisten, die er gefunden hatte und zeitgleich in den Film einbaute, weil es so funktionierte. Es stellte sich dann aber heraus, dass der andere Komponist auch ich gewesen bin. Er hatte ein Tape gefunden, auf dem kein Name stand. Darauf willigte ich ein, mit ihm zusammenzuarbeiten. Es war großartig. Ich hoffe, er bekommt seine Vorstellungskraft zurück, die er in seinen ersten Filmen hatte."
Auffällig ist die Ähnlichkeit in der Instrumentation zwischen Goldenthals Score zu "Drugstore Cowboy", in dem William S. Burroughs eine Nebenrolle übernahm, und David Cronenbergs Adaptierung von Burroughs’ "Naked Lunch", für deren Score Howard Shore mit Ornette Coleman zusammenarbeitete und eine ähnlich halluzinative Atmosphäre mit dem Alt Saxophon kreierte wie zuvor Goldenthal mit dem Einsatz eines Didgeridoo und einem Tenor Saxophon.
"Ich denke, dass das Saxophon viel von der Drogenkultur ausdrückt, aber auch von der Frustration, der Wut und der Angst, die einen gerade zum Heroin führt. Howard Shore arbeitete mit Ornette Coleman zusammen, eine Beziehung, die wirklich wundervoll ist. Ich habe den Soundtrack noch nie gehört, obwohl ich sowohl Howard als auch Ornette kenne. Ich muss ihn mir wohl kaufen."
1992 wurde Goldenthal von David Fincher für den dritten Teil der "Alien"-Reihe (MCA) engagiert, deren ersten beiden Teile Jerry Goldsmith und James Horner musikalisch umgesetzt hatten. Diesbezüglich verspürte Goldenthal aber keinen Druck, sondern orientierte sich allein an dem, was für den neuen Film notwendig war. In dieser "industrial-dread symphony" (Entertainment Weekly) setzte Goldenthal wie bei "Friedhof der Kuscheltiere" und später bei "Interview With The Vampire" (Geffen) die menschliche Stimme sehr elaboriert ein.
"Ich denke, es ist sehr natürlich, die menschliche Stimme in der Musik einzusetzen, aber es waren in allen drei Fällen besondere Gründe. In ‘Friedhof der Kuscheltiere’ ging es um ein Kind, darum, ein Kind zurück zum Leben zu bringen. Der Chorus hatte aber keine Worte. Für ‘Alien 3’ benutzte ich eine einzelne Jungenstimme, um darzustellen, dass wir alle Lämmer sind. Ich fand das Lamm Gottes aus der Requiem-Messe sehr geeignet für den Film, weil am Ende des ganzen Nihilismus, des Verstehens, dass im Universum eine Kreatur existiert, die uns töten wird, die Erkenntnis folgt, dass man zur Seele zurückkehren muss, wenn man nicht wie ein Lamm zum Schlachter geführt werden will.
In ‘Interview With The Vampire’ kehrte ich die Zeile aus der Requiem-Messe ‘Deliver Me From Everlasting Death’ in ‘To Save Me From Everlasting Life’ um. Außerdem bedeutet ‘eternal light’ die Antithese von dem, was Vampire denken, da sie sich nicht im Licht aufhalten dürfen. Ich fand es auch sehr wichtig, dass die Musik wie etwas vor 200 oder 300 Jahren klingen musste, statt moderne Musik wie Rap oder elektronische Klänge, Rhythmen, was man eben in einer modernen amerikanischen Stadt wie San Francisco erwartet.
Ich hielt es für besser, Stimmen einzusetzen, um eine Art Distanz aus einer anderen Welt aus einer anderen Zeit auszudrücken."
Mit dem Action-Score zu "Demolition Man" und der exotischen Musik zu "Golden Gate" (beide Varese Sarabande) stellte Goldenthal einmal mehr seine musikalische Virtuosität unter Beweis.
Dass David Geffen, einem der Produzenten von "Interview With The Vampire", der ursprüngliche Score von George Fenton zu Neil Jordans filmischer Adaptierung des Anne-Rice-Romans missfiel, erwies sich für Goldenthal als glückliche Fügung. Zumindest schien er das richtige Gefühl dafür gehabt zu haben, was der Film benötigte.
"Ich fand, dass George Fentons Score sehr schön gewesen ist, aber leider ist der Vampirfilm sehr langsam. Brad Pitt spricht sehr langsam, die Handlung läuft sehr langsam ab, und Georges Musik war auch sehr langsam. So schön die Musik an sich war, sie ließ den Film doppelt so lang erscheinen. Ich hörte seine Musik einmal zu dem Film, und als man mich fragte, wie ich die Musik kreieren wollte, meinte ich, dass der Film eine gewisse Art von Humor bräuchte. Wie düster oder krank der Film auch sei, er sollte Humor und Ironie besitzen genauso wie Verführung und Wut. Ich denke, das war der einzige Unterschied zwischen Georges und meinem Score."
Auf die nächsten Film-Scores von Goldenthal musste man indes nicht so lange warten wie bisher. Zunächst hatte er 1994 Ron Sheltons Sportlerdrama "Cobb" (Sony) mit Oscar-Preisträger Tommy Lee Jones mit einem vielschichtigen Score versehen, der geschickt zwischen wilden Orchesterattacken, traditionellen Americana-Motiven, Ragtime und spirituellen Zügen des baptistischen Gesangs variierte.
"‘Cobb’ ist eine sehr schwierige Rolle, aber auch vielleicht die beste Rolle, die Tommy Lee Jones je gespielt hat. Er spielt einen menschenfeindlichen Baseballspieler, der als 72jähriger auf sein Leben zurückblickt, das großartig war, aber auch grausam. Es war interessant, den Mythos des Sporthelden zu erforschen. Das ist wie bei O.J. Simpson. Unabhängig davon, ob er unschuldig ist oder nicht, die Art, wie er sein Leben gelebt hat, ruft nach Vergeltung. Er verdient eine Strafe dafür, dass er seine Frau jeden Tag schlug. Das ist die Art von Charakter, die Cobb spielt. Leider hat Amerika eine Gesellschaft, die den Blick auf einen Helden braucht, und wenn sie entdeckt, dass diese Helden in ihrem persönlichen Leben gar nicht so heldenhaft sind, ist das eine schmerzliche Sache. Etwas in dem Score ist sicherlich mit der Americana verknüpft. Cobb war nicht nur ein Sportheld, er liebte auch die Oper und klassische Musik, die in Amerika aber nicht sehr bekannt war. Als Temp-Score für den Film wurde Mendelssohns italienische Sinfonie verwendet, deren Stimmung man in vielen Fällen auch im Score umgesetzt haben wollte. Es ist ein sehr ungewöhnlicher Score und einer meiner besten, mit Jazz- und Dixieland-Elementen."
Ungewöhnlich war auch die Integration des Cues "The Beast Within" aus dem "Alien 3"-Score in die Musik von "Cobb".
"Das war eine Idee des Regisseurs zu einer Szene im Film, in der Cobb immer wütender wurde und seine innere Spannung schließlich an seinem Co-Trainer ausließ, mit dem er zusammenarbeitete, dann aber plötzlich aufhörte. Der Cue klang wirklich perfekt dazu. Das ist merkwürdigerweise ein Stück Musik, das für viele verschiedene Arten von Filmen geeignet scheint. Ich habe das Stück auch schon in einem anderen Film als Temp-Score gehört, einem Thriller in der Art von ‘Fatal Attraction’. Auch dort passte es sehr gut, vielleicht sogar besser als bei ‘Alien 3’. Manchmal kümmert mich das nicht, ein Stück aus einem Film in einen anderen einzusetzen, wenn es beim ersten Mal nicht gehört hat. Bei ‘Alien 3’ waren die Sound Effects zu laut, um die Musik wahrzunehmen."

Elliot Goldenthal (Teil 3) - Der erste Academy Award

Elliot Goldenthal, der sich bislang stets unterschiedlicher Filmprojekte angenommen hatte und immer wieder mit außergewöhnlichen, erfrischenden Scores dazu aufwartete, wurde schließlich auch für den dritten Film in der "Batman"-Reihe engagiert, bei dem er zusammen mit Regisseur Joel Schumacher die Rollen von Regisseur Tim Burton, der als Produzent von "Batman Forever" fungierte, und seinem langjährigen musikalischen Begleiter Danny Elfman übernahm.

"Es war gut, dass es ein neuer Regisseur war, ein neues Batmobile, ein neuer Batman, so dass ich nicht mit dem Erbe der anderen beiden Filme insofern konfrontiert wurde, da der Regisseur alles neu haben wollte. Ich denke, Danny Elfman hat großartige Arbeit für Tim Burtons Filme geleistet, aber wir wollten etwas anderes, etwas Neues machen. Meine Umsetzung war recht einfach, weil ich den Film als Comic-Buch-Oper betrachtete. Tommy Lee Jones' Charakter war ein ganz simpler Bösewicht, so dass seine Musik sehr dunkel klang. Für Jim Careys Charakter benutzte ich elektronische Instrumente aus den 50ern und 60ern, um eine nicht zu moderne Musik zu kreieren, weil er für mich etwas aus der Vergangenheit darstellte. Für Batman komponierte ich natürlich eine heroische, aber sehr dunkle Musik."
Tatsächlich ist Goldenthal mit dem Score zu "Batman Forever" (Atlantic) ein weiterer Geniestreich gelungen, bei dem auf komplexe, höchst intelligente Weise großorchestrale Klangschöpfungen mit elektronischen Finessen zu einer vergnüglichen wie aufbrausenden Einheit verschmelzen, die Goldenthals Vorliebe für die Musik von Bernard Herrmann, Phillip Glass und den Einfluss von Richard Wagner auf das Szenario von "Batman Forever" deutlich macht. Das Erbe Wagners kommt schließlich auch in der Titelgebung von Tracks wie "Fledermausmarschmusik" und "Batterdammerung" zum Tragen.
"Ich finde, die deutsche Musik war Mitte bis Ende des 19. Jh. voller heroischer Charaktere. Der Protagonist aus ‘Der Fliegende Holländer’ ähnelt z.B. Batman sehr, indem er sich der Frau zu erkennen gibt, die er liebt; er ist eine sehr dunkle, mysteriöse Persönlichkeit voller Kraft. ‘Batman’ liegt also ein Konzept zugrunde, das ähnlich dem deutschen aus dem 19. Jh. ist. Ich finde, dass Wagner das in seinen frühen Opern sehr gut ausgedrückt hat.
Eine andere Komponente aus den drei ‘Batman’-Filmen, die einen Bezug zu Deutschland aufweist, ist die Ähnlichkeit zu Fritz Langs ‘Metropolis’, das auch eine Art von Gotham City darstellt. Das einzige, was von diesem deutschen Ursprung abweicht, sind die jazzigen Elemente, die mit Jim Careys Rolle und der Stadt an sich zusammenhängen. Amerikanische Städte werden irgendwie mit Jazz assoziiert, Ich bezog mich aber auch auf die Superhelden-Shows im Fernsehen aus den 50ern und 60ern, in denen dieser Sound vorhanden war."
Gerade hat Goldenthal seine Arbeit an einem symphonischen Choralwerk anlässlich des 20. Jahrestages des Vietnamkriegendes (Sony) beendet, das vom Pacific Symphony Orchestra aufgeführt werden wird, um auf musikalische Weise dem menschlichen Leiden durch den Vietnam-Krieg zu gedenken.
"Es ist ein musikalisches Monument, aber völlig unpolitisch, da ich nicht daran interessiert bin, ein politisches Statement über den Krieg abzugeben. Aber es ist sehr persönlich. Der Text enthält Briefe, Korrespondenzen sowohl von den Nord- und Südvietnamesen als auch von den amerikanischen Soldaten. Es ist ein persönliches Statement über die Leiden des Krieges, vor allem nach 1975. Es wird einen vollen Chor, Orchester, elektrische Gitarre (Jimmy Hendrix-Samples) und Solisten enthalten und in Englisch, Latein und Vietnamesisch vorgetragen. Es wird hinsichtlich des Publikums vielleicht das erste Mal sein, dass amerikanische und vietnamesische Kriegsveteranen in einem Raum sitzen werden, um derselben Musik zuzuhören. Das ist noch nie passiert.
Während des Vietnam-Krieges war ich völlig gegen den Krieg. Ich fand es dumm und unglücklich, diesen Krieg anzuzetteln. Wie auch immer, die Soldaten, die diesen Krieg kämpften, waren überwiegend sehr arm, meistens Schwarze. Soldat zu sein, war die einzige Möglichkeit, dem Elend der Stadt zu entkommen. Als die Soldaten zurückkehrten, waren sie nicht willkommen, weil der Krieg unpopulär geworden ist. Viele Soldaten fühlten sich sehr einsam, kehrten sehr verwirrt zurück und wurden drogenabhängig. Es war eine sehr unglückliche Situation für die Amerikaner, die teilweise ihre Arme und Beine, ihre Familien, Frauen und Kinder verloren. Sie hatten nichts. Für die Südvietnamesen konnte nichts schlimmer sein, als langsam ihre Familien und Leben zu verlieren und Stück für Stück zurückgedrängt zu werden. Die Nordvietnamesen wurden mit Napalm bebombt, ihre Leben und das Land wurde von Leuten zerstört, die 6000 Meilen entfernt waren.
Die Gefühle sind auf allen Seiten sehr komplex gewesen, immer noch lebendig, sehr roh. Sie kamen bislang noch nicht zur Ruhe. Wenn Amerikaner und Vietnamesen zur selben Zeit nebeneinander sitzen und derselben Musik zuhören, ist das ein sehr emotionales Erlebnis."
Was Goldenthal an dem Projekt faszinierte, war auch der Umgang mit so unterschiedlichen Kulturen, die Herausforderung, einen Rahmen zu finden, der die Komposition, die Texte und die Bedeutungen vereint. Für das, was Musik für ihn bedeutet, hat Goldenthal auch einen schönen Vergleich parat.
"Ich war 17, als Neil Armstrong auf dem Mond spazierte, auf die Erde schaute und feststellte, wie klein und schön sie aussah, und realisierte, dass nationale Grenzen wirklich dumm sind, dass Musik etwas ist, das wir alle miteinander teilen können. Wir müssen keine schwierige Sprache erlernen, um Musik verstehen zu können. Ein Kind aus Leipzig kann ebenso gut die Rolling Stones lieben wie ein Junge aus Ohio Bach lieben kann.
Es gibt keine Grenzen in der Musik. Es ist schön zu wissen, dass man ohne große Schwierigkeiten fast jede Sprache der Welt sprechen kann, wenn man nur die Ohren für die Musik offenhält. Ich glaube nicht an die Idee einer nationalen Musik. Als Bizet ‘Carmen’ komponierte, bin ich sicher, dass er kein Spanier sein musste. Richard Wagner musste kein Wikinger sein, um die ‘Nibelungen’ zu komponieren. George Gershwin musste kein Schwarzer sein, um ‘Porgy & Bess’ zu schreiben. Musik ist auf eine Weise heilig, dass der Turm zu Babel in der Musik nie existierte, da jeder diese Sprache spricht."
Dennoch scheint es bei Goldenthals Arbeit zu Michael Manns Thriller "Heat" (Warner) verschiedene Meinungen über das gegeben zu haben, was Musik in diesem Fall leisten sollte. Verlief die Arbeit zu "Batman Forever" noch reibungslos, was die Verwendung von Score und Songs anging, so trügt bei "Heat" die stimmig anmutende Symbiose zwischen Goldenthals teils elektronischen, teils orchestralen Score mit markanten Streichern des Kronos Quartetts und scharfen elektrischen Gitarren einerseits und den Songs von Moby, Lisa Gerrard, Passengers u.a. andererseits.
"Es gab insofern Probleme, als ich für die Szenen, in denen Songs eingesetzt werden sollten, ebenfalls Musik geschrieben habe. Es ging um Brian Eno und mich, wobei der Regisseur sich in die Stücke verliebt hat und sie in dem Film einsetzen wollte, obwohl ich schon für die entsprechenden Szenen Musik komponiert hatte. Es war der reinste Zirkus, so dass ich gehen musste. Ich konnte da nicht mehr sein. Ich hatte eine schöne Zeit damit, die Musik zu komponieren, aber als ich ebenso wie andere realisierte, dass der Regisseur willkürliche Entscheidungen traf, verließ ich mit Matthias Gohl das Projekt. Er ging in die Schweiz, ich nach Barbedos."
Mittlerweile haben sich beide von den Aufregungen des "Heat"-Projekts erholt, und Goldenthal durfte wieder für Michael Manns letzten Film „Public Enemies“ musikalisch tätig werden. Aber auch die Zusammenarbeit mit den Regisseuren Neil Jordan und Joel Schumacher fand ihre Fortsetzung. 1996 schrieb Elliot Goldenthal, der gerne für Bertolucci, Sidney Lumet und Jane Campion arbeiten würde, die Musik zu "Michael Collins", Neil Jordans epische Biographie des IRA-Terroristen.
"Michael Collins ist eine sehr wichtige Persönlichkeit für Irland, eine Art Malcolm X oder George Washington. Er war von 1916 bis 1922 der erste Terrorist der IRA und ist für viele Iren ein Held. Für mich bedeutet das eine große Verantwortung“, erzählte mir Goldenthal im Vorfeld der Produktion.
„Natürlich werde ich irische Folk-Elemente integrieren, traditionelle irische Musik, aber auch Vocals, vielleicht Sinead O’Connor oder Enya. Es wird aber auch ein volles Orchester geben, da es ein sehr großer, epischer Film im Stile von ‘Napoleon’ oder ‘Gandhi’ wird.
Nach ‘Michael Collins’ folgt ‘Time To Kill’, ein Film von Joel Schumacher. Und dann gibt’s es einen weiteren ‘Batman’-Film, 1997. Die Hälfte des Materials dafür ist praktisch schon fertig, das Batman-Theme, das Batmobile-Theme, insofern hoffe ich, dass der nächste Film einfacher wird."

Nach seinen furiosen Arbeiten für die „Batman“-Reihe sorgte auch die Computerspiel-Verfilmung „Final Fantasy: Die Mächte in dir“ im Jahre 2001 für Lobeshymnen, ehe Goldenthal ein Jahr später für die stimmungsvolle Musik zum Biopic „Frida“ mit dem Oscar ausgezeichnet wurde.
„Für ‚Frida‘ habe ich versucht, die Musik mit einer melodischen Intimität zu versehen, also mit Melodien oder Harmonien im Gegensatz zu motivischen Fragmenten zu arbeiten. Um eine zusätzliche Intimität zu erreichen, habe ich ein kleines Ensemble mit akustischen Instrumenten gewählt: die kleine mexikanische Gitarre (Vihuela), die normale klassische Gitarre, mexikanische Bass-Gitarre (Guitarron), Akkordeon, mexikanische Harfe, Marimba und Glasharmonika (eine Erfindung von Benjamin Franklin). Ich fand, dass die Gitarren die ganze Bandbreite an Lyrizismus und Percussion lieferten, die ich benötigte“, beschrieb der Komponist in den Liner Notes zum Soundtrack „Frida“.
„Mexikanische Musik kann nicht generalisiert werden, sie variiert extrem von einer Region zur nächsten, aber in ihrer folkloristischen Musik ist ein gewisser harmonischer Fingerabdruck zu erkennen, ein Gebrauch von fortlaufenden Dritteln und eine stolze Vermeidung überkomplexer Harmonien. Ich dachte, wenn ich dieser essenziellen harmonischen Signatur folge und meinen Melodien treu bleibe, wird mich der Film einladen.
Ein anderer extrem wichtiger Aspekt des gesamten Scores ist der Song. Songs findet man überall in Mexiko, du wirst angesungen und man erwartet von dir zu singen. In den Fiestasm auf den Seen, in den Feldern, in den Hinterhöfen, unter den Fenstern von Liebenden, auf den Friedhöfen, auf Hochzeiten – Mexiko singt. Diese traditionellen und regionalen Songs scheinen wunderbar neben den letzten romantischen Boleros und experimentellen Pop leben zu können.“

Filmographie
1979 Blank Generation
1989 Drugstore Cowboy
1989 Pet Semetary
1989 Criminal Justice
1992 Alien 3
1992 Grand Isle
1993 Demolition Man
1993 Golden Gate
1994 Cobb
1994 Interview with the Vampire
1995 Heat
1995 Voices
1995 Batman Forever
1996 Michael Collins
1996 A Time To Kill
1997 Batman and Robin
1998 The Butcher Boy
1998 Sphere
1999 In Dreams
2000 Titus
2001 Final Fantasy
2002 The Good Thief
2002 Frida
2003 S.W.A.T.
2007 Across The Universe
2009 Public Enemies
2010 The Tempest

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