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Montag, 15. Oktober 2012

Playlist # 96 vom 21.10.2012 - OLIVER STONE Special

Mit seinen oft sehr politischen, manchmal extrem gewalttätigen Filmen steht der unbequeme amerikanische Drehbuchautor, Produzent und Regisseur Oliver Stone immer wieder in der Kritik. Dabei sorgten nicht nur seine Präsidenten-Portraits „JFK – Tatort Dallas“, „Nixon“ und „W.“ für reichlich Diskussionsstoff, sondern auch die Gewaltorgien „Natural Born Killers“ und „U-Turn“. Nun startet sein neuer Film „Savages“ in den Kinos.

Als Sohn eines jüdischen Vaters und einer katholischen Mutter wurde Oliver Stone episkopalisch erzogen, er konvertierte aber später zum Buddhismus. Bereits im Alter von fünf Jahren schrieb Oliver Stone Marionettenstücke für seine Cousins, später verfasste er erste Geschichten und sogar ein Buch über seine Familie und das Leben im Allgemeinen. Seinen Roman „A Child’s Night Dream“ wollte aber kein Verlag annehmen, worauf der Autor das halbe Manuskript frustriert in den East River warf. Nach einem eher erfolglosen Jahr in Yale arbeitete Stone als Englischlehrer in Vietnam, kehrte für kurze Zeit an die Universität von Yale zurück, um sich dann als Freiwilliger für Vietnam zu melden. Bei seinen Fronteinsätzen zwischen April 1967 und November 1968 wurde Stone zweimal verwundet und mit dem „Purple Heart“ und dem „Bronze Star“ ausgezeichnet. Später sollte Stone seine Fronterfahrungen zu seiner Vietnam-Trilogie aus den Antikriegsfilmen „Platoon“, „Geboren am 4. Juli” und “Zwischen Himmel und Hölle” verarbeiten.
Nach seiner Rückkehr aus dem Krieg begann Stone ein Studium an der Filmhochschule der New York City University, wo Martin Scorsese sein erster Lehrer war. Nach einigen nicht realisierten Drehbüchern konnte er mit dem B-Movie-Horrorfilm „Die Herrscherin des Bösen“ 1972 sein erstes Drehbuch verkaufen und sogar selbst verfilmen. Auch mit „The Hand“ blieb er zunächst dem Horror-Genre treu. Daraufhin sollte Oliver Stone erst einmal als Autor seine ersten großen Erfolge verbuchen. Bereits für sein Drehbuch zu Alan Parkers „12 Uhr nachts – Midnight Express“ erhielt er 1978 seine erste Oscar-Auszeichnung, danach folgten die Bücher zu „Conan der Barbar“, „Scarface“ und „Im Jahr des Drachen“.
Seine Drogensucht und das wilde Partyleben trieben Oliver Stone fast in den Bankrott, dann rettete ihn der immense Erfolg von „Platoon“, für den er seinen ersten Regie-Oscar in Empfang nehmen konnte. Charlie Sheen spielt den Studienabbrecher Chris Taylor, der sich 1967 freiwillig für Vietnam meldet und schnell feststellen muss, dass der Krieg keine Helden schafft, sondern aus den Menschen rohe Bestien macht. Besonders schwer zu schaffen macht Taylor aber der Konflikt in den eigenen Reihen zwischen dem brutalen Sergeant Barnes (Tom Berenger) und Sergeant Elias (Willem Dafoe), der sich trotz der nervenaufreibenden Kämpfe seine Menschlichkeit bewahrt hat.
„In ‚Platoon‘ geht es vordergründig ‚nur‘ um amerikanische Soldaten. Tatsächlich geht es um jeden Soldaten, auch die des Vietcong, die im Film nur am Rande erscheinen. Ein vietnamesischer Film über den Krieg würde sicherlich ganz anders aussehen, weil Vietnam von den USA angegriffen wurde und noch heute unter den Folgen zu leiden hat. Es bleibt trotzdem eine Erkenntnis, die ‚Platoon‘ nicht direkt vermittelt, sich aber aus dem Film ziehen lässt. Der Krieg ist kein Mittel der Politik, sondern die Kapitulation nach der Politik. Ist ‚Platoon‘ Pflaster oder Heilung? Weder noch. Der Film ist Versuch einer skrupellosen Annäherung. Und hier wird ‚Platoon‘ auch zu einer sehr persönlichen Angelegenheit, nämlich der von Oliver Stone selbst“, resümiert Ulrich Behrens auf filmstarts.de
Zwar stellte Stone bereits kurz zuvor in „Salvador“ (1986) wunde Punkte der jüngsten amerikanischen Vergangenheit stark polemisierend dar, doch avancierte erst der mit vier Oscars (bester Film, beste Regie, bester Schnitt und Ton) ausgezeichnete Film „Platoon“ zum Prototyp der Stoneschen Aufklärungsarbeit. Denn auch in den nachfolgenden Werken thematisierte Stone immer wieder Erlebnisse eines isolierten Einzelgängers, der mit den Verfehlungen und Schattenseiten der US-Gesellschaft konfrontiert wird.
„Wall Street“ (1987) wurde dabei von dem Schiffbruch seines eigenen Vaters inspiriert, der als Börsenmakler an der Wall Street tätig war. Der junge Börsenmakler Bud Fox (Charlie Sheen) träumt davon, für den schwerreichen Börsianer Gordon Gekko (Michael Douglas) zu arbeiten. Als er mit Insiderinformationen von seinem Vater Carl Fox (Martin Sheen) bei Gekko punkten kann, sieht er sich am Ziel seiner Träume, doch dann muss er verfolgen, wie Gekko aus reiner Profitgier das Unternehmen, in dem Buds Vater arbeitet, auflöst, statt es zu retten. Nach dem börsenkritischen „Wall Street“ wandte sich Stone ein Jahr später dem medienkritischen „Talk Radio“ zu, mit dem der Regisseur den 1984 begangenen Mord an dem Radio-Moderator Alan Berg thematisierte.
In Houston strahlt der Sender KGAB jede Nacht die Sendung „Night Talk“ aus, in der Moderator Barry Champlain (Eric Bogosian) kein Blatt vor den Mund nimmt, wenn er die Anrufe seiner Hörer kommentiert. Was für die einen den Reiz der Sendung ausmacht, ist für andere eine üble Beleidigung, auf die mit Morddrohungen reagiert wird. Das erfolgreiche Programm soll nach dem Wunsch von Produzentin Laura (Leslie Hope), Studioleiter Dan (Alec Baldwin) und Dietz (John Pankow) von der Unternehmensführung auf ganz Texas ausgedehnt werden, wenn sich Champlain etwas zurücknehmen würde, doch der hält von solch faulen Kompromissen gar nichts und gefällt sich darin, seine Hörer weiter so zu beschimpfen, wie er es für richtig hält.
„In der Darstellung dieses (medienmäßig vermittelten) Systems ist Oliver Stone in gewisser Weise skrupellos ehrlich. Seine Enthüllung unterscheidet sich von anderen genau durch diese Ehrlichkeit, durch die Verlässlichkeit, mit der er sein Publikum in die Geschichte verwickelt“, meint Ulrich Behrens auf filmstarts.de. „‘Talk Radio‘ ist ein viel zu wenig beachteter Film aus dem Werk Oliver Stones, der seinen berechtigten und gleichberechtigten Platz hat etwa neben ‚Nixon‘ oder ‚JFK‘. In diesem Film ist es nicht so sehr die Verschwörungstheorie, sondern viel mehr das innere, heimliche, unausgesprochene Übereinkommen zwischen Medienmachern, Hörerschaft und Anrufern, ihre Angelegenheiten auf die beschriebene Art und Weise zu regeln, weil sie es anders nicht können.“ 
Sowohl zu „Wall Street“ als auch „Talk Radio“ komponierte der ehemalige The-Police-Drummer Stewart Copeland die elektronisch produzierte Musik, die heutzutage schon arg antiquiert klingt.
Nach „Platoon“ präsentierte Oliver Stone 1989 mit „Geboren am 4. Juli“ den zweiten Part seiner Vietnam-Trilogie. Tom Cruise spielt den Kleinstadt-Sunnyboy Ron Kovic, der sich voller Patriotismus freiwillig zu den Marines meldet, um an vorderster Front in Vietnam zu kämpfen. Doch all seine Erwartungen werden schwer enttäuscht, schließlich kehrt er querschnittsgelähmt in seine Heimat zurück und sieht sich der Ignoranz seiner Landsleute ausgesetzt. Deprimiert verfällt Ron dem Alkohol, kommt aber in einem mexikanischen Veteranencamp mit sich ins Reine und beginnt ein neues Leben als engagierter Vietnam-Gegner.
„Abgesehen von kleineren Makeln ist ‚Geboren am 4. Juli‘ unzweifelhaft ein bedeutender und absolut sehenswerter Beitrag zur Aufarbeitung des neben den Weltkriegen prägendsten Kapitels der US-amerikanischen Geschichte des 20. Jahrhunderts. Getragen von einer tadellosen Inszenierung und Tom Cruise‘ überzeugendem Spiel entsteht das gestochen scharfe Bild eines Amerikas, das propagandistisch angefeuert in einen Krieg taumelt, dessen wahres Ausmaß es spät begreift, freilich ohne dass die Durchhalteparolen der Befürworter deswegen verhallen würden. So sehr der Film an sich in der amerikanischen Kultur verwurzelt ist, so sehr weist er wegen seiner universellen Thematik darüber hinaus und gibt damit wertvolle Denkanstöße über die Wechselwirkungen zwischen Krieg und Gesellschaft“, resümiert Tobias Mayer auf filmstarts.de
1991 zeichnete Oliver Stone ein nicht unumstrittenes Portrait der Kultformation „The Doors“ und konzentrierte sich dabei auf das Leben des charismatischen Frontmanns Jim Morrison. Inspiriert von Aldous Huxleys Essay „The Doors Of Perception“ gründen Jim Morrison (Val Kilmer) und Ray Manzarek (Kyle MacLachlan) 1965 am Strand von Venice Beach The Doors. Wenig später von Gitarrist Robby Krieger (Frank Whaley) und Drummer John Densmore (Kevin Dillon) unterstützt, treten sie in kleinen Clubs auf und landen schließlich im angesagten "Whiskey-A-Go-Go", woraufhin sie von Elektra unter Vertrag genommen und von Produzent Paul Rothchild (Micheal Wincott) entdeckt werden.
Schon das erste Album „The Doors“ startet dank der Single „Light My Fire“ 1967 voll durch, doch der Drogenkonsum macht vor allem Jim Morrison zu schaffen, der immer exzentrischere Bühnenauftritte hinlegt und die Beziehung zu seiner Freundin Pamela Courson (Meg Ryan) aufs Spiel setzt.
 „Stone stellt die düsteren Seiten Morrisons zwar in den Vordergrund und reizt die dramatische Komponente voll aus, grast aber auch die wichtigsten Stationen der Doors gründlich ab. Es gelingt ihm trotzdem, ein exaktes Porträt des Menschen Jim Morrison zu zeichnen. Ob dabei jedes Detail der Wahrheit entspricht, wie es Manzarek bestreitet, ist nicht weiter wichtig, es geht darum, einen Eindruck von dem Charakter zu vermitteln. Dramaturgisch präsentiert sich Stones Film makellos, trotz der 140 Minuten Spielzeit ist das Tempo auf hohem Niveau. Das Geschehen orientiert sich an der Bandgeschichte, allerdings immer mit dem Fokus auf Morrison“, meint Carsten Baumgardt auf filmstarts.de. „‘The Doors‘ ist ein berauschender, mitreißender Trip, eine aufrichtige, aber liebevolle Hommage an einen Mythos. Die Legende Jim Morrison wird angemessen gewürdigt, ohne sie zu glorifizieren oder zu verurteilen. Jeder muss sich über das Verhalten des genialen, aber selbstzerstörerischen Rockstars und Dichters selbst sein Urteil bilden. Oliver Stone gibt keine Wertung vor, aber seine Sympathie und Verehrung für Morrison ist dennoch unübersehbar. Der Abschied aus dem Film ist traurig.“
Ein weiteres Portrait, das noch heftiger diskutiert wurde, lieferte Stone mit „JFK – Tatort Dallas“. Auf der Basis der beiden Bücher „On The Trail Of The Assassins” von Jim Garrison, dem damaligen Bezirksstaatsanwalts von New Orleans, und “Crossfire: The Plot Who Killed Kenndy“ von Jim Marrs schrieb Stone insgesamt sechs Drehbücher und drehte Material für einen zehnstündigen Film, der schließlich auf drei Stunden und im späteren Director’s Cut auf immerhin noch 206 Minuten heruntergekürzt wurde. Erzählt wird der Film aus der Perspektive des Ermittlers. Als John F. Kennedy am 22. Januar 1963 kurz vor 12.30 Uhr bei einer Fahrt durch Dallas von mehreren Schüssen tödlich getroffen wird, befasst sich Bezirksstaatsanwalt Garrison (Kevin Costner) mit einer Schlägerei zwischen einem pensionierten Agenten und einem Privatdetektiv. Zwei Stunden später wird Lyndon B. Johnson als 36. Präsident der USA vereidigt und der mutmaßliche Attentäter Lee Harvey Oswald (Gary Oldman) verhaftet, der allerdings behauptet, nur der Sündenbock zu sein. Zwei Tage später wird Oswald auf dem Weg ins Bezirksgefängnis vom Nachtclubbesitzer Jack Ruby (Brian Doyle-Murray) erschossen. Nachdem die von Präsident Johnson eingerichtete Warren-Kommission im September 1964 zum Ergebnis gekommen ist, dass es sich bei dem Kennedy-Attentat um die Tat eines Einzelnen und nicht um eine Verschwörung handelte, stellt Garrison eigene Untersuchungen an und stößt auf antikommunistische Exil-Kubaner, rechtsradikale Kreise und FBI- und CIA-Verbindungen einzelner Personen, doch letztlich kann Garrison keine stichhaltigen Beweise für eine Verschwörung vorlegen.
„‘JFK‘ fördert auch erstmals offen zutage, dass Stones wahrheitsbemühte Weltvision tatsächlich aus den Wahrheiten der Postmoderne zusammengefügt ist: authentische Wochenschau- und Amateuraufnahmen mischen sich mit exakt kopierten Nachahmungen des originären Szenarios, dann etwa, wenn in Abraham Zapruders Super-8-Aufnahmen des Anschlags neue Perspektiven eingeflochten werden oder Gary Oldman als Lee Harvey Oswald eine detailgetreue Rekonstruktion der Exekution durch Jack Ruby durchläuft. In diesem Sinne mutet Kevin Costners einstündiges Schlussplädoyer (überdies das längste der Filmgeschichte) wie ein Appell an die Zuschauer, dem gängigen Wahrheitsverständnis kein Vertrauen zu schenken“ („Filmregisseure“, Reclam, 3. Auflage, 2008, S. 718). 
Nachdem „Platoon“ und „Geboren am 4. Juli“ die Traumata des Vietnam-Krieges aus amerikanischer Perspektive schilderte, wandte sich Stone 1993 mit „Zwischen Himmel und Hölle“ als Abschluss seiner Vietnam-Trilogie der vietnamesischen Seite zu. Die 1949 in Vietnam geborene Le Ly (Hiep Thi Le) wächst in Armut auf und erlebt den Krieg in aller Grausamkeit, wird vergewaltigt, gefoltert und verstoßen. Als Prostituierte in Saigon lernt sie den GI Steve (Tommy Lee Jones) kennen, der sie heiratet und 1970 mit nach San Diego nimmt. Doch da sich ihr mutmaßlicher Erlöser als psychisches Wrack entpuppt, muss Le Ly ihr Leben selbst in die Hand nehmen.
An den Kinokassen und bei den Academy Awards fiel Oliver Stones Drama, das durch den Score des japanischen New-Age-Komponisten Kitaro wunderschön untermalt wurde, allerdings durch.
Mit „Natural Born Killers“ präsentierte Oliver Stone 1994 einen ebenso unkonventionellen wie gewagten Kommentar zu Voyeurismus und Gewalt in Amerikas Medienkultur. Darin agieren Mickey (Woody Harrelson) und Mallory Knox (Juliette Lewis) als Liebespaar, das während seines Trips durch die USA innerhalb weniger Wochen 50 Menschen getötet hat und von dem sadistischen Cop Jack Scagnetti (Tom Sizemore) fanatisch gejagt wird. Als das von der Öffentlichkeit heldenhaft verehrte Pärchen in der Wüste von einer Klappenschlange gebissen wird, endet der Überfall auf eine Apotheke im Gefängnis. Auch wird der Aufenthalt des Killerpaars mit Hilfe von Anstaltsleiter Dwight McClusky (Tommy Lee Jones) und TV-Reporter Wayner Gale (Robert Downey jr.) zu einem Medienereignis aufgebauscht …
„Mit ‚Natural Born Killers‘ liefert er ein unvergleichliches und nie da gewesenes Meisterwerk der Sonderklasse: Subversive Pop-Art und regelrecht abartige Brüche der Konventionen, Vermischung von Schwarz-Weiß-Aufnahmen, Zeichentrick, Fotokollagen, überzeichnete Farbaufnahmen und psychologische Hintergrundmotive machen aus dem Film einen wahrhaften Trip, der einem schwer zusetzt. Die exzessiven Gewalt- und Sexdarstellungen, vermengt mit biblischen Motiven und beißender Mediensatire bieten das richtige Rüstzeug, um der Gesellschaft den Spiegel in einer nie erlebten Unverfrorenheit vorzuhalten. Der Zuschauer wird als Voyeur entlarvt und in die Abgründe seiner eigenen Seele geschickt. Und nachdem er wieder emporgestiegen ist, bleibt ihm ein Selbstbild der Nacktheit und Unzulänglichkeit erhalten, auf das er am liebsten spucken möchte“, fasst Samuel Rothenpieler auf filmstarts.de zusammen.  Den passenden Soundtrack dazu produzierte Trent Reznor von Nine Inch Nails.
„Nixon“ stellte 1995 den zweiten Film von Oliver Stone über einen US-amerikanischen Präsidenten dar. Nachdem es bei „JFK – Tatort Dallas“ allerdings um die Verschwörungstheorien hinter dem Attentat auf John F. Kennedy ging, handelt es sich bei „Nixon“ schon eher um ein klassisches Biopic. Stone stützt sich dabei hauptsächlich auf die unzähligen Tonbänder, die Nixon von allen Gesprächen im Weißen Haus mitschnitt, und erzählt das Leben von Richard Nixon (Anthony Hopkins) in Rückblenden. Zum einen wird die schwierige Beziehung zur strenggläubigen Mutter (Mary Steenburgen) und zum temperamentvollen Vater thematisiert, dann der frühe Tod der beiden Brüder, der Richard überhaupt erst das Jura-Studium ermöglichte. Ebenso war es dann der Tod John F. Kennedys, der Nixon den Sprung ins Weiße Haus ermöglichte.
Stone skizziert die weiteren Stationen in Nixons Leben: 1940 die Heirat mit seiner Frau Pat (Joan Allen), 1946 der Einzug ins Repräsentantenhaus, 1950 die Ernennung zum Senator und zwei Jahre später zum Vizepräsidenten unter Eisenhower. Seinen Präsidentschaftswahlkampf gegen Kennedy verliert er 1960, acht Jahre später wird er auf dem Höhepunkt des Vietnam-Kriegs zum Präsidenten gewählt. 1974 tritt er nach der Watergate-Affäre von seinem Amt zurück.
„Aber es geht Oliver Stone in ‚Nixon‘ nicht allein darum, diesem Nixon, der die USA in die größte Verfassungskrise seiner Geschichte stürzte, die Absolution zu erteilen. Wie auch ‚JFK‘ ist ‚Nixon‘ hochgradig spekulativ und suggestiv; Stone stützt sich zwar auf Fakten und Zeitzeugenberichte, knüpft diese aber zu einer sich jeglicher Chronologie verweigernden Assoziationskette, die man nicht mit der Realität verwechseln sollte“, meint Oliver Nöding in seiner Filmkritik auf filmgazette.de. „Unzweifelhaft bleibt nach Betrachtung seines in jeder Hinsicht beeindruckenden und buchstäblich überwältigenden Films, der in der letzten halben Stunde von seiner eigenen Komplexität vollkommen zerrissen wird und haarscharf am Rande des Scheiterns wandelt, aber die Erkenntnis, dass der Anstoß für jegliches politisches Wirken nicht im Individuum allein zu suchen ist. Auch der mächtigste Mann der Welt ist nicht die erste Ursache, sondern vor allen Dingen Wirkung. Er ist nur der Repräsentant dessen, was ist, ein Vertreter eines unbeherrschbaren, unberechenbaren Systems, das in einer schönen Sequenz als wildes, unzähmbares Tier beschrieben wird. Es konnte, so Stone, damals keinen anderen Präsidenten geben als Nixon.“ 
Wie schon bei „JFK“ und "Geboren am 4. Juli" arbeitete Oliver Stone bei „Nixon“ mit dem großen amerikanischen Komponisten John Williams zusammen, der mit seiner großartigen Orchestermusik wieder den richtigen Ton für ein Stück amerikanischer Geschichte fand.
Mit "U-Turn - Kein Weg zurück" ist Oliver Stone 1997 ein spannender Film-noir-Krimi geglückt, in dem reichlich Stones eigenwillige Bildsprache zu bewundern ist. In stakkatoartiger Schnittfolge wechseln sich verschwommene Schwarz-Weiß-Aufnahmen mit grellem Farbmaterial ab, womit das Tempo forciert und Verwirrung erzeugt wird. Der Gauner Bobby Cooper (Sean Penn) landet mit seinem kaputten Auto in Susperior, Arizona, wo sich ein debiler Mechaniker (Billy Bob Thornton) um den Wagen kümmert. Die Zeit drängt, denn in Las Vegas muss Bobby dringend seine Schulden begleichen. Die Wartezeit will er sich mit der attraktiven Grace (Jennifer Lopez) vertreiben, doch dabei wird er von dem hitzigen Ehemann Jake McKenna (Nick Nolte) gestört und aus dem Haus geschmissen. Als McKenna wenig später Bobby ein lukratives Geschäft vorschlägt, kann er kaum ablehnen, da ihm seine Kohle gestohlen wurde. Er soll Grace töten …
„Als ein steckengebliebenes Road Movie mit augenfälligen Parallelen zu ‚Red Rock West‘ peilt ‚U-Turn‘ ohne Umschweife die Verbindung von Film noir und Western an. Die Peckinpah-Metapher von den sich selbst zerfleischenden Wüstentieren aus ‚The Wild Bunch‘ ist von Anfang an allgegenwärtig, der örtliche Sherriff (Powers Boothe) rät dem undurchsichtigen Fremden weilerzuziehen, und das Doppelspiel mit Grace und Jake zitiert in Form einer Spirale Tay GarnettsThe Postman Always Rings Twice‘. Wer sich diese unterschiedlichen Genre- und Filmbilder als eher krampfhafte Kombination vorstellt, die von der Montagetechnik und Bildästhetik zusammengehalten wird, mit der man Stone als Regisseur gemeinhin assoziiert, der bekommt ein ziemlich genaues Bild von ‚U-Turn‘“, meint Jan Distelmeyer auf filmzentrale.com
Eine Ausnahmeerscheinung in Stones Filmographie stellt aber „An jedem verdammten Sonntag“ dar. Stone, der sich schon immer als Chronist seiner Heimat verstand, setzte sich hier mit den Mechanismen innerhalb des US-Nationalsports American Football auseinander. Tony D’Amato (Al Pacino) hat zweimal hintereinander mit den Miami Sharks den Football-Superbowl gewonnen, doch dann gerät das Team in die Krise, verliert reihenweise seine Spiele und dann auch noch verletzungsbedingt Quarterback-Veteran Cab Rooney (Dennis Quaid) und seinen Ersatzmann. An deren Stelle kann sich Neuling Will Beamen (Jamie Foxx) zunächst nicht behaupten, wird aber bald zum Star des Teams, der dem Ruhm allerdings auch zu Kopf steigt. D’Amato hat alle Mühe, den Jungen zu bändigen und sich die skrupellose Clubbesitzerin Christina Pagniacci (Cameron Diaz) vom Leib zu halten, die sich zunehmend in das Tagesgeschäft des Trainers einmischt.
Stone interessiert sich für alles an seiner Geschichte, aber nicht für den Sport. Dessen Mythen werden zelebriert, aber nur so viel, wie unverzichtbar ist, und um zu zeigen, was nicht mehr funktioniert. ‚Any Given Sunday‘ ist ein Film über das Umfeld geworden, über Korruption und Prostitution, verlogene, heuchlerische Politiker, Ärzte, die je nach Bedarf fit oder krankspritzen, Aktionäre, die nach Spielergebnissen nur die Börsenwerte und Ablösesummen nachrechnen, über die Herrschaft des Geldes der Medien, die den Sport längst gekauft haben. Pathos ist hier nur noch ein Fluchtreflex für Betrüger. Reaktionär ist der Film trotz seines manchmal martialischen Tonfalls schon deshalb nicht, weil all diese Brüche unversöhnt gezeigt werden“, urteilt Rüdiger Suchsland auf artechock.de. „Auch stilistisch liefert Stone das Gegenteil aller Riefenstahl-Ästhetik: Ganz tief hinein taucht seine Kamera in die Arena, knapp über der Grasnarbe geht sie zentimeterdicht an Ball und Spieler heran. Kein Foul, kein fieser Trick, keine Brutalität bleibt ihr verborgen. Nicht der totalitäre Blick, der das Individuum klein macht, oder es in die Masse integriert, sondern die Vereinzelung inmitten des Stadions bestimmt die Wahrnehmung. Rasant und virtuos geschnitten, montiert Stone seine Bildfetzen mit Werbe-Ästhetik, Popmusik und der Semantik der TV-Sportinszenierungen.“ 
Mit „Comandante“, „Persona Non Grata“ und „Looking For Fidel“ drehte Oliver Stone 2003 und 2004 einige Dokumentationen (die beiden letztgenannten sind in der großartigen „Oliver Stone Collection" von Warner Bros. als Bonus enthalten). „Comandante“ ist das Ergebnis eines Besuchs, den Stone im Februar 2002 mit zwei Handkameras Fidel Castro abstattete. Stone dokumentiert öffentliche Auftritte und private Momente, nimmt dabei die Rolle des Interviewers ein und bebildert Castros Ausführungen mit historischen Film-, Bild- und Tonaufnahmen. Nachdem Stone von den Kritikern vorgeworfen wurde, Castros Statements, die dem offiziellen Sprachgebrauch entsprachen, nicht weiter hinterfragt zu haben, besuchte der Regisseur im April 2003 den kubanischen Staatschef erneut und fragte für seinen Film „Looking For Fidel“ etwas hartnäckiger nach der sehr instabilen Beziehung zwischen den USA und Kuba oder der Hinrichtung von Gefangenen. „Persona Non Grata“ ist schließlich das Ergebnis einer Reise des Filmemachers nach Jerusalem, Tel Aviv und Ramallah, wo sich Stone mit Führern aus beiden Lagern im israelisch-palästinensischen Konflikts traf.
Erst fünf Jahre nach „An jedem verdammten Sonntag“ präsentierte Stone mit „Alexander“ seinen nächsten Spielfilm. Das Historienepos portraitiert den von Colin Farrell dargestellten antiken Herrscher Alexander der Große (356 – 323 v. Chr.) und seine Beziehungen zu seiner Mutter Olympias (Angelina Jolie), seinem Vater Philipp (Val Kilmer), seinem Heeresführer Hephaistion (Jared Leto), zu seiner schönen Frau Roxane (Rosario Dawson) und zu seinem General Ptolemaios (Anthony Hopkins). Zunächst besteht seine Mission darin, nach dem Besteigen des Throns den Mord an seinem Vater zu rächen und die Perser aus Kleinasien zu vertreiben. Schließlich zieht er auch in Ägypten ein und will Indien erobern, doch im gnadenlosen Dschungelkampf muss der Herrscher über 90 Prozent der damals bekannten Welt herbe Verluste einstecken. Bei Publikum und Kritik kam das dreistündige Historienspektakel allerdings nicht so gut weg.
„Man könnte also sagen, dass Oliver Stones ‚Alexander‘ gescheitert ist. Ihm fehlt die homerische Dramaturgie, auf die ‚Troja‘ bauen konnte, und Colin Farrells Mienenspiel unter der blondierte Mähne kann im Multiplex schwer mit den Duellen konkurrieren, die ‚Gladiator‘ und ‚Troja‘ zu bieten hatten. ‚Alexander‘ besteht fast zu gleichen Teilen aus losen Enden, kruden Klischees, interessanten Andeutungen, spektakulären Massenszenen und Holzhammerpsychologie. Zugleich kann man zu dem Schluss kommen, dass mit diesem Film vor allem unser Blick scheitert, wenn er auf eindeutige Sinnstiftung angelegt ist: der Blick auf einen Film, der als ‚Oliver-Stone-Film‘ immer schon zweifellos auf das Filmemacher-Subjekt verweist, und der Blick auf die Historie, die sich als kohärente Geschichte eines starken (Ver-)Führers erweisen soll“, resümiert Jan Distelmeyer auf taz.de
Wenig hilfreich für Oliver Stones Mission erwies sich auch der exotische, aber auch unterkühlte Score von Vangelis („Blade Runner“, „1492 – Conquest Of Paradise“).
Oliver Stone, der die Traumata von John F. Kennedys Ermordung und des Vietnam-Krieges so großartig filmisch aufbereitet hatte, widmete sich mit „World Trade Center“ 2006 einer weiteren Katastrophe, den Anschlägen des 11. September. Überraschenderweise setzte sich der Filmemacher aber mit keiner der vielen Verschwörungstheorien auseinander, sondern inszenierte ein ganz und gar menschliches Drama über eine Einheit von New Yorker Cops, die sich in der U-Bahn-Ebene unter den zerbombten Türmen an die Evakuierung der Menschen machen, als das Rettungsteam unter Tonnen von Stahl, Glas und Beton begraben wird.
Oliver Stone, der ewige Querulant, der sich so gerne den amerikanischen Traumata widmet und sie in der Vergangenheit oft mit aufklärerischem Furor und politischer Brisanz sezierte, beschränkt sich darauf, mit ruhiger Hand und schwellendem Pathos die - authentische - Geschichte einer Rettung aus den Trümmern der Türme nachzuerzählen. Eine amerikanische Seifenoper“, resümiert Andreas Borcholte in seiner Rezension auf spiegel.de.
„Ich bin kein Verschwörungstheoretiker. Ich habe ‚JFK‘ gedreht, der auf umfangreichen Recherchen basiert, und das war's dann auch schon. Und diesen Film machte ich auch nur, weil mich die persönliche Geschichte des Staatsanwalts Jim Garrison faszinierte“, entgegnet Stone den Kritikern in einem Spiegel Online-Interview. „Genauso bewegten mich bei ‚World Trade Center‘ die individuellen Schicksale der verschütteten Polizisten und ihrer Familien. All die wilden Gerüchte zum 11. September haben mich nicht interessiert. Ich mache Filme über Menschen, nicht über theoretische Konstrukte. Ich suchte auch nicht krampfhaft nach Geschichten zu diesem Thema. ‚World Trade Center‘ war das einzige Drehbuch, das ich dazu las.“ 
Craig Armstrong komponierte dazu einen entsprechend gefühlvollen Score und war – neben Brian Eno und David Byrne - auch später an dem Soundtrack zum leicht missglückten „Wall Street“-Sequel „Wall Street – Geld schläft nicht“ beteiligt.
Mit „W. – Ein missverstandenes Leben“ näherte sich Oliver Stone einem weiteren Präsidenten, diesmal dem durch den ungerechtfertigten Irak-Krieg beim amerikanischen Volk in Ungnade gefallenen George W. Bush. Der Regisseur lehnte sich bei seinem Portrait allerdings nicht so weit aus dem Fenster, wie man es von seinen früheren Werken gewohnt gewesen ist.
„Legte Stone mit ‚JFK‘ noch eine eigene, kontroverse Theorie zum Kennedy-Attentat vor, begnügt er sich dieses Mal mit einer simplifizierenden Nacherzählung längst bekannter Hintergründe. Wenn der sinister aufspielende Richard Dreyfuss als Dick Cheney auf die Frage nach einem Rückzugsplan aus dem Irak mit einem achselzuckenden ‚There is no exit. We stay!‘ reagiert, ist offensichtlich, wo Stone die eigentlichen Übeltäter verortet - und wen er von Schuld freispricht. Jeffrey Wright gibt als Colin Powell die Stimme der Vernunft, mehr als ein tadelndes ‚Diplomatic bullshit!‘ erntet er damit nicht“, meint Jan Hamm in auf filmstarts.de.
Stones Version des Bush-Kabinetts repliziert ein Bild, das sich die linke Öffentlichkeit schon vor Jahren zurechtgelegt hat. Gewagt oder gar erkenntnisreich ist sein Blick in die Schattenwelt des Weißen Hauses zu keinem Zeitpunkt. Mitsamt den Figuren reduziert er auch die Chronologie auf wenige Etappen. Die Anschläge vom 11. September werden bestenfalls implizit verhandelt, andere für die US-Wahrnehmung der Regierungsarbeit zentrale Themen wie etwa die Hurrikan-Katastrophe in New Orleans bleiben ganz außen vor. Wie spannend wäre es gewesen, Brolins Interpretation der privaten Reaktionen auf all diese Ereignisse mitzuverfolgen. Wie viel mutiger und detaillierter wäre Stones dritte Aufarbeitung einer amerikanischen Präsidentschaft damit gewesen. So kommt ‚W.‘ als politischer Film nie über eine herkömmliche Geschichtsstunde hinaus.“ 
Auch mit seinem „Wall Street“-Sequel „Wall Street – Geld schläft nicht“ konnte Oliver Stone 2010 kein Comeback feiern, obwohl der Film von der Kritik wohlgesonnener aufgenommen worden ist.
Gordon Gekko (Michael Douglas) kommt nach 23 Jahren aus dem Gefängnis und versucht, wieder Fuß an der New Yorker Wall Street zu fassen. Da jedoch niemand mit dem Ex-Häftling ins Geschäft kommen will, konzentriert sich Gekko auf sein leider auch zerrüttetes Familienleben. Über Jacob (Shia LaBeouf), den Verlobten seiner Tochter und ebenfalls Broker an der Wall Street, versucht er wieder Zugang zu seiner Tochter Winnie (Carey Mulligan) zu finden und sich im Gegenzug an Hedgefond-Manager Bretton James (Josh Brolin) zu rächen, der offensichtlich verantwortlich für das Verschwinden von Jacobs Mentor Lewis Zabel (Frank Langella) zu sein scheint.
„Sei es der mit Kraftausdrücken und Erotika durchflochtene Börsenjargon oder die Accessoire-Besessenheit der Broker, die sich in Handy, Hemden und Haargel zeigt - Stone inszeniert diese Oberflächlichkeiten mit so viel Glanz, Verve und Energie, dass man über den Inhalt kaum mehr nachdenken muss. Wenn dunkle Wolken im Zeitraffer über Manhattan ziehen, die Wall Street aus der Vogelperspektive gezeigt wird und dann in zoomenden Splitscreens lauter Männer an Telefonen sprechen - dann fühlt und hört es sich einfach ungeheuer zeitgenössisch an“, meint Barbara Schweizerhof auf taz.de.
Mit seinem aktuellen Film „Savages“ hat Oliver Stone den Bestseller-Krimi „Tage des Zorns“ von Don Winslow verfilmt und dabei zusammen mit dem Autor auch das Drehbuch verfasst. Der Film erzählt die Geschichte der beiden unterschiedlichen Freunde Ben (Aaron Johnson) und Chon (Taylor Kitsch), die ein goldenes Händchen dafür haben, das beste Gras herzustellen, das weit und breit zu haben ist. Zudem teilen sie sich Ophelia (Blake Lively) als Freundin. Als aber das mexikanische Baja-Kartell (in Gestalt von Salma Hayek und Benicio Del Toro) eine Abfuhr für einen Deal erhält, wird Ophelia entführt. Zusammen mit dem DEA-Agenten Dennis (John Travolta) nehmen Ben und Chon den Kampf gegen das Kartell auf. „‘Savages‘ hätte also allein aufgrund des brisanten, gesellschaftspolitischen Hintergrunds genügend Potenzial geboten, um Oliver Stone eine Rückkehr zur Hochform der achtziger und neunziger Jahre zu ermöglichen. Das Resultat ist letztendlich nicht mehr als eine handwerklich gediegene Genrearbeit, die jedoch nicht von jener wütenden Kraft durchdrungen ist, die in Stones früheren Filmen in beinahe jedem Kader zu spüren war“, urteilt Jörg Schiffauer auf ray-magazin.at. „Nun mag es nicht zwingend Aufgabe fiktionaler Arbeiten sein, gesellschaftliche Realitäten exakt abzubilden, doch der Brutalität, mit der Mexikos Drogenkartelle agieren – als Beleg sei hier nur an Gianfranco Rosis bedrückend-beeindruckende Dokumentation ‚El Sicario, Room 164‘ erinnert – mit tarantinoesker Überzeichnung zu begegnen, zählt allein aus dramaturgischer Sicht vermutlich nicht zu Stones besten Entscheidungen. Vor allem aber kann man sich bei ‚Savages‘ des Eindrucks nicht erwehren, dass Oliver Stones Wut auf gesellschaftliche Missstände, früher treibende Kraft für seine Filme, einer beinahe routinierten Gelassenheit gewichen ist. Was immer die Ursache dafür sein mag, am gegenwärtigen Zustand der Welt kann es wohl am allerwenigsten liegen.“
Auch wenn Oliver Stone die gesellschaftskritische Wucht seiner früheren Werke abhandengekommen zu sein scheint, bieten seine Filme noch immer noch ansprechende Kinounterhaltung. Wie schon bei „Natural Born Killers“ bietet der Soundtrack zu „Savages“ jedenfalls ein buntes Potpourri an musikalischen Stilen, angefangen bei dem Score von Newcomer Adam Peters (ehemals Echo & The Bunnymen) über die TripHop-Klänge von Thievery Corporation und Massive Attack bis zu Reggae-Klängen von Peter Tosh. Oliver Stone lässt die Kritik an seinen Werken allerdings auch ziemlich kalt:
„Ich sehe meine Filme vor allem als Dramen über Individuen in persönlichen Kämpfen, und ich sehe mich selber zuerst als Dramatiker, dann erst als politischen Filmemacher. Mich interessieren verschiedene Blickpunkte. Im Endeffekt sind die Probleme des Planeten universell, und Nationalismus ist eine sehr destruktive Kraft. Und ich mag Anarchie in Filmen. Meine Helden waren Buñuel und Godard. ‚Außer Atem‘ war einer der ersten Filme, bei denen ich erinnere, dass sie mich wirklich prägten, wegen seines Tempos und seiner Energie. Man sagt, meine Mittel seien nicht subtil. Aber das ist zuallererst, was wir brauchen: ein Kino, das uns wachrüttelt, unsere Nerven und unser Herz.“ 

Filmographie:
1971: Last Year in Viet Nam (Kurzfilm)
1979: Mad Man of Martinique (Kurzfilm)
1974: Die Herrscherin des Bösen (Seizure)
1981: Die Hand (The Hand)
1986: Salvador
1986: Platoon
1987: Wall Street
1988: Talk Radio
1989: Geboren am 4. Juli (Born on the Fourth of July)
1991: The Doors
1991: John F. Kennedy – Tatort Dallas (JFK)
1993: Zwischen Himmel und Hölle (Heaven & Earth)
1994: Natural Born Killers
1995: Nixon – Der Untergang eines Präsidenten (Nixon)
1997: U-Turn – Kein Weg zurück (U Turn)
1999: An jedem verdammten Sonntag (Any Given Sunday)
2003: Comandante (Doku)
2003: Persona Non grata (Doku)
2004: Looking for Fidel (Doku)
2004: Alexander
2006: World Trade Center
2008: W. – Ein missverstandenes Leben (W.)
2009: South of the Border (Doku)
2010: Wall Street: Geld schläft nicht (Wall Street 2: Money Never Sleeps)
2012: Savages

Playlist:
1 Thievery Corporation feat. Anoushka Shankar - Mandala (Savages) - 04:02
2 Georges Delerue - Love Theme - Finale (Salvador) - 04:24
3 Georges Delerue - Main Title (Platoon) - 02:27
4 Samuel Barber - Adagio for Strings (Platoon) - 06:51
5 Stewart Copeland - Anacott Steal (Wall Street) - 02:53
6 Stewart Copeland - Dietz: Just Come Right In Here (Talk Radio) - 03:05
7 John Williams - Prologue (JFK) - 04:00
8 John Williams - Born On The Fourth Of July (Born On The Fourth Of July) - 05:44
9 John Williams - The Miami Convention (Nixon) - 03:18
10 Kitaro - Heaven And Earth [Land Theme] (Heaven And Earth) - 07:39
11 Peter Gabriel + Nusrat Fateh Ali Khan - Taboo (Natural Born Killers) - 04:22
12 The Doors - Light My Fire (The Doors) - 07:06
13 Nine Inch Nails - Something I Can Never Have (Natural Born Killers) - 04:04
14 Barry Adamson - Hungry Ants (Natural Born Killers) - 03:11
15 Jamie Foxx - Any Given Sunday Outro (Any Given Sunday) - 02:31
16 Missy Elliott - Who You Gonna Call (Any Given Sunday) - 04:08
17 Ennio Morricone - Dialogue With The Indian (U-Turn) - 03:26
18 Vangelis - Garden Of Delight (Alexander) - 04:05
19 Craig Armstrong - World Trade Center Piano Theme (World Trade Center) - 04:01
20 Craig Armstrong - Ethereal (World Trade Center) - 05:25
21 Craig Armstrong - Money (Wall Street 2: Money Never Sleeps) - 03:13
22 Paul Cantelon - Bayou (W.) - 03:41
23 Adam Peters - Hijack In The Desert (Savages) - 03:17
24 Adam Peters - Dust Bowl (Savages) - 01:55
25 Adam Peters - Savages … Forces Of Nature (Savages) - 03:13
26 Massive Attack - Paradise Circus [Gui Boratto Remix] (Savages) - 08:06
27 The Doors - The End (The Doors) - 11:42

Montag, 1. Oktober 2012

Playlist # 95 vom 07.10.2012 - LISA GERRARD + BRENDAN PERRY (DEAD CAN DANCE) Special

Seit 1981, als sich Brendan Perry und Lisa Gerrard im fernen Australien unter dem Namen Dead Can Dance firmierten und sich damit in die Nähe von ähnlich lautenden Bands wie Death In June, Play Dead oder Christian Death begaben, haftet ihnen das dunkel-mystische Etikett der Gothic-Szene an. Dabei hat sich das ausdrucksstarke Duo stets eindeutigen musikalischen Kategorien entzogen und munter zwischen Wave-, Mittelalter-, Neoklassik- und World-Music-Elementen seine eigene Nische gefunden und über die Jahre mit Meisterwerken wie „Within The Realm Of A Dying Sun“, „Aion“ und „Into The Labyrinth“ perfektioniert.

Mit dem Ende ihrer Liebesbeziehung ging die Band nach dem 96er Album „Spiritchaser“ auseinander. Das seit einigen Wochen erhältliche Comeback-Album „Anastasis“ kam für Fans und Kritiker überaus überraschend. Lisa Gerrard hat sich nach der Auflösung der Band eine erfolgreiche Solo-Karriere aufgebaut, die durch ihre Teilnahme an dem populären „Gladiator“-Soundtrack mit Hans Zimmer einen enormen Popularitätsschub erhielt. Zusammen mit Musikern wie Jeff Rona („A Thousand Roads“), Pieter Bourke („Ali“, „The Insider“), Cye Wood (“The Trail Of Genghis Khan”) und aktuell Marcello De Francisci (“Insight”, “Oranges And Sunshine”, “Samsara”) machte sie sich einen Namen in der Independent-Filmmusikszene und veröffentlichte – ebenfalls meist unter Mithilfe von Künstlern wie Patrick Cassidy, Pieter Bourke und De Francisci – diverse Soloalben, die allerdings selten die Qualität der ausgefeilten und berührenden Dead-Can-Dance-Werke erreichten. Das gelang Brendan Perry mit seinen gerade mal zwei Soloalben „The Eye Of The Hunter“ (1999) und „Ark“ (2011) schon wesentlich besser.
Allerdings blieb unverkennbar, dass die Genialität beider Musiker nur gemeinsam zur vollen Blüte geraten kann. Insofern war die Dead-Can-Dance-Tour im Jahre 2005 schon ein Schritt in die Richtung, die nun mit dem neuen Album „Anastasis“ endlich wieder in neuem Material mündete. Die acht Songs klingen ganz wie die vertrauten Dead Can Dance, wirken aber bei aller kompositorischer Güte ungewöhnlich glatt produziert, wie man es bereits auf dem elektronisch inszenierten „Ark“-Album von Brendan Perry wahrnehmen konnte.
„Spätestens seit dem Einsatz mittelalterlicher Instrumente auf ihrem dritten Album 'Within The Realm Of A Dying Sun' (1987) machte das Duo aus Brendan Perry und Lisa Gerrard Weltmusik avant la lettre. Daneben inspirierten sie den Neoklassik-Aufschwung, und mit Gerrards glossolalisch-sinntransgredierendem Altgesang erfand man das Heavenly-Voices-Genre, das freilich zügig zum Sammelbecken für gefühligversäuselten Ethnokitsch mutierte“, schreibt Thomas Hübener in seiner Rezension auf spex.de und beschreibt das neue Album wie folgt: „Statisch und dynamisch zugleich wälzen sich kräftige Streicher, fast schon wagnernde Dissonanzbläser sowie ein ungeheuer körperliches Schlagwerk einen reinigenden Pilgerweg entlang. Der Seelenaufschwung wird gebremst durch eine Erdenschwere, die man zuletzt ganz am Beginn ihrer Laufbahn hörte.
Gerrards Klosterschwesterchoräle gleichen dem durch tiefe Nachtschwärze brechenden Mondstrahl, Perrys Trauerrednerbariton brummt wie gehabt voller nachrufhafter Versöhnlichkeit. Um die Welt, in der wir leben, mit ihren Supermärkten, Like-Buttons und Aufreißlaschen, geht es natürlich wieder mal nicht, dafür um Wiedergeburt, Erinnerung, den Weltgeist – die platonischen big issues eben. Das ist halt der Deal. Man hat sich aber noch nie so gern auf ihn eingelassen wie bei ‚Anastasis‘.“ Daneben gibt es auch neue Soundtracks zu hören: Die neu veröffentlichte Deluxe-Version des Soundtracks zu Ron Frickes „Baraka“ enthält den Dead-Can-Dance-Klassiker „The Host Of Seraphim“, zu Frickes neuen Film „Samsara“ komponierten sowohl Michael Stearns („Baraka“) als auch Lisa Gerrard mit Marcello De Francisci die Musik. Der nonverbale Film wurde in über zwanzig Ländern auf allen fünf Kontinenten gedreht und präsentiert eine „geführte Meditation“ über den Kreislauf des Lebens, von der Geburt bis zum Tod.
Gedreht in über zwanzig Ländern auf allen fünf Kontinenten, begleiten wir Fricke, der seine Karriere als Kameramann für den Klassiker „Koyaanisqatsi“ (1982) begann und so gleich das Vorbild für seine eigene Arbeit geliefert bekam, auf eine „geführte Meditation“ über den Kreislauf des Lebens, von der Geburt bis zum Tod. Die hypnotischen und atemberaubend schönen Aufnahmen wurden auf 70mm gedreht. Die Dreharbeiten dauerten mehr als fünf Jahre und führten das Team an außergewöhnliche und magische Orte auf der ganzen Welt.
„Eigentlich ist ein solches Unterfangen zum Ethno-Kitsch verdammt. Und tatsächlich scheint der Film in eine fatale Schieflage zu geraten, wenn zu Beginn opulente Naturaufnahmen übergehen in dramatisch beleuchtete Kirchen-Innenräume. Doch ‚Samsara‘ erstarrt keinesfalls in sakraler Ehrfurcht. Schon bald schleichen sich düstere Zwischentöne ein. So steht inmitten der Kirche auch der aufgebahrte, einbalsamierte Leichnam eines Kindes. Tod und Vergehen nehmen langsam immer mehr Platz ein und werden zu einer festen Größe im Bedeutungsraum von ‚Samsara‘. Bald verlässt der Film die archaische Natur ganz und zeigt in langen, beeindruckenden Zeitraffer-Sequenzen den Irrsinn der modernen Zivilisation und ihrer Produktionsprozesse. Maschinen scheinen das Leben zu verschlingen: zerlegen Schweine, köpfen Hühner, melken Kühe in einer unaufhörlich sich drehenden Anlage. Menschen stehen an Fließbändern, bauen Autos, Computer, Sexpuppen, Waffen und werden uniformer Bestandteil eines scheinbar unaufhaltsamen Prozesses. Das Rad des Lebens, hier rast es in unkontrollierbarer Geschwindigkeit dahin. ‚Samsara‘ verdichtet die Arbeitswelten moderner Gesellschaften in einer Eindringlichkeit, die ‚Metropolis‘ und ‚Moderne Zeiten‘ nur erahnen konnten“, fasst Oliver Kaever in seiner Rezension auf programmkino.de zusammen.
„Dass ‚Samsara‘ aber mehr zu bieten hat als Schauwerte, ist nicht den Bildern, sondern ihrer Montage zu verdanken – zumindest dann, wenn die Filmemacher, wie Eingangs beschrieben, assoziativ arbeiten und Bedeutung nicht erzwingen wollen. Das gelingt ihnen nicht immer. Wenn Fleischproduktion und Fettleibigkeit verschränkt werden, wirkt der zivilisationskritische Ansatz zu platt. Meist aber widerstehen Fricke und Magidson solcher Direktheit und erschaffen ein genuin filmisches Universum, das nicht mit Sprache erklärt oder wiedergegeben werden kann. Eine dunkle Magie geht von diesem Film aus, die das Leben in seiner ganzen schrecklichen Schönheit zeigt.“

Playlist:
1 Lisa Gerrard + Marcello De Francisci - Modern Life (Samsara) - 06:07
2 Dead Can Dance - The Host Of Seraphim (Baraka) - 06:17
3 Lisa Gerrard + Marcello De Francisci - It's Been A Long Time (Insight) - 03:06
4 Lisa Gerrard + Marcello De Francisci - Let The Rest Go (Oranges And Sunshine) - 04:52
5 Dead Can Dance - Anabasis (Anastasis) - 06:51
6 Lisa Gerrard - The Messenger (Black Opal) - 05:05
7 Brendan Perry - Babylon (Ark) - 06:10
8 Dead Can Dance - Amnesia (Anastasis) - 06:38
9 Lisa Gerrard + Marcello De Francisci - In The Beginning Was The Word (Departum) - 03:47
10 Lisa Gerrard + Michael Edwards - The Path Ahead (Ichi) - 04:15
11 Brendan Perry - Utopia (Ark) - 05:58
12 Brendan Perry - Voyage Of Bran (Eye Of The Hunter) - 05:33
13 Dead Can Dance - Opium (Anastasis) - 05:46
14 Lisa Gerrard + Marcello De Francisci - Diary For The Fallen (Departum) - 04:28
15 Lisa Gerrard - Desert Song (Black Opal) - 04:32
16 Lisa Gerrard - Black Forest (Black Opal) - 04:41
17 Dead Can Dance - Return Of The She-King (Anastasis) - 07:52
18 Lisa Gerrard + Marcello De Francisci - Food Chain (Samsara) - 04:05
19 Lisa Gerrard + Marcello De Francisci - Let The Children Play (Departum) – 04:14
20 Brendan Perry - Wintersun (Ark) - 06:03
21 Lisa Gerrard – Tell It From The Mountain (Black Opal) – 04:36
22 Lisa Gerrard + Marcello De Francisci - Geisha (Samsara) - 04:31
23 Brendan Perry - Crescent (Ark) - 09:34

Donnerstag, 20. September 2012

Playlist # 94 vom 23.09.2012 (1) - JASON BOURNE Special

Wenn eine Filmreihe in den letzten Jahren das Spionage-Genre um den Klassiker „James Bond 007“ bereichert hat, trifft dies neben der Spielfilmadaption der Fernsehserie „Mission: Impossible“ vor allem auf die Adaption von Robert Ludlums „Jason Bourne“-Roman-Reihe zu.
Nach drei fulminanten Inszenierungen von Doug Liman und Paul Greengrass mit einem charismatischen Matt Damon in der Hauptrolle präsentiert sich nun mit „Das Bourne Vermächtnis“ Teil 4 des erfolgreichen Franchise – nach dem Ausstieg des Erfolgsduos Paul Greengrass/Matt Damon nun mit Drehbuchautor Tony Gilroy auch hinter der Kamera und mit Jeremy Renner in der Hauptrolle des Jason-Bourne-Leidgenossen Aaron Cross.

2002 verfilmte Doug Liman den bereits 1980 veröffentlichten Robert-Ludlum-Bestseller „Die Bourne Identität“. Der Komplexität des über 600 Seiten starken Romans wird der Film natürlich nicht gerecht, und überhaupt orientiert sich die Handlung der Bourne-Filme nur lose am Geschehen der literarischen Vorlagen. Doch in Sachen Action setzte Doug Liman mit „Die Bourne Identität“ einen Standard, der mit jedem der folgenden Filme sogar noch überboten wurde. Erzählt wird, wie der leblos im Mittelmeer treibende Körper eines Mannes (Matt Damon) von einem kleinen Fischerboot aufgegriffen wird. Der Mann erwacht ohne jegliche Erinnerung an seine Identität, macht sich nach einem Hinweis aber auf den Weg in die Schweiz, wo er in einem Bankschließfach sechs unterschiedliche Pässe, Banknoten in verschiedenen Währungen und einen Revolver vorfindet. Da sich unter den Ausweisen auch ein amerikanischer auf den Namen Jason Bourne befindet, macht er sich auf den Weg zur amerikanischen Botschaft, wird aber sofort von der Schweizer Polizei verfolgt. Er bietet der deutschen Touristin Marie Kreutz (Franka Potenta) 20.000 Dollar, wenn sie ihn nach Paris fährt, wo Jason Bourne seinen Wohnsitz haben soll. Dort wartet allerdings bereits ein CIA-Agent auf ihn. Noch weiß Bourne nicht, dass er ein Experiment des streng geheimen Treadstone-Projekts ist, das Agenten zu perfekten Tötungsmaschinen ausbildet. Da das Projekt aber abgebrochen wurde, sollen alle Teilnehmer des riskanten Projekts ausgeschaltet werden …
Doug Liman, der mit ‚Go‘ und ‚Swingers‘ auf sich aufmerksam machen konnte, liefert mit ‚Die Bourne Identität‘ einen spannenden actionreichen Agententhriller ab, der geschickt das recht hohe Tempo variiert, und es somit versteht, den Zuschauer in seinen Bann zu ziehen. Die Inszenierung des Films lehnt sich stark an Genrevertreter der späten 70er Jahre an, was durch die eher konservative Regiearbeit, die auf eine gewisse Natürlichkeit und Einfachheit baut, verstärkt zur Geltung kommt. Die Action-Sequenzen sind routiniert inszeniert, und die lange Verfolgungsjagd gehört mit zu den besten, die man in der letzten Zeit zu sehen bekam. Dennoch wirkt der Film ein wenig inhaltsleer, auch wenn die Storygrundstruktur gefällt. Man hat immer das Gefühl zu wissen, was folgen wird. So beginnt der Film bisweilen ein wenig belanglos zu wirken. Dies macht zum einen die originelle Inszenierungsweise, zum anderen die gute Besetzung wett: Matt Damon liefert eine seiner besten Leistungen ab und Franka Potente ist einfach die perfekte Schauspielerin für die Rolle der Marie Kreutz. Mit dieser Leistung dürfte sie in Hollywood richtig auf sich aufmerksam gemacht haben“, resümiert Tobias Wunsch auf MovieMaze.de
Auch für die Fortsetzung holte sich Universal mit Paul Greengrass einen recht unbekannten Regisseur, der aber immerhin mit „Vom Fliegen und anderen Träumen“ (1998) und „Bloody Sunday“ (2002) aufhorchen ließ. Wieder nur lose an Robert Ludlums gleichnamige Romanvorlage angelehnt, setzt „Die Bourne Verschwörung“ dort an, wo „Die Bourne Identität“ aufgehört hat. Der immer noch teilweise an Amnesie leidende Ex-CIA-Agent Jason Bourne ist mit seiner Freundin Marie in Goa untergetaucht, gerät dort aber ins Visier des russischen Killers Kiril (Karl Urban). Während Marie bei dem Attentat ums Leben kommt, kann Bourne nach Neapel entkommen, wo er aber gleich festgenommen wird, weil er zwei CIA-Agenten in Berlin ermordet haben soll. Bei der fehlgeschlagenen Aktion sollte ein russischer Informant Beweise für die Veruntreuung von 20 Millionen Dollar durch einen CIA-Agenten zugunsten russischer Verbindungsleute übergeben, und am Tatort wurde ein Fingerabdruck von Jason Bourne gefunden, wie Assistent Director Pamela Landy (Joan Allen) auf Nachfrage bei Ward Abbott (Brian Cox), dem Leiter des streng geheimen Treadstone-Projekts, ermitteln kann.
Bourne überwältigt seine Wächter und kann das Telefonat des örtlichen CIA-Agenten mit Landy abhören. Er macht sich auf den Weg nach Berlin und trifft sich mit der dortigen Agentenbetreuerin Nicolette Parsons (Julia Stiles). Als er von der Ermordung des russischen Politikers Vladimir Neskis hört, kehren wieder einige Erinnerungen zurück. In Moskau sucht Bourne nach weiteren Hinweisen, die seine Unschuld beweisen und weitere Teile seiner verloren gegangenen Erinnerungen zurückbringen.
Vor allem die rasant inszenierten Kampf- und Verfolgungsszenen machen „Die Bourne Verschwörung“ zu einem atemberaubenden Action-Film, die durch John Powells grandiosen Score perfekt untermalt wird, und findet in Moskau seinen pulsierenden Höhepunkt.
"Nicht nur in dieser aufwändigen Verfolgungssequenz sind Kamera und Montage technisch und ästhetisch ganz 'en vogue', wobei eine neue Apparatur eingesetzt wurde, die es der Kamera erlaubt, noch unbeschränkter ins furiose Geschehen einzutauchen“, meint Holger Römers in seiner Kritik (film-dienst 21/2004). „Diesen Effekt unterstreichen Stakkato- Schnitte, die mit erfreulichem Gespür für Rhythmus gesetzt sind. Trotzdem wünscht man sich, dass der Film auch formal in gewisser Hinsicht so altmodisch wäre, wie es sein Stoff punktuell ist. Dass eine Verfolgungsjagd filmästhetisch auf der Höhe der Zeit ist, heißt nämlich auch hier, dass die Filmemacher gar nicht mehr beabsichtigen, dem Publikum einen Überblick über den rasanten Ablauf zu vermitteln." 
An der 2007 erschienenen Fortsetzung „Das Bourne Ultimatum“ arbeitete das bewährte Erfolgsteam erneut zusammen, das von Tony Gilroy verfasste Drehbuch wurde wieder mit Matt Damon in der Hauptrolle als Jason Bourne unter der Regie von Paul Greengrass verfilmt, John Powell komponierte wieder die schweißtreibende Musik. Die Handlung knüpft dabei direkt an den Vorgänger an, indem Jason Bourne nach wie vor den noch nicht vollständig erfassten Hintergrund seiner Person aufzuklären versucht, während ihn die CIA nach wie vor auszuschalten versucht. Weitere Informationen erhofft sich Bourne von dem Londoner Journalisten Simon Ross, der an einem Artikel über ihn schreibt, doch Ross wird in der belebten Bahnhofshalle der Londoner Waterloo Station erschossen. Bourne bringt jedoch in Erfahrung, dass das Projekt Treadstone nicht beendet, sondern durch die Operation Blackbriar ersetzt worden ist. Die nächste Spur führt Bourne nach Madrid, wohin auch Nicky Parsons versetzt worden ist. Gemeinsam machen sie sich auf die Suche nach Neal Daniels, der zu den inneren Mitarbeitern des Treadstone-Projekts zählte. Derweil setzt Deputy Director Noah Vosen (David Strathairn) alles daran, jeden Mitwisser des illegalen Blackbriar-Programms zu eliminieren …
„Nahezu vollständig mit der Handkamera gefilmt, mit schnellen Schnitten und einem harten, militaristischen Score unterlegt, gibt es für den Zuschauer nur selten einen Moment der Ruhe. So atemlos wie Jason Bourne rennt, springt, und sich mit seinen Kontrahenten spektakuläre Verfolgungsjagden liefert, so rastlos und vital gibt sich der gesamte Film. Die Action setzt auf das Duell Mann gegen Mann, auf den erbarmungslos ausgetragenen Infight, in den auch die Kamera zuweilen verwickelt wird. Bewusst verzichtet Greengrass hierbei auf CGI-generierte Explosionen und pyrotechnischen Ballast. Vielmehr zieht sich der realistische Anstrich bis in die Choreographie der einzelnen Action-Sequenzen“, resümiert Marcus Wessel auf programmkino.de. „Noch bevor Daniel Craig in ‚Casino Royale‘ einen neuen, geerdeten Bond-Typus darstellen durfte, zeigte dieser Jason Bourne bereits, dass die Antwort auf die Effektgewitter der großen Action-Blockbuster nur in der Rückbesinnung auf ein nüchternes und dennoch leidenschaftliches Testosteron-Kino liegen kann. Neben Matt Damons physisch beeindruckendem Jump’n’Run-Part, wartet der dritte Bourne aber zudem mit einem psychologisch ausgefeilten Duell zwischen Joan Allen und David Strathairn auf. Über die Diskussionen ihrer Filmfiguren liefert Das Bourne Ultimatum ganz nebenbei einen Einblick in die nach den Terroranschlägen des 11. Septembers schwer traumatisierte Seele Amerikas und in zwei nicht miteinander vereinbare Philosophien von Sicherheit und Freiheit.“ 
Für Paul Greengrass und Matt Damon war die Geschichte von Jason Bourne damit zu Ende erzählt. Während die weiteren Romane von Eric van Lustbader, der die Reihe nach Robert Ludlums Tod fortsetzt, noch immer mit Jason Bourne in der Hauptrolle agieren, musste sich Tony Gilroy diesmal etwas Neues einfallen lassen, nämlich einen neuen Titelhelden kreieren. Gilroy („Michael Clayton“, „Duplicity“) nahm selbst hinter der Kamera Platz und positionierte mit dem aufstrebenden Jeremy Renner („Mission: Impossible – Phantom Protocol“, „The Hurt Locker“) als Agent Aaron Cross einen neuen Helden und ersetzte Komponist John Powell durch James Newton Howard, mit dem er bereits an seinen ersten beiden Regieprojekten erfolgreich zusammengearbeitet hatte.
Parallel zur Handlung von „Das Bourne Ultimatum“ angesiedelt, erzählt „Das Bourne Vermächtnis“ die Geschichte von Aaron Cross, der ähnlich wie Bourne an einem Superagenten-Programm teilnimmt. Bei Outcome wurde er durch eine genetische Manipulation zu einem übermenschlich gestählten Killer, der nun ebenso wie seine Mitstreiter auf der Abschussliste von Eric Byer (Edward Norton) steht, der als Direktor der Geheimorganisation NRAG (National Research Array Group) das Ende all dieser Operationen und den Tod aller dort ausgebildeten Agenten befiehlt. Doch Cross entgeht einem Attentat ebenso wie die Wissenschaftlerin Dr. Marta Shearing (Rachel Weisz), die nun gemeinsam ihren Häschern zu entfliehen versuchen. Allerdings gehen Cross allmählich die Medikamente aus, die seine komplizierte Körperchemie ausbalancieren.
Bei der Kritik kam Gilroys „Bourne“-Sequel nicht ganz so gut an wie die wegweisenden Vorgänger.
"‘Das Bourne Vermächtnis‘ kontert auf Old-School-Art und kommentiert nebenbei nicht nur die Überreizungen seines Regie-Vorgängers, sondern auch den zeitgeistigen Körperkult und Perfektionswahn. Jeremy Renner, der in ‚The Avengers‘ den Comic-Helden Hawkeye spielt und den Großteil der Stunts selbst absolvierte, spielt Aaron Cross feinnervig wie einen ADHS-Patienten auf Ritalin-Entzug. Er etabliert sich mit seiner ersten tragenden Action-Rolle als kompetenter leading man. Doch all das - und eine extrem ausgedehnte Motorrad-Verfolgungsjagd mit spektakulärem Finale - reicht letztlich nicht aus, um den ganzen Film zu tragen, zumal, wenn man ihn zwangsläufig mit seinen Vorgängern vergleichen muss. Zu langatmig und zerfasert gibt sich ‚Das Bourne Vermächtnis‘, bis er nach gut einer Stunde Laufzeit endlich ein angemessenes Tempo erreicht“, meint Andreas Borcholte auf spiegel.de. „Die Inszenierung ist ermüdend konventionell: Verschwunden sind die waghalsigen Kamera-Operationen, das Gefühl, den Protagonisten unbequem nah auf die Pelle zu rücken - kurzum alle Elemente, mit denen Paul Greengrass die angespannte Atmosphäre seiner Thriller fast körperlich erfahrbar machte. Unter Gilroys Regie schrumpft die einst superlative Bourne-Reihe auf ein solides Durchschnittsthrillermaß.“ 

Filmographie:
2002 - Die Bourne Identiät
2004 - Die Bourne Verschwörung
2007 - Das Bourne Ultimatum
2012 - Das Bourne Vermächtnis

Playlist:
1 Moby - Extreme Ways [Bourne's Legacy] (The Bourne Legacy) - 04:51
2 John Powell - Main Titles (The Bourne Identity) - 04:17
3 John Powell - The Drop (The Bourne Supremacy) - 03:42
4 John Powell - Funeral Pyre (The Bourne Supremacy) - 02:21
5 John Powell - Nach Deutschland (The Bourne Supremacy) - 02:40
6 James Newton Howard - Drone (The Bourne Legacy) - 04:15
7 John Powell - Taxi Ride (The Bourne Identity) - 03:43
8 John Powell - Man Verses Man (The Bourne Ultimatum) - 05:46
9 James Newton Howard - Manila Lab (The Bourne Legacy) - 02:40
10 John Powell - Six Weeks Ago (The Bourne Ultimatum) - 04:30
11 John Powell - Moscow Wind Up (The Bourne Supremacy) - 06:55
12 John Powell - Tangiers (The Bourne Ultimatum) - 07:40

Soundtrack Adventures with JASON BOURNE at Radio ZuSa by Dirk Hoffmann on Mixcloud

Mittwoch, 19. September 2012

Playlist # 94 vom 23.09.2012 (2) - BREAKING BAD Special

Fünf Staffeln lang zählte die Emmy-prämierte Serie „Breaking Bad“ zu den absoluten Highlights des Fernsehprogramms. Im Mittelpunkt der Serie steht die außergewöhnliche Geschichte eines krebskranken 08/15-Chemielehrers, der für das Wohl seiner Familie zum Meth-Produzenten wird. Aus dieser Konstellation heraus erklärt sich auch der merkwürdig anmutende Titel der Serie, denn der aus dem Südstaaten-Slang stammende Begriff bedeutet etwa „auf die schiefe Bahn geraten“ oder auch „sich über geltende Gesetze hinwegsetzen“.

Vince Gilligan kam die Idee zur Serie während einer Schreibblockade, als ihm ein befreundeter Autor vorschlug, statt Drehbücher zu schreiben mit Methamphetamin zu handeln. Als Gilligan über die Motivation zu einer solchen Entscheidung und ihre Folgen nachdachte, war das Konzept für „Breaking Bad“ geboren. 2009 erhielt der Autor dafür den renommierten Writer’s Guild Award.
Als Highschool-Chemielehrer in Albuquerque, New Mexico, kommt der 50-jährige Walter White (Bryan Cranston) mit seiner schwangeren Frau Skyler (Anna Gunn) und dem an zerebraler Kinderlähmung leidenden Teenagersohn Walter Jr. (RJ Mitte) halbwegs über die Runden. Um das Gehalt aufzubessern, jobbt Walter in einer Waschanlage, wo er plötzlich zusammenbricht. Die plötzliche Diagnose, dass der überzeugte Nichtraucher unheilbar an Lungenkrebs erkrankt ist, wirft Walters Lebensplanung komplett über den Haufen. Ausgerechnet sein Schwager Hank (Dean Norris) bringt Walter auf die Idee, wie er die Familie auch nach seinem Ableben versorgen kann: Als er nach einem Fernsehbericht über einen gelungenen Coup der DEA erfährt, wie viel Geld sich mit dem Verkauf von Methamphetamin machen lässt, gerät Walter auf die schiefe Bahn. Zusammen mit dem Kleindealer Jesse (Aaron Paul), den Walter in der Schule durchfallen ließ, macht er sich schnell als versierter Meth-Kocher einen Namen. Nur mit dem Dealen haben Walter und Jesse so ihre Probleme. Denn mit den Gangsterbossen in der Drogenszene ist überhaupt nicht zu spaßen. Und es ist natürlich alles andere als einfach, das neue Doppelleben vor seiner Familie und auch seinem Schwager geheim zu halten.
Ursprünglich war die erste Staffel von „Breaking Bad“ auf neun Folgen ausgelegt, doch der Streik der Drehbuchautoren führte dazu, dass die erste Staffel nach sieben Folgen etwas abrupt enden musste. Bei dem bewusst langsamen Erzählduktus der Serie kann „Breaking Bad“ in der ersten Staffel sein Potenzial nur andeuten. Doch die vorrangigen Stärken kommen bereits gut zur Geltung. Nicht nur Walter White macht aufgrund seiner plötzlichen Krankheit eine sehr ambivalente Entwicklung vom liebenden Familienvater zum Kriminellen mit guter Absicht durch, auch seine Mitmenschen haben ihre Last im Leben zu tragen. Die karge Landschaft, in die sich Walter und sein drogensüchtiger Partner mit dem Wohnmobil zum „Kochen“ zurückziehen, bietet das perfekte Panorama für die oft gebrochenen Figuren, für die der amerikanische Traum in weiter Ferne liegt.
Bryan Cranston („Malcolm mittendrin“, „Seinfeld“) überzeugt in der ungewohnt ernsten Rolle des todkranken Chemielehrers, dessen berufliche Qualifikation ein ganz neues Betätigungsfeld eröffnet, das ebenso illegal und gefährlich wie lukrativ erscheint. Aaron Paul als sein drogensüchtiger Partner-in-crime Jesse Pinkman bildet mit seiner fahrig-nervösen Darstellung ebenso den quirligen wie amüsanten Counterpart zum besonnenen Lehrer wie Dean Norris als Walters Schwager Hank, der sich engagiert dem Kampf gegen den Drogenhandel widmet.
Das außergewöhnliche Serienkonzept von „Akte X“-Mitautor Vince Gilligan, die intelligenten Drehbücher, großartige Darsteller, ein stimmungsvoller, nur dezent platzierter Soundtrack und die Entwicklung der einzelnen Figuren machen „Breaking Bad“ zu einer packenden wie eindringlichen Serie der besonderen Art.
Nachdem die erste Staffel von „Breaking Bad“ über gerade mal sieben Folgen nur anreißen konnte, was sich ein verzweifelter, sterbenskranker Familienvater alles einfallen lässt, um seine Frau und Kinder nach seinem Ableben versorgt zu wissen, entfaltet die zweite Staffel in dreizehn Folgen die ganze Bandbreite des Dilemmas, das mit dem Eintritt eines einfachen Chemielehrers in die Welt des illegalen Drogenhandels einhergeht. Zu Beginn der zweiten Staffel ist der Meth-Handel unerwartet gut angelaufen. Allerdings gehen die schnell erwirtschafteten Gewinne sofort wieder für die kostspieligen Behandlungen drauf, die Walter über sich ergehen lassen muss. Dabei muss er bereits ein großes Maß an Einfallsreichtum beweisen, wenn er seiner Familie glaubwürdig vermitteln will, dass das Geld beispielsweise von Walters ehemaligen Geschäftskollegen Gretchen und Elliott Schwartz stammt, die nicht zuletzt durch Walters fachliche Qualitäten reich geworden sind. Walters hochschwangere Frau Skyler nimmt wieder ihre alte Stelle als Buchhalterin an, um Geld nach Hause zu bringen, und der durch Kinderlähmung behinderte Walter Jr. stellt eine Spenden-Website online, die der angeheuerte Anwalt Saul Goodman fortan zur Geldwäsche des schmutzigen Drogengeldes missbraucht. Während es Walter immer schwerer fällt, das zunehmend komplexere Lügenkonstrukt seiner Familie gegenüber aufrechtzuerhalten, versucht er mit seinem jungen Partner Jesse Pinkman den Verkauf der kostbaren Ware zu beschleunigen und auf andere Reviere auszuweiten. Doch das lässt sich die Konkurrenz natürlich nicht gefallen und dezimiert Jesses Team an Laufburschen, während der DEA-Beamte Hank dem geheimnisvollen Phantom Heisenberg nachjagt, nicht ahnend, dass niemand Geringerer als Walter dahinter steckt …
Die extrem kurze erste Staffel wirkt gerade mal wie ein Prolog zu dieser höchst aufregenden Serie mit dem originellen Konzept, das sich erfrischend von den üblichen Drama-, Crime- und Comedy-Serien abhebt. In der zweiten Staffel werden die einzelnen Figuren weitaus intensiver charakterisiert, ihre liebenswerten wie bedenklichen Macken offensichtlich, was sie zutiefst menschlich und somit authentisch macht. Natürlich ist es vor allem spannend mit anzusehen, wie Walter White zunehmend Gefallen daran findet, in kürzester Zeit so richtig viel Geld zu machen. Und gerade wenn er daran zu denken beginnt, aus dem gefährlichen Geschäft auszusteigen, ist eine weitere Finanzspritze nötig. So entwickelt sich ein dramatisches Puzzle-Spiel, bei dem Walter unauffällig zwischen seinem Lehrerjob, seiner Familie und seinem geheimen Leben als Heisenberg jonglieren muss. Das führt zu so manch tragischen, brutalen, aber auch schwarzhumorigen Zwischenfällen, die „Breaking Bad“ so sehenswert machen.
‘Breaking Bad‘ lockt sehr wirkungsvoll mit dem Reiz des Verbrechens, entpuppt sich aber als eine zutiefst moralische Serie, welche die Charaktere mit ihren Selbsttäuschungen, unter bestimmten Bedingungen das Falsche tun zu dürfen, nicht davonkommen lässt. Nur mal ein bisschen Drogen produzieren, in einer persönlichen Notsituation und mit besten Absichten, ist keine Option. Die Figuren geraten in einen Sog, der sie zu immer auswegloseren Entscheidungen zwischen zwei Übeln zwingt, Entscheidungen auf Leben und Tod. Den ersten Menschen hat der brave Walter White schon in der ersten Folge auf dem Gewissen“, meint Stefan Niggemeier auf faz.de „Danach gibt es kein Zurück. ‚Breaking Bad‘ zeigt uns den Absturz des Walter White, der gleichzeitig eine Befreiung ist. Eine Befreiung aus einem bürgerlichen Alltag voller Routine, Kleinmut und Vernunft, Demütigungen und Zumutungen, symbolisiert schon durch das Auto, das White fährt: einen unförmigen, plastikhaften Pontiac Aztek, schrecklich praktisch und uncool bis weit über die Grenze der Lächerlichkeit hinaus. Als Chemielehrer ist sein Talent verschwendet, die Schüler dämmern vor sich hin, als Drogenproduzent aber kann White seine Genialität zeigen, wird respektiert und schließlich gefürchtet.“
"Breaking Bad"-Komponist Dave Porter - copyright by Julio Moreno
Obwohl Musik und Sounds nur spärlich in „Breaking Bad“ eingesetzt werden, spielt sie eine wichtige Rolle. Komponist Dave Porter hat nicht nur das sehr texanisch klingende Hauptthema komponiert, sondern auch atmosphärische, manchmal mehr nach Sounddesign klingende Cues, die die dramatischen Aspekte der Story unterstreichen.
„Für ‚Breaking Bad‘ habe ich mich fort von meiner traditionellen orchestralen Ausbildung bewegt und ethnische Instrumente, entwickelte Klänge und meine große Sammlung an alten Synthesizern und Effekten bevorzugt. Außerdem ist nahezu alles irgendwie bearbeitet oder verfremdet worden, um die Musik losgelöst und anders klingen zu lassen als das, was man vielleicht erwartet“, bemerkt Dave Porter in einem Interview mit blogs.amctv.com. Für Porter ist Walter White der Dreh- und Angelpunkt der Serie, auch musikalisch gesehen. „Walters Reise und Abstieg ist das Rückgrat der Show. Im Verlauf von verschiedenen Staffeln hat er Orte verlassen, die er sich nie vorstellen konnte, verlassen. Was mich am meisten fasziniert, und ich versuche, immer daran zu denken, wenn ich den Score schreibe, ist, wie weit man als Zuschauer mit Walt zu sympathisieren bereit ist“, meint Porter auf soniccouture.com. „Es gibt Menschen, die von seinem Verhalten seit der ersten Staffel völlig entsetzt sind. Es gibt andere, die ihn verteidigen, egal, was er tut. Auf diese Weise zwingt dich ‚Breaking Bad‘ dazu, deine eigene Reaktion auf die Geschichte zu beobachten. Für mich bedeutet das, musikalisch gesehen, dass ich nie einen bestimmten Moment als ‚Breaking Bad‘-Moment herausstelle … weil es eine graduelle Evolution (oder Devolution) im Verlauf der Serie ist, und die Wahrnehmung des Wendepunktes ist bei jedem anders.“ 
Doch nicht nur der atmosphärische Score von Dave Porter spielt musikalisch eine Rolle, die Serie wartet auch mit einer Vielzahl ganz unterschiedlicher Songs auf, die wesentlich zur gelungenen Stimmung von „Breaking Bad“ beitragen. Music Supervisor Thomas Golubic hat bereits bei “Six Feet Under” sein ausgezeichnetes Gespür für die musikalische Untermalung einer Serie bewiesen. „Ich hüte mich davor, mich in einen Song zu verlieben und davon überzeugt zu sein, dass er in der Show eingesetzt werden sollte. Ich höre Songs, bei denen ich denke, ‚Oh, das klingt ganz nach Walt‘, oder ‚Das würde gut zu Jesse passen‘, aber es gibt ganz unterschiedliche Varianten in dieser Show“, meint Thomas Golubic im Interview mit blogs.amctv.com. „Eine Menge der Musik hat keinen Einfluss auf Walt oder Jesse, Musik aus der Außenwelt, sei es in einem Schuhladen oder einer Boutique, nett und leicht betäubend. Das ist sehr leicht, sanft, eine solipsistische Qualität außerhalb ihrer Welt. Die Welt da draußen ist auf eigene Weise unter Drogen gesetzt. Alles ist ein wenig zu glatt und zu angenehm. Dann hast du diese Welt von Walt und Jesse, die zerlumpt ist und nahezu platzt vor umständlichen Enthusiasmus. Das ist die Dichotomie der beiden verschiedenen Welten.“
Bei „Akte X“-Schöpfer Chris Carter hat Vince Gilligan als Show Runner gelernt, wie man gute Drehbücher für Fernsehserien schreibt. Offensichtlich hat er gut aufgepasst, denn mit seiner eigenen Schöpfung „Breaking Bad“ schuf Gilligan eine thematisch außergewöhnliche, großartig gespielte und perfekt inszenierte Serie. Vor allem die Wandlung von Walter White vom biederen Chemie-Lehrer zum ehrgeizigen Drogenproduzenten verleiht der Serie eine faszinierende Spannung. Nachdem Walter in den ersten beiden Staffeln sein ursprüngliches Ziel erreicht hat, seine Familie nach seinem Ableben versorgt zu wissen, hat sein Doppelleben in der Unterwelt hat längst eine ganz eigene Dynamik entwickelt. Walters Schwager Hank ist dem Phantom „Heisenberg“ – wie sich Walter in den Kreisen des Drogenkartells nennt – immer dichter auf der Spur, Skyler reicht nach der Erkenntnis, woher Walters plötzlicher Wohlstand stammt, entrüstet die Scheidung ein, und Walters Geschäftspartner Jesse entschließt sich nach dem dramatischen Tod seiner Freundin zu einem Drogenentzug. Dem Autorenteam um „Breaking Bad“-Schöpfer Vince Gilligan gelingt es, Walters Leben immer komplizierter zu machen. Es ist faszinierend zu verfolgen, wie Walter sich von einem biederen Highschool-Lehrer ohne Ambitionen zu einem nahezu skrupellosen Geschäftsmann entwickelt, der mit allen Mitteln um seine Vorherrschaft auf dem Markt kämpft. In der dritten Staffel spielen dabei einige neue Charaktere eine wesentliche Rolle, allen voran der aus dem Fernsehen bekannte Anwalt Saul Goodman (Bob Odenkirk), der immer wieder für einen coolen Spruch zu haben ist und so für eine gesunde Prise trockenen Humor sorgt, und Walters Boss Gus (Giancarlo Esposito), der äußerst gelassen sein Revier verteidigt und schon einmal dafür vorsorgt, wenn Walter nicht mehr unter den Lebenden weilt. Doch Walter geht es nach einer gelungenen Operation und Therapie so gut wie lange nicht mehr … Die dritte Staffel von „Breaking Bad“ bietet über 13 Folgen einmal mehr anspruchsvolle Unterhaltung mit interessanten Figuren, Nebenhandlungen und einer gesunden Mischung aus Dramatik und Humor. Auch wenn viele Fans es bedauern, aber nach fünf Staffeln wurde die Serie eingestellt. „Ich möchte nicht, dass ‚Breaking Bad‘ beendet wird. Es ist der beste, befriedigendste Job, den ich je hatte, und ich bin traurig zu behaupten, dass das wahrscheinlich auch so bleiben wird. Diese Serie ist wahrscheinlich in kreativer Hinsicht der Höhepunkt meiner Karriere. Deshalb möchte ich nicht, dass sie endet, aber ich glaube, dass sie es muss. ‚Breaking Bad‘ war von Anfang an als eine sehr in sich abgeschlossene Geschichte konzipiert“, verrät Vince Gilligan im Interview mit blogs.amctv.com. „Man kann eine Story über Wandel und Transformation nur bis zu einem gewissen Punkt bringen. Und so sehr ich die Show liebe und so sehr ich nicht möchte, dass sie endet, möchte ich, dass sie an einem Punkt endet, an dem die Qualität so hoch wie möglich ist. Und ich möchte ‚Breaking Bad‘ so beenden, wie sie begonnen hat, mit Menschen, die von ihr begeistert und irritiert sind. Und ich möchte nicht, dass diese wundervollen Zuschauer jemals gelangweilt werden. Manchmal ist es besser, eine Party zu früh als zu spät zu verlassen.“
Playlist:
1 Dave Porter - Main Title - 01:15
2 Mick Harvey - Out Of Time Man - 02:57
3 Holy Fuck - They're Going To Take My Thumb - 05:27
4 The Silver Seas - Catch Yer Own Train - 03:06
5 The Be Good Tanyas - Waiting Around To Die - 05:12
6 Dave Porter - Baby's Coming - 04:09
7 Dave Porter - The Morning After - 02:24
8 Dave Porter - Searching For Jesse - 02:23
9 Rodrigo y Gabriela - Tamacun - 03:25
10 The Lions - Thin Man Skank - 03:45
11 Gnarls Barkley - Who's Gonna Save My Soul - 03:04
12 Apparat - Goodbye - 04:26
13 America - A Horse With No Name - 04:17
14 Alex Ebert - Truth - 04:20
15 Beastie Boys - Shambala - 03:40
16 Steve Gorn - Afterglow - 09:48

Soundtrack Adventures with BREAKING BAD at Radio ZuSa by Dirk Hoffmann on Mixcloud

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