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Freitag, 8. März 2013

Playlist # 106 vom 10.03.2013 - MEL GIBSON Special

In den 1980er Jahren war der amerikanisch-australische Schauspieler Mel Gibson noch ein gefeierter Action-Star, später auch ein prämierter Regisseur und Produzent, doch in den 2000er Jahren wurde es sehr ruhig um den immer wieder durch seine Alkoholexzesse und politisch wie religiös kontroversen Statements in der Kritik stehenden Weltstar. Mit seinem neuen Film „Get The Gringo“ kehrt Gibson wieder zu dem Genre zurück, das ihn berühmt gemacht hat, dem Action-Thriller.

Aufgewachsen in einer kinderreichen, römisch-katholischen Familie konnte Gibson am National Institute of Dramatic Art in Sydney in mehreren Theaterstücken erste Erfahrungen als Schauspieler sammeln. Schon nach ein paar kleineren Theater- und Filmrollen wurde Mel Gibson in George Millers apokalyptischen Action-Thriller „Mad Max“ 1979 international bekannt und agierte als unerschrockener Polizist auch in den 1981 und 1985 produzierten Fortsetzungen. Seine Vielseitigkeit demonstrierte Gibson schließlich in Peter Weirs melodramatischen Politthriller „Ein Jahr in der Hölle“ (1982), in Roger Donaldsons neuer Verfilmung von „Die Bounty“ (1984) und in dem Drama „Menschen am Fluss“ (1984). Während die ersten beiden "Mad Max"-Filme von Brian May eher unspektakulär vertont wurden, ist der synthetische Brei von Maurice Jarre zum dritten Teil eher zum Abgewöhnen. Dafür konnte Tina Turner mit der Hymne "We Don't Need Another Hero" einen echten Hit landen. Etwas gelungener ist Jarres Score zum Drama "Ein Jahr in der Hölle" ausgefallen, während Vangelis zu "The Bounty" einen herrlich sphärischen Score schuf, der auch ohne die dazugehörigen Bilder einen akustischen Leckerbissen darstellt.
Zu einem echten Kassenmagneten entwickelte sich Mel Gibson in der Action-Komödien-Serie „Lethal Weapon“, in der er in immerhin vier Filmen (1987 – 1998) an der Seite seines besonnenen Partners (Danny Glover) den psychisch labilen und cholerischen Cop Martin Riggs mimte. Zwar agierte Gibson auch weiterhin in Action-Filmen wie „Kopfgeld“, „Payback“ und „Der Patriot“, doch daneben war er auch in anspruchsvolleren Produktionen wie Franco Zeffirellis „Hamlet“-Adaption (1990) und in „The Million Dollar Hotel“ (2000) von Wim Wenders zu sehen und überzeugte in romantischen Komödien und Dramen wie „Forever Young“ (1992) und „Was Frauen wollen“ (2000).
1993 legte Gibson sein vielbeachtetes Regiedebüt mit „Der Mann ohne Gesicht“ vor. Der Film erzählt die berührende Geschichte einer Freundschaft zwischen dem ehemaligen Lehrer Justin McLeod (Mel Gibson), dessen Gesicht nach einem Unfall völlig entstellt worden ist, und einem zwölfjährigen Jungen, der seinen Wunsch, Air-Force-Pilot zu werden, nur erreichen kann, wenn er in den Sommerferien dafür sorgt, seine Noten zu verbessern.
Mel Gibson erzählt uns eine Geschichte, die zu Herzen geht, ohne dabei in sentimentalen Kitsch abzurutschen. Eine Geschichte, in der es um Vertrauen, Vorurteile und Anschuldigungen geht, die Leben zerstören können“, resümiert Melanie Frommholz auf moviesection.de. „In erster Linie erzählt ‚Der Mann ohne Gesicht‘ jedoch die Geschichte zweier Menschen, die am Rand stehen und die durch ihre Freundschaft aus der gesellschaftlichen Isolation geführt werden. Auch wenn Gibson die eingefahrenen Drama-Mechanismen nicht gänzlich hinter sich lassen kann, berührt dieser Film mit seiner Botschaft.“
Es war die erste Zusammenarbeit zwischen Gibson und James Horner, der nicht nur Gibsons späteren Regiearbeiten "Braveheart" und "Apocalypto" erfolgreich vertonen sollte, sondern auch "Kopfgeld" unter der Regie von Ron Howard.
Seinen großen Triumph als Regisseur, Produzent und Darsteller feierte Mel Gibson 1995 mit dem historischen Schlachtenepos „Braveheart“. Gibson spielt den schottischen Freiheitskämpfer William Wallace, der im ausgehenden 13. Jahrhundert von seinem Onkel aufgezogen und von ihm im Lesen, Schreiben und Schwertkampf unterrichtet wurde. Als die englischen Truppen unter König Edward I. Williams Frau (Catherine McCormack) hinrichten, macht sich Wallace mit seinen Landesgenossen auf in den Kampf um die Freiheit.
„Wallace‘ Aufbäumen gegen beinahe 100 Jahre Raub, Mord und Unterdrückung wird in furiosen Aufnahmen festgehalten. Die wildromantische, raue Schönheit der schottischen Landschaft bildet die perfekte Kulisse für die Lebensgeschichte des schottischen Nationalhelden und die lebendigen, realitätsnahen blutig-dramatischen Schlachten, die einen Großteil der Faszination des Films ausmachen. Auch wenn ‚Braveheart‘ nur grob die historischen Gegebenheiten wiedergibt, macht er auf den Betrachter einen unglaublich realistischen Eindruck. Das Mittelalter wird nicht geschönt dargestellt, sondern in dreckigen, unwirtlichen Bildern zum Leben erweckt, und auch das rohe Verhalten der handelnden Personen und die Brutalität der Kampfhandlungen (…) tragen zur Gesamtauthentizität des Werkes bei“, meint Ulf Lepelmeier auf filmstarts.de. „Mel Gibsons ‚Braveheart‘ ist ein hervorragendes, ungemein packendes und eindringliches Schlachtenepos, welches die rauen und dunklen Tage des Mittelalters wiederbelebt und eine Lanze für das unbändige Verlangen nach Selbstbestimmung und Freiheit bricht.“ 
Bei der Oscar-Verleihung räumte Gibsons Werk 1996 ordentlich ab. Nominiert in zehn Kategorien (u.a. auch James Horner für seine Filmmusik), gewann „Braveheart“ immerhin fünf Trophäen in den Sparten „Bester Film“, „Beste Regie“, „Beste Kamera“, „Bester Tonschnitt“ und „Bestes Make-up“.
Nach Hauptrollen in dem Mystery-Thriller „Signs“ und dem Kriegsepos „Wir waren Helden“ machte sich Gibson vor der Kamera rar und inszenierte mit „Die Passion Christi“ (2004) und „Apocalypto“ (2006) zwei kontrovers diskutierte Filme für die eigene Produktionsfirma Icon, die er 1989 zusammen mit Bruce Davey gegründet hatte.
Mit „Die Passion Christi“ verfilmte Gibson die letzten zwölf qualvollen Stunden im Leben des Jesus von Nazareth, seinen Verrat durch Judas, seine Verdammnis, seine Verurteilung zum Tode, die Geißelung und Kreuzigung durch die römischen Soldaten. Von der Kritik musste sich Gibson einiges anhören lassen. „Strukturell pornografisch“ (Der Tagesspiegel) sei der Film, „ein geschmäcklerisch konfektioniertes Schaustück“ ohne „jeden Mehrwert außerhalb des Illustrativen“ (Frankfurter Rundschau), der „vielleicht radikalste, brutalste und wahrscheinlich auch kurioseste Jesusfilm aller Zeiten“ (film-dienst).
"Diese ‚Passion Christi‘ ist von einer unerhörten (das gilt für seine dumpfe Akustik der Gewalt, das Stöhnen, das Knallen der Peitschen, die hörbare Last des Kreuzes) und bisher ungesehenen Brutalität. Durch die Nähe der Einstellung, die Kunst der Maskenbildner, die ins Große verzerrte oder ins Überdimensionale gesteigerte Darstellung von Torturen, die erduldete und schier endlose, in den Tod am Kreuz mündende Qual liegt der Schwerpunkt des Films auf dem Leid der buchstäblich bis auf die Knochen geschundenen menschlichen Kreatur“, resümiert Hellmuth Karasek im „Tagesspiegel“ vom 27.02.04. 
Zwei Jahre später inszenierte Gibson mit „Apocalypto“ ein weiteres extrem gewalttätiges Werk über den Untergang der frühen wie geheimnisvollen Hochkultur der Maya im Zuge der Eroberung Mexikos und Zentralamerikas durch die Spanier.
‘Apocalypto‘ spielt in der Endzeit des Maya-Reichs, als immer mehr Menschenopfer die ungnädigen Götter besänftigen sollten. Beherzt werden Bäuche aufgeschlitzt, Herzen herausgerissen, Köpfe ein- und abgeschlagen und auf Lanzen gespießt, Gurgeln durchgeschnitten. Der Held von ‚Apocalypto‘ aber will kein Opfer werden, flieht und tötet seine Verfolger, um sich selbst und seine Familie zu retten“, urteilt Jörg Lau auf zeit.de und verweist auf eine ganz bestimmte Kontinuität in Gibsons Filmen: „'Mad Max' hatte bereits, was Gibsons Filme vor und hinter der Kamera bis heute ausmacht: ein Rachemotiv als Lizenz zum Massaker; eine anschließende sadistische Gewaltorgie; ein Gesellschaftspanorama moralischen Zerfalls; das Drama der bösen Übermacht, die von einem einzelnen opferbereiten Rebellen herausgefordert wird. In immer neuen Verkleidungen hat Mel Gibson diese Motive durchgespielt – als suizidaler Cop in Los Angeles (‚Lethal Weapon‘), als mittelalterlicher schottischer Rebell (‚Braveheart‘), als amerikanischer Revolutionär wider Willen (‚Der Patriot‘). Stets hat man seinem Helden gerade die Frau geraubt, manchmal auch den Sohn – und damit die Lizenz zum Durchdrehen gegeben. Für jemanden, der gern mit homophoben Sprüchen provoziert, hat Gibson eine merkwürdig starke Neigung, seine Helden aus der Beschränkung durch Weib und Kind zu lösen und unter ruppige Männer geraten zu lassen.“
Erst 2010 war Mel Gibson in „Auftrag Rache“ wieder vor die Kamera getreten, um im Stile früherer Filme wie „Payback“ und „Kopfgeld“ auf gewohnt eloquente Weise für Gerechtigkeit zu sorgen. Dagegen blieb sein Auftritt in dem Jodie-Foster-Drama „Der Biber“ weitgehend unbeachtet.
Mit seinem neuen Film „Get The Gringo“ (aka "How I Spent My Summer Vacation") dürfte ihm dieses Desaster sicherlich erspart bleiben, schlüpft er doch in die vertraute Rolle eines gutherzigen Mannes in einer gefährlichen Mission. Er spielt den Kriminellen Driver, der nach der illegalen Überquerung der mexikanischen Grenze in eine Art Gefängnis-Dorf gesteckt wird, wo er allerdings Unterstützung durch einen zehnjährigen Jungen bekommt und als Dank der Mutter helfen will, die in Schwierigkeiten steckt. Allerdings muss Driver dazu erst einmal die Gefängnismauern überwinden … Der brasilianische Komponist Antonio Pinto ("Lord Of War") kreierte dazu einen frischen lateinamerikanisch geprägten Score, der durch zwei Songs von Ten Years After und Los Fabulosos Cadillacs wunderbar abgerundet wird.

Filmographie: 
1977: Ich hab Dir nie einen Rosengarten versprochen (I Never Promised You a Rose Garden)
1977: Summer City
1979: Mad Max
1979: Tim - kann das Liebe sein?
1980: The Chain Reaction
1981: Gallipoli
1981: Punishment (Fernsehserie)
1982: Ein Jahr in der Hölle (The Year of Living Dangerously)
1982: Mad Max 2 (The Road Warrior)
1982: Die grünen Teufel vom Mekong (DVD-Titel: Soldier – Die durch die Hölle gehen) (Attack Force Z)
1984: Die Bounty
1984: Menschen am Fluß (The River)
1984: Mrs. Soffel (Flucht zu dritt)
1985: Mad Max 3 (Beyond Thunderdome)
1987: Lethal Weapon – Zwei stahlharte Profis (Lethal Weapon)
1988: Tequila Sunrise
1989: Brennpunkt L.A. (Lethal Weapon 2)
1990: Air America
1990: Ein Vogel auf dem Drahtseil (Bird on a Wire)
1990: Hamlet
1992: Forever Young
1992: Brennpunkt L.A. – Die Profis sind zurück (Lethal Weapon 3)
1993: Der Mann ohne Gesicht (The Man Without a Face, auch Regie)
1993: The Chili Con Carne Club
1994: Maverick – Den Colt am Gürtel, ein As im Ärmel (Maverick)
1995: Braveheart (auch Regie)
1995: Pocahontas (Stimme)
1996: Kopfgeld – Einer wird bezahlen (Ransom)
1997: Fletcher’s Visionen (Conspiracy Theory)
1997: Ein Vater zuviel (Fathers’ Day)
1998: Lethal Weapon 4
1999: Payback – Zahltag
2000: Chicken Run – Hennen rennen (Chicken Run, Stimme)
2000: Der Patriot (The Patriot)
2000: The Million Dollar Hotel
2000: Was Frauen wollen (What Women Want)
2002: Signs – Zeichen
2002: Wir waren Helden (We Were Soldiers)
2003: The Singing Detective
2004: Paparazzi
2004: Die Passion Christi (The Passion of the Christ) (Regie)
2006: Apocalypto (Regie)
2010: Auftrag Rache (Edge of Darkness)
2011: Der Biber (The Beaver)
2012: Get the Gringo
Playlist:
1 Vangelis - Opening Titles (The Bounty) - 04:16
2 Maurice Jarre - Death Of A Child (The Year Of Living Dangerously) - 05:07
3 Michael Kamen - Amanda (Lethal Weapon) - 03:05
4 Michael Kamen - Leo (Lethal Weapon 2) - 03:45
5 Ennio Morricone - Hamlet [Version 2] (Hamlet) - 02:42
6 Jerry Goldsmith - Love Theme (Forever Young) - 04:03
7 Alan Silvestri - Everything About You (What Women Want) - 03:02
8 James Horner - Flying (The Man Without A Face) - 03:49
9 James Horner - Wallace Courts Murron (Braveheart) - 04:25
10 James Horner - The Proposal (Braveheart) - 04:03
11 James Horner - A Fatal Mistake (Ransom) - 04:50
12 Carter Burwell - Conspiracy Theory (Conspiracy Theory) - 02:15
13 Chris Boardman - Main Title (Payback) - 05:21
14 John Williams - The Pony Ride (The River) - 03:17
15 John Williams - The Colonial Cause (The Patriot) - 03:15
16 Milla Jovovich with Jon Hassell & Danny Saber - Satellite Of Love [Danny Saber Remix] (The Million Dollar Hotel) - 05:16
17 Ten Years After - 50,000 Miles Beneath My Brain (Get The Gringo) - 07:38
18 James Brown - It's A Man's Man's Man's World (Payback) - 02:48
19 James Newton Howard - The Hand Of Fate - Part 1 (Signs) - 05:32
20 Brian Tyler - Aftermath (Paparazzi) - 03:29
21 John Debney - Bearing The Cross (The Passion Of The Christ) - 03:42
22 James Horner - No Longer The Hunted (Apocalypto) - 05:53
23 James Newton Howard - The Hand Of Fate - Part 2 (Signs) - 03:46
24 Howard Shore - You're My Girl (Edge Of Darkness) - 02:37
25 Marcelo Zarvos - Meet Walter Black (The Beaver) - 03:55
26 Antonio Pinto - Final Confrontation (Get The Gringo) - 05:17
27 Vangelis - Closing Titles (The Bounty) - 05:00

Soundtrack Adventures with MEL GIBSON at Radio ZuSa by Dirk Hoffmann on Mixcloud

Mittwoch, 22. August 2012

Playlist # 92 vom 26.08.2012 - TONY SCOTT Special

Tony Scott stand stets etwas im Schatten seines älteren Bruders Ridley Scott, der mit Werken wie „Alien“, „Blade Runner“ oder „Gladiator“ Filmgeschichte geschrieben hat. Dennoch standen Schauspieler wie Denzel Washington, Will Smith, Gene Hackman, Robert De Niro, Tom Cruise, Robert Redford, Brad Pitt, Bruce Willis, Kevin Costner, John Travolta oder Susan Sarandon für seine Projekte Schlange. Nun beging der 68-Jährige Selbstmord, stürzte sich am Sonntag, 19. August im Hafen von Los Angeles von der Vincent Thomas Bridge.

Seine Filmkarriere begann Tony Scott mit 16 Jahren, als er in „Boy and Bicycle“, dem ersten Filmversuch seines Bruders, die Hauptrolle spielte. Nach seiner Ausbildung am Leeds College of Arts und am Royal College of Art in London schuf er für das British Film Institute die Kurzfilme „One Of The Missing“ und „Loving Memory“. In den 60er Jahren gründeten die Scott-Brüder ihre eigene Produktionsfirma Ridley Scott Associates (RSA) und 1995 eine weitere in Los Angeles mit Scott Free Productions.
Nachdem Ridley Scott mit „Alien“ (1979) und „Blade Runner“ (1982) einen fantastischen Start in Hollywood hinlegen konnte, fiel Tony Scotts US-amerikanisches Debüt „Begierde“ (1983) trotz der Top-Besetzung mit David Bowie und Catherine Deneuve bei Kritik und Publikum durch. Nachdem das Vampir-Drama von den Journalisten so zerrissen wurde, habe Tony Scott aufgehört, Kritiken seiner Filme zu lesen, meinte er einmal. Er habe Angst vor den Schauspielern gehabt. Doch drei Jahre später gaben die „Flashdance“-Produzenten Don Simpson und Jerry Bruckheimer Scott eine neue Chance und ließen ihn das patriotische Flieger-Spektakel „Top Gun“ inszenieren, das Tom Cruise zum Star machte und den Regisseur als brillanten Handwerker für visuell packendes Popcorn-Kino etablierte.
Nach dem Eddie-Murphy-Vehikel „Beverly Hills Cop II“ (1987) und dem völlig verunglückten Rachedrama „Revenge“ (1990) brachte sich Scott mit Tom Cruise in der Hauptrolle des Rennfahrer-Dramas „Tage des Donners“ wieder in Position, und auch der Bruce-Willis-Actioner „Last Boy Scout“ (1991) und der nach einem Quentin-Tarantino-Drehbuch entstandene Film „True Romance“ (1993) markierten einen ästhetischen Stil, der wegweisend für das Action-Kino der 90er Jahre werden sollte. Mit schnellen, groben Schnitten, dem Einsatz von Dampf und Rauch sowie dem aufreizenden Spiel mit Kamerafiltern, die seinem Background als Werbefilmer geschuldet sind, verlieh Tony Scott seinen Werken etwas Artifizielles, das sich noch intensiver in den Spätwerken zeigen sollte.
Nach den stilistisch beeindruckenden Action-Filmen „Enemy Of The State“ (1998) und „Domino“ (2005) war es vor allem die langjährige Zusammenarbeit mit Denzel Washington, die Tony Scotts Werken etwaqs mehr Tiefe verlieh. Mit „Crimson Tide“ (1995), „Mann unter Feuer“ (2004), „Déjà Vu“ (2006), „Die Entführung der U-Bahn Pelham 123“ (2009) und „Unstoppable“ (2010) realisierten beide zusammen immerhin fünf Filme zusammen. Seit dem Spionage-Thriller „Spy Game“ (2001) komponierte Harry-Gregson-Williams die Filmmusik für Tony Scott und löste damit seinen Mentor Hans Zimmer ab, der noch für „Tage des Donners“, „True Romance“, „The Fan“ und „Crimson Tide“ die Soundtracks produziert hatte.

Filmographie:
1969: Loving Memory (Kurzfilm)
1971: One of the Missing (Kurzfilm)
1974: Nouvelles de Henry James: L’auteur de Beltraffio (Fernsehfilm)
1983: Begierde (The Hunger)
1986: Top Gun – Sie fürchten weder Tod noch Teufel (Top Gun)
1987: Beverly Hills Cop II
1990: Revenge – Eine gefährliche Affäre (Revenge)
1990: Tage des Donners (Days of Thunder)
1991: Last Boy Scout – Das Ziel ist Überleben (Last Boy Scout)
1993: True Romance
1995. Crimson Tide – In tiefster Gefahr (Crimson Tide)
1996: Der Fan (The Fan)
1998: Der Staatsfeind Nr. 1 (Enemy of the State)
2001: Spy Game – Der finale Countdown (Spy Game)
2002: Beat the Devil (Kurzfilm)
2004: Mann unter Feuer (Man on Fire)
2004: Agent Orange (Kurzfilm)
2005: Domino
2006: Déjà Vu – Wettlauf gegen die Zeit (Déjà Vu)
2009: Die Entführung der U-Bahn Pelham 123 (The Taking of Pelham 123)
2010: Unstoppable – Außer Kontrolle (Unstoppable)
Playlist:
1 Guns N' Roses - Knockin' On Heaven's Door (Days Of Thunder) - 05:36
2 Léo Delibes - Lakme (The Hunger) - 06:05
3 Harold Faltermeyer - Flat Spin (Top Gun) - 04:35
4 Jack Nitzsche - Miryea's Death (Revenge) - 05:19
5 Michael Kamen - Ancy Drew and the Quarterback (Last Boy Scout) - 03:19
6 Hans Zimmer - You're So Cool (True Romance) - 03:40
7 Hans Zimmer - Sacrifice (The Fan) - 05:23
8 Hans Zimmer - Cobb Murdered/Is My Daddy In Trouble?/Finale (The Fan) - 06:14
9 Hans Zimmer - Amid The Chaos Of The Day (True Romance) - 04:55
10 Hans Zimmer - Roll Tide (Crimson Tide) - 07:33
11 Trevor Rabin & Harry Gregson-Williams - Brill And Dean Meet (Enemy Of The State) - 04:13
12 Harry Gregson-Williams - Operation Dinner Out (Spy Game) - 04:49
13 Domino & The Dagger Baileys - Am I Really That Bad? [Danny Saber Mix] (Domino) - 05:04
14 Harry Gregson-Williams - End Title (Domino) - 07:05
15 B.T. - Paris (Domino) - 07:51
16 Harry Gregson-Williams - Man On Fire Remix (Man On Fire) - 03:41
17 Shantel - Azulee (Domino) - 05:19
18 Harry Gregson-Williams - Better Have Some KY (Déjà Vu) - 05:37
19 Harry Gregson-Williams - All Others Pay Cash (The Taking Of Pelham 123) - 05:40
20 Harry Gregson-Williams - Will Guides 1206 (Unstoppable) - 04:06
21 Harry Gregson-Williams - The End (Man On Fire) - 09:34

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Sonntag, 8. Juli 2012

Playlist # 89 vom 15.07.2012 - BRUCE WILLIS Special

Seit seinem Durchbruch als Schauspieler in der Rolle des furchtlosen Cops John McClane im Blockbuster „Stirb langsam“ (1988) gilt Bruce Willis vor allem als Action-Held, was er in bislang drei weiteren Fortsetzungen und Filmen wie „Last Boy Scout“ und „The Expendables“ immer wieder untermauerte. Allerdings begann seine Karriere mit der Krimi-Serie „Das Model und der Schnüffler“ (1985-1989), ehe seine Leinwandpräsenz mit den beiden Blake-Edwards-Filmen „Blind Date – Verabredung mit einer Unbekannten“ (1987) und „Sunset“ (1988) zu wachsen begann. Aktuell unterstreicht er in Stephen Frears „Lady Vegas“ sein komödiantisches Können.

Geboren wurde Bruce Willis am 19. März 1955 in Idar-Oberstein. Der Sohn des amerikanischen Soldaten David Willis und seiner deutschen Frau Marlene zog mit seiner Familie nach zwei Jahren in Deutschland nach New Jersey in die USA. Nach seinem High-School-Abschluss nahm Willis Schauspielunterricht am Montclair State College, jobbte in einer Chemiefabrik und sammelte schließlich erste Erfahrungen als Schauspieler an New Yorker Theatern und in Werbespots, u.a. in der Produktion „Haven on Earth“ (1977) und der Broadway-Aufführung von „Fool for Love“ (1984). Seine erste Fernsehrolle erhielt er 1984 in der angesagten Krimiserie „Miami Vice“, ehe er neben Cybill Shepherd die Hauptrolle als Privatdetektiv in der Comedy-Krimi-Serie „Das Model und der Schnüffler“ erhielt, wofür er 1987 mit einem Emmy ausgezeichnet wurde.
Bruce Willis und Cybill Shepherd als "Das Model und der Schnüffler"
Die 1987 geschlossene Ehe mit Schauspiel-Kollegin Demi Moore brachte drei gemeinsame Kinder hervor, und neben seiner Schauspielerei tat sich Bruce Willis zwischen 1986 und 1992 immer wieder auch als Musiker hervor. Sein Album „The Return Of Bruno“ (1988) erhielt sogar eine Platin-Auszeichnung. Mit seinen ironischen Sprüchen und knallharter Einzelkämpfer-Action avancierte Bruce Willis 1988 in "Stirb langsam" neben Sylvester Stallone und Arnold Schwarzenegger zum Superstar. Gemeinsam gründeten die drei Action-Stars als Geschäftspartner die erfolgreiche Restaurant-Kette "Planet Hollywood".
Abgesehen von den „Stirb langsam“-Filmen verlief Willis‘ Karriere in den 90ern eher schleppend. Zwar konnte er in der Bestseller-Verfilmung „Fegefeuer der Eitelkeiten“ (1990) und in dem Gangsterdrama „Billy Bathgate“ (1991) überzeugen, doch sein Versuch, mit Rollen in Komödien wie „Der Tod steht ihr gut“ (1992) oder in dem Erotik-Thriller „Color of Night“ (1994) sein Action-Image loszuwerden, scheiterte kläglich. Das änderte sich erst, als Quentin Tarantino den durchaus wandlungsfähigen Schauspieler in seinem Meisterwerk „Pulp Fiction“ (1994) einsetzte. Danach brillierte Willis in Terry Gilliams „12 Monkeys“ (1996), Walter Hills Spätwestern „Last Man Standing“ (1996) und Luc Bessons „Das fünfte Element“ (1997), ehe er mit den Hauptrollen in den Mystery-Thrillern „The Sixth Sense“ (1999) und „Unbreakable“ (2000) gleich zweimal für M. Night Shyamalan vor der Kamera stand.
In den letzten Jahren war Bruce Willis kaum noch in bemerkenswerten Produktionen zu sehen. Hervorzuheben wären hier seine Cop-Rollen in Robert Rodriguez‘ „Sin City“ (2005) und in dem Science-Fiction-Thriller „Surrogates“ (2009), während er in „Cop Out“ und „R.E.D. – Älter, härter, besser“ seine komödiantischen Fähigkeiten einmal mehr unter Beweis stellen konnte.
In Wes Andersons "Moonrise Kingdom" überzeugt er in diesem Jahr als Sheriff auf einer verschlafenen Insel vor der Küste Nordenglands, wo er der ausgerissenen Tochter einer schräg-kaputten Familie nachspürt. Momentan für das nächste „Stirb langsam“-Abenteuer vor der Kamera und wird auch in den Fortsetzungen von „R.E.D“ und „The Expendables“ zu sehen sein. 2006 bekam Willis übrigens seinen Stern auf dem berühmten Hollywood Walk of Fame!

Filmographie: 
1980: Die erste Todsünde (The First Deadly Sin)
1980: Ein Guru kommt
1982: The Verdict – Die Wahrheit und nichts als die Wahrheit (The Verdict)
1984: Miami Vice (TV)
1985-1989: Das Model und der Schnüffler (Moonlighting, TV)
1985: Twilight Zone (TV)
1987: Blind Date – Verabredung mit einer Unbekannten (Blind Date)
1988: Sunset – Dämmerung in Hollywood (Sunset)
1988: Stirb langsam (Die Hard)
1989: Kuck mal, wer da spricht! (Look Who’s Talking)
1989: Zurück aus der Hölle (In Country)
1990: Fegefeuer der Eitelkeiten (The Bonfire of the Vanities)
1990: Stirb langsam 2 (Die Hard 2)
1990: Kuck mal, wer da spricht 2 (Look Who’s Talking Too)
1991: Tödliche Gedanken (Mortal Thoughts)
1991: Hudson Hawk – Der Meisterdieb (Hudson Hawk)
1991: Billy Bathgate
1991: Last Boy Scout – Das Ziel ist Überleben (The Last Boy Scout)
1992: Der Tod steht ihr gut (Death Becomes Her)
1992: The Player
1993: Loaded Weapon 1 1
1993: Tödliche Nähe (Striking Distance)
1994: Color of Night
1994: Nobody’s Fool – Auf Dauer unwiderstehlich (Nobody’s Fool)
1994: Pulp Fiction
1994: North – Eltern, nein danke! (North)
1995: 12 Monkeys (Twelve Monkeys)
1995: Four Rooms – Silvester in fremden Betten (Four Rooms)
1995: Stirb langsam: Jetzt erst recht (Die Hard: With a Vengeance)
1996: Last Man Standing
1996: Beavis und Butt-Head machen’s in Amerika (Beavis & Butt-Head do America)
1997: Das fünfte Element (The Fifth Element)
1997: Der Schakal (The Jackal)
1997: Verrückt nach dir (Mad About You, TV)
1998: Armageddon
1998: Das Mercury Puzzle (Mercury Rising)
1998: Ausnahmezustand (The Siege)
1999: Ally McBeal (TV)
1999: An deiner Seite (The Story of Us)
1999: Breakfast of Champions – Frühstück für Helden (Breakfast of Champions)
1999: The Sixth Sense
2000: Keine halben Sachen (The Whole Nine Yards)
2000: Friends (TV)
2000: The Kid – Image ist alles (The Kid)
2000: Unbreakable
2001: Banditen! (Bandits)
2002: Das Tribunal (Hart’s War)
2002: Grand Champion
2002: True West (TV)
2003: Tränen der Sonne (Tears of the Sun)
2003: 3 Engel für Charlie – Volle Power (Charlie’s Angels: Full Throttle)
2004: Keine halben Sachen 2 – Jetzt erst recht! (The Whole Ten Yards)
2004: Ocean’s Twelve (Cameo-Auftritt)
2005: Hostage – Entführt (Hostage)
2005: Sin City
2005: Die wilden Siebziger (That 70’s Show, TV)
2006: Ab durch die Hecke (Over the Hedge, Stimme)
2006: Lucky Number Slevin
2006: Alpha Dog – Tödliche Freundschaften (Alpha Dog)
2006: 16 Blocks
2006: Fast Food Nation
2007: Verführung einer Fremden (Perfect Stranger)
2007: Stirb langsam 4.0 (Live Free or Die Hard)
2007: Planet Terror (Grindhouse: Planet Terror)
2007: Astronaut Farmer
2007: Nancy Drew, Girl Detective (Nancy Drew)
2008: Inside Hollywood (What Just Happened)
2008: Lange Beine, kurze Lügen (Assassination of a High School President)
2009: Surrogates
2010: Cop Out – Geladen und entsichert
2010: The Expendables
2010: R.E.D. – Älter, Härter, Besser (Red)
2011: Set Up
2011: Catch.44 – Der ganz große Coup
2012: The Cold Light of Day
2012: Moonrise Kingdom
2012: Lady Vegas
Playlist: 
1 Richard Marvin - Cam's Apartment (Surrogates) - 04:07
2 Michael Kamen - Helicopter Explosion and Showdown (Die Hard) - 04:06
3 Michael Kamen - The Annexe Skywalk (Die Hard 2) - 03:13
4 Ludwig van Beethoven - Symphony No. 9, 4th Mvmt. (Die Hard with a Vengeance) - 09:49
5 Marco Beltrami - Shootout (Live Free or Die Hard) - 03:41
6 Eric Serra - Leeloo (The Fifth Element) - 04:56
7 Paul Buckmuster - Dreamers Awake (12 Monkeys) - 03:33
8 Michael Kamen - Apologies, Insults and Briefcases (Last Boy Scout) - 03:12
9 Rachel Portman - Scott's Macon, Georgia Story (Hart's War) - 03:52
10 Christopher Young - Passing Through A Horse Like Invisible Water (Bandits) - 04:31
11 Bruce Willis - Tenth Avenue Tango (The Whole Nine Yards) - 04:02
12 Mark Isham - Traffic Jam/Fording Toxic Waters (Breakfast of Champions) - 02:57
13 Urge Overkill - Girl, You'll Be A Woman Soon (Pulp Fiction) - 03:08
14 Chingon - Cherry's Dance Of Death (Planet Terror) - 03:26
15 Graeme Revell - The Hard Goodbye (Sin City) - 04:32
16 Graeme Revell - Hub's Theme (The Siege) - 02:38
17 Brad Fiedel - Main Title (Striking Distance) - 03:11
18 Carter Burwell - Arrival In Montreal (The Jackal) - 02:32
19 James Newton Howard - Malcolm Is Dead (The Sixth Sense) - 04:47
20 James Newton Howard - Mr. Glass/End Title (Unbreakable) - 07:39
21 Christophe Beck - Revenge Es Delicioso (R.E.D.) - 03:15
22 Harold Faltermeyer - Jealousy Part 1 (Cop Out) - 03:01
23 Antonio Pinto - Stranger Perfection (Perfect Stranger) - 02:58
24 Marcelo Zarvos - The Shooting Part 2 (What Just Happened?) - 03:10
25 Lucas Vidal - Spain (The Cold Light Of Day) - 03:39
26 Brian Tyler - The Gulf Of Aden (The Expendables) - 06:57
27 Hans Zimmer - Small Piece For Doumbek and Strings/Kopano Part I (Tears of the Sun) - 08:55

Freitag, 4. November 2011

Playlist # 71 vom 06.11.11 (1) - DAVID CRONENBERG Special

Der kanadische Filmemacher und Gelegenheitsschauspieler David Cronenberg wird als einer wichtigsten Mitbegründer des sogenannten „Body Horror“ angesehen, doch in den letzten Jahren hat er sich erfolgreich dem psychologischen Thriller gewidmet und liefert mit seinem aktuellen Film „Eine dunkle Begierde“ sogar ein lupenreines Biopic ab.
Der am 15. Mai 1943 in Toronto als Sohn einer Musikerin und eines Autors (u.a. von Comic-Büchern im Zweiten Weltkrieg) geborene Cronenberg studierte an der University of Toronto zunächst Biochemie und Biologie, machte seinen Abschluss 1967 allerdings in Literatur. Schon während seiner Schulzeit begann Cronenberg, Kurzfilme zu drehen, Ende der 60er Jahre folgten knapp einstündige experimentelle Filme, die sich mit wissenschaftlichen Experimenten rund um paranormale Phänomene auseinandersetzten.

„Erst mit 22 oder 23 Jahren wurde mir bewusst, dass ich einen Film machen könnte. Aber ich glaubte, keinen Zugang zu den nötigen Hilfsmitteln zu haben, bis ich einen Film sah, der von Studenten meiner Schule gemacht worden war: ‚Winter Kept Us Warm‘ – Der Titel ist ein Zitat aus T.S. Eliots ‚The Waste Land‘. Eine Menge Leute waren in dem Film, mit denen ich befreundet war. Ich kann den Schock und die Erheiterung, einen Film von Leuten zu sehen, die ich kannte, nicht in Worte fassen. Ich war echt aufgeregt. Für mich war das eine unglaubliche Offenbarung“, wird Cronenberg in Rolf Giesens „Lexikon des phantastischen Films – Band 1“ (Ullstein, 1984, S. 148) zitiert.
Cronenberg beobachtete Kameraleute bei der Arbeit und drehte 1966 mit „Transfer“ einen surrealistischen Sieben-Minuten-Film in 16 mm über Leute, die in Schneefeldern hocken und an gedeckten Tischen sitzen, als ob sie drinnen wären. Sein nächster Kurzfilm „From The Drain“ (1967) handelte von zwei Männern, die sich in der Badewanne unterhalten. Bereits Cronenbergs erste Werke „Stereo“ (1969) und „Crimes Of The Future“ (1970) wirkten ohne Musik und Dialoge jenseits des Mainstreams. Ab 1971 übernahm er dann Pausenfüller für das kanadische Fernsehen, Aufträge für TV-Serien und ab 1989 auch für Werbespots.
Mit seinen ersten Filmen „Shivers – Der Parasiten-Mörder“ (1975), „Rabid – Der brüllende Tod“ (1977) und „Die Brut“ (1979) thematisierte Cronenberg in einem oft wissenschaftlichen Ambiente das Umkippen von Machtverhältnissen, den unkontrollierbaren Fremdkörper, der sich in einen Organismus einnistet, und die explizit dargestellte Gewalt, die Körper nicht nur deformiert, sondern oft genug auch zerstört.
In Cronenbergs ersten kommerziellen Spielfilm „Shivers“ pflanzt ein Wissenschaftler seiner Geliebten mit den Antibiotika einen Parasiten ein, der die im Körper versagenden Organe und Funktionen ersetzen soll. Leider mutiert die Frau dabei zu einem Sex-Monster, das die Bewohner eines futuristischen Hochhauses mit dem phallischen Parasiten infiziert. Eine ganz ähnliche Thematik präsentierte Cronenberg mit seinem nächsten Werk „Rabid“, wo ein Chirurg bei einer durch einen Unfall verletzten Frau eine verbotene Gewebe-Transplantation vornimmt. Nach ihrer „Genesung“ entwickelt die Frau allerdings vampirische Impulse, die sie mit rasender Geschwindigkeit in ihrer Umwelt verbreitet.
In „Scanners – Ihre Gedanken können töten“ (1981) kann ein junger Mann namens Cameron Vale dank des Beruhigungsmittels Ephemerol, das seine Mutter während der Schwangerschaft eingenommen hat, nicht nur die Gedanken anderer Menschen lesen, sondern auch in deren Nervensystem einzugreifen. Von dem Ephemerol-Erfinder wird Cameron gebeten, andere sogenannte „Scanners“ zu finden, die ihre Fähigkeiten zu bösen Zwecken einsetzen und damit auch mal Köpfe zerplatzen lassen.
In „Die Brut“ (1979) rächt sich eine von ihrem Mann verlassene Hausfrau mit einem neuen Geburtsorgan, das kleine Monster gebiert, die alle umbringen, die ihre Mutter zur Weißglut treiben.
„Wie immer bei Cronenberg macht der Eingriff des fremden Gedankens den Menschen nicht einfach zur seelenlosen Marionette; Körper und Seele sind so leicht nicht zu trennen. Der fremde Gedanke muss ganz buchstäblich ins Fleisch dringen, und das führt nicht nur zu einigen heftigen Effekten, sondern auch zu einer filmischen Darstellung von Anstrengung, Erschöpfung und Einsamkeit, die die Überwindung des alten kostet“, konstatieren Georg Seeßlen und Fernand Jung in „Science Fiction. Grundlagen des populären Films – Band 2“ (Schüren, 2003, S. 502). „Dieses Spannungsfeld von nüchterner Wissenschaft und übersinnlicher, oft durch Drogen beförderten Erfahrungen kennzeichnet auch seine späteren Filme. Je mehr sich Technik, Wissenschaft und Moderne ausbreiten, desto mehr sich die Architektur und die Technologie auf optisch klare Strukturen zu reduzieren scheinen, desto mehr wuchert in den visionären Bildern von David Cronenberg das Organische, Fleischliche, Unberechenbare. Die Figur des mad scientist, des verrückten Wissenschaftlers, den wir aus Hunderten von amerikanischen Science Fiction- und Horrorfilmen kennen, bekommt bei Cronenberg eine neue tiefere Bedeutung. Es ist der Mensch, der die Möglichkeiten der neuen Technologie ausnutzt, um sehr alte Impulse, den Zugriff auf den menschlichen Körper und seine Seele, zu verknüpfen“, stellen die beiden Autoren schließlich in „Horror. Grundlagen des populären Films“ (Schüren, 2006, S. 341) fest.
Mit „Die Brut“ begann auch die bis heute andauernde, sehr fruchtbare Zusammenarbeit zwischen Cronenberg und dem Komponisten Howard Shore, der in der kanadischen Rock-Jazz-Band Lighthouse Flöte und Saxophon spielte, Songs komponierte und sogar sang, bevor er zwischen 1975 und 1980 als musikalischer Leiter der NBC Comedy-Serie „Saturday Night Life“ tätig wurde. Als er ungefähr 1978 damit begann, sich wieder mit dem Komponieren zu beschäftigen und nach geeigneten Filmen umzuschauen, traf er auf David Cronenberg, für dessen frühere Filme Ivan Reitman („Ghostbusters“) bereits produzierte Musik zusammengestellt hatte. Für „Die Brut“ komponierte Shore einen Score für 21 Streicher, und diese Instrumentengruppe sollte prägend für die weitere Zusammenarbeit zwischen Cronenberg und Shore werden.
1982 folgte die kompromisslose Mediensatire „Videodrome“ (1982). Der Fernsehproduzent Max Renn (James Woods) unterhält sein Publikum mit Gewaltsendungen und Sexfilmen. Als er an Aufnahmen einer Show gerät, in der Frauen gefoltert werden, leidet Renn unter Halluzinationen und verwandelt sich schließlich selbst in ein Abspielgerät.
Seinen kommerziellen Durchbruch erzielte Cronenberg 1983 mit der Verfilmung von Stephen Kings Bestseller „The Dead Zone“. Hier fällt der Englischlehrer Johnny Smith (Christopher Walken) nach einem Autounfall ins Koma, aus dem er nach fünf Jahren wieder erwacht. Während er seine Frau mittlerweile an einen anderen verloren hat, gewann er doch die Fähigkeit des Hellsehens hinzu. Doch diese Gabe erweist sich schnell als Fluch. Er braucht nur die Hand eines Menschen zu berühren und kann in dessen Vergangenheit oder Zukunft blicken. Zwar vermag er auch Morde aufzuklären und Menschen vor Unheil zu bewahren, doch leiden seine physischen wie psychischen Kräfte darunter. Als er den Provinzpolitiker Greg Stillson (Martin Sheen) kennenlernt, erkennt Smith, dass Stillson als Präsident der Vereinigten Staaten den „Dritten Weltkrieg“ auslösen wird.
Musikalisch stand Howard Shore allerdings bei diesem Projekt außen vor – das Studio wollte ihn nicht. Dafür kam mit Michael Kamen jemand an Bord, der sich vor allem als Arrangeur für Supergruppen wie Pink Floyd, Queen und Aerosmith einen Namen machte, bevor er auch als Filmkomponist große Erfolge feiern durfte („Stirb langsam 1-3“, „Lethal Weapon 1-4“, „James Bond – Lizenz zum Töten“). Nach dem Treffen mit Produzentin Debra Hill, Regisseur David Cronenberg und dem legendären Dino De Laurentiis machte sich Kamen gleich an die Arbeit. „Ich flog zurück nach London, wo ich den kompletten Score in zehn Tagen schrieb, die ganze Nacht bei weit geöffnetem Fenster auf das Klavier einhämmerte. Sehr früh am Morgen klingelte eine zerstreut aussehende Nachbarin im Nachthemd an meiner Tür. Sie zitterte, als sie sagte: ‚Bitte, bitte hören Sie auf, Klavier zu spielen. Sie ängstigen mich und meine Familie zu Tode, wir haben Albträume gehabt, wir konnten nicht schlafen… Bitte hören Sie auf!‘ Da wusste ich, dass ich etwas richtig gemacht haben musste“, erinnert sich der 2003 plötzlich an einem Herzinfarkt verstorbene Komponist im Booklet zu „The Dead Zone“.
Mit „Die Fliege“, einem Remake des Horrorklassikers von Kurt Neumann aus dem Jahre 1958 mit Vincent Price in der Hauptrolle, drehte Cronenberg 1986 seinen letzten Horrorfilm, nachdem der Filmemacher von seinen Fans schon als „Baron of Blood“ oder „Dave Deprave“ („der verderbte Dave“) tituliert worden ist. Cronenbergs Version handelt von dem eigenbrödlerischen Wissenschaftler Seth Brundle (Jeff Goldblum), der sich von seiner neuen Freundin, der Journalistin Veronica (Geena Davis) seine Arbeit mit der von ihm entwickelten Telebox dokumentieren lässt. Zunächst nur dazu gedacht, Gegenstände von einer Box in die andere zu teleportieren, wagt Brundle den Selbstversuch.
Doch bei dem Experiment schlüpft auch eine Fliege in den Teleporter und sorgt so für einen nicht erwünschten Gen-Mix. Brundle weist nach dem Versuch zunehmend die körperlichen Merkmale einer Fliege auf und mutiert zu einem Monster.
1988 folgte mit „Die Unzertrennlichen“ ein Psychothriller, in der die beiden eineiigen Zwillinge Elliot und Beverly Mantle (Jeremy Irons in einer Doppelrolle) nicht nur ihren Erfolg als Gynäkologen, sondern auch ihre Frauenbekanntschaften teilen. Als sie ein Verhältnis mit der Schauspielerin Claire (Geneviève Bujold) beginnen, verliebt sich der sensible Beverly in sie, verfällt den Drogen und vernachlässigt die gemeinsame Praxis. Elliot will es ihm gleich tun, doch im Drogenrausch führt die Beziehung zwischen den Zwillingen zu einer bizarren Operation.
„Des Regisseurs Fatalismus von der Unausweichlichkeit des Todes, der er zumeist mit mutierten Körpergeschwüren Ausdruck gibt, wird in 'Dead Ringers' nicht etwa vom Body- zum inneren Horror transferiert, sondern trotz des Verzichts auf graphische Deformationen fortgesetzt. Tatsächlich bilden die Mantle-Brüder als mutiertes Genprodukt das bis dato komplexeste Geschwür, sie erscheinen als dessen äußerlich perfekte fleischliche Materialisierung. Der Wille des Geistes über den Körper ist längst nicht gebändigt, sondern fast eliminiert: Jetzt, da sich Biologie als Schicksal behauptet und den Geist als endgültig untrennbar vom Fleisch versteht, müssen 'The Brood' und 'Scanners' gestrig erscheinen. In 'Dead Ringers' finden Gedankenspiele von Seele und Geist über Körper und Fleisch nicht mehr statt: Die Biologie steuert den Menschen. Und befällt ihn mit Krankheiten oder führt zu seinem unaufhaltsamen Ende“, befindet Rajko Burchardt in einer auf filmzentrale.com veröffentlichten Rezension. 
Dieser Film beruht ebenso auf einer wahren Begebenheit wie „M. Butterfly“ (1993), Cronenbergs überraschend sanft inszenierte Adaption des gleichnamigen Bühnenstücks von David Henry Hwang. Als der französische Diplomat Rene Gallimard (Jeremy Irons) 1964 in China bei einer Aufführung von „Madame Butterfly“ der bezaubernden Sängerin Song Li verfällt, setzt er seine gesamte Existenz aufs Spiel, ahnt aber nicht, dass seine Angebetete eigentlich ein Mann ist und für die chinesischen Kommunisten spioniert.
„Das Unglück von Cronenbergs Film besteht darin, dass er alles, was ihn inspiriert hat, mitschleppen muss: den authentischen Fall, das Broadway Melodram, die Oper von Puccini, den Sensationsprozess und die Kulturrevolution. So verzettelt er sich, statt sich auf den Wahnsinn seiner Figuren einzulassen, in Kostümen, Zitaten und Dekors“, kritisiert Andreas Kilb in der Zeit. „Seit zwanzig Jahren dreht Cronenberg Filme, die von der Zerstörung und Verwandlung der Körper handeln, vom Irrsinn der Seelen, vom Aufstand der Gedanken gegen das Fleisch. Die Geschichte von Song Liling und Rene Gallimard schien für seine wilden Phantasien wie geschaffen. Vielleicht ist er gerade deshalb an ihr gescheitert: Statt sie aus ihrer exotischen Maskerade zu befreien, hat er sie bloß getreulich nachgestellt. So ging es ihm wie Bernard Boursicot, der auch nur sah, was er sehen wollte. Aber es war eine Illusion.“
Zuvor adaptierte Cronenberg 1991 William S. Burroughs Kultroman „Naked Lunch“, in der der Autor seine eigenen Drogenerfahrungen und sexuellen Phantasien verarbeitete. „Naked Lunch“ beschreibt die wahnwitzige Geschichte des erfolglosen Autors Bill Lee (Peter Weller), der sich als Kammerjäger durchschlägt und sich zusammen mit seiner Frau Joan Insektengift spritzt, um davon high zu werden. Doch bei ihrem traditionellen Wilhelm-Tell-Spiel erschießt Bill seine Frau und flüchtet sich an einen fiktiven Ort namens Interzone, wo eine riesige Kakerlake Bill zwingt, seine Erlebnisse niederzuschreiben. „‘Naked Lunch‘ zeigt Cronenberg in Reinform. Er entfesselt einen halluzinatorischen Mahlstrom, der jede Realität und sämtliche Bewußtseinzustände aufsaugt -ein Film als Horrortrip“, befindet Karl-Eugen Hagmann in seiner film-dienst-Rezension (zitiert auf Arthaus.de). „‘Naked Lunch‘ lässt sich durchaus als bitterböser Kommentar auf eine fehlgeleitete Welt deuten, die sich auf dem Regress zur Ursuppe befindet. Doch der Suche nach tieferen Bedeutungsebenen stehen Cronenbergs auf den direkten Effekt hin kalkulierte Ekelbilder im Wege. Primäres Ziel Cronenbergs ist die Verunsicherung des Publikums, das Aufbrechen von festen Strukturen jeder Art. Doch seine filmischen Mittel provozieren in erster Linie Abwehrmechanismen.“
Eine weitere Literaturverfilmung folgte 1996 mit “Crash”. J.G. Ballard thematisierte in seinem 1973 veröffentlichten Roman die Deformation der Psyche, die einer durch Deformation des Körpers folgt. Als der Werbefilmer J.G. Ballard (James Spader) durch einen Autounfall Dr. Helen Remington (Holly Hunter) kennenlernt, gerät er in den Sog von Vaughan (Elias Koteas), der tödliche Unfälle berühmter Filmstars nachstellt und seine Freundin (Rosanna Arquette) längst zu einem vernarbten Kunst-Werk verunstaltet hat, das nur noch durch Chrom und Leder zusammengehalten wird. „Der aufgrund seiner verstörenden Radikalität bis heute recht unpopuläre Cronenberg-Film nähert sich dem Thema Fetisch und Psychopathologie einerseits auf kompromisslos direkte Weise, in seiner detaillierten, einfühlsamen Figurenzeichnung bleibt der Film dennoch subtil und hintergründig. Das zentrale Motiv in Cronenbergs Schaffen der 80er- und 90er-Jahre, die Kollision von Technik und (menschlicher) Körperlichkeit, findet in 'Crash' die wohl ungewöhnlichste und erfrischendste Umsetzung im Schaffen des kanadischen Regisseurs“, fasst Sebastian Schwittay auf negativ-film.de zusammen.
Mit seinem 1999 veröffentlichten Film „eXistenZ“ präsentierte Cronenberg fast einen Nachfolger zu „Videodrome“, wo es auch schon um die durch die Medien geschaffene Irrealität ging. Diesmal geht es um die künstliche Realität, die in Spielen kreiert wird. Jennifer Jason Leigh mimt die Spiele-Erfinderin Allegra Geller, die im Namen ihres Auftraggebers zwölf ihrer Bewunderer in einer Kirche um sich versammelt, um ihr neues Spiel „eXistenZ“ auszuprobieren. Allerdings wird „eXiszenZ“ nicht über herkömmliche Konsolen gespielt, sondern der Spieler agiert selbst in einer sehr real wirkenden Welt, indem er durch eine organische Schnur und einem Bioport im Rückenmark mit dem Spielszenario verbunden wird. Doch Allegras Kritiker, die eine Versklavung der Spieler befürchten, setzen alles daran, die Ikone der Spiele-Branche zu töten.
„Bei weitem nicht so düster wie ‚Die Unzertrennlichen‘, so fatal wie ‚Videodrome‘ (James Woods als lebender Videorecorder), so psychedelisch umwabert wie ‚Naked Luch‘ (Peter Weller als Verlängerung seiner Schreibmaschine) oder so todessehnsüchtig und sexuell stimulierend wie ‚Crash‘ (die kühnste Fleisch-Metall-Legierung), wirkt ‚eXistenZ‘ über weite Strecken erfrischend komisch (Willem Dafoe, der Jude Law mit einem MG-Schlagbolzen stöpselt, bevor Leigh in ihrerseits penetrieren kann). Und trotz der letztendlich unauflösbaren Labyrinthik der Spielebenen bleibt der Film stets überschaubar, weil das Spiel selbst die Realität nachstellt. Die Hatz auf Leigh als Künstler ist aktuelles Beiprodukt (die Rushdie-‚Fatwa‘), die Musik zitiert Morricones Mundharmonika-Dissonanzen aus ‚Spiel mir das Lied vom Tod‘, der Dialog ist gelöst, was diesen Cronenberg mitsamt all den anderen Qualitäten zu seinem möglicherweise größten Publikumserfolg führen könnte“, meint kino.de

Mit „Spider“ begab sich Cronenberg 2002 erneut in die abgründigen Labyrinthe der menschlichen Psyche. Der Film schildert die Rückkehr eines Mannes (Ralph Fiennes) in die Gesellschaft, nachdem er aus der psychiatrischen Anstalt entlassen worden ist. Er bezieht ein trostloses Kämmerchen in der Pension der resoluten Mrs. Wilkinson (Lynn Redgrave) und rekapituliert auf seinen einsamen Spaziergängen durch das verlassene Industriegebiet des Londoner East End seine Kindheit. Dabei erinnert er auch die Umstände, die zum Tod seiner Mutter (Miranda Richardson) führten.
„Der Film bietet eine Vielzahl existenzphilosophischer Betrachtungen, eine ödipal anmutende Grundproblematik und eine ganze Reihe von brillanten Metaphern (eine zerbrochene Fensterscheibe als spinnennetzförmiges Puzzle fasst beinahe den ganzen Film in nur einem Bild zusammen), die ‚Spider‘ vom reinen Unterhaltungskino weit entfernen. Statt dessen ist Cronenberg ein zur Reflektion einladendes Gesamtwerk mit Sogwirkung gelungen, das in der vermittelten Grundatmosphäre filmisch zwischen den trügerischen Welten eines David Lynch und dem paranoiden Wahn von Roman Polanskis ‚Der Mieter‘ (1976) oszilliert“, fasst Benjamin Hachmann auf filmszene.de zusammen.
Recht konventionell inszenierte Cronenberg seinen nächsten Film „A History Of Violence“ (2005), eine Gewaltorgie mit fast tarantinoscher Spaßnote. Tom Stall (Viggo Mortensen) lebt zusammen mit seiner Frau Edie (Maria Bello) und ihren beiden Kindern still und zurückgezogen in einer kleinen Stadt im Mittleren Westen. Er gerät jedoch überraschend ins Rampenlicht der Öffentlichkeit, als er in einem Restaurant zwei Verbrecher ausschaltet und zum Helden erkoren wird. Das bekommen auch zwei Mafiosi mit, die Tom einen Besuch abstatten und eine offene Rechnung von früher begleichen wollen.
"Was Cronenbergs Film zu einem kleinen Meisterwerk erhebt, von einem bis in die Nebenrollen vorzüglich besetzten Ensemble einmal abgesehen, ist die Perfektion seiner Herstellung. Man kennt Cronenberg als den finsteren Fantasten von Mensch-Maschine-Verschmelzungen, seltsamen Obsessionen und klaffenden Körperöffnungen. Doch nun legt er in diesem scheinbaren Action-Picture eine so atemberaubende handwerkliche Präzision an den Tag, als hätte zeitlebens nichts anderes als kurze, schmutzige Genre-Filme hergestellt. Mit analytischer Kühle dekonstruiert er die Mittel, die das Gewaltkino entwickelt hat, um seinen Zuschauern Schauer kathartischer Befriedigung über den Rücken zu jagen“, urteilt Sebastian Handke in „Der Tagesspiegel“ vom 13.10.2005.
In „Tödliche Versprechen“ (2007) hat Cronenberg das Mafioso-Setting nach London verlegt, wo die Hebamme Anna (Naomi Watts) nach dem Tod einer Mutter bei der Geburt deren Identität feststellen möchte, als Hinweise aber nur ein russisches Tagebuch und ein Streichholzbriefchen mit der Adresse eines russischen Restaurants hat. Sie lernt den attraktiven Nikolai (Viggo Mortensen) kennen, der für den russischen Patriarchen und Besitzer des besagten Restaurants, Semyon (Armin Mueller-Stahl), arbeitet. Semyon bietet Anna zwar seine Hilfe ein, doch als sie erfährt, dass das Tagebuch die kriminellen Machenschaften Semyons und seines aufbrausenden Sohnes Kirill (Vincent Cassel) aufdeckt, schwebt sie in höchster Lebensgefahr.
"Der alpha-maskuline, undurchschaubare Viggo Mortensen und die elfenhafte Naomi Watts sind ein so unwahrscheinliches Paar, dass wohl nur ein Schreckensmeister wie Cronenberg darauf verfallen konnte. Die Idee der Familie ist das Zentrum von ‚Tödliche Versprechen‘, sie wird hinreißend variantenreich und intelligent präsentiert: als biologischer Bund, als ethnische Gruppe im Exil, als kriminelle Gemeinschaft, als ödipales Verhängnis oder auch als Wahlverwandtschaft; und immer hat so eine Familie ja auch Ärger mit ihren Außenseitern“, lautet das Fazit von Anke Westphal in der „Berliner Zeitung“ vom 27.12.07.
Mit seinem neuen Film „Eine dunkle Begierde“ setzt sich der kanadische Ausnahmeregisseur mit den Anfängen der Psychoanalyse auseinander und präsentiert seinen sicher konventionellsten Film. Im Mittelpunkt des klassischen Biopics stehen aber weniger die berühmten Vordenker Carl Jung und Sigmund Freud, sondern die unter hysterischen Anfällen leidende Patientin Sabrina Spielrein (Keira Knightley), die 1904 in Zürich in die Privatklinik von Professor Bleuler (André Hennicke) eingeliefert wird, wo Dr. Carl Jung (Michael Fassbender) damit beginnt, die intelligente junge Frau nach den Methoden seines Wiener Kollegen Professor Sigmund Freud (Viggo Mortensen) zu therapieren, nämlich in Gesprächen.
Innerhalb von zwei Jahren macht Jung mit seiner attraktiven Patientin nicht nur erhebliche Fortschritte, sondern hat die Psychologie-Studentin auch zu seiner Assistentin gemacht, der er auch sonst sehr zugeneigt ist. Bevor die Affäre jedoch an die Öffentlichkeit gelangt, beendet Jung sie, worauf sich Sabina bei Freud um eine Anstellung bewirbt …
Cronenbergs Sicht der Geschichte trübt kein Staubkorn, er dringt zu einer Art Essenz des Genres vor, arbeitet mit präzisen, verknappten Szenen, in denen das Verhältnis zwischen Forschung und Existenz, Arzt und Patient sowie Lehrer und Schüler in Bewegung gerät. Was man hier in großer Komplexität - und ohne Verzicht auf Dramatik - zu sehen bekommt, ist das faszinierende Bild einer Gruppe, die energisch neues Terrain beschritten hat, aber nicht alle Freiheiten des Geistes gleichermaßen zu leben verstand“, meint Dominik Kamalzadeh in derStandard.at
Seit 1979 arbeitet David Cronenberg fast ausschließlich mit dem Komponisten Howard Shore zusammen, einzig bei der Stephen-King-Verfilmung „The Dead Zone“ griff er auf Michael Kamen zurück. Der seit seiner Jugendzeit mit dem Filmemacher befreundete Shore hat die Zusammenarbeit mit Cronenberg einmal so beschrieben: „Wir haben viele Gemeinsamkeiten, was die Art und Weise betrifft, Filme zu machen. Wir wuchsen daran, gemeinsam Filme zu machen. Er ist brillant. Er war anderen immer Jahre voraus. Es ist eine große Herausforderung, mit David Cronenberg zu wachsen. Für mich als Komponist ist diese Beziehung eine großartige Sache. Es ist für mich immer wieder eine große Herausforderung, Stücke zu schreiben, die sich so dramatisch von den vorherigen unterscheiden.“
Der Soundtrack zur aktuellen Cronenberg/Shore-Kollaboration enthält nicht nur den sehr einfühlsamen Score von Howard Shore, sondern auch einen ausgiebigen Ausschnitt aus Richard Wagners „Siegfried Idyll“ mit dem kunstfertigen Piano-Spiel von Lang Lang.

Filmographie:
1966: Transfer (Kurzfilm)
1967: From the Drain (Kurzfilm)
1969: Stereo
1970: Crimes of the Future
1975: Parasiten-Mörder (Shivers)
1977: Rabid – Der brüllende Tod (Rabid)
1979: 10.000 PS – Vollgasrausch im Grenzbereich (Fast Company)
1979: Die Brut (The Brood)
1981: Scanners – Ihre Gedanken können töten (Scanners)
1983: Videodrome
1983: The Dead Zone
1986: Die Fliege (The Fly)
1988: Die Unzertrennlichen (Dead Ringers)
1991: Naked Lunch – Nackter Rausch (Naked Lunch)
1993: M. Butterfly
1996: Crash
1999: eXistenZ
2000: Camera (Kurzfilm)
2002: Spider
2005: A History of Violence
2007: At the Suicide of the Last Jew in the World in the Last Cinema in the World (Kurzfilm)
2007: Tödliche Versprechen – Eastern Promises (Eastern Promises)
2011: Eine dunkle Begierde (A Dangerous Method)

Playlist:
1 Howard Shore - Reflection (A Dangerous Method) - 05:56
2 Howard Shore - The Shape Of Rage (The Brood) - 03:00
3 Howard Shore - Pins And Needles (Videodrome) - 03:04
4 Howard Shore - Vale Captured (Scanners) - 04:07
5 Michael Kamen - Opening Titles (The Dead Zone) - 04:20
6 Howard Shore - Birthday Party (Dead Ringers) - 04:20
7 Howard Shore - The Last Visit (The Fly) - 02:22
8 Howard Shore - Fadela's Coven (Naked Lunch) - 03:31
9 Howard Shore - Concubine (M. Butterfly) - 04:10
10 Howard Shore - Mirror Image (Crash) - 03:24
11 Howard Shore - Gasworks (Spider) - 04:21
12 Howard Shore - The Road (A History Of Violence) - 03:08
13 Howard Shore - Tatiana (Eastern Promises) - 05:10

Sonntag, 24. Oktober 2010

Playlist # 44 vom 24.10.10 - ILAN ESHKERI Special

Der britische Komponist Ilan Eshkeri zählt zu der jüngeren Generation interessanter Filmkomponisten. Nach seinem Studium der Musik und englischer Literatur an der Universität von Leeds lernte er das Handwerk der Filmmusik durch die enge Zusammenarbeit mit seinen englischen Kollegen Michael Kamen, Edward Shearmur und Steve McLaughlin. Erstmals aufmerksam machte Eshkeri auf sich im Jahre 2004 mit dem Soundtrack zu Matthew Vaughns „Layer Cake“, den er zusammen mit Lisa Gerrard komponierte und der ihm eine Nominierung als „Entdeckung des Jahres“ bei den World Soundtrack Awards einbrachte.

Nach dem Fernsehfilm „Die Nibelungen“, dem Hannibal-Lecter-Prequel „Hannibal Rising“ und dem Thriller „Straightheads“ gelang Ilan Eshkeri mit dem märchenhaften Score zur prominent mit Michelle Pfeiffer und Robert De Niro besetzten Neil-Gaiman-Verfilmung „Der Sternwanderer“ im Jahre 2007 der Durchbruch.
Zuletzt schrieb er die monumentale Musik zum historischen Kriegsepos „Centurion“ und der Action-Komödie „Kick-Ass“ (zusammen mit John Murphy, Henry Jackman und Marius Vries).
Filmographie:
2004: Back To Gaya (additional music)
2004: Layer Cake
2004: Der Ring der Nibelungen (Ring of the Nibelungs)
2007: Hannibal Rising – Wie alles begann
2007: Straightheads
2007: Strength and Honour
2007: Virgin Territory
2007: Der Sternwanderer (Stardust)
2008: The Disappeared
2008: Telstar: The Joe Meek Story
2009: Ninja Assassin
2009: Young Victoria
2009: Micro Men (TV)
2009: From Time To Time
2010: Centurion
2010: Kick-Ass
2010: The Kid
2010: Strike Back (TV-Serie)
2010: Blitz
2010: Coriolanus
2010: Psychosis
2011: Retreat

Playlist:
1 Ilan Eshkeri - Healing (Ninja Assassin) - 05:17
2 Ilan Eshkeri & Steve McLaughlin - Opening (Layer Cake) - 05:11
3 Ilan Eshkeri - I Miss You Both (Kick-Ass) - 01:40
4 Ilan Eshkeri - Tree Chase (Virgin Territory) - 03:44
5 Ilan Eshkeri - In The Ring (Strength And Honour) - 04:06
6 Ilan Eshkeri - End Titles (Hannibal Rising) - 07:32
7 Ilan Eshkeri - Necromancer (Centurion) - 02:58
8 Ilan Eshkeri - The King's Birthday (The Young Victoria) - 06:05
9 Ilan Eshkeri - Schicksal (Die Nibelungen) - 04:30
10 Ilan Eshkeri - Assassin (The Young Victoria) - 04:04
11 Ilan Eshkeri - Prologue (Stardust) - 03:46
12 Ilan Eshkeri - Suite (Back To Gaya) - 06:00

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