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Samstag, 16. Februar 2013

Playlist # 105 vom 24.02.2013 (2) - RUSSELL CROWE Special

Lange Zeit war für den neuseeländischen Schauspieler, Musiker und Produzent Russell Crowe die Musik ebenso wichtig wie die Schauspielerei. Doch seit sich der Charakterdarsteller in Filmen wie „L.A. Confidential“, „Insider“ und „Gladiator“ einen Namen gemacht hat, bleibt für die Musik kaum noch Zeit. Nun ist Crowe in der Neuverfilmung des Klassikers „Les Misérables“ unter der Regie von Tom Hooper („The King’s Speech“) im Kino zu sehen.

Als jüngerer von zwei Brüdern in Neuseeland geboren, wanderte Russell Crowe im Alter von vier Jahren mit seiner Familie nach Australien aus, wo die Familie einen Catering Service betrieb, der Filmgesellschaften belieferte. So kam der junge Russell schon früh in den Kontakt mit der Filmbranche. Nach einer ersten kleinen Filmrolle in der Fernsehshow „Spyforce“ unter der Regie seines Patenonkels gründete Crowe als 16-Jähriger die Band Roman Antix, in der er als Sänger fungierte, danach setzte er seine Gesangskarriere in der Band 30 Odd Foot Of Grunts fort, die er 2005 in The Ordinary Fear Of God umbenannte.
Nach Jobs als Kellner, Bingo-Caller und Straßenmusiker zog er nach Sydney und tourte als 21-Jähriger in den Musicals „Grease“ und „The Rocky Horror Picture Show“ durch Australien und Neuseeland. Crowe spielte Anfang der 90er in australischen Fernsehserien wie „Police Rescue“, „Nachbarn“ und „Living with the Law“ mit, hatte aber schon 1989 seinen ersten Kinofilmauftritt in dem Antikriegsdrama „Blutiger Schwur“. 1991 erhielt er für seine Rolle in „Proof“ den AFI Award als bester Nebendarsteller. Den AFI Award als bester Hauptdarsteller bekam er ein Jahr später für seine Rolle als Skinhead in „Romper Stomper“. 1994 gelang Crowe mit dem Familiendrama „The Sum of Us“ der Durchbruch in Australien und der Sprung nach Hollywood, als Sharon Stone sich persönlich dafür einsetzte, dass er in Sam Raimis Neo-Western „Schneller als der Tod“ (1995) die Rolle eines Gefangenen bekam, der zur Belustigung der Herrschenden zu einer Serie von Revolverduellen gezwungen wird.
Nach einer Rolle in dem Science-Fiction-Thriller „Virtuosity“ (1995) errang Crowe weltweite Aufmerksamkeit durch seinen Auftritt als schweigsamer Cop in Curtis Hansons Gangster-Epos „L.A. Confidential“ (1997). Für die Klasse seiner Darstellerleistungen spricht schon die Tatsache, dass Russell Crowe von 1999 bis 2001 jeweils als bester Hauptdarsteller für einen Oscar nominiert worden ist.
Den Anfang machte Michael Manns Thriller-Drama „Insider“, dann folgte Ridley Scotts Historien-Epos „Gladiator“ und schließlich Ron Howards „A Beautiful Mind“ – doch nur für die Rolle des römischen Generals Maximus Decimus Meridius in Scotts epochalem Meisterwerk "Gladiator" konnte Crowe die Trophäe auch in Empfang nehmen. Zwar war auch „Proof of Life“ (2000) etwas actionlastiger ausgefallen, doch Crowe legte immer viel Wert auf seine Wandlungsfähigkeit und verkörperte in Peter Weirs zweifach Oscar-gekrönten Seefahrer-Abenteuer „Master & Commander – Bis ans Ende der Welt“ den britischen Marine-Helden Captain Jack Aubrey, bevor er für Ron Howards Boxer-Drama „Das Comeback“ (2005) in den Ring stieg.
Die nächsten Jahre waren durch die wiederholte Zusammenarbeit mit Ridley Scott geprägt. Nach der leichten Sommerkomödie „Ein gutes Jahr“ (2006) wirkten die beiden auch in dem Gangster-Epos „American Gangster“ (2007) und dem Agenten-Drama „Der Mann, der niemals lebte“ (2008) zusammen, dazwischen spielte Crowe in James Mangolds Neo-Western „Todeszug nach Yuma“ (2007). Für Ridley Scott stand Crowe wieder 2009 vor der Kamera, diesmal für die Neuverfilmung von „Robin Hood“. Weitere Engagements folgten mit dem Polit-Drama „State of Play“ (2009), dem Suspense-Thriller „72 Stunden – The Next Three Days“ (2009) und RZAs Martial-Arts-Spektakel „The Man with the Iron Fists“ (2012).
Mit seiner Rolle in Tom Hoopers “Les Misérables“ kehrt Crowe nun erstmals seit Ende der 80er Jahre auf die Musical-Bühne zurück. Im April startet dann Allen Hughes‘ („The Book Of Eli“) Neo-Noir-Drama „Broken City“.

Filmographie: 
1987: Nachbarn (Neighbours) (Fernsehserie)
1988: Living with the Law (Fernsehserie)
1990: Blutiger Schwur (Blood Oath, auch: Prisoners of the Sun) Regie: Stephen Wallace
1990: The Crossing. Regie: George Ogilvie
1991: Proof – Blindes Vertrauen (Proof). Regie: Jocelyn Moorhouse
1991: Brides Of Christ (Mini-Fernsehserie)
1992: Police Rescue – Gefährlicher Einsatz (Police Rescue) (Fernsehserie, 1 Folge)
1992: Ein Manager mit Herz (The Efficiency Expert, auch: Spotswood) Regie: Mark Joffe
1992: Romper Stomper. Regie: Geoffrey Wright
1993: Love in Limbo Regie: David Elfick
1993: Der silberne Hengst (The Silver Brumby). Regie: John Tatoulis
1993: For the Moment Regie: Aaron Kim Johnston
1993: Sommer des Erwachens (Hammers Over the Anvil). Regie: Ann Turner
1994: Die Summe der Gefühle (The Sum Of Us). Regie: Geoff Burton, Kevin Dowling
1995: Schneller als der Tod (The Quick and the Dead). Regie: Sam Raimi
1995: Das Yakuza-Kartell (No Way Back). Regie: Frank A. Cappello
1995: Virtuosity Regie: Brett Leonard
1995: Wilder Zauber (Rough Magic). Regie: Clare Peploe
1997: L.A. Confidential. Regie: Curtis Hanson
1997: Paradies in Flammen (Heaven's Burning). Regie: Craig Lahiff
1997: Breaking Up Regie: Robert Greenwald
1999: Mystery – New York: Ein Spiel um die Ehre (Mystery, Alaska). Regie: Jay Roach
1999: Insider Regie: Michael Mann
2000: Gladiator Regie: Ridley Scott
2000: Lebenszeichen – Proof of Life (Proof of Life). Regie: Taylor Hackford
2001: A Beautiful Mind – Genie und Wahnsinn (A Beautiful Mind). Regie: Ron Howard
2002: Texas. Dokumentarfilm Konzert der Gruppe The Ordinary Fear Of God Regie: Russell Crowe
2003: Master & Commander – Bis ans Ende der Welt (Master and Commander – The Far Side of the World). Regie: Peter Weir
2005: Das Comeback (Cinderella Man). Regie: Ron Howard
2006: Ein gutes Jahr (A Good Year). Regie: Ridley Scott
2007: Todeszug nach Yuma (3:10 to Yuma). Regie: James Mangold
2007: American Gangster Regie: Ridley Scott
2008: Der Mann, der niemals lebte (Body of Lies). Regie: Ridley Scott
2008: Tenderness – Auf der Spur des Killers (Tenderness). Regie: John Polson
2009: State of Play – Stand der Dinge (State of Play). Regie: Kevin Macdonald
2010: Robin Hood Regie: Ridley Scott
2010: 72 Stunden – The Next Three Days (The Next Three Days). Regie: Paul Haggis
2012: The Man with the Iron Fists. Regie: RZA
2012: Les Misérables. Regie: Tom Hooper
2013: Broken City. Regie: Allen Hughes
Playlist:
1 Claude-Michel Schönberg - Stars (Les Misérables) - 03:01
2 Alan Silvestri - Redemption (The Quick And The Dead) - 03:25
3 Jerry Goldsmith - Susan Lefferts (L.A. Confidential) - 02:54
4 Christopher Young - Splinters (Virtuosity) - 04:06
5 Hans Zimmer & Lisa Gerrard - Now We Are Free [Juba's Mix] (Gladiator) - 04:39
6 Lisa Gerrard & Pieter Bourke - Sacrifice (The Insider) - 07:42
7 James Horner - Nash Descends Into Parcher's World (A Beautiful Mind) - 04:37
8 Thomas Newman - Weehawken Ferry (Cinderella Man) - 02:42
9 Iva Davies, Christopher Gordon & Richard Tognetti - Into The Fog (Master & Commander: The Far Side Of The World) - 02:11
10 Danny Elfman - Main Title (Proof Of Life) - 05:54
11 Danny Elfman - A Way In (The Next Three Days) - 03:36
12 Alex Heffes - Cal Connects The Evidence (State Of Play) - 04:34
13 Marc Streitenfeld - Wisdom (A Good Year) - 02:46
14 Marc Streitenfeld - Caskets (American Gangster) - 02:42
15 Atticus Ross, Claudia Sarne & Leopold Ross - Missing Pieces (Broken City) - 03:38

Soundtrack Adventures with RUSSELL CROWE at Radio ZuSa by Dirk Hoffmann on Mixcloud

Mittwoch, 21. September 2011

Playlist # 68 v. 25.09.11 (2) - IVA DAVIES Special

Erst in den letzten Jahren hat sich Iva Davies einen Namen in der Filmmusikszene machen können, als er zusammen mit Christopher Gordon und Richard Tognetti im Jahr 2003 den Soundtrack zu Peter Weirs Abenteuerfilm „Master and Commander: The Far Side of the World“ komponierte. In den 80ern füllte er als Frontmann und Songwriter der australischen Formation Icehouse nicht nur in seiner Heimat Stadien, sondern spielte sich mit Hits wie „Hey Little Girl“, „Street Café“ und „Great Southern Land“ in die Top 10 internationaler Charts.

Dabei schien Iva Davies‘ musikalische Karriere nach dem Absolvieren des Musikkonservatoriums von Sydney in ganz andere Bahnen zu führen, denn das durch Grieg, Schuhmann, Schubert und Mendelsohn geweckte und gestärkte Interesse an klassischer Musik hielt Iva lange davon ab, Rockmusik zu machen, doch schlugen schon immer zwei Herzen in seiner Brust.
"Ich habe in dem Orchester hier Oboe gespielt, aber ich besaß schon immer eine gespaltene Persönlichkeit. Zur gleichen Zeit, als ich im Orchester spielte, gründete ich mit einigen Akustikmusikern eine Band, mit der wir Coverversionen von Bands spielten, die zu meinen Lieblingsgruppen zählten. Nach einer heftigen Auseinandersetzung mit unserem Dirigenten stürmte ich hinaus und war plötzlich arbeitslos", blickt Iva in dem Interview zurück, das ich 1993 zur Veröffentlichung des „Big Wheel“-Albums mit ihm führte. "Mit meiner damaligen Band wurde ich sehr erfolgreich damit, Songs anderer Leute zu spielen, und mich interessierten die Songschreiber nicht in erster Linie wegen ihrer Musik, sondern ihrer Lyrics wegen. Viele dieser Leute wie Lou Reed, Iggy Pop, David Bowie oder Brian Eno sind meiner Meinung nach immer noch große Poeten, vielleicht sogar die wichtigsten."
Allein mit Coverversionen konnte man sicher keine Karriere machen, also gründete Iva zusammen mit John Lloyd, Anthony Smith und Keith Walsh die Band Flowers, die 1980 von dem Independentlabel Regular Records einen Plattenvertrag erhielt und mit ihrer Debüt-Single "Can‘t Help Myself" gleich einen Top 10-Hit landete. Im Oktober des gleichen Jahres erschien das Debütalbum "Icehouse", dessen melodische Songs einen verführerischen Hauch von West-Coast-Atmosphäre ausströmten und in ihrem ökonomisch strukturierten Arrangement finstere Alpträume einer degenerierenden Industriegesellschaft thematisierten.
Berücksichtigt man den musikalischen Hintergrund von Iva Davies, mag man überrascht sein von den betörenden Melodien, die man schon nach dem ersten Hören nicht mehr loswird. Dabei ging Iva mit gemischten Gefühlen an die Aufnahmen zu diesem Album. "Die Songs des Flowers-Albums waren die ersten, die ich geschrieben habe. Viele Leute haben bereits Erfahrungen im Songschreiben gesammelt, bevor sie in ein Aufnahmestudio gehen, während meine ersten Auftritte vor einem Publikum die Versuche eines Anfangs waren. Ich war ziemlich verzweifelt, überhaupt etwas zu kreieren, weil ich sehr langsam mit dem Songschreiben bin. Außerdem haben wir lange Zeit nur klassische Hits von Leuten wie T-Rex, Iggy Pop und Bowie gespielt, so dass ich sehr nervös war, dass meine Songs im Vergleich dazu wirklich schlecht ausfallen könnten."
Diese Befürchtung erwies sich allerdings als unbegründet. Nachdem schon "Can‘t Help Myself" 150.000 mal über den Ladentisch gegangen war, erreichte das Debütalbum Multi-Platin-Status in Australien und Neuseeland - ein ungewöhnlicher Erfolg in einer ungewöhnlichen Zeit, den Iva teilweise der nötigen Portion Glück zuschreibt, teilweise dem durch die Punk-Bewegung geweckten Interesse des Publikums an neuen Sachen. 1981 veröffentlichte man mit "Icehouse" den wohl schönsten, wenngleich in seiner Verzweiflung ausströmenden Melancholie auch im wahrsten Sinne des Wortes kühlsten Song des Debütalbums. Nach einem Konzert im Juni 1981 gaben Iva und seine Band die Umbenennung der Gruppe in Icehouse bekannt, ein eigentlich von den Assoziationen her konträrer Name zu Flowers, die für Iva aber einen logischen Zusammenhang bilden.
"‘Flowers‘ war der Titel eines sehr düsteren Buches von Jean Genet, in dem er über das Gefängnisleben in Frankreich schrieb. Die Stimmung des Buches traf auf viele der frühen Flowers-Songs zu, einer der ersten war das Stück ‚Icehouse‘, das sich auf den Ort bezog, an dem ich damals lebte", erzählt Iva und meint damit ein menschenleer erscheinendes, doch lichterfülltes Haus, das seinem Domizil in Sydney gegenüberlag und das sich später als Behandlungszentrum für psychisch Kranke erwies. "Als wir das Album außerhalb Australiens veröffentlichen wollten, benutzte bereits eine andere Band den Namen Flowers, also nannten wir uns Icehouse, weil die Atmosphäre des Songs auch auf die anderen zutraf."
Im September 1982 erschien mit "Primitive Man" ein Icehouse-Album, das Iva im Alleingang eingespielt hatte und in seiner von sphärischen Synthis, akzentuierten Gitarren, eindringlicher Rhythmik, sensiblen Texten und Ivas einschmeichelnder Stimme geprägten lethargischen Eleganz und fragilen Verletzlichkeit keinen größeren Gegensatz zu dem noch sehr rockig ausgefallenen Debüt bilden konnte.
"‘Primitive Man‘ war das direkte Ergebnis der Technologie, die zu dieser Zeit erhältlich war. Es war eines der ersten Alben, die mit einem Fairlight-Computer eingespielt wurden, was damals die Möglichkeit schuf, dass ein Musiker allein ein ganzes Album kreieren konnte, auch was die Synthesizer anging. Man muss sich vor Augen halten, dass das Album auch nicht nach dem Produkt einer Band klingt. Zu jener Zeit war es eine neue Möglichkeit, ein Album zu machen, deshalb hört es sich so an und deshalb spielte ich es allein ein."
"Primitive Man" wurde durch die Evergreens "Hey Little Girl" und "Street Cafe" auch in Deutschland zu einem großen Erfolg für Icehouse, worauf die Band 1983 auch auf deutschen Bühnen Zeugnis von ihren Livequalitäten ablegte.
Ein Jahr später stellte Iva einmal mehr seine musikalische Vielseitigkeit unter Beweis, indem er für Russell Mulcahy (der zuvor Videoclips für Bands wie Duran Duran oder Elton John produzierte) den Soundtrack zu seinem Film "Razorback" schrieb. 1984 erschien auch das Icehouse-Album "Sidewalk“ mit einer ausgewogenen Mischung aus getragenen Synthisequenzen und wohldosierten Rockgitarren, denen Gast-Saxophonist Joe Camilleri auf Songs wie "Don‘t Believe Anymore", "Stay Close Tonight" oder "The Mountain" einen vibrierend warmen Charakter verlieh. Abgesehen davon, dass "Sidewalk" ein in sich größeres Spektrum an musikalischen Stilmitteln aufwies als die beiden vorigen Alben, wurde deutlich, dass es Iva immer wieder scheinbar mühelos schafft, das Kopieren eigener Sounds zu vermeiden und sich in einem stets melodischen Rahmen weiterzuentwickeln versteht.
"Für mich ist es am wichtigsten, mit meiner Musik nicht immer wieder den gleichen Boden zu beackern", meint der versierte Songschreiber. "Was ich nach all den Jahren und den vielen Alben, die wir mittlerweile veröffentlicht haben, feststellen musste, ist, dass die großen Einflüsse immer geblieben sind, auf die ich stets wieder zurückkomme. Während ich mich aber einerseits noch immer auf die Einflüsse beziehe, die mich schon vor dreizehn Jahren geprägt haben, achte ich andererseits darauf, nicht die gleichen Akkorde, Sounds oder Textzeilen zu verwenden." 
1985 schrieben Iva Davies und Icehouse-Gitarrist Bob Kretschmer die Musik für das Ballett "Boxes", das im November im Sydney Opera House uraufgeführt wurde und bei dem die beiden zusammen mit Drummer Masaki Tanazowa nicht nur live die Musik spielten, sondern gleichzeitig als Schauspieler involviert waren. Bei den Aufnahmen zum 86er Album "Measure For Measure" im privaten Studio von Brian Eno und Bryan Ferry in London ging für Iva sicher ein langjähriger Traum in Erfüllung, als sein Idol Eno, der gleich neben dem Studio wohnte, an dem Album mitwirkte, ebenso wie der Ex-Japan-Drummer Steve Jansen.
"Measure For Measure" wartete nicht nur mit so knalligen Hit-Singles wie "No Promises", "Mr. Big", "Cross The Border" und "Baby, You‘re So Strange" auf, sondern präsentierte sich in einem vielschichtigen Sound, der vor allem durch das virtuose Percussion- und Drumspiel von Jansen und Tanazowa, die ausgefeilten Keyboardarrangements und facettenreichen Gitarrensounds geprägt wurde und einmal mehr ein breit gefächertes Spektrum musikalischer Ideen bot, das von elegisch schönen Balladen wie "Angel Street", "Spanish Gold" und "The Flame" über die tanzbaren Single-Hits bis hin zu so krachig-rockigen Speednummern wie "Lucky Me" reichte.
Das 87er Werk "Man Of Colours" bestach einmal mehr durch brillante Melodien, die mit lyrischen Texten in ein traumhaft harmonisches Gewand gehüllt wurden, doch trotz der radiokompatiblen und tanzbaren Singleauskopplungen "Crazy" und "Electric Blue" floppte das Album in Deutschland, während es in Australien mehr als eine halbe Million mal verkauft, in den USA und Canada mit Gold ausgezeichnet und damit zum bislang erfolgreichsten Album für Icehouse wurde.
Hierzulande wurde somit die 89er Best-of-Compilation "Great Southern Land" schon als Testament einer Band angesehen, die es wie nur wenige verstanden hat, sich kontinuierlich weiterzuentwickeln, neue Ausdrucksformen und Sounds zu finden, die den prägenden Rahmen aus unwiderstehlichen Melodien und schnörkellosen Harmonien ausfüllten. In Deutschland war danach tatsächlich Funkstille um Icehouse angesagt. Die Band verließ den langjährigen Partner Chrysalis, konnte ihr nächstes Album "Code Blue" 1990 aber nur in der australischen Heimat veröffentlichen. Die folgenden Prozesse zwischen Chrysalis und Icehouse zwischen 1991 und Ende 1992 bedeuteten für Iva eine Zwangspause, in der er nichts schreiben und aufnehmen konnte, und fast die Zerrüttung seines kreativen Geistes. Doch nach dem gerichtlichen Sieg beschloss Iva, keine Kompromisse mehr einzugehen, baute sich das Studio über seiner Garage aus und gründete ein eigenes Label namens DIVA Records, das mit der Massive Recording Company einen neuen Partner gefunden hatte. Massive veröffentlichten 1992 das "Code Blue"-Album wieder, das mit seinem aus Bläsersounds, Streicherarrangements, Dudelsäcken und zahlreichen Backing Vocals bestehenden Instrumentarium einen Schritt in die neue Richtung bedeutete. Schließlich erschienen "Code Blue" und die Best-of-Compilation "Masterfile" auch in Deutschland, als Vorgeschmack auf das kurzfristig im November 1993 erschienene neue Album "Big Wheel".
Das musikalische Gewand, das Iva Davies (Lead Vocals, Gitarre, Bass, Keyboards, Backing Vocals), David Chapman (Gitarre, Keyboards, Backing Vocals) und Paul Wheeler (Drums, Percussion, Backing Vocals) diesmal ungewöhnlich gitarren- und drumlastig ausfallen ließen, erweckt den Eindruck, die Band hätte sich bei den Aufnahmen zu "Big Wheel" an einen Starkstromgenerator angeschlossen. Mit nur zwei weiteren Musikern verpasste Iva "Big Wheel" eine ungewöhnlich raue, streckenweise kraftvoll-aggressive und sehr direkt nach vorne gehende Komponente. "Revolution in the city, revolution in the street", tönt es im Opener und Titelsong, und in gewisser Hinsicht kann das Etikett "revolutionär" auf die ganze Konzeption von "Big Wheel" angewandt werden. Zumindest mag die omnipräsente dynamische Energie nach den vorausgegangenen Querelen überraschen.
"‘Big Wheel‘ ist für uns in vielerlei Hinsicht ein großes Album, gerade wenn man die Probleme mit Chrysalis und der Wiedererlangung unserer Kontrolle berücksichtigt. Während der vertraglichen Auseinandersetzungen hatte ich viel Zeit, auf unsere Geschichte und das ganze Material zurückzublicken, wobei ich festgestellt habe, dass sich in dieser Zeit nicht wirklich viel verändert hat, obwohl wir viele Revolutionen erlebt haben", meint Iva. "Das scheint eine ziemlich offensichtliche Beobachtung zu sein, aber ich denke, dass sich die Dinge nur an der Oberfläche verändern, dass sich letztlich nichts tatsächlich ändert und wir immer an den Ort zurückkehren, an dem wir begonnen haben."
Vor diesem Hintergrund darf auch die Symbolik des geheimnisvoll wirkenden, mit mysteriösen Schriftzeichen versehenen Rades auf dem Cover des prachtvoll gestalteten Booklets verstanden werden. "Ich wollte die Illusion erwecken, dass dieses mystische Ding im Sand entdeckt worden ist, wobei man nicht entscheiden kann, ob es das Produkt einer sehr altertümlichen oder weit fortgeschrittenen Technologie ist. Dafür wollte ich einen Text haben, der irrtümlicherweise auf eine altertümliche Sprache hinweisen würde, gleichzeitig aber das Mandelbrat-Symbol, das sich in der Mitte des Rades befindet, verwenden - eine Entdeckung, die der Wissenschaftler Mandelbrat erst kürzlich gemacht hat und einen Graphen der Vibration von Materie darstellt", enthüllt Iva das Geheimnis. "Seine Bedeutung liegt darin, dass ein Teil der Sache, die man untersucht, das Duplikat des ganzen Teils auf einer kleineren Skala ist. Man kann kleinere und kleinere Teile der ganzen Sache untersuchen, man erhält stets das gleiche Bild. Mandelbrat hat diesen Graph bei der Messung von Atomaktivitäten erhalten. Auch das ist Teil des großen Rades."
Im folgenden Jahr erschien mit „Full Circle“ ein Doppelalbum, auf das durch die "Spin One"-EP bereits im Vorfeld neugierig gemacht wurde und radikale Mixe alter und neuer Icehouse-Songs von Bill Laswell, 808 State, Cameron Allan und Mark Gamble (Art Of Noise) enthält, aber auch einige neue Sachen von Iva Davies. "Das Album ist ein interessantes Experiment, weil wir gewisse Regeln vereinbart haben. Eine Regel, die ich mir selbst gesetzt habe, ist, dass ich in keiner Hinsicht selbst am kreativen Prozess des Albums beteiligt sein wollte. Wir haben die Tapes nur an die verschiedenen Mixer verschickt und sie dazu angehalten, damit zu machen, was immer sie für richtig halten. Natürlich fiel es mir schwer, meine Finger davon zu lassen, aber so lautete die Regel. Allerdings gab es ein paar Gelegenheiten, bei denen ich beteiligt war. Zum einen habe ich eine Coverversion eines sehr alten Marc-Bolan-Songs geschrieben. Dann habe ich ein wenig Ambient-Musik für einige Verbindungspassagen gemacht sowie eine neue Version von ‚Great Southern Land‘ für ‚Spin One‘. Bill Laswell hat seinerseits mit einigen Aborigines in Nordaustralien eine 16minütige Version davon aufgenommen, die auf dem Album erscheinen wird. Meine Version habe ich mit ein paar Freunden eingespielt, die einer Aborigines Dance Company angehören."
1995 arbeitete Iva Davies mit der Sydney Dance Company am Ballett „Berlin“, einer Meditation über die Natur der Musik, wofür Iva Davies ganz bewusst Songs von Bands und Künstlern auswählte, die wegweisend für ihre jeweilige Zeit waren. So adaptierte er Frank Sinatras „All The Way“, Velvet Undergrounds „All Tomorrow’s Parties“ ebenso wie Simple Minds’ “Let There Be Love”, Talking Heads’ “Heaven” oder David Bowies “Heroes”.
1999 komponierte Iva Davies für das Sydney Symphonic Orchestra eine 25-minütige orchestrale Fassung des Icehouse-Klassikers “Great Southern Land“, der schon fast zur australischen Hymne avancierte. Das dazugehörige Feuerwerk an Silvester 1999 verfolgten immerhin 2,5 Milliarden Menschen. Anschließend produzierte Davies zwei Soundtracks, 2003 den preisgekrönten Score zu Peter Weirs Film „Master and Commander“, zwei Jahre später untermalte er im Alleingang die TV-Miniserie „The Incredible Journey of Mary Bryant“.
Seit 2001 arbeitete Iva Davies auch an einem weiteren Icehouse-Album, doch von dem angekündigten Werk namens „Bi-Polar Poems“ waren 2004 nur fünf Songs auf der Band-eigenen Website zum kostenlosen Download erhältlich: "Your God, Not Mine", "The Lazarus", "West Eleven Genius", "Chemicals" und "Surgery".
Mittlerweile tourt Iva Davies mit seiner Band aber wieder in seiner Heimat. Zum 30-jährigen Jubiläum ist das erste Icehouse-Album „Flowers“ ebenso als luxuriöse 3-Discs-Editon inklusiver einer DVD veröffentlicht worden wie die neue Best-of-Compilation „White Heat“.
Weitere Infos findet ihr auf der neuen Icehouse-Website.

Diskographie:
1980: Icehouse (aka Flowers)
1982: Primitive Man
1983: Fresco EP
1984: Sidewalk
1985: Boxes
1986: Measure for Measure
1987: Man of colours
1989: Great southern Land (Compilation)
1990: Code Blue
1990: Masterfile (Best-of-Compilation)
1992: Full Circle (Remix-Doppel-Album)
1992: Big Wheel
1995: The Berlin Tapes
1995: The Singles - A sides... and selected B sides (Compilation)
1999: The Ghost of Time
2002: Meltdown (Remix-Album)
2003: Master and Commander (Soundtrack - zusammen mit Christopher Gordon und Richard Tognetti)
2004: Bi-Polar Poems (unveröffentlicht)
2004: Heroes
2005: The Incredible Journey of Mary Bryant (Soundtrack)
2011: White Heat: 30 Hits (Compilation)

Playlist:
1 Iva Davies, Christopher Gordon & Richard Tognetti - Smoke N'Oakum (OST: Master and Commander) - 05:28
2 Icehouse - The Mountain (Sidewalk) - 04:50
3 Icehouse - Great Southern Land (OST: Young Einstein) - 05:18
4 Icehouse - Harbour Town (OST: Sydney - A Story Of A City) - 03:38
5 Icehouse - Java (Sidewalk) - 04:54
6 Icehouse - Man Of Colours (Man Of Colours) - 05:11
7 Iva Davies - Theme (OST: Razorback) - 04:18
8 Iva Davies, Christopher Gordon & Richard Tognetti - The Battle (Master and Commander) - 05:07
9 Iva Davies - Trapped/And What Is Her Name? (OST: The Incredible Journey Of Mary Bryant) - 06:25
10 Iva Davies & Bob Kretschmer - Solitaire (Boxes) - 04:19
11 Iva Davies - Escape (OST: The Incredible Journey Of Mary Bryant) - 08:52

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