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Sonntag, 7. Dezember 2025

Playlist #438 vom 14.12.2025 - SIGUR RÓS, JÓNSI & ALEX SOMERS

So klein die skandinavische Insel mit der dünnsten Besiedlung in Europa auch sein mag, verfügt sie doch über eine äußerst vitale Musikszene. Nicht nur die Sugarcubes und ihre Sängerin Björk sorgten international seit den 1980er und 1990er Jahren international für Furore, auch Acts wie GusGus, Of Monsters and Men, Emilíana Torrini und vor allem Sigur Rós zählen zu den populärsten Vertretern der isländischen Pop-Szene. Darüber hinaus haben Komponisten wie Jóhann Jóhannsson, Atli Örvarsson, Ólafur Arnalds und Sigur-Rós-Frontmann Jónsi in den vergangenen Jahren im Bereich der Neoklassik und Filmmusik auf sich aufmerksam gemacht. In der heutigen Sendung fokussieren wir uns auf die Arbeiten von Jónsi und seinem ehemaligen Partner Alex Somers, die sowohl als Solo-Künstler als auch gemeinsam für originelle Soundtrack- und andere Arbeiten verantwortlich zeichnen.
Sigur Rós (Photo by Hörður Óttarson)

Der seit seiner Geburt auf einem Auge blinde Jón Þór Birgisson alias Jónsi gründete Sigur Rós 1994 zusammen mit dem Bassisten Georg Hólm und dem Schlagzeuger Ágúst Ævar Gunnarsson, wobei der Bandname Jónsis Schwester Sigurrós geschuldet ist, die am Tag der Bandgründung geboren wurde. Das 1997 erschienene Debütalbum „Von“ nahm noch recht viel Zeit in Anspruch und resultierte in einem ebenso düsteren wie naturverbundenen Werk, das noch nicht sehr in sich geschlossen wirkte.
Das änderte sich mit dem 1999 erschienenen Nachfolger „Ágætis byrjun“, das nicht nur stärker strukturiert und instrumentiert daherkam, sondern auch ein Orchester aufbot und introspektive Klänge, orchestrale Wucht, kurze Intermezzi und symphonischen Epen präsentierte.
Mit ihrer sphärisch klingenden, teilweise von melancholischen Melodien geprägten Musik haben sich Sigur Rós stilistisch in den weit interpretierbaren Bereichen Post-Rock, Shoegazing und Ambient eingerichtet, ohne einer Szene oder einem Subgenre zugeordnet werden zu können. Eine Band, die weltweit über 10 Millionen Alben verkauft, ohne einen Hit oder einen Grammy zu haben, und dabei größtenteils auf Isländisch singt – einer Sprache, die von weniger als 400.000 Menschen gesprochen wird –, beschreitet zwangsläufig ganz eigene Wege, wozu vor allem Jónsi Birgissons gestrichene Gitarre und seine geisterhafte Falsett-Stimme beitragen.
2002 erschien das dritte, zunächst namenlose Album der Band. Der Gesang auf dem Album vollzieht sich in einer melodischen, nicht-existenten Fantasie-Sprache, die Sigur Rós vonlenska (dt. Hoffnungsländisch) nannten. Ebenso wie das Album blieben auch die acht Songtitel unbetitelt, später erhielt das auch musikalisch minimalistische und schwerer zugängliche Album wegen der Abbildungen auf dem Cover, die Klammern gleichen, den Namen „( )“.
Ebenfalls 2002 erschien der instrumentale Soundtrack „Hlemmur“ zu einem Film über die Obdachlosen am Busbahnhof Hlemmur in Reykjavik.
2003 verpflichtete Merce Cunningham die Band, für sein Tanzstück „Split Sides“ die Musik zu komponieren. Anfang 2005 schrieben Sigur Rós außerdem ein Stück zur Tanzaufführung des Royal Danish Ballet zu Hans Christian AndersensLittle Match Girl“.
Seither erzeugen Sigur Rós mit sphärischen Klängen eine ganz eigene musikalische Melancholie auf der Bühne, heimsten mit Erfolgsalben wie „Ágætis byrjun“, „( )“ und „Takk…“ (2005), „Hvarf-Heim“ (2007), „Með suð í eyrum við spilum endalaust“ (2008), „Valtari“ (2012) und „Kveikur“ (2013) Gold und Platin ein und waren auch in der vierten Staffel beliebten Serie „Game of Thrones“ mit einem Gastauftritt als Musikanten auf der Hochzeit König Joffrey Baratheons zu sehen.
Abseits ihrer regulären Studio-Alben schufen Sigur Rós hypnotische Musik für altnordische Poesie („Odin’s Raven Magic“, 2020), eine 24-stündige Autofahrt entlang der isländischen Küste („Route One“, 2016) und Ambient-Klangbäder („Liminal Sleep“, 2019).
 
In der Zwischenzeit haben sich Jónsi und der aus Baltimore, Maryland, stammende Künstler und Musiker Alex Somers im Jahr 2003 in Boston kennengelernt. Somers, der unter anderem das Artwork für das Sigur-Rós-Album „Takk…“ kreierte. Somers hatte 2003 mit Scott Alario die kurzlebige Band Parachutes gegründet, um dann 2005 nach Island zu ziehen, wo er mit Jónsi das Projekt Jónsi & Alex gründete. Sie arbeiteten auch an visueller Kunst, die die Grundlage für ihr limitiertes Hardcover-Buch „Riceboy Sleeps“ (2006) bilden sollte. In den Pausen zwischen Jónsis Tourneen und Studioaufnahmen mit Sigur Rós arbeiteten sie weiterhin zu Hause an ihrer Musik und schufen so nach und nach das umfangreiche Werk, das heute das Album „Riceboy Sleeps“ (2009) ausmacht.
2010 veröffentlichte Jónsi sein erstes Solo-Album „Go“, wobei die Single „Around Us“ auf dem Soundtrack von EA Sports’ „FIFA 11“ vertreten gewesen ist. Außerdem steuerte er das Lied „Sticks & Stones“ für den Soundtrack des Films „Drachenzähmen leicht gemacht“ bei sowie die Lieder „Where No One Goes“ und „Together from Afar“ für die beiden Fortsetzungen.
2011 schrieb er den Soundtrack zu Cameron Crowes Kinofilm „Wir kaufen einen Zoo“. 2021 folgte der Soundtrack zu „Tom Clancy’s Gnadenlos“.
Zwischenzeitlich erschien 2020 mit „Shiver“ Jónsis zweites Studioalbum, ein Jahr später mit „Obsidian“ das dritte. Das 2024 veröffentlichte Album „First Light“ war ursprünglich als Teil eines Videospielsoundtracks geplant, weshalb es auch unter anderem über die Musik- und Wellness-Plattform Myndstream veröffentlicht wird.
Jónsi sagt selbst zum Ursprung seines neuen Albums: „Ich schrieb diese Musik in einer Zeit, in der es weltweit zu Unruhen und Ungleichgewichten kam, für ein Videospiel. Ich stellte mir ,First Light’ als eine momentane, fantastische, überdrehte, utopische Welt vor, in der jeder und alles in ewigem Frieden und Harmonie zusammenlebt.“ Weiter sieht er die Musik als etwas Hoffnungsvolles: „Wir entscheiden uns für Schönheit statt Unordnung, für Hoffnung statt Angst, für unsere universellen göttlichen Schutzengel, die über uns wachen und uns alle durch Liebe, Melodie und Musik miteinander verbinden.“
Jónsi & Alex (Photo by Lilja Birgisdóttir)
 
Seit Alex Somers zusammen mit Jónsi 2014 die Musik zur Science-Fiction-Serie „Manh(a)ttan“ komponierte, schrieb er – teilweise unter eigenem Namen – die Musik für Filme wie „Captain Fantastic: Einmal Wildnis und zurück“ (2016), „Honey Boy“ (2019), „Audrey“ (2020), „Fresh“ (2022), „Causeway“ (2022) und „Holland“ (2025) sowie für die Fernsehserien „Branson“, „Under the Bridge“ und „Überkompensation“. Zuletzt schrieb Alex Somers den Soundtrack zum Dokumentarfilm „A Life Illuminated“ und zusammen mit Jónsi zum Film „Rental Family“.
Außerdem erschien 2023 mit „Átta“ das achte Album von Sigur Rós. Nachdem so viel Zeit seit dem vergleichsweise aggressiven Sound des Albums „Kveikur“ vergangen ist, präsentiert sich „Átta“ als Ruhepol nach dem Sturm – fast ohne Schlagzeug und von stiller Schönheit durchdrungen. Die Band wollte „einfach nur minimalistische Drums und eine wirklich sparsame, schwebende und schöne Musik“, sagte Jónsi. „Wir werden älter und zynischer, deshalb wollte ich uns einfach bewegen, damit wir wieder etwas fühlen!“
Georg fügte hinzu: „Dieses Album klingt wie ein Sigur-Rós-Album, ist aber introvertierter als zuvor. Es ist sehr weitläufig mit diesem Streicherklang, aber es blickt mehr nach innen als nach außen.“
Es wurde größtenteils im bandeigenen Sundlaugin-Studio in Island aufgenommen, während das London Contemporary Orchestra in den Abbey Road Studios seinen umfangreichen musikalischen Reichtum beisteuerte. Der Dirigent des Orchesters, Robert Ames, leitete anschließend eine Reihe internationaler Ensembles auf einer aufwendigen Sigur-Rós-Tournee, die sich von der Meltdown-Show auf über zwei Jahre ausdehnte. Kjartan, Robert Ames und seine Frau Maria Huld Markan Sigfúsdóttir (von den langjährigen Sigur-Rós-Kollaborateuren Amiina) schrieben Orchesterarrangements für die Konzerte, darunter Neuinterpretationen alter Favoriten wie – vom minimalistischen Album „( )“ aus dem Jahr 2002 – „Untitled #1 – Vaka“ sowie „Sé lest“ und „Hoppípolla“ von „Takk…“ und „Von“ von ihrem Debütalbum.
Begleitet vom New Yorker Wordless Music Orchestra tourte das Trio im Sommer 2023 achtmal durch Nordamerika. Seitdem wurde es von zahlreichen weiteren Orchestern unterstützt, darunter Symphony+81 in Japan, das Balvig Orchestra in Schweden und Dänemark sowie die Stadtorchester von Sydney, Melbourne, Brisbane und Adelaide auf ihrer Australien-Tournee 2025. Im September 2025 tourten sie erneut durch Europa, unter anderem mit vier Konzerten in der legendären Royal Albert Hall in London, und beendeten ihre Reise gemeinsam mit dem Noordpool Orkest in Amsterdam.
„Es ist schon seltsam, dass ein paar Jungs aus Island, die auf Isländisch und in irgendeiner Fantasiesprache singen, auf der ganzen Welt spielen und so viele Menschen zu ihren Konzerten kommen wollen“, sagte Jónsi. „Es gibt keine Texte oder Geschichten, an denen sich die Leute festhalten können. Es geht vielmehr um die puren Emotionen, die die Menschen durch die Musik erleben.“

Diskografie/Filmografie (Auswahl):

Sigur Rós:
1997: Von
1998: Von Brigði = Recycle Bin (Remix-Album)
1999: Ágætis Byrjun
2002: ( )
2003: Hlemmur (Soundtrack)
2005: Takk…
2007: Hvarf – Heim
2008: Með Suð Í Eyrum Við Spilum Endalaust
2011: Inni (Live-Album)
2012: Valtari
2013: Kveikur
2017: Route One
2019: Liminal Sleep
2023: Átta
 
Jónsi:
2010: Go
2011: We Bought A Zoo (Soundtrack)
2018: The Feeling of Going (Soundtrack)
2020: Shiver
2021: Tom Clancy’s Without Remorse (Soundtrack)
2021: Obsidian
2024: First Light
2025: The Long Melody (Soundtrack)
 
Alex Somers:
2016: Captain Fantastic: Einmal Wildnis und zurück
2016: Dawson City: Frozen Time (Soundtrack)
2017: Black Mirror – Hang the DJ (Soundtrack)
2018: Hale County, Tag für Tag (Hale County This Morning, This Evening, Soundtrack)
2019: Honey Boy (Soundtrack)
2020: Twelve (Soundtrack)
2020: Here We Are: Notes For Living On Planet Earth (Soundtrack)
2020: Audrey (Soundtrack)
2021: Together Together (Soundtrack)
2021: Siblings
2021: Siblings 2
2022: Fresh (Soundtrack)
2022: Causeway (Soundtrack)
2022: Branson (Soundtrack zur Miniserie)
2024: Under the Bridge (Soundtrack zur Miniserie)
2024: Nickel Boys (Alex Somers & Scott Alario, Soundtrack)
2025: Holland (Soundtrack)
2025: Überkompensation (Overcompensating, TV-Serie)
2025: A Life Illuminated (Soundtrack zum Dokumentarfilm)
 
Jónsi & Alex:
2009: Riceboy Sleeps
2015: Aloha: Die Chance auf Glück (Aloha, Soundtrack)
2016: Manh(a)ttan (Soundtrack)
2019: Lost And Found
2025: Rental Family (Soundtrack)
Playlist:
01. Alex Somers & Jónsi - Found Family (Rental Family) - 03:16 
02. Sigur Rós - Von (Von) - 05:12
03. Sigur Rós - Bíum Bíum Bambaló (Angels of the Universe) - 06:53 
04. Alex Somers & Jónsi - Chapter One [excerpt] (All Animals) - 11:15 
05. Jónsi & Alex Somers - Stokkseyri (Riceboy Sleeps) - 07:10 
06. Alex Somers - Fortress (Captain Fantastic) - 04:37 
07. Jónsi - We Bought A Zoo (We Bought A Zoo) - 04:22 
08. Jónsi & Alex Somers - Moving Plates [Liminal Remix] (Liminal) - 03:06 
09. Alex Somers & Jónsi - Chapter Three [Alex Somers Remix] (Liminal 2) - 04:47 
10. Jónsi & Alex Somers - Hundslappadrifa (Lost & Found) - 06:09 
11. Jónsi & Alex Somers - There's Something I Need to Tell You (Manh(a)ttan) - 03:26 
12. Alex Somers - A Good Day (Honey Boy) - 03:05 
13. Alex Somers - Fell In Love With Her (Audrey) - 04:13 
14. Jónsi - Aftermath (Tom Clancy's Without Remorse) - 03:23 
15. Alex Somers - Into Place (Here We Are) - 04:13 
16. Alex Somers - Breakthrough (Holland) - 03:49 
17. Jónsi - Undercurrent (First Light) - 04:14 
18. Alex Somers - Color Memory (Nickel Boys) - 05:48 
19. Alex Somers - Lose Control (Overcompensating) - 04:08 
20. Alex Somers - Left the Sea (Fresh) - 03:32 
21. Alex Somers - Wake Up (Causeway) - 03:34 
22. Alex Somers - Kimblings (Siblings) - 06:11 
23. Jónsi - Hedione (Obsidian) - 12:40

Montag, 23. Februar 2015

DIE 5. LANGE NACHT DER FILMMUSIK 27./28.02.2015 - SCOTT HICKS Special

Das biografische Drama „Shine – Der Weg ans Licht“ machte den in Uganda geborenen Filmemacher Scott Hicks 1996 weltberühmt, und auch seine nachfolgenden Werke – die Bestseller-Verfilmungen von David Gutersons „Schnee, der auf Zedern fällt“ (1999) und Stephen Kings „Hearts In Atlantis“ (2001) konnten sich sehen lassen. Seither ist er vor allem durch die Philip-Glass-Dokumentation „Glass: A Portrait of Philip in Twelve Parts“ (2007) aufgefallen. Für dieses Jahr ist von dem vielseitigen Filmemacher der Fantasy-Thriller „Fallen“ angekündigt.

Hicks lebte bis zu seinem zehnten Lebensjahr in Kenya, dann zog seine Familie erst nach England und dann, als er vierzehn war, weiter ins australische Adelaide. Er beendete 1975 sein Studium an der Flinders University of South Australia und profitierte davon, dass das die australische Regierung den seit Jahrzehnten brachliegenden Filmmarkt förderte. Etablierte Filmemacher wie Peter Weir und Bruce Beresford kamen nach Adelaide, um ihre Filme dort zu drehen. Hicks arbeitete als Crew-Mitglied an einem Dutzend von Filmen in den nächsten Jahren, bis er anfing, Kurzfilme und gesponserte Dokumentationen zu drehen.
In seinem ersten Film „Freedom“, den er 1981 in und um Adelaide herum drehte, verwendete er Musik von Cold Chisels Don Walker und die Vocals von INXS-Frontmann Michael Hutchence. Für das INXS-Label WEA drehte er zwischen 1982 und 1983 die Videoclips zu „Spy Of Love“, „To Look At You“ und „Don’t Change“ und dann auf 16mm Film für die populäre südaustralische Band Vertical Hold. International bekannt wurde Hicks erst 1996 mit „Shine – Der Weg ans Licht“, einem Biopic über den australischen Pianisten David Helfgott (Geoffrey Rush), der als Wunderkind heranwächst, während sein Vater (Armin Müller-Stahl) ihn und seine Geschwister mit traumatisierenden Geschichten über den Verlust seiner Familie in den Konzentrationslagern des NS-Regimes quält. Schließlich gelingt es David sich von seinem Vater loszusagen und in Übersee ein Studium anzutreten.
 „Nichts wird wieder so sein wie vorher. ‚Shine‘ war eine einzigartige Erfahrung und einige wenige Leute sind auf ewig glücklich, diesen Grad an universeller Akzeptanz zu erleben. Selten genug kann man sagen, dass Filme das Leben von Menschen verändern. In Bezug auf die Welt kam der Film aus dem Nichts und stürmte durch die Welt. Es projizierte mich in eine neue Arena und machte Geoffrey Rush zum Star, veränderte komplett David Helfgotts Leben und reanimierte die Karriere von Lynn Redgrave. Es gab einige von uns, die in diesen Film involviert waren, deren Leben nie wieder wie zuvor sein würde“, meinte Drehbuchautor und Regisseur Scott Hicks nach dem Erfolg von „Shine“. 
Geoffrey Rush erhielt den Oscar als bester männlicher Hauptdarsteller, weitere Nominierungen erhielten Scott Hicks selbst (Regie), Jan Sardi und Scott Hicks (Buch), Armin Müller-Stahl (Nebendarsteller), David Hirschfelder (Musik) und Pip Karmel (Schnitt). Natürlich ist durch diesen Erfolg Hollywood auf den australischen Filmemacher aufmerksam geworden und übertrug ihm die Verfilmung von David Gutersons Bestseller „Schnee, der auf Zedern fällt“.
Das Krimi- und Liebesdrama spielt auf der kleinen Insel San Piedro vor der nordamerikanischen Küste in den 50er Jahren und beginnt mit dem Gerichtsprozess gegen Lachsfischer Kazuo Miyamoto (Rick Yune), einen US-Bürger japanischer Abstammung, der angeklagt wird, seinen Jugendfreund und Kollegen Carl Heine auf nebliger See ermordet zu haben. Wie bei den Zeugenvernehmungen deutlich wird, sitzen neun Jahre nach dem Angriff auf Pearl Harbor Misstrauen und Hass auf die Japaner bei den Amerikanern noch sehr tief. Dem Prozess wohnt auch der junge Gerichtsreporter Chambers (Ethan Hawke) bei, der persönlich in die Angelegenheit verstrickt ist: Miyamotos Ehefrau Hatsue (Youki Kudoh) ist seine große Jugendliebe, der er immer noch nachtrauert …
„Das Denken und Handeln der Protagonisten erklärte sich bei Guterson nicht aus der Gegenwart, sondern aus den Rückblenden in verschiedene Momente der individuellen Vergangenheiten. Hicks schafft es, durch ausgewogenen Rhythmus und harmonisches Hin- und Herspringen zwischen den Zeitebenen, seine Figuren mit Geschichte und damit mit Leben zu füllen, sie menschlich und erfahrbar zu machen. Die Schnitttechnik ist virtuos und die Bilder haben ihre eigene, ganz spezielle Ästhetik. Kühle Blau-Grautöne, der metaphernreiche Schnee und Aufnahmen des Meeres und der Buchten stellen ein Setting, dessen Schönheit man sich nur schwer entziehen kann“, befindet Flemming Schock in seiner Rezension auf filmspiegel.de.
Besondere Aufmerksamkeit verdiente auch der grandiose, subtil produzierte Score von James Newton Howard („The Sixth Sense“, „Waterworld“).
„Wichtige Faktoren für das Gelingen dieser Verfilmung waren neben dem Drehbuch (von David Guterson persönlich) die vorzügliche Kamera von Robert Richardson und die grandiose Musik von James Newton Howard. Während Richardson in stilvollen, zurückhaltenden Bildern von teilweise erlesener Schönheit die Geschichte nachzeichnet, schafft Howard einen enorm detailvollen und dramatischen Score, der durchaus als ein Highlight seiner Karriere anzusehen ist. Die zurückgenommene Tonsprache, die filigrane Verbindung von orchestralen, ethnischen und synthetischen Elementen und die vereinzelten dramatischen Ausbrüche von großer Eindringlichkeit machen ‚Schnee der auf Zedern fällt‘ zu einem der besten Scores des Kinojahres 1999“, meint auch Jan Zwilling in seiner Rezension auf original-score.de. “Howard baute seinen Score als atmosphärisch-tonmalerische Musik ohne große Schaueffekte auf. Das Arrangement beruht auf einer stimmigen Mischung aus hohen Streichern, Soli von Cello und Shakuhachi und einem starken Vokalpart. Wichtiger Bestandteil ist zudem der vor Allem als Klangdesigner wirksame Synthesizer, aus dem die Musik viel ihrer Stimmung bezieht. Die daraus entwickelte Tonsprache ist auf leise weise dramatisch, kühl und einfühlsam. Der winterliche Schauplatz findet sich in hellen, durch die delikaten Soli von Flöten, Shakuhachi und Violine leicht entrückt wirkenden Klängen wieder, auch die leicht asiatischen Einflüsse in den Cellopassagen und begleitenden Glockenspielen wirken konzeptionell gelungen.“
Seinen letzten großen Erfolg durfte Hicks mit einer weiteren Bestseller-Adaption feiern, Stephen Kings „Hearts In Atlantis“. Der Fotograf Bobby Garfield (David Morse) kehrt bedingt durch den Tod seines Sandkastenfreundes in die Stadt seiner Jugend zurück. Unweigerlich keimen alte Erinnerungen wieder auf und versetzen ihn zurück in den Sommer 1960. Erzählt wird die Geschichte eines elfjährigen vaterlosen Jungen (Anton Yelchin), der seine Zeit mit seinem Freund Sully und dem Nachbarmädchen Carol (Mika Boorem) verbringt. Als der geheimnisvolle Fremde Ted Brautigan (Anthony Hopkins) in das Dachgeschoss der Pension zieht, in der Bobby mit seiner Mutter lebt, findet er in ihm einen väterlichen Freund. Es soll der letzte Sommer in Bobbys Kindheit werden. Aus der Freundschaft zu Carol erwachen erste Gefühle, Ted benötigt seine Hilfe - so bekommt Bobby eine Ahnung davon, welche Chancen ihm das Leben und die Liebe bieten können...
,Hearts in Atlantis‘ ist in erster Linie ein Stimmungsbild. Die Handlung folgt dem Schicksal von Bobby Garfield, seiner Liebe und seinen Problemen, während eines Sommers. Die Hauptstärke des Films liegt eindeutig in seinen wundervollen Bildern. Kameramann Piotr Sobocinski zaubert traumhaft schöne Ansichten in den tollsten Farben auf die Leinwand, leider verstarb er während den Dreharbeiten im Alter von 43 Jahren. Zusammen mit der gelungenen Musikuntermalung entsteht eine fast einzigartige Atmosphäre, eine Hommage ans Kindsein, ohne die Bilder mit zu viel Kitsch und Pathos zu überladen“, meint David Hiltscher in seiner Kritik auf filmspiegel.de.
Hicks zog sich anschließend in seine australische Heimat zurück und konzentrierte sich auf sein Privatleben, arbeitete an Fernsehspots und schaffte es mit einem Clip sogar in die permanente Sammlung des Museum of Modern Art in New York. 2007 kehrte Hicks mit der Komödie „Rezept zum Verlieben“ nach Hollywood zurück, für die Philip Glass den Score komponierte, worauf Hicks eine Dokumentation über den bekannten Komponisten drehte.
„Sie hat mich zu meinen dokumentarischen Wurzeln zurückgeführt“, ließ Hicks dazu einmal verlauten. „Ich entschied, dass der einzige Weg, dieses Projekt anzugehen, darin bestand, mir einfach eine Kamera zu kaufen und das zu filmen zu beginnen, wie Philip zuhause mit seiner Familie und seinen Kindern umgeht, Pizza macht und darüber spricht, Sinfonien zu schreiben. Okay, es ist ein weiterer obsessiver Pianist. Es ist ein netter Zehn-Jahres-Zirkel von ‚Shine‘ bis zu Glass, wenn man möchte.“
2010 inszenierte Hicks in seiner australischen Heimat das Drama „The Boys Are Back“. Clive Owen spielt den erfolgreichen britischen, in Australien lebenden Sportreporter Joe Warr, der nach dem tragischen Tod seiner Frau vor der schwierigen Aufgabe steht, sich allein um seinen sechsjährigen Sohn Artie (Nicholas McAnulty) und den rebellischen Teenie Harry (George MacKay) aus einer früheren Ehe zu kümmern. Da er den Kindern alles erlaubt, versinkt der reine Männerhaushalt ohne jeden weiblichen Einfluss bald in völligem Chaos. Das biografische Drama ist allerdings stellenweise recht kitschig ausgefallen und fiel bei Kritikern und an den Kinokassen durch. Einzig der gefühlvolle Score des früheren Dire-Straits- und Fish-Gitarristen Hal Lindes und die verträumten Songs von Sigur Rós, Elbow und Mayfield konnten überzeugen.
Zwei Jahre später versuchte es Hicks mit einer weiteren Verfilmung, diesmal des Bestseller-Autors Nicholas Sparks („Message In A Bottle“, „Das Lächeln der Sterne“), allerdings konnte die melodramatisch-kitschige Romanze „The Lucky One – Für immer der Deine“ auch nicht punkten. Der Score von Mark Isham blieb dazu unveröffentlicht, dafür gaben sich auf dem Soundtrack Acts wie Hilmar Örn Hilmarsson, Mayfield, A Fine Frenzy und Josh Radin ein munteres Stelldichein.
Mit seinem neuen Film „Fallen – Engelsnacht“ betritt Hicks für sich neues Terrain. In dem romantischen Mystery-Thriller entdeckt Lucinda „Luce“ Price (Addison Timlin) nach ihrer Verbannung in ein Internat, dass der unglaublich attraktive Daniel Grigori (Jeremy Irvine) ein gefallener Engel ist, der dazu verdammt ist, für immer auf der Erde zu wandern. Das Internat wird zum Mittelpunkt einer Schlacht zwischen Himmel und Hölle … Ob Hicks mit diesem Werk, für das wiederum Mark Isham die Musik beisteuern durfte, wieder die Anerkennung bekommt, die er mit seinen Frühwerken „Shine“, „Schnee, der auf Zedern fällt“ und „Hearts In Atlantis“ erhielt, bleibt fraglich. Dafür bleiben diese Meisterwerke unvergessen.

Filmographie: 
1974: The Wanderer
1975: Down the Wind
1979: You Can’t Always Tell
1980: Assertive Skills Training (Video)
1980: Bert Flugelman: Public Sculptor
1981: Women Artists of Australia (TV-Serie)
1981: No Going Back (TV)
1982: The Hall of Mirrors: A Festival
1982: Freedom
1983: One Last Chance
1985: Family Tree
1985: The INXS: Swing and Other Stories
1988: Sebastian and the Sparrow
1989: The Great Wall of Iron (TV-Serie)
1990: Call Me Mr. Brown
1991: Finders Keepers (Fernsehserie)
1993: Submarines: Sharks of Steel
1994: The Space Shuttle (TV)
1996: Shine
1996: The Ultimate Athlete: Pushing the Limit (TV)
1999: Schnee, der auf Zedern fällt
2001: Hearts in Atlantis
2007: Rezept zum Verlieben (No Reservations)
2007: Glass: A Portrait of Philip in Twelve Parts
2009: The Boys Are Back – Zurück ins Leben
2012: The Lucky One – Für immer der Deine
2015: Fallen
Playlist: 
01. James Newton Howard - The Evacuation (Snow Falling On Cedars) - 04:08
02. David Hirschfelder - With The Help Of God, Shine (Shine) - 03:22
03. Mychael Danna - Summer Vacation (Hearts In Atlantis) - 05:32
04. Hal Lindes - The Boys Are Back (The Boys Are Back) - 03:11
05. Hilmar Örn Hilmarsson - Over The Bend (The Lucky One) - 04:18
06. Philip Glass - Zoe & Kate Watch Video (No Reservations) - 02:15
07. Sigur Rós - Fljotavik (The Boys Are Back) - 03:50
08. James Newton Howard - Humanity Goes On Trial (Snow Falling On Cedars) - 04:49
09. Philip Glass - Etude No. 2 (Glass: A Portrait Of Philip in Twelve Parts) - 04:54
10. Mychael Danna - The Hill (Hearts In Atlantis) - 04:14
11. A Fine Frenzy - What I Wouldn't Do (The Lucky One) - 02:57
12. David Hirschfelder - Will You Teach Me (Shine) - 02:33
13. James Newton Howard - Tarawa (Snow Falling On Cedars) - 04:08
14. Mychael Danna - Molly (Hearts In Atlantis) - 04:22
15. Sigur Rós - Ara Batur (The Lucky One) - 08:57

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