Playlist #438 vom 14.12.2025 - SIGUR RÓS, JÓNSI & ALEX SOMERS
So klein die skandinavische Insel mit der dünnsten Besiedlung
in Europa auch sein mag, verfügt sie doch über eine äußerst vitale Musikszene.
Nicht nur die Sugarcubes und ihre Sängerin Björk sorgten
international seit den 1980er und 1990er Jahren international für Furore, auch
Acts wie GusGus, Of Monsters and Men, Emilíana Torrini und vor allem Sigur
Rós zählen zu den populärsten Vertretern der isländischen Pop-Szene.
Darüber hinaus haben Komponisten wie Jóhann Jóhannsson, Atli Örvarsson,
Ólafur Arnalds und Sigur-Rós-Frontmann Jónsi in den
vergangenen Jahren im Bereich der Neoklassik und Filmmusik auf sich aufmerksam
gemacht. In der heutigen Sendung fokussieren wir uns auf die Arbeiten von Jónsi
und seinem ehemaligen Partner Alex Somers, die sowohl als Solo-Künstler
als auch gemeinsam für originelle Soundtrack- und andere Arbeiten
verantwortlich zeichnen.
Der seit seiner Geburt auf einem Auge blinde Jón Þór
Birgisson alias Jónsi gründete Sigur Rós 1994 zusammen mit
dem Bassisten Georg Hólm und dem Schlagzeuger Ágúst Ævar Gunnarsson,
wobei der Bandname Jónsis Schwester Sigurrós geschuldet ist, die
am Tag der Bandgründung geboren wurde. Das 1997 erschienene Debütalbum „Von“
nahm noch recht viel Zeit in Anspruch und resultierte in einem ebenso düsteren
wie naturverbundenen Werk, das noch nicht sehr in sich geschlossen wirkte.
Das änderte sich mit dem 1999 erschienenen Nachfolger „Ágætis
byrjun“, das nicht nur stärker strukturiert und instrumentiert daherkam,
sondern auch ein Orchester aufbot und introspektive Klänge, orchestrale Wucht, kurze
Intermezzi und symphonischen Epen präsentierte.
Mit ihrer sphärisch klingenden, teilweise von
melancholischen Melodien geprägten Musik haben sich Sigur Rós stilistisch
in den weit interpretierbaren Bereichen Post-Rock, Shoegazing und Ambient eingerichtet,
ohne einer Szene oder einem Subgenre zugeordnet werden zu können. Eine Band,
die weltweit über 10 Millionen Alben verkauft, ohne einen Hit oder einen Grammy
zu haben, und dabei größtenteils auf Isländisch singt – einer Sprache, die von
weniger als 400.000 Menschen gesprochen wird –, beschreitet zwangsläufig ganz
eigene Wege, wozu vor allem Jónsi Birgissons gestrichene Gitarre und
seine geisterhafte Falsett-Stimme beitragen.
2002 erschien das dritte, zunächst namenlose Album der Band.
Der Gesang auf dem Album vollzieht sich in einer melodischen, nicht-existenten
Fantasie-Sprache, die Sigur Rós vonlenska (dt. Hoffnungsländisch)
nannten. Ebenso wie das Album blieben auch die acht Songtitel unbetitelt,
später erhielt das auch musikalisch minimalistische und schwerer zugängliche
Album wegen der Abbildungen auf dem Cover, die Klammern gleichen, den Namen „(
)“.
Ebenfalls 2002 erschien der instrumentale Soundtrack „Hlemmur“
zu einem Film über die Obdachlosen am Busbahnhof Hlemmur in Reykjavik.
2003 verpflichtete Merce Cunningham die Band, für
sein Tanzstück „Split Sides“ die Musik zu komponieren. Anfang 2005
schrieben Sigur Rós außerdem ein Stück zur Tanzaufführung des Royal
Danish Ballet zu Hans Christian Andersens „Little Match Girl“.
Seither erzeugen Sigur Rós mit sphärischen Klängen
eine ganz eigene musikalische Melancholie auf der Bühne, heimsten mit
Erfolgsalben wie „Ágætis byrjun“, „( )“ und „Takk…“ (2005), „Hvarf-Heim“
(2007), „Með suð í eyrum við spilum endalaust“ (2008), „Valtari“
(2012) und „Kveikur“ (2013) Gold und Platin ein und waren auch in der vierten
Staffel beliebten Serie „Game of Thrones“ mit einem Gastauftritt
als Musikanten auf der Hochzeit König Joffrey Baratheons zu sehen.
Abseits ihrer regulären Studio-Alben schufen Sigur Rós
hypnotische Musik für altnordische Poesie („Odin’s Raven Magic“, 2020),
eine 24-stündige Autofahrt entlang der isländischen Küste („Route One“,
2016) und Ambient-Klangbäder („Liminal Sleep“, 2019).
In der Zwischenzeit haben sich Jónsi und der aus
Baltimore, Maryland, stammende Künstler und Musiker Alex Somers im Jahr
2003 in Boston kennengelernt. Somers, der unter anderem das Artwork für das Sigur-Rós-Album
„Takk…“ kreierte. Somers hatte 2003 mit Scott Alario die
kurzlebige Band Parachutes gegründet, um dann 2005 nach Island zu
ziehen, wo er mit Jónsi das Projekt Jónsi & Alex gründete.
Sie arbeiteten auch an visueller Kunst, die die Grundlage für ihr limitiertes
Hardcover-Buch „Riceboy Sleeps“ (2006) bilden sollte. In den Pausen
zwischen Jónsis Tourneen und Studioaufnahmen mit Sigur Rós
arbeiteten sie weiterhin zu Hause an ihrer Musik und schufen so nach und nach
das umfangreiche Werk, das heute das Album „Riceboy Sleeps“ (2009)
ausmacht.
2010 veröffentlichte Jónsi sein erstes Solo-Album „Go“,
wobei die Single „Around Us“ auf dem Soundtrack von EA Sports’ „FIFA 11“
vertreten gewesen ist. Außerdem steuerte er das Lied „Sticks & Stones“ für
den Soundtrack des Films „Drachenzähmen leicht gemacht“ bei sowie die
Lieder „Where No One Goes“ und „Together from Afar“ für die beiden
Fortsetzungen.
2011 schrieb er den Soundtrack zu Cameron Crowes
Kinofilm „Wir kaufen einen Zoo“. 2021 folgte der Soundtrack zu „Tom
Clancy’s Gnadenlos“.
Zwischenzeitlich erschien 2020 mit „Shiver“ Jónsis
zweites Studioalbum, ein Jahr später mit „Obsidian“ das dritte. Das 2024
veröffentlichte Album „First Light“ war ursprünglich als Teil eines
Videospielsoundtracks geplant, weshalb es auch unter anderem über die Musik-
und Wellness-Plattform Myndstream veröffentlicht wird.
Jónsi sagt selbst zum Ursprung seines neuen Albums: „Ich
schrieb diese Musik in einer Zeit, in der es weltweit zu Unruhen und
Ungleichgewichten kam, für ein Videospiel. Ich stellte mir ,First Light’
als eine momentane, fantastische, überdrehte, utopische Welt vor, in der jeder
und alles in ewigem Frieden und Harmonie zusammenlebt.“ Weiter sieht er die
Musik als etwas Hoffnungsvolles: „Wir entscheiden uns für Schönheit statt
Unordnung, für Hoffnung statt Angst, für unsere universellen göttlichen
Schutzengel, die über uns wachen und uns alle durch Liebe, Melodie und Musik
miteinander verbinden.“
Seit Alex Somers zusammen mit Jónsi 2014 die
Musik zur Science-Fiction-Serie „Manh(a)ttan“ komponierte, schrieb er –
teilweise unter eigenem Namen – die Musik für Filme wie „Captain Fantastic:
Einmal Wildnis und zurück“ (2016), „Honey Boy“ (2019), „Audrey“
(2020), „Fresh“ (2022), „Causeway“ (2022) und „Holland“
(2025) sowie für die Fernsehserien „Branson“, „Under the Bridge“ und „Überkompensation“.
Zuletzt schrieb Alex Somers den Soundtrack zum Dokumentarfilm „A Life
Illuminated“ und zusammen mit Jónsi zum Film „Rental Family“.
Außerdem erschien 2023 mit „Átta“ das achte Album von
Sigur Rós. Nachdem so viel Zeit seit dem vergleichsweise aggressiven
Sound des Albums „Kveikur“ vergangen ist, präsentiert sich „Átta“
als Ruhepol nach dem Sturm – fast ohne Schlagzeug und von stiller Schönheit
durchdrungen. Die Band wollte „einfach nur minimalistische Drums und eine
wirklich sparsame, schwebende und schöne Musik“, sagte Jónsi. „Wir
werden älter und zynischer, deshalb wollte ich uns einfach bewegen, damit wir
wieder etwas fühlen!“
Georg fügte hinzu: „Dieses Album klingt wie ein Sigur-Rós-Album,
ist aber introvertierter als zuvor. Es ist sehr weitläufig mit diesem
Streicherklang, aber es blickt mehr nach innen als nach außen.“
Es wurde größtenteils im bandeigenen Sundlaugin-Studio in
Island aufgenommen, während das London Contemporary Orchestra in den
Abbey Road Studios seinen umfangreichen musikalischen Reichtum beisteuerte. Der
Dirigent des Orchesters, Robert Ames, leitete anschließend eine Reihe
internationaler Ensembles auf einer aufwendigen Sigur-Rós-Tournee, die
sich von der Meltdown-Show auf über zwei Jahre ausdehnte. Kjartan, Robert
Ames und seine Frau Maria Huld Markan Sigfúsdóttir (von den
langjährigen Sigur-Rós-Kollaborateuren Amiina) schrieben
Orchesterarrangements für die Konzerte, darunter Neuinterpretationen alter
Favoriten wie – vom minimalistischen Album „( )“ aus dem Jahr 2002 –
„Untitled #1 – Vaka“ sowie „Sé lest“ und „Hoppípolla“ von „Takk…“ und „Von“
von ihrem Debütalbum.
Begleitet vom New Yorker Wordless Music Orchestra
tourte das Trio im Sommer 2023 achtmal durch Nordamerika. Seitdem wurde es von
zahlreichen weiteren Orchestern unterstützt, darunter Symphony+81 in
Japan, das Balvig Orchestra in Schweden und Dänemark sowie die
Stadtorchester von Sydney, Melbourne, Brisbane und Adelaide auf ihrer
Australien-Tournee 2025. Im September 2025 tourten sie erneut durch Europa,
unter anderem mit vier Konzerten in der legendären Royal Albert Hall in London,
und beendeten ihre Reise gemeinsam mit dem Noordpool Orkest in
Amsterdam.
„Es ist schon seltsam, dass ein paar Jungs aus Island, die
auf Isländisch und in irgendeiner Fantasiesprache singen, auf der ganzen Welt
spielen und so viele Menschen zu ihren Konzerten kommen wollen“, sagte Jónsi.
„Es gibt keine Texte oder Geschichten, an denen sich die Leute festhalten
können. Es geht vielmehr um die puren Emotionen, die die Menschen durch die
Musik erleben.“
Diskografie/Filmografie (Auswahl):
Sigur Rós:
1997: Von
1998: Von Brigði = Recycle Bin (Remix-Album)
1999: Ágætis Byrjun
2002: ( )
2007: Hvarf – Heim
2008: Með Suð Í Eyrum Við Spilum Endalaust
2011: Inni (Live-Album)
2012: Valtari
2013: Kveikur
2017: Route One
2019: Liminal Sleep
2023: Átta
Jónsi:
2010: Go
2011: We Bought A Zoo (Soundtrack)
2018: The Feeling of Going (Soundtrack)
2020: Shiver
2021: Tom Clancy’s Without Remorse (Soundtrack)
2021: Obsidian
2024: First Light
2025: The Long Melody (Soundtrack)
Alex Somers:
2016: Captain Fantastic: Einmal Wildnis und zurück
2016: Dawson City: Frozen Time (Soundtrack)
2017: Black Mirror – Hang the DJ (Soundtrack)
2018: Hale County, Tag für Tag (Hale County This Morning,
This Evening, Soundtrack)
2019: Honey Boy (Soundtrack)
2020: Twelve (Soundtrack)
2020: Here We Are: Notes For Living On Planet Earth
(Soundtrack)
2020: Audrey (Soundtrack)
2021: Siblings 2
2022: Fresh (Soundtrack)
2022: Causeway (Soundtrack)
2022: Branson (Soundtrack zur Miniserie)
2024: Under the Bridge (Soundtrack zur Miniserie)
2024: Nickel Boys (Alex Somers & Scott Alario, Soundtrack)
2025: Holland (Soundtrack)
2025: Überkompensation (Overcompensating, TV-Serie)
2025: A Life Illuminated (Soundtrack zum Dokumentarfilm)
Jónsi & Alex:
2009: Riceboy Sleeps
2015: Aloha: Die Chance auf Glück (Aloha, Soundtrack)
2016: Manh(a)ttan (Soundtrack)
2019: Lost And Found
2025: Rental Family (Soundtrack)
01. Alex Somers & Jónsi - Found Family (Rental Family) - 03:16
02. Sigur Rós - Von (Von) - 05:12
03. Sigur Rós - Bíum Bíum Bambaló (Angels of the Universe) - 06:53
04. Alex Somers & Jónsi - Chapter One [excerpt] (All Animals) - 11:15
05. Jónsi & Alex Somers - Stokkseyri (Riceboy Sleeps) - 07:10
06. Alex Somers - Fortress (Captain Fantastic) - 04:37
07. Jónsi - We Bought A Zoo (We Bought A Zoo) - 04:22
08. Jónsi & Alex Somers - Moving Plates [Liminal Remix] (Liminal) - 03:06
09. Alex Somers & Jónsi - Chapter Three [Alex Somers Remix] (Liminal 2) - 04:47
10. Jónsi & Alex Somers - Hundslappadrifa (Lost & Found) - 06:09
11. Jónsi & Alex Somers - There's Something I Need to Tell You (Manh(a)ttan) - 03:26
12. Alex Somers - A Good Day (Honey Boy) - 03:05
13. Alex Somers - Fell In Love With Her (Audrey) - 04:13
14. Jónsi - Aftermath (Tom Clancy's Without Remorse) - 03:23
15. Alex Somers - Into Place (Here We Are) - 04:13
16. Alex Somers - Breakthrough (Holland) - 03:49
17. Jónsi - Undercurrent (First Light) - 04:14
18. Alex Somers - Color Memory (Nickel Boys) - 05:48
19. Alex Somers - Lose Control (Overcompensating) - 04:08
20. Alex Somers - Left the Sea (Fresh) - 03:32
21. Alex Somers - Wake Up (Causeway) - 03:34
22. Alex Somers - Kimblings (Siblings) - 06:11
23. Jónsi - Hedione (Obsidian) - 12:40


.jpg)






0 Kommentare:
Kommentar veröffentlichen