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Montag, 3. Januar 2022

Playlist #336 vom 16.01.2022 - BEST OF 2021

Das Filmmusik-Jahr 2021 war zwar nicht mit einer Flut an bemerkenswerten Soundtracks gesegnet, brachte aber doch genügend spannende, experimentelle und einfach schöne Scores hervor, von denen ich an dieser Stelle meine persönlichen Highlights vorstellen möchte. Positiv überrascht hat mich, dass Hollywood-Mega-Star Hans Zimmer nach wie vor großartige Scores präsentiert, mit Denis Villeneuves Neuverfilmung des Sci-Fi-Klassikers „Dune“, Daniel Craigs letzten James-Bond-Auftritt in „No Time to Die“ und dem Netflix-Drama „The Unforgivable“ sind gleich drei seiner Arbeiten in 2021 in meiner Best-of-Liste vertreten, aber auch seine Kollegen Daniel Pemberton und Jonny Greenwood haben mich ebenfalls mit jeweils drei Filmkompositionen begeistert. 
In Michael Sarnoskis ungewöhnlichen Drama „Pig“ ist der vielseitige Nicholas Cage („Face/Off“, „Mandy“) als Einsiedler Rob zu sehen, der abgeschieden von der Zivilisation mit seinem Trüffelschwein in der Einöde lebt und sich seinen Unterhalt mit den Trüffeln verdient, die sein Schwein aufspürt. Als eines nachts zwei Junkies in Robs Hütte einsteigen und seinen vierbeinigen Partner entführen, bleibt Rob nichts anderes übrig, als nach über zehn Jahren in die Stadt zurückzukehren, um sein Trüffelschwein zurückzuholen. Das meditatives Drama um Verlust, Trauer und Erlösung hat das Komponistenduo Alexis Grapsas & Philip Klein mit einem ebenso meditativen und minimalistischen Score untermalt. 
„In ,Pig‘ agiert Cage so subtil und geerdet und lässt dich so viel fühlen, während man das absolute Minimum verschenkt. Als Nihilist und jemand, der das Leben, wie wir es kennen, hinter sich gelassen hat, verfügt er über eine sehr philosophische Herangehensweise an alles“, erklärt Alexis Grapsas die Arbeit an dem Film auf Soundtracks, Scores and More!. „Und so habe ich mir die Musik vorgestellt, um so viel wie möglich mit minimaler Instrumentierung auszudrücken, wo jeder Klang einen Zweck und eine Bedeutung hat. Und das ist offensichtlich etwas, das wir am Anfang besprochen haben, um dies fast als eine kathartische Erfahrung zu behandeln, als eine mythische und bizarre Reise, die dem wirklichen Leben sehr ähnlich ist, was eine Vielzahl von Emotionen wie Traurigkeit, Verlust, inneren Frieden, Dunkelheit, Nostalgie verkörpern kann, aber immer durch den existenziellen Standpunkt der Hauptfigur.“ 
Seit dem Animations-Spaß „Der fantastische Mr. Fox“ (2009) bilden der eigenwillige Filmemacher Wes Anderson und der französische Komponist Alexandre Desplat ein vertrautes Duo, das nach der Oscar-prämierten Zusammenarbeit bei „Grand Budapest Hotel“ (2014) nun die romantische Komödie „The French Dispatch“ präsentiert. Der Filmtitel bezieht sich dabei auf den Namen eines amerikanischen Magazins, dessen Redaktion sich in der fiktiven französischen Stadt Ennui-sur-Blasé befindet und vor fünfzig Jahren von Arthur Howitzer Jr. (Bill Murray) gegründet wurde. Nach dem Tod des Verlegers erinnern sich seine Angestellten nicht nur an ihn, sondern auch an vier große Geschichten, die in der Zeitung veröffentlicht wurden. Der im Gefängnis sitzende Maler Moses Rosenthaler (Benicio del Toro) findet in seiner Wärterin Simone (Lea Seydoux) Muse und Model. Die Reporterin Lucinda Krementz (Frances McDormand) beginnt eine Affäre mit dem Revoluzzer Zeffirelli (Timothée Chalamet) und zweifelt an ihrer journalistischen Integrität. Ein radelnder Reporter schreibt Reiseberichte aus den schlimmsten Ecken der Stadt, und als der Sohn des Kommissars (Mathieu Amalric) entführt wird, kann ihn nur der Koch retten... 
Desplat untermalt dieses vertrackte Treiben mit bittersüßen Piano-Melodien, die an den großen französischen Komponisten Georges Delerue erinnern, aber den verschiedenen Geschichten entsprechend auch ganz unterschiedliche Klänge von typisch französischen Akkordeons und bombastischeren Tönen präsentiert. 
Kris Bowers („Green Book“) und Nicholas Britell („Moonlight“) gehören seit einigen Jahren bereits zu den bemerkenswertesten neuen Talenten in Hollywood und unterstrichen auch im vergangenen Jahr ihre Meisterschaft. Bowers vertonte in 2021 nicht nur die Serien „Dear White People“, „Colin in Black & White“ und „Raising Dion“, sondern auch die Filme „Space Jam 2“, „Respect“, „The United States vs. Billie Holiday“. Vor allem seine Musik zu dem biografischen Drama „King Richard“ um die außergewöhnlichen Tennis-Schwestern Venus und Serena Williams mit Will Smith in der Hauptrolle überzeugt mit fesselnden Melodien und erfrischenden Arrangements. 
Britell vertonte mit „Cruella“ nicht nur auf bewegende Weise Disneys Realfilm-Prequel über die Kult-Bösewichtin Cruella De Vil aus dem Animationsfilm „101 Dalmatiner“, sondern auch Adam McCays Medien-, Politik- und Gesellschaftssatire „Don’t Look Up“, aus deren Soundtrack hier die jazzig-peppige „End Credits Suite“ zu hören ist. 
Mit ihrem Soundtrack zum Dokumentarfilm „La Panthère Des Neiges“ begleiten Nick Cave und Warren Ellis den renommierten Naturfotografen Vincent Munier und den Abenteurer und Romanautor Sylvain Tesson („Dans les forêts de Sibérie“) auf das tibetische Plateau, wo sie seltene Tiere und vor allem den Schneeleoparden zu finden hofften. 
„Es gibt etwas im Herzen dieses Films, das dich anzieht. Nach einem Tag wurde mir klar, dass ich alles tun wollte, um eine komplette Originalpartitur zu komponieren. Der Film verdiente es, seine eigene musikalische Stimme zu haben“, blickt Ellis auf die Arbeit an „La Panthère Des Neiges“ zurück. „Ich buchte fünf Tage und fragte Nick, ob er für einen Tag kommen könnte, um einen Titelsong zu schreiben und Klavier zu spielen. Er sah den Film und blieb vier Tage. Am Ende haben wir das gemacht, was ich für einen der schönsten Filme halte, an denen wir je gearbeitet haben. Die Stars sind die Tiere in all ihrer wilden Pracht, wie wir sie noch nie zuvor gesehen haben, und der Mensch in Ehrfurcht und Staunen.“ 
Der britische Radiohead-Musiker Jonny Greenwood hat sich durch seine erste Zusammenarbeit mit dem gefeierten Filmemacher Paul Thomas Anderson bei „There Will Be Blood“ (2007) gleich Gehör verschaffen können und in der Folge auch Andersons Filme „The Master“, „Inherent Vice“ und „Der seidene Faden“ vertont. In den vergangenen vier Jahren blieb es um Greenwood allerdings ungewöhnlich ruhig, ehe er sich im vergangenen Jahr mit gleich drei bemerkenswerten Arbeiten zurückmeldete. Neben Andersons neuen Film „Licorice Pizze“ vertonte er Pablo Larraíns biografisches Drama „Spencer“ über Lady Dis geplante Trennung von Prinz Charles sowie Jane Campions Western-Drama „The Power of the Dog“, mit mal sperrigen, mal lyrischen Klängen. 
Harry Gregson-Williams hat sowohl über Jahre hinweg mit Tony Scott (bis zu seinem Tod) als auch hin und wieder mit dessen Bruder Ridley Scott zusammengearbeitet. Nach Gregson-Williams‘ farbenfroher Partitur zu Scotts Historien-Epos „Königreich der Himmel“ (2005) arbeitete der Filmemacher mit Komponisten wie Marc Streitenfeld, Alberto Iglesias und Daniel Pemberton zusammen, ehe der Regisseur die Zusammenarbeit mit Gregson-Williams zu „Der Marsianer: Rettet Mark Watney“ (2015) wieder aufnahm. Im vergangenen Jahr realisierten sie sowohl das historische Action-Drama „The Last Duel“, wofür Gregson-Williams eine folkloristisch angehauchte, mit Chören verzierte Musik komponierte, als auch das überdrehte Mode-Krimi-Drama „House of Gucci“, das der Komponist mit flirrenden elektronischen Klängen unterlegte. 
Überhaupt sind in 2021 einige interessante elektronische Scores produziert worden. So vertonte Jim Williams mit Julia Ducournaus Thriller-Drama „Titane“ die Geschichte des Teilzeit-Showgirls und der Vollzeit-Killerin Alexia mit dunklen Industrial-Soundscapes und transzendenten klassischen Motiven, die die inneren Konflikte der nach einem Autounfall mit einer Titanium-Platte im Kopf versehenen Protagonistin ausdrucksstark vermitteln. Aber auch Anthony Scott Burns‘ Projekt Pilotpriest legt mit dem Soundtrack zu Christopher MacBrides Thriller-Drama „Flashback“ einen verstörend intensiven Score vor, der die Reise des Protagonisten Fred in sein Unterbewusstsein adäquat untermalt. 
„Für ,Flashback‘ hatte Regisseur Christopher MacBride eine sehr spezielle Palette und Stimmung für die Kompositionen, die er für diesen Film wollte“, meint Burns. „Wir arbeiteten sehr eng zusammen, saßen und diskutierten tagelang darüber, wie der Score modern, frisch, aber auch nostalgisch sein sollte – eine nuancierte Mischung aus Gegenwart und Vergangenheit. Er wollte auch, dass die Audio-Landschaft für seinen Protagonisten ziemlich fesselnd, emotional berührend und außerweltlich sein sollte. Nachdem ich die ersten Schnitte gesehen habe, wusste ich, dass der einzige Weg, zum Kern zu gelangen und das zu erreichen, was Chris wollte, zum Herz der Traurigkeit führen würde. Ich tauchte tief in persönliche Reflexionen und meine eigenen Erinnerungen an Verlust und Bedauern für diese Cues und verbrachte viele schlaflose Nächte damit, Soundscapes und spezielle Synthesizer Patches zu kreieren, um die klangliche Welt für Fred Fitzell zu gestalten, die ihn durch seine Entscheidungen navigiert.“ 
Mit eigenwilligen elektronischen Sounds überrascht auch Marc Canhams Score zu J Blakesons Thriller-Komödie „I Care a Lot“. Rosamund Pike spielt eine professionelle Betreuerin für alleinstehende Senioren, die sie allerdings mit ihrer Geschäftspartnerin und Liebhaberin gnadenlos ausnimmt. Als sie es mit der schwerreichen Jennifer Peterson (Dianne Wiest) zu tun bekommen, ahnen sie nicht, dass die alte, alleinstehende Dame Verbindungen zum knallharten Gangster Roman Lunyow (Peter Dinklage) unterhält, der den geschäftstüchtigen Frauen kräftig auf den Zahn fühlt. 
„Der anfängliche spielerische glänzende Stolz des Scores spiegelt den amerikanischen Traum wider und stellt die Realität schrecklicher Menschen gegenüber, die schreckliche Dinge auf der Leinwand tun. Während sich die Geschichte entwickelt, beginnt die Fassade des amerikanischen Traums zu bröckeln, lässt die weniger vorhersehbaren und unangenehmen Klänge entstehen, unterstreicht die böse Realität der Situation und bildet eine schwarzhumorige, aber brutale satirische Interpretation dieses gebrochenen Konzepts“, erklärt Canham. „Nach dem Dreh zog ich mich durch den Lockdown in mein Studio zurück, mit einer Reihe von Instrumenten und Lärm erzeugenden Maschinen, um die Partitur zu vervollständigen, die sich sorgfältig im Ton mit ihrer arpeggio-beladenen sardonischen Verspieltheit in einen atmosphärischen dunkleren Texturangriff durch den Film verwandelt.“ 
Das 2018 gegründete mysteriöse Projekt Glåsbird hat bereits einige geografisch basierte Klanginterpretationen abgeliefert und legt mit „Return to Sea and Sardinia“ einen ätherisch fesselnden Score voller feiner akustischer Tupfer vor. In seinem Dokumentarfilm folgt Regisseur Daniele Marzeddu den Pfaden, die der Schriftsteller D.H. Lawrence im Januar 1921 mit seiner Frau Frieda auf seiner Reise nach Sardinien einschlug und in seinem Reiseroman „Sea and Sardinia“ niederschrieb. 
Hans Zimmer erweist sich in seinen letzten Blockbuster-Produktionen einmal mehr als Meister seines Fachs. Seine erfolgreiche Zusammenarbeit mit Denis Villeneuve setzte er im vergangenen Jahr nach „Blade Runner 2049“ mit der Neuverfilmung von Frank Herberts Sci-Fi-Klassiker „Dune“ fort, wofür er gleich mehrere Soundtrack-Alben füllte, so inspiriert fühlte er sich von den atemberaubenden Welten, die Herbert und Villeneuve kreierten. Während Zimmer für „Dune“ großorchestrale Arrangements mit stark spiritueller Note schuf, die er mit neu erfundenen Instrumenten und Gesängen umsetzte, spielte er im James-Bond-Abenteuer „No Time to Die“ seinen Sinn für große Melodien einerseits und wuchtige Arrangements andererseits aus, verband die lange Tradition packender Action-Score für das Franchise mit neuen Elementen. Für das intime Netflix-Drama „The Unforgivable“ komponierte er aber mit seinem Kollegen David Fleming meist melancholisch ruhige Klänge. 

Playlist: 

1. Alexis Grapsas & Philip Klein - Hunting (Pig) - 04:03 
2. Alexandre Desplat - Simone, Naked, Cell Block-J Hobby Room (The French Dispatch) - 02:54 
3. Bryce Dessner & Aaron Dessner - Kids of New Orleans (C'mon C'mon) - 03:31 
4. Kris Bowers - The Plan (King Richard) - 03:12 
5. Nicholas Britell - I'm Cruella (Cruella) - 04:21 
6. Nicholas Britell - End Credits Suite (Don't Look Up) - 02:30 
7. Armand Amar - il part à sa recherche (Mystère) - 04:32 
8. Nick Cave & Warren Ellis - Des Affûts Elliptiques (La Panthère Des Neiges) - 03:08 
9. Jonny Greenwood - Licorice Pizza (Licorice Pizza) - 03:07 
10. Jonny Greenwood - New Currency (Spencer) - 02:34 
11. Jonny Greenwood - They Were Mine (The Power of the Dog) - 03:19 
12. Harry Gregson-Williams - Duel Preparations (The Last Duel) - 03:37
13. James Newton Howard - Running on Raindrops (Raya and the Last Dragon) - 02:11
14. Glåsbird - Ichnos (Return to Sea and Sardinia) - 04:40 
15. Nick Foster - A Woman with a Secret (Misha and the Wolves) - 04:10 
16. Emile Mosseri - Minari Suite (Minari) - 03:49 
17. Dan Romer - Meet Luca (Luca) - 04:09 
18. Steven Price - A Vision from the Past (Last Night In Soho) - 04:01 
19. Daniel Pemberton - The End of a Dream (Being the Ricardos) - 05:06 
20. Daniel Pemberton - Mosquito Bay (Welcome to Earth) - 04:32 
21. Daniel Pemberton - Practicing the Plan (The Rescue) - 05:57 
22. Pilotpriest - Try It (Flashback) - 04:24 
23. Jim Williams - End Credits (Titane) - 05:25 
24. Marc Canham - I Need Something (I Care a Lot) - 02:37 
25. Hans Zimmer - Visions of Chani (Dune) - 04:27 
26. Hans Zimmer & David Fleming - Sacrifice (The Unforgivable) - 02:06 
27. Hans Zimmer - Matera (No Time to Die) - 02:04 
28. Mark Isham - The Inflated Tear: Judy Has Questions (Judas and the Black Messiah) - 03:03 
29. Lorne Balfe - Trust the River (The Wheel of Time: Season 1, Vol. 1) - 02:42 
30. Ryuichi Sakamoto - Coda (Minamata) - 05:47 
31. Harry Gregson-Williams - Score Suite (House of Gucci) - 08:01

Samstag, 1. Januar 2022

Playlist #335 vom 02.01.2022 - PIERO PICCIONI Special

Piero Piccioni zählt zu den bekanntesten und produktivsten Jazz-Musiker und Filmkomponisten in Italien, der seit Beginn der 1950er Jahre über 170 Filmmusiken für namhafte Regisseure wie Luchino Visconti, Bernardo Bertolucci, Roberto Rossellini, Tinto Brass, Dino Risi und Lina Wertmüller schrieb. 
Gian Piero Piccioni
wurde am 6. Dezember 1921 in Turin als Sohn des Politikers Attilio Piccioni geboren und war ein klassischer Autodidakt. Seine musikalische Karriere begann er 1938 als Pianist in dem Jazzorchester 013 Big Band, gründete nach dem Ende des italienischen Faschismus 1944 seine eigene Band und wurde vor allem in römischen Nachtclubs bekannt. Dabei war er sowohl von klassischen Komponisten des 20. Jahrhunderts als auch amerikanischen Filmen beeinflusst. 
Zu seinen Lieblingskünstlern zählten Frank Capra, Alfred Hitchcock, Billy Wilder, John Ford und Alex North. Als er eigene Songs zu schreiben begann, konnte er einige davon bei dem italienischen, aber schon 1897 in Leipzig gegründeten Musikverlag Carisch veröffentlichten. 
Mit der Filmwelt in Rom kam er durch seine Tätigkeit als Anwalt in Kontakt, wobei er Filmrechte für italienische Verleiher wie Titanus und De Laurentiis sicherte. Zu dieser Zeit engagierte Michelangelo Antonioni den Komponisten, die Musik zu dem Dokumentarfilm eines seiner Schüler, Luigi Polidoro, beizusteuern. 
1952 schrieb Piccioni zu Gianni Franciolinis „Il Mondo le condanna“ die Musik zu seinem ersten Spielfilm, worauf er enge Arbeitsbeziehungen zu den Filmemachern Francesco Rosi und Alberto Sordi entwickelte. 1953 schrieb Piccioni negative Schlagzeilen, als er verdächtigt wurde, das 20-jährige Model Wilma Montesi an der römischen Küste ermordet zu haben, doch half ihm die Freundschaft zur Schauspielerin Alida Valli, die Affäre zu überstehen. Danach kehrte Piccioni wieder zur Musik zurück. 1959 wählte ihn Francesco Rosi aus, die Musik zu seinem zweiten Film „I Magliari“ zu schreiben, wofür er einen Jazz-Score haben wollte, dann heuerte er ihn auch für seinen nachfolgenden Film „Salvatore Giuliano“ (1962) an. 
Danach beauftragte der Regisseur Piccioni mit der Musik zu all seinen weiteren Filmen, von „Hands Over the City“ (1963) bis zu „Chronicle of a Death Foretold“, der 1979 in Kolumbien gedreht wurde. Piccionis melodischer Score für Rosis realistisches neapolitanisches Märchen „More than a Miracle“ (1967) mit Sophia Loren und Omar Sharif in den Hauptrollen wurde ein so großer Erfolg in den USA, dass der Soundtrack dort sogar in die Charts kam. 
Über die Jahre arbeitete Piccioni mit einer Vielzahl von Regisseuren wie Mario Monicelli, Alberto Lattuada, Luigi Comencini, Luchino Visconti, Antonio Pietrangeli, Bernardo Bertolucci, Roberto Rossellini, Vittorio De Sica, Tinto Brass, Dino Risi und anderen zusammen, dazu vertonte er Werke wie Lina Wertmüllers „Swept Away” und „Tutto A Posto Niente in Ordine“ (beide 1974), Mauro Bologninis „Il bell’Antonio“ (1960), Elio Petris „The 10th Victim“ mit Marcello Mastroianni und Ursula Andress (1965), so dass er am Ende seiner Karriere auf über 300 Soundtracks und Kompositionen für Film, Radio, Fernsehen, Ballett und Orchester kam. 
Piccioni verstarb am 23. Juli 2004 in Rom. 
 

Filmographie:

1953: Die von der Liebe leben (Il mondo le condanna) 
1954: Der Skandal (La spiaggia) 
1955: Yalis, la vergine del roncador 
1957: Die Spionin von Gibraltar (La donna che venne dal mare) 
1957: Guendalina 
1957: Il segreto della Sierra Dorada 
1957: Puppe mit Pfiff (Belle ma povere) 
1958: Marietto, Camilla und der liebe Gott (Ballerina e Buon Dio) 
1958: Nata di marzo 
1958: Sommererzählungen (Racconti d'estate) 
1958: Sturm im Osten (La tempesta) 
1959: Auf St. Pauli ist der Teufel los (I magliari) 
1959: Avventura a Capri 
1959: Brevi amori a Palma di Majorca 
1959: I ragazzi dei Parioli 
1959: I tartassati 
1959: Wir von der Straße (La notte brava) 
1960: Adua und ihre Gefährtinnen (Adua e le compagne) 
1960: Bel Antonio (Il bell'Antonio) 
1960: Der Bucklige von Rom (Il gobbo) 
1960: Die Schwedinnen (Le svedesi) 
1960: Die Welt bei Nacht (Il mondo di notte, Dokumention) 
1960: L'impiegato 
1960: Süße Begierde (Dolci inganni) 
1960: Via Margutta 
1960: Wenn das Leben lockt (La giornata balorda) 
1961: Attraktionen aus aller Welt (Il mondo di notte numero 2, Dokumentation) 
1961: Auf Ihr Wohl, Herr Interpol! (Mani in alto) 
1961: Bevor das Licht verlöscht (L'imprevisto) 
1961: Das Haus in der Via Roma (La viaccia) 
1961: I due marescialli 
1961: Nackt jeden Abend (Gioventù di notte) 
1961: Romulus und Remus (Romolo e Remo) 
1961: Trauen Sie Alfredo einen Mord zu? (L'assassino) 
1962: Congo Vivo 
1962: Der Sohn des Spartakus (Il figlio di Spartacus) 
1962: Gli anni ruggenti 
1962: Hörig (Senilità) 
1962: La città prigioniera 
1962: La commare secca 
1962: Lo smemorato di Collegno 
1962: Mafioso 
1962: Schwarze Seele (Anima nera) 
1962: Totò diabolicus 
1962: Una tragedia americana (TV-Mini-Serie) 
1962: Una vita violenta 
1962: Wer erschoss Salvatore G.? (Salvatore Giuliano) 
1963: Amore in Stockholm (Il diavolo) 
1963: Das Mädchen aus Parma (La parmigiana) 
1963: Die Verachtung (Le mépris, italienische und spanische Version) 
1963: Hände über der Stadt (Le mani sulla città) 
1963: Il boom 
1963: Il demonio 
1963: Il giorno più corto 
1963: Il terrorista 
1963: Schlüssel zum siebten Himmel (L'attico) 
1963: Versuchung in Liebe (Un tentativo sentimentale) 
1963: Wer arbeitet, ist verloren (Chi lavora è perduto) 
1964: Drei Liebesnächte (3 notti d'amore, Segment „La moglie bambina“) 
1964: Il disco volante 
1964: La donna è una cosa meravigliosa (Segment „Una donna dolce, dolce“) 
1964: La vita agra 
1964: Minnesota Clay 
1964: Zwischenlandung Düsseldorf (Tre per una rapina) 
1965: Augenblick der Wahrheit (Il momento della verità) 
1965: Das 10. Opfer (La decima vittima) 
1965: Die drei Gesichter einer Frau (I tre volti) 
1965: Ich habe sie gut gekannt (Io la conoscevo bene) 
1965: La figlia del capitano (TV-Mini-Serie) 
1965: Liebe im Zwielicht (La fuga) 
1965: Once Upon a Tractor (Kurzfilm) 
1965: Vollmacht für Jack Clifton (Agente 077 dall'oriente con furore) 
1965: La corde au cou 
1966: Aktion Todesmole 83 (MMM 83 - Missione Morte Molo 83) 
1966: Fumo di Londra 
1966: Jagt den Fuchs (Italian version) 
1966: Scusi, lei è favorevole o contrario? 
1966: Unsere Ehemänner (I nostri mariti, Segment „Il marito di Roberta“) 
1967: Der Fremde (Lo straniero) 
1967: Hexen von heute (Le streghe, Segmente „Strega bruciata viva, La“, „Senso civico“, „Siciliana, La“, „Sera come le altre, Una“) 
1967: Matchless 
1967: Null Uhr 7 kommt John Harris (Qualcuno ha tradito) 
1967: Schöne Isabella (C'era una volta) 
1967: Ti ho sposato per allegria 
1967: Un italiano in America 
1968: Bora Bora 
1968: Capriccio all'italiana (Segment „Perchè?“) 
1968: Django spricht kein Vaterunser (Quel caldo maledetto giorno di fuoco) 
1968: Fedra West 
1968: I giovani tigri 
1968: Il medico della mutua 
1968: Keine Rosen für OSS 117 (Niente rose per OSS 117) 
1968: Kenner 
1968: La moglie giapponese 
1968: L'Italia vista dal cielo: Emila Romagna e Marche (Dokumentation) 
1968: Sartana - Bete um deinen Tod (Se incontri Sartana prega per la tua morte) 
1969: Addio Alexandra 
1969: Amore mio aiutami 
1969: Die Brüder Karamasow (I fratelli Karamazov, TV-Mini-Serie) 
1969: Giovinezza giovinezza 
1969: Il Prof. Dott. Guido Tersilli primario della Clinica Villa Celeste convenzionata con le mutue 1969: Indianápolis (Kurz-Dokumentation) 
1969: Inghilterra nuda (Dokumentation) 
1969: Kameliendame 2000 (Camille 2000) 
1969: Le altre 
1969: Libido - Das große Lexikon der Lust (Le 10 meraviglie dell'amore) 
1969: Playgirl 70 
1969: Scacco alla regina 
1969: Temptation 
1969: Toh è morta la nonna! 
1970: Bataillon der Verlorenen (Uomini contro) 
1970: Ciao Gulliver 
1970: Colpo rovente 
1970: Contestazione generale 
1970: Die Höllenhunde (The Deserter) 
1970: Die Ratten von Amsterdam (Puppet on a Chain) 
1970: Fermate il mondo... voglio scendere! 
1970: Il presidente del Borgorosso Football Club 
1970: Le coppie (Segment „La camera“) 
1970: L'Italia vista dal cielo: Sicilia (Kurz-Dokumentation) 
1971: Bello onesto emigrato Australia sposerebbe compaesana illibata 
1971: Das Antlitz des Todes (El ojo del huracán) 
1971: Das Licht am Ende der Welt (The Light at the Edge of the World) 
1971: Im Rausch der Sinne (Fieras sin jaula) 
1971: In nome del padre, del figlio e della Colt 
1971: La primera entrega 
1971: L'Italia vista dal cielo: Toscana (Dokumentation) 
1971: Marta 
1971: Senza via d'uscita 
1972: Der Fall Mattei (Il caso Mattei) 
1972: Der Mönch und die Frauen (Le moine) 
1972: Dialoghi dell'acciaio (Kurz-Dokumentation) 
1972: I Nicotera (TV Mini Series) 
1972: Jack el destripador de Londres 
1972: Judas... ¡toma tus monedas! 
1972: La casa de las muertas vivientes 
1972: Les évasions célèbres (Fernseh-Serie, 1 Episode) 
1972: Mimi - in seiner Ehre gekränkt (Mimì metallurgico ferito nell'onore) 
1972: Teuflisches Spiel (Lo scopone scientifico) 
1973: Anastasia mio fratello 
1973: Der Nonnenspiegel (Storia di una monaca di clausura) 
1973: Die Nonne von Verona (Le monache di Sant'Arcangelo) 
1973: Il giustiziere di Dio 
1973: L'Italia vista dal cielo: Lombardia (Kurz-Dokumentation) 
1973: Lucky Lucian (Lucky Luciano) 
1973: No encontré rosas para mi madre 
1973: Polvere di stelle 
1973: Un modo di essere donna 
1973: Una colt in mano al diavolo 
1973: Zahl und stirb (Sei bounty killers per una strage) 
1974: Anna Karenina (TV-Mini-Serie) 
1974: Appassionata - Erstes Verlangen (Appassionata) 
1974: Finché c'è guerra c'è speranza 
1974: Hingerissen von einem ungewöhnlichen Schicksal im azurblauen Meer im August (Travolti da un insolito destino nell'azzurro mare d'agosto) 
1974: Il bacio 
1974: Il dio sotto la pelle (Dokumentation) 
1974: In den Händen des Entführers (Fatevi vivi, la polizia non interverrà) 
1974: Operation gelungen - Patient tot (Tutto a posto e niente in ordine) 
1975: Fratello mare (Dokumentation) 
1975: L'Italia vista dal cielo: Lazio (Dokumentation) 
1976: Chi dice donna dice donna 
1976: Die Macht und ihr Preis (Cadaveri eccellenti) 
1976: Il comune senso del pudore 
1976: Quelle strane occasioni 
1976: Warum bellt Herr Bobikow? (Cuore di cane) 
1977: I vizi morbosi di una governante 
1977: La villa (TV-Mini-Serie) 
1977: Per questa notte 
1977-1978: Il Passatore (TV-Mini-Serie) 
1978: Der Zeuge (Le témoin) 
1978: Professor Kranz tedesco di Germania 
1979: Christus kam nur bis Eboli (Cristo si è fermato a Eboli) 
1979: Der eingebildete Kranke (Il malato immaginario) 
1979: Eine total verrückte Kompanie (Riavanti... Marsch!) 
1979: Paura sul mondo (TV-Mini-Serie) 
1979: Storia di un italiano (TV Series Dokumentation) 
1980: Ein Bankangestellter in Nöten 
1980: Ich und Katharina (Io e Caterina) 
1981: Drei Brüder (Tre fratelli) 
1981: I giochi del diavolo (TV-Mini-Serie) 
1981: Pierino medico della SAUB 
1982: Die doppelte Falle (La trappola originale, TV-Mini-Serie) 
1982: Ich weiß, dass du weißt, dass ich weiß (Io so che tu sai che io so) 
1982: In viaggio con papà 
1982: Tödliche Abrechnung (Fighting Back) 
1983: Il tassinaro 
1984: Ab in den Knast (Tutti dentro) 
1984: La stagione delle piogge (Fernsehfilm) 
1985: Quo Vadis? (TV-Mini-Serie) 
1985: Sono un fenomeno paranormale 
1987: Chronik eines angekündigten Todes (Cronaca di una morte annunciata) 
1987: Un tassinaro a New York 
1989: 12 registi per 12 città (Dokumentation, Segment „Genova“) 
1989: Comprarsi la vita (Fernsehfilm) 
1990: Ein Kind mit Namen Jesus (Un bambino di nome Gesù, Fernsehfilm) 
1990: L'avaro 
1993: Assolto per aver commesso il fatto 
1993: Ci sarà un giorno (Il giovane Pertini) (Fernsehfilm) 
1993: Yes It Is (Short) 
1994: Nestore l'ultima corsa 
1998: Incontri proibiti  

Playlist:

1. Piero Piccioni - Stile Galante (L'Avaro) - 03:12 
2. Piero Piccioni - Seq. 12 (Bella ma povere) - 03:04 
3. Piero Piccioni - Las Vegas (Il monde di notte) - 03:10 
4. Piero Piccioni - La Lupa (Romolo E Remo) - 03:30 
5. Piero Piccioni - Theme Song (Una vita violenta) - 02:41 
6. Piero Piccioni - Nuovo Spleen Economico (Il Boom) - 05:20 
7. Piero Piccioni - Waves Out Of the Moon (Il Disprezzo) - 03:31 
8. Piero Piccioni - Seq. 9 (Il Terrorista) - 05:07 
9. Piero Piccioni - Quebrada (Mafioso) - 03:06 
10. Piero Piccioni - Scorpio in libra (To Bed or Not to Bed) - 04:01 
11. Piero Piccioni - Dea di un sogno (Un tentativo sentimentale) - 04:24 
12. Piero Piccioni - Love Theme (The 10th Victim) - 03:23 
13. Piero Piccioni - Madrugada (La Vita Agra) - 03:49 
14. Piero Piccioni - Sola (La Fuga) - 05:04 
15. Piero Piccioni - Shake - Final (Le Streghe) - 03:09 
16. Piero Piccioni - Per Noi Due Soli [Love Theme] (Scusi, Lei e' Favorevole o Contrario?) - 04:24 
17. Piero Piccioni - End Title (More Than a Miracle) - 05:23 
18. Piero Piccioni - Walk Song [instr. Version #4] (Un italiano in America) - 03:54 
19. Piero Piccioni - Magic of Tahiti (Bora Bora) - 02:06 
20. Piero Piccioni - Mexican Border (Se Incontri Sartana Prega Per La Tua Morte) - 03:35 
21. Piero Piccioni - Charms (Camille 2000) - 03:14 
22. Piero Piccioni - China Town Drugs (Colpo Rovente) - 03:21 
23. Piero Piccioni - Kenner Wakes Up and Remembers - Nocturne (Kenner) - 03:28 
24. Piero Piccioni - Shake, Pt. 4 (Playgirl '70) - 03:03 
25. Piero Piccioni - Maryanne on Shore (Le Coppie) - 03:51 
26. Piero Piccioni - Psychedelic Mood (Puppet On A Chain) - 02:22 
27. Piero Piccioni - The Light [Discovering the Island] (The Light at the Edge of the World) - 04:54 
28. Piero Piccioni - Altri Legami Piu Tenui (Appassionata) - 04:52 
29. Piero Piccioni - St. Francis in Katmandu (Il Dio Sotto La Pelle) - 03:41 
30. Piero Piccioni - Spirale D'Amore (Travolti Da Un Insolito Destino Nell'Azzurro Mare D'Agosto) - 02:51 
31. Piero Piccioni - Suite drammatica (Le monarche di Sant'Arcangelo) - 03:21 
32. Piero Piccioni - Finale (Un modo di essare donna) - 04:46

Sonntag, 12. Dezember 2021

Playlist #334 vom 19.12.2021 - POPOL VUH Special

Neben Can, Neu! und Amon Düül II zählt die 1969 von Florian Fricke in München gegründete Band Popol Vuh zu den Aushängeschildern des Krautrock, doch hat gerade die starke Betonung von New-Age-Klängen und Weltmusik-Einflüssen dazu geführt, diese Zuordnung schwierig zu gestalten. Fricke selbst verwendete für seine Musik eher Begriffe wie Lyrik-Rock, Magic Music oder Cosmic Space Rock. Mit den jüngst veröffentlichten Boxen der „Essential Album Collection“ auf Vinyl und CD ist das Interesse an Popol Vuh wieder neu entfacht worden. 
Florian Fricke wurde am 23. Februar 1944 in Lindau geboren und hatte schon als Kind begonnen, Klavier zu spielen. Später studierte er Klavier, Komposition und Dirigieren an den Musikhochschulen in Freiburg und München, fand aber auch Gefallen am Film. So schrieb er Film- und Musikkritiken für den „Spiegel“ und die „Neue Zürcher Zeitung“. 
Bedeutend für seine weitere Karriere wurde die Begegnung mit dem Filmemacher Werner Herzog um das Jahr 1967 herum. Nachdem Fricke in Herzogs Spielfilmdebüt „Lebenszeichen“ eine Rolle gespielt hatte, schrieb er nämlich ab 1971 auch die Musik zu Herzogs Filmen „Aguirre, der Zorn Gottes“, „Herz aus Glas“, „Fitzcarraldo“, „Nosferatu – Phantom der Nacht“ und „Cobra Verde“
Fricke hatte 1969 einen fast unerschwinglich teuren Moog-III-Synthesizer erworben und war fasziniert davon, wie die mit dem Gerät erzeugte Musik „die Empfindungsmöglichkeiten des Menschen“ umfasse. Zusammen mit dem Maler, Bildhauer und Percussion-Spieler Holger Trülzsch und dem Sounddesigner und Kameramann Frank Fiedler gründete er 1970 die nach der Schöpfungsgeschichte der Maya benannte Band Popol Vuh
In ihrer Musik verwendeten Popol Vuh oft christliche und mystische Motive, schufen eine mit exotischen Instrumenten und internationalen Sängerinnen verfeinerte Mixtur aus Rock und New-Age-Klängen, die oft als World Music bezeichnet wurde, die die Band selbst aber eher mit Begriffen wie Magic Music, Love Music und Cosmic Space Rock versah. 
Bei Liberty Records, dem Label der Krautrock-Kollegen Amon Düül II und Can, erschien 1970 mit „Affenstunde“ nicht nur das von Gerhard Augustin produzierte Debüt-Album von Popol Vuh, sondern auch das erste Album überhaupt, das fast gänzlich mit einem Moog-III-Synthesizer entstand und um Percussion-Elemente erweitert wurde, um die spirituelle Note der Musik zu erhöhen. 
Das zweite Album „In den Gärten Pharaohs“ (1971) wurde zur Hälfte live in einer Kirche eingespielt, für das nachfolgende Werk „Hosianna Mantra“ (1972) stießen Conny Veit und die koreanische Sängerin Djong Yun zur Stammbesetzung. Yun war auch wieder auf dem übernächsten Album „Einsjäger & Siebenjäger“ (1975) vertreten.
In den produktiven 1970er und frühen 1980er Jahren entstanden auch die Soundtracks zu den Werner-Herzog-Filmen „Aguirre, der Zorn Gottes“ (1975), „Herz aus Glas“ (1977), „Nosferatu – Phantom der Nacht“ (1978), „Fitzcarraldo“ (1982) und „Cobra Verde“ (1987). Charakteristisch für die Aufnahmen aus dieser Zeit ist die Verwendung einer extra angefertigten Choir Organ, einem Mellotron-ähnlichen Vorläuferinstrument späterer Sampler, mit dem durch Tapetechnik Chorstimmen oder Orchesterklänge in den Klang der Band integriert werden konnten.  
Fricke arbeitete aber auch mit anderen Künstlern zusammen, so war er 1972 auf dem Album „Zeit“ von Tangerine Dream zu hören und musizierte mit Renate Knaup von Amon Düül II. Gemeinsam mit Daniel Fichelscher (der auch bei Popol Vuh und Amon Düül II mitwirkte) unterhielt Fricke 1973 bis 1974 die Band Gila und realisierte darüber hinaus verschiedentliche Solo-Projekte, u. a. 1992 eine Einspielung von Mozart-Kompositionen, die auf dem Album „Plays Mozart“ vereint wurden. 
Fricke widmete sich seit Ende der 1970er Jahre auch intensiv der Musiktherapie bzw. der Klangtherapie. Aus Versatzstücken aus Yoga und tibetischem Gesang entwickelte er eine eigene Therapieform, die er „Alphabet des Körpers“ nannte. 
Ab 1983 trat Popol Vuh in den Schatten des auf zahlreichen Weltreisen stattfindenden Filmschaffens von Fricke und Fiedler, weshalb zwar noch regelmäßig, aber nicht mehr so häufig Alben veröffentlicht wurden. Mitte der 1990er-Jahre meldeten sich Popol Vuh mit „City Raga“ (unter Verwendung von Stimmaufnahmen der Atemtherapeutin Maya Rose) zurück.
In die Arbeit der 1990er-Jahre flossen nun auch aktuelle Musikströmungen aus dem Techno-Bereich mit ein. Neben Fricke und Fiedler war zeitweise Guido Hieronymus an den Studiosession beteiligt. 1999 erschien das letzte Album „Messa di Orfei“
Als Florian Fricke 2001 nach einem Schlaganfall verstirbt, war zwar die Geschichte von Popol Vuh zu Ende erzählt, doch hält der Einfluss der Band bis heute an, wie die 2011 veröffentlichte Compilation „Revisited & Remixed“ dokumentiert, auf der neben neu abgemischten Versionen von Stücken aus allen Schaffensphasen Remixe von bekannten DJs wie Peter Kruder, Thomas Fehlmann, Mouse On Mars und Stereolab enthalten sind. 
 

Diskographie: 

1970: Affenstunde 
1971: In den Gärten Pharaos 
1972: Hosianna Mantra 
1973: Seligpreisung 
1974: Einsjäger & Siebenjäger 
1975: Das Hohelied Salomos 
1975: Aguirre (Soundtrack) 
1976: Letzte Tage - letzte Nächte 
1976: Yoga 
1977: Herz aus Glas - Cœur de verre (Soundtrack) 
1978: Brüder des Schattens, Söhne des Lichts – Nosferatu (Soundtrack) 
1979: Die Nacht der Seele - Tantric Songs 
1981: Sei still, wisse ICH BIN 
1982: Fitzcarraldo (Soundtrack) 
1983: Agape Agape - Love Love 
1985: Spirit Of Peace 
1987: Cobra Verde (Soundtrack) 
1991: For You and Me 
1991: Plays Mozart 
1994: City Raga 
1997: Shepherd's Symphony 
1999: Messa di Orfeo 
2015: Kailash

Playlist: 

1. Popol Vuh - Aguirre I [L'acrime di rei] (Aguirre - Der Zorn Gottes) - 07:24 
2. Popol Vuh - Brüder des Schattens (Nosferatu) - 05:45 
3. Popol Vuh - Wehe Khorazin (Fitzcarraldo) - 05:34 
4. Popol Vuh - Grab der Mutter (Cobra Verde) - 04:31 
5. Popol Vuh - Ich mache einen Spiegel - Dream Part 5 (Affenstunde) - 04:41 
6. Popol Vuh - Abschied (Hosianna Mantra) - 03:14 
7. Popol Vuh - Tanz der Chassidim (Seligpreisung) - 03:18 
8. Popol Vuh - Wo bist Du? (Einsjäger & Siebenjäger) - 05:42 
9. Popol Vuh - Der Winter ist vorbei (Das Hohelied Salomons) - 03:43 
10. Popol Vuh - Oh wie nah ist der Weg hinab (Letzte Tage - Letzte Nächte) - 04:08 
11. Popol Vuh - Yoga 1 [excerpt] (Yoga) - 03:48 
12. Popol Vuh - Wanderer durch die Nacht (Die Nacht der Seele - Tantric Songs) - 04:08 
13. Popol Vuh - For You and Me (For You and Me) - 05:27 
14. Popol Vuh - They Danced, They Laughed, As Of Old (Agape-Agape / Love-Love) - 04:52 
15. Popol Vuh - Song of the Earth (Spirit of Peace) - 08:19 
16. Popol Vuh - Om Mani Padme Hum 4 [Piano Version] (Cobra Verde) - 05:29 
17. Popol Vuh - Höre, der du wagst (Nosferatu) - 06:01 
18. Popol Vuh - Engel der Gegenwart (Herz aus Glas - Coeur de Verre) - 08:20 
19. Popol Vuh - Song of the High Mountains (Sing, for Song Drives Away the Wolves) - 06:22 
20. Popol Vuh - Shepherd's Dream (Shepherd's Symphony) - 04:16 
21. Popol Vuh - Heart of Glass [A Critical Mass Remix] (Revisited & Remixed 1970-1999) - 06:03 
22. Popol Vuh - Vuh (In den Gärten Pharaos) - 19:53

Mittwoch, 1. Dezember 2021

Playlist #333 vom 05.12.2021 - NEUHEITEN 2021 (8)

Große Namen, produktive Hollywood-Routiniers und interessante Newcomer gibt es auch in der achten Sendung in diesem Jahr bei der Vorstellung von Soundtrack-Neuheiten zu hören. Die große Gemeinde der Hans-Zimmer-Fans wird sich über die neue Extended Version seines Live-Album „The World of Hans Zimmer: A Symphonic Celebration“ mit Blu-ray ebenso freuen wie über seine neue, mit Steve Mazzaro eingespielte Arbeit zu „Army of Thieves“, seine ihm oft assistierenden Weggefährten Lorne Balfe und Steve Jablonsky sind genauso mit neuen Werken am Start wie die populären Komponisten Alberto Iglesias, Max Richter, Alexandre Desplat, Craig Armstrong, Rachel Portman und viele andere mehr. 
Der britische Drehbuchautor, Produzent und Regisseur Norman Stone hat bereits 2005 mit „C. S. Lewis: Beyond Narnia“ eine Dokumentation zum berühmten irischen Schriftsteller C. S. Lewis (1898-1963) präsentiert, nun hat er sich des Theaterstücks „The Most Reluctant Convert“ von Max McLean angenommen, um das Leben des Autors der „Chroniken von Narnia“ und der „Perelandra“-Trilogie von seiner harten Kindheit über seine Erlebnisse im Ersten Weltkrieg bis zu seinen einflussreichen Freundschaften in Oxford zu beschreiben und dabei die Wandlung vom überzeugten Atheisten zum produktiven Christen zu thematisieren. 
Craig Armstrong („Snowden“, „Am grünen Rand der Welt“) hat dazu gewohnt einfühlsame Klänge und Melodien gefunden, die das bewegte Leben des Freundes von J.R.R. Tolkien adäquat untermalt. 
Die Amazon-Original-Serie „The Wheel of Time“ basiert auf der Buchreihe von Robert Jordan und erzählt die Geschichte von Moiraine (Rosamund Pike), die durch die Begegnung mit fünf jungen Frauen und Männern eine gefährliche, weltumspannende Reise in Gang setzt. Lorne Balfe hat dieses dramatische Action-Abenteuer mit einer Vielzahl von exotischen Instrumenten vielfarbig musikalisch in Szene gesetzt, außerdem auch noch die Fernseh-Mini-Serie „Dopesick“ vertont, in der die Opium-Abhängigkeit in den USA aus den Blickwinkeln sowohl der Pharma-Industrie als auch der DEA und einer verzweifelten Gemeinschaft von Minenarbeitern in Virginia thematisiert. 
Unter der Regie von Reinaldo Marcus Green spielt Will Smith in „King Richard“ den Vater von Venus und Serena Williams, die er mit unnachgiebigem Einsatz an die Spitze der Damen-Tennis-Welt führt. Kris Bowers („Green Book“, „Bridgerton“, „Dear White People“), der mit Green bereits bei „Monsters and Men“ zusammengearbeitet hat, durfte bei der musikalischen Untermalung seinen Instinkten freien Lauf lassen. 
„Zu sehen, wie Richard und Oracene ihre Töchter Serena und Venus mit Liebe und Aufopferung unterstützen, hat mich nicht nur daran erinnert, dass so viele schwarze Familien und schwarze Eltern alles für ihre Kinder tun, sondern auch an meine eigenen Eltern. Auf ähnliche Weise wie Richard hat mein Vater, bevor ich geboren wurde, entschieden, dass ich Klavier spielen sollte, und meine Eltern suchten im ganzen Land nach den besten Musiklehrern. Als ich mein Können entwickelte, stand mein Vater in ständigem Kontakt mit all meinen Lehrern, um herauszufinden, wie ich mich weiterentwickeln könnte, und er saß hinter mir, wenn ich jeden Tag übte, von meiner Zeit als Vierjähriger bis zum Ende der High School“, blickt Kris Bowers zurück. 
„Durch die persönliche Beziehung habe ich mich mit der Geschichte des Films verbunden gefühlt. Ich beschloss, vor allem das Piano und das präparierte Piano zu verwenden. Außerdem wollte ich den Sound und das Gefühl von Tennis heraufbeschwören, also entschied ich, nur Streicher, Harfe, Piano, präpariertes Piano und Percussion zu verwenden, wobei das präparierte Piano und die Percussions während der Momente zum Einsatz kommen, wenn die Williams-Schwestern ihre Einzigartigkeit im von Weißen dominierten Sport demonstrieren.“ 
2019 veröffentlichte Sony Classical mit „The World of Hans Zimmer: A Symphonic Celebration“ eine großartige Aufnahme von Hans Zimmers Arbeiten, die im Wiener Konzerthaus vom ORF Vienna Radio Symphony Orchestra, den Neue Wiener Stimmen und etlichen Solisten wie der Sängerin Lisa Gerrard, der Cellistin Marie Spaemann, der Violinistin Rusanda Panfili und vielen anderen aufgeführt haben, darunter Suiten aus seinen Erfolgsfilmen „Gladiator“, „Hannibal“, „The Dark Night“, „The Da Vinci Code“, „Kung Fu Panda“, „König der Löwen“, „Inception“ und „Fluch der Karibik“. „Es gibt viele schreckliche Dinge, die man über Hollywood sagen kann, und alle sind sie wahr; aber die eine Sache, die man nicht davon trennen kann, ist, dass es mehr orchestrale Musik in Auftrag gibt als jede andere Institution, und zwar täglich, so dass sowohl orchestrale Musik als auch die Orchester selbst am Leben gehalten werden können. Der Stolz, den ich bei diesem Konzert empfinde und mit euch teile, ist weniger auf meine Musik zurückzuführen als auf die Meisterschaft und die Menschlichkeit der Musizierenden“, erklärt der berühmte Komponist im ausführlichen Booklet der Doppel-CD, die nun in der Extended Version im Digipak mit zusätzlicher Blu-ray veröffentlicht worden ist, auf der neben der Konzertaufnahme auch weitere Videos zum Alan-Walker-Remix von „Time“ (aus dem „Inception“-Soundtrack) und zu dem Konzert enthalten sind. 
„Ohne sie würde es nur Stille geben, und es ist eine Ehre, diese Stille durch die Exzellenz, Fähigkeit und Seele des Orchesters zu durchbrechen. Ich sehe Musik als autonome Sprache, die tiefer als die Noten geht, die auf Papier niedergeschrieben worden sind. Ein Score ist eine Blaupause, mehr nicht. Ein Architekt kann das unglaublichste Gebäude gestalten, das man sich vorstellen kann, aber das ist irrelevant, wenn niemand es baut.“ 
Nach dem Re-Release von „Sostiene Pereira“ veröffentlicht Caldera Records mit „Gli occhiali d’oro“ einen weiteren Score von Ennio Morricone, der mit Regisseur Giuliano Montaldo seit dessen Regiedebüt „Grand Slam“ (1967) in 40 Jahren an allen elf Filmen bis 2008 mitgewirkt hat. Der 1987 entstandene Film „Gli occhiali d’oro“ vereint mehrere Geschichten in sich, die des von Philippe Noiret gespielten Arztes, der so lange respektiert wird, wie er seine Homosexualität zu verbergen vermag, ebenso wie die eines jungen jüdischen Mannes (Rupert Everett), der die Bedrohung wahrnimmt, die Mussolini und Hitler im Italien der 1930er Jahre darstellen. Neben der Darstellung individueller Schicksale thematisiert Montaldos Drama die gemeinschaftliche Blindheit, die Art und Weise, wie intelligente, gebildete und sensible Bürger durch den Faschismus geködert wurden. Morricone hat eine einfühlsame, melancholische Musik mit mehreren Themen komponiert. 
Abgerundet wird die Sendung durch neue Musik aus Fernsehserien, die Max Richter („Invasion“), Bear McCreary („Masters of the Universe: Revelation“), Brian Tyler („Yellowstone“) und Gustavo Santaolalla („Narcos: Mexico“, „El Cid“) kreiert haben. 

Playlist: 

1. Craig Armstrong - The Supernatural (The Most Reluctant Convert) - 03:39 
2. Lorne Balfe - Moiraine Sedai (The Wheel of Time: The First Turn) - 04:09 
3. Daniel Pemberton - Last One (The Rescue) - 04:24 
4. Kris Bowers - Stafford (King Richard) - 03:52 
5. Max Richter - Listen to Your Voice (Invasion: Season 1) - 04:29 
6. Lorne Balfe - Give Us Something (Dopesick) - 04:56 
7. Ramin Djawadi - Across the Ocean of Time (Eternals) - 03:50 
8. Hans Zimmer - Hannibal: To Every Captive Soul [Live] (The World of Hans Zimmer) - 07:00 
9. Hans Zimmer & Steve Mazzaro - Longing For More (Army of Thieves) - 03:09 
10. Steve Jablonsky - Myth or Legend (Red Notice) - 04:08 
11. Rob Simonsen - Reconciliation (Ghostbusters: Afterlife) - 04:36 
12. Brian Tyler & Breton Vivian - Cowboys Don't Say Goodbye (Yellowstone: Season 4) - 04:05 
13. Bear McCreary - Arthur's Elegy (Call of Duty Vanguard) - 02:16 
14. Bear McCreary - Randor and Malena (Masters of the Universe: Revelation, Vol. 2) - 05:03 
15. Rachel Portman - Strong Opinions (Julia) - 04:12 
16. Ennio Morricone - Ultimo Dialogo (Gli Occhiali d'Oro) - 06:43 
17. Laurent Juillet - Perquisition (Mensonges) - 04:30 
18. Jonas Colstrup & Viktor Árnason - Endless Variables (It Is Not Over Yet) - 03:31 
19. Martin Todsharow - Trying Harder (Contra) - 03:23 
20. Vincent Stora - Final (Villa Caprice) - 03:07 
21. Jonny Greenwood - Press Call (Spencer) - 02:06 
22. Jonny Greenwood - So Soft (The Power of the Dog) - 03:03 
23. Alexandre Desplat - Obituary (The French Dispatch) - 03:30 
24. Gustavo Santaolalla - Fare Thee Well (Finch) - 04:24 
25. Gustavo Santaolalla - Misterio (El Cid: Themes and Inspirations) - 03:52 
26. Gustavo Santaolalla & Kevin Kiner - Charlotte's Web (Narcos: Mexico) - 03:24 
27. Jeff Beal - Ruby Kills Oswald (JFK Revisited: Looking Through the Looking Glass) - 06:10 
28. Alberto Iglesias - Maixabel (Maixabel) - 08:21

Dienstag, 16. November 2021

Playlist #332 vom 21.11.2021 - R.I.P. DEAN STOCKWELL (1936-2021)

Dean Stockwell zählte sicher nicht zu den großen Schauspielern in Hollywood, doch sein markantes Gesicht machte ihn bereits Mitte der 1940er Jahre zu einem Kinderstar, bevor er bis 2015 in mehr als 200 Film- und Fernsehproduktionen zu sehen war – u.a. in David Lynchs „Blue Velvet“ und „Dune – Der Wüstenplanet“, Robert Altmans „The Player“, Wim Wenders‘ „Paris, Texas“, William Friedkins „Leben und Sterben in L.A.“ und Francis Ford Coppolas „Der Regenmacher“. Dem deutschen Fernsehpublikum war Stockwell vor allem durch die Science-Fiction-Serie „Zurück in die Vergangenheit“ seit Anfang der 1990er Jahre ein Begriff. Nun starb der charismatische Darsteller im Alter von 85 Jahren in Ranchos de Taos, New Mexico eines natürlichen Todes. 
Robert Dean Stockwell wurde am 5. März 1936 in Los Angeles als Sohn des Schauspieler-Ehepaares Harry Stockwell und Elizabeth Veronica Stockwell geboren und war schon im Alter von sieben Jahren am Broadway, um schon als Kind eine Karriere als Schauspieler zu starten. Bereits 1945 war Stockwell in seiner ersten Hauptrolle im Hollywood-Musical „Urlaub in Hollywood“ neben Frank Sinatra und Gene Kelly zu sehen, zwei Jahre später als Filmsohn von Gregory Peck im Oscar-prämierten Drama „Tabu der Gerechten“, was ihm einen Golden Globe Award in der Kategorie Bester Jungschauspieler bescherte. Mit weiteren bedeutenden Rollen in der Krimikomödie „Das Lied vom dünnen Mann“ (1947), „Der Junge mit den grünen Haaren“ (1948) und der Rudyard-Kipling-Verfilmung von „Kim – Geheimdienst in Indien“ (1950) an der Seite von Errol Flynn avancierte Stockwell zu einem der erfolgreichsten Kinderschauspielern in Hollywood. 
1957 kehrte Stockwell als junger Erwachsener auf die Broadway-Bühne zurück, wo er in „Compulsion“ mit Roddy McDowall zu sehen war, dem er lebenslang als Freund verbunden blieb. Zwei Jahre später verkörperte Stockwell die Rolle des jugendlichen Mörders Judd Steiner in Richard Fleischers „Der Zwang zum Bösen“ auch auf der Leinwand, diesmal mit Orson Welles als sein Partner. Auf seine dazugehörige Auszeichnung in Cannes mit dem Darstellerpreis folgte drei Jahre später schon die nächste bei den Cannes-Filmfestspielen. Ebenso wie seine Kollegen aus Sidney Lumets Verfilmung von Eugene O’Neills „Long Day’s Journey Into Night“ (1962) - Ralph Richardson, Jason Robards und Katharine Hepburn – wurde er erneut für seine bemerkenswerte Darstellung prämiert. Danach wurde es etwas ruhiger um ihn. Stockwell war zwar in einigen Episoden von Fernsehserien wie „Dr. Kildare“, „Bonanza“, „Columbo“, „Die Straßen von San Francisco“, „FBI“, „Kobra, übernehmen Sie“, „Wo alle Wege enden“, „Police Story – Immer im Einsatz“, „Ein Sheriff in New York“, „Hart aber herzlich“ und „Das A-Team“ zu sehen, lebte dann aber einige Jahre als Hippie, freundete sich mit Neil Young und Dennis Hopper an und erwarb eine Lizenz als Immobilienmakler. 
Ein Anruf von Harry Dean Stanton bescherte Stockwell schließlich ein sehenswertes Comeback. In Wim Wenders‘ Road Movie „Paris, Texas“ (1984) spielte er den besorgten Bruder des von Harry Dean Stanton gespielten Travis Henderson. Darauf folgten etliche weitere prominente Nebenrollen in Blockbustern wie David Lynchs „Der Wüstenplanet“ (1984) und „Blue Velvet“ (1986), der Actionkomödie „Beverly Hills Cop II“ (1987) und Jonathan Demmes Krimi-Komödie „Die Mafiosi-Braut“ (1988), was ihm seine erste und einzige Oscar-Nominierung einbrachte. 
Stockwell spielte unter Francis Ford Coppola in „Tucker – Ein Mann und sein Traum“ (1988) und einen Richter in der John-Grisham-Verfilmung „Der Regenmacher“ (1997). 
Zwar spielte er zudem in Robert Altmans „The Player“ (1992), Wolfgang Petersens „Air Force One“ (1997) und Jonathan Demmes „Der Manchurian Kandidat“ (2004), doch dazwischen waren es eher Auftritte in Fernsehfilmen und Serien wie „Chicago Hope“, „Nowhere Man – Ohne Identität!“, „Der Polizeichef – Eis im Blut“, „Die Liebe muss verrückt sein“, „Zwei in der Tinte“ und „Ein Vater zum Küssen“, in denen Stockwell auftrat. 
In diesem Zusammenhang ist letztlich sein Erfolg in der Science-Fiction-Serie „Zurück in die Vergangenheit“ zu erwähnen, in der er mit Al den holografischen Sidekick von Scott Bakulas Hauptfigur verkörperte und dafür 1990 mit dem Golden Globe ausgezeichnet wurde. Außerdem erhielt er gleich vier Nominierungen für den Primetime Emmy. Weitere Serien-Engagements schlossen sich in den 2000er Jahren mit „J.A.G. – Im Auftrag der Ehre“ und „Battlestar Galactica“ an. 2015 stand Stockwell für den Kinofilm „Entertainment“ ein letztes Mal vor der Kamera. 
Zuvor erhielt er 1992 einen Stern auf dem Hollywood Walk of Fame.

Filmographie: 

1945: Die Entscheidung (The Valley of Decision) 
1945: Urlaub in Hollywood (Anchors Aweigh) 
1946: Das Vermächtnis (The Green Years) 
1946: Home, Sweet Homicide 
1947: The Romance of Rosy Ridge 
1947: Tabu der Gerechten (Gentleman’s Agreement) 
1947: Das Lied vom dünnen Mann (Song Of The Thin Man) 
1947: The Mighty McGurk 
1947: The Arnelo Affair 
1947: The Romance of Rosy Ridge 
1948: Deep Waters 
1948: Der Junge mit den grünen Haaren (The Boy with Green Hair) 
1949: Der geheime Garten (The Secret Garden) 
1949: Seemannslos (Down to the Sea in Ships) 
1950: Kim – Geheimdienst in Indien (Rudyard Kipling’s Kim) 
1950: Stars in My Crown 
1950: Wilde Jahre in Lawrenceville (The Happy Years) 
1951: Der große Zug nach Santa Fé (Cattle Drive) 
1956: Front Row Center (Fernsehserie, eine Folge)
1956: Matinee Theatre (Fernsehserie, vier Folge) 
1957: Schieß oder stirb! (Gun for a Cowan) 
1957: Climax! (Fernsehserie, eine Folge) 
1957: Men of Annapolis (Fernsehserie, eine Folge) 
1957-1961: Wagon Train (Fernsehserie, vier Folgen) 
1958: Cimarron City (Fernsehserie, eine Folge) 
1959: Playhouse 90 (Fernsehserie, eine Folge) 
1959: Johnny Staccato (Fernsehserie, eine Folge) 
1959: Buick-Electra Playhouse (Fernsehserie, eine Folge) 
1959: Der Zwang zum Bösen (Compulsion) 
1960: Checkmate (Fernsehserie, eine Folge) 
1960: Söhne und Liebhaber (Sons and Lovers) 
1961: Outlaws (Fernsehserie, eine Folge) 
1961: The Joke an the Valley (Fernsehfilm) 
1961: Bus Stop (Fernsehserie, eine Folge) 
1961: Unglaubliche Geschichten (The Twilight Zone, Fernsehserie, eine Folge) 
1961/1962: Alfred Hitchcock präsentiert (Fernsehserie, zwei Episoden) 
1962: Long Day’s Journey into Night 
1963: Preston & Preston (Fernsehserie, eine Folge) 
1964: The Eleventh Hour (Fernsehserie, eine Folge) 
1964: Stunde der Entscheidung (Kraft Suspense Theatre, Fernsehserie, eine Folge) 
1964: Amos Burke (Fernsehserie, eine Folge) 
1965: Irrwege der Leidenschaft (Rapture) 
1965: Dr. Kildare (Fernsehserie, sechs Episoden) 
1968: The Danny Thomas Hour (Fernsehserie, eine Folge) 
1968: Psych-Out 
1969: Bonanza (Fernsehserie, eine Episode) 
1970: Voodoo Child 
1971: The Last Movie 
1971: Mannix (Fernsehserie, eine Folge) 
1971: Paper Man (Fernsehfilm) 
1971: The Failing of Raymond (Fernsehfilm) 
1972: Columbo: Wenn der Eismann kommt (The Most Crucial Game; Fernsehfilm) 
1973: Der Werwolf von Washington (The Werewolf of Washington) 
1973/1975: Die Straßen von San Francisco (Fernsehserie, zwei Episoden) 
1974: The Pacific Connection 
1975: Columbo: Traumschiff des Todes (Troubled Waters; Fernsehfilm) 
1976: Won Ton Ton – der Hund, der Hollywood rettete (Won Ton Ton: The Dog Who Saved Hollywood) 
1976: Tracks 
1982: Alsino und der Condor (Alsino y el cóndor) 
1982: Flammen am Horizont (Wrong Is Right) 
1982: Hart aber herzlich (Fernsehserie, Folge: Eine mörderische Romanze) 
1983: Das A-Team (Fernsehserie, Folge: Wölfe in Uniform) 
1984: Paris, Texas 
1984: Der Wüstenplanet (Dune) 
1985: Leben und Sterben in L.A. (To Live and Die in L.A.) 
1985: Zeit der Vergeltung (The Legend of Billie Jean) 
1986: Blue Velvet 
1987: Der steinerne Garten (Gardens of Stone) 
1987: Der beste Spieler weit und breit: Sein größter Sieg (Kenny Rogers as The Gambler, Part III: The Legend Continues) 
1987: Beverly Hills Cop II 
1987: Banzai Runner 
1988: Die Mafiosi-Braut (Married to the Mob) 
1988: Tucker (Tucker: The Man and His Dream) 
1988: Wächter der Zukunft (The Time Guardian) 
1988: Mord ist ihr Hobby (Fernsehserie, eine Folge) 
1989: Eine teuflische Karriere (Limit Up) 
1989–1993: Zurück in die Vergangenheit (Quantum Leap, Fernsehserie, 97 Folgen) 
1990: Sandino 
1990: Catchfire 
1990: Flucht durch die Wüste (One Away) 
1991: General Custers letzte Schlacht (Son of the Morning Star) 
1992: The Player 
1994: Chasers – Zu sexy für den Knast (Chasers) 
1995: Stephen Kings Langoliers – Verschollen im Zeitloch (The Langoliers) 
1995: Nowhere Man – Ohne Identität! (Nowhere Man, Fernsehserie, Episode 9) 
1996: Mr. Wrong – Der Traummann wird zum Alptraum (Mr. Wrong) 
1996: Camp der Abenteuer (The Last Resort) 
1996: Naked Souls 
1996: Unabomber: The True Story (Fernsehfilm) 
1997: Ein Vater zum Küssen (The Tony Danza Show; Fernsehserie, 14 Folgen) 
1997: Air Force One 
1997: Midnight Blue 
1997: McHale’s Navy 
1997: L.A. Psycho 
1997: Anleitung zum Mord (Close to Danger, Fernsehfilm) 
1997: Zwei in der Tinte (Ink, Fernsehserie, eine Folge) 
1997: Der Regenmacher (The Rainmaker) 
1998: The Shadow Men 
1998: Sindbad – Die Schlacht der schwarzen Ritter (Sinbad: The Battle of the Dark Knights) 
1998: It’s True! (Fernsehserie, eine Folge) 
1999: Lost Memory (Water Damage) 
1999: Cold Feet (Fernsehserie, eine Folge) 
1999: The Drew Carey Show (Fernsehserie, eine Folge) 
1999: The Venice Project 
1999: Lost Memory – Water Damage 
1999: What Katy Did (Fernsehfilm) 
1999: Kraftprobe in den Bergen (Rites of Passage) 
1999: Der Todfeind (Restraining Order) 
2000: They Nest – Tödliche Brut (They Nest) 
2000: Batman of the Future – Der Joker kommt zurück (Video) 
2000: Gegen jeden Verdacht (In Pursuit) 
2000: The Flunky 
2001: The Quickie 
2001: CQ 
2001: Face to Face 
2001: Army Go Home! (Buffalo Soldiers) 
2002: Star Trek: Enterprise (Fernsehserie, eine Folge) 
2002: First Monday (Fernsehserie, drei Folgen) 
2002: Inferno 
2002: Stargate – Kommando SG-1 (Fernsehserie, eine Folge) 
2002–2004: J.A.G. – Im Auftrag der Ehre (JAG, Fernsehserie, elf Folgen) 
2005: American Black Beauty (Fernsehfilm) 
2004: Der Manchurian Kandidat (The Manchurian Candidate) 
2006–2009: Battlestar Galactica (Fernsehserie, 14 Folgen) 
2007: The Deal 
2008: The Nanny Express (Fernsehfilm) 
2008: The Dunwich Horror (Fernsehfilm) 
2009: Battlestar Galactica: The Plan 
2008: L.A. Crash (Crash, Fernsehserie, eine Folge) 
2013: Max Rose 
2013: C.O.G. 
2014: Enlisted (Fernsehserie, eine Folge) 
2014: Rusty Steal 
2014: Persecuted 
2014: Deep in the Darkness 
2014: Navy CIS: New Orleans (Fernsehserie, Folge Ein Sumpf aus Hass) 
2015: Entertainment 

Playlist: 

1. Angelo Badalamenti - Night Streets / Sandy and Jeffrey (Blue Velvet) - 03:37 
2. Elmer Bernstein - Staccato's Theme (Staccato) - 02:56 
3. John Williams - Theme from Checkmate (Checkmate) - 02:14 
4. Jerome Moross - Wagon Train (Wagon Train) - 03:08 
5. Jerry Goldsmith - Dr. Kildare (Dr. Kildare) - 02:06 
6. Jerry Goldsmith - Medical Story Suite (Police Story) - 07:12 
7. Patrick Williams - The Streets of San Francisco (The Streets of San Francisco) - 02:57 
8. Mike Post - Quantump Leap (Quantum Leap) - 03:02 
9. Ry Cooder - She's Leaving the Bank (Paris, Texas) - 06:03 
10. Craig Safan - Libby Worries (Son of the Morning Star) - 04:00 
11. Brian Eno - Prophecy Theme (Dune) - 04:21 
12. Harold Faltermeyer - Shoot Screens / Meet Dent and Cain (Beverly Hills Cop II) - 02:57 
13. Wang Chung - Every Big City (To Live And Die In L.A.) - 05:10 
14. Jerry Goldsmith - The Parachutes (Air Force One) - 05:24 
15. Elmer Bernstein - Donny (The Rainmaker) - 06:49 
16. Vladimir Horunzhy - Brian's Song (The Langoliers) - 06:21 
17. Mark Isham & Cindy O'Connor - The Other Woman (Crash) - 05:25 
18. Toto - Paul Meets Chani (Dune) - 03:05 
19. Rachel Portman - "I Am The Enemy, Major Marco" (The Manchurian Candidate) - 03:46 
20. Craig Safan - Last Goodbyes (Son of the Morning Star) - 03:52 
21. Bruce Broughton - Scuttlebutt's True (J.A.G.) - 04:30 
22. Bear McCreary - So Much Life (Battlestar Galactica - Season 4) - 05:01 
23. Joe Jackson - The Trial (Tucker) - 06:43 
24. Mark Isham & Cindy O'Connor - Interleaving (Crash) - 05:58 
25. Bear McCreary - Princes of the Universe (Battlestar Galactica: The Plan) - 03:58 
26. Wang Chung - City of the Angels (To Live And Die In L.A.) 09:17

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