Neben Ennio Morricone darf man John Williams getrost als größten noch lebenden Filmkomponisten bezeichnen. Der am 8. Februar 1932 in New Yorks Flushing geborene Komponist hat seit den 70er Jahren die Filmmusik geprägt wie kaum ein anderer. Weltberühmt sind seine Melodien, die er beispielsweise für Steven Spielberg („Der weiße Hai“, „Indiana Jones“), George Lucas („Star Wars“) oder die „Harry Potter“-Reihe geschaffen hat.
Als Sohn eines Orchestermusikers lernte der kleine John bereits im Alter von drei Jahren das Lesen von Noten. Nach dem Umzug seiner Familie von New York nach Los Angeles besuchte
Williams die UCLA und studierte bei
Mario Castelnuovo-Tedesco Komposition, nach Absolvierung seines Wehrdienstes bei der Air Force an der New Yorker Juilliard School bei
Rosina Lhévinne schließlich Klavier. Er arbeitete als Jazz-Pianist und veröffentlichte 1951 seine erste Klaviersonate.
Mit seinen Pianokünsten begann auch
Williams‘ Filmmusikkarriere. Nach dem 1956 begonnenen Engagement bei Columbia Pictures wechselte
John Williams zu 20th Century Fox, wo er die Klavierparts in den Kompositionen von
Franz Waxman und
Dimitri Tiomkin spielte und gelegentlich hier und da arrangierte, orchestrierte und komponierte.
Er schrieb ab 1958 zunächst Musik fürs US-amerikanische Fernsehen, für Western-Serien wie
„Wagon Train“, Komödienserien wie
„Gilligan’s Island“ und
„Bachelor Father“, ehe er mit
„Checkmate“ 1960 seinen bis dato größten Erfolg feiern durfte.
Williams komponierte nicht nur erstmals das Hauptthema zu einer Serie, es war auch die erste Veröffentlichung seiner Musik auf Schallplatte.
Nachdem
Williams mit
„The Killers“ seine erste Komposition für ein Fernsehspiel vorgelegt hatte, verpflichtete
Irwin Allen ihn für die Serie
„Lost In Space“, was den Beginn einer wegweisenden Zusammenarbeit bedeutete.
Denn seinen Durchbruch als Filmkomponist durfte
John Williams 1972 mit der Musik zu dem von
Allen produzierten Katastrophenfilm
„Die Höllenfahrt der Poseidon“ feiern.
Dabei war
Williams schon zuvor für Film und Fernsehen enorm produktiv gewesen. Seine Karriere als Filmkomponist begann
Williams überraschenderweise mit Komödien wie
„Bachelor Flat“ (1961),
„Gidget Goes To Rome“ (1963) oder
„How To Steal A Million“ (1966).
1969 folgte mit der sehr amerikanischen Musik zur
William-Faulkner-Verfilmung
„The Reivers“ ein erstes Meisterstück, viel Recherche-Aufwand betrieb
Williams dann für eine britische Adaption von
Brontës „Jane Eyre“, indem er einige Zeit in Yorkshire verbrachte, um sich mit der Gegend und der englischen Musik vertraut zu machen.
Berühmt wurde er schließlich mit der jeweils Oscar®-prämierten Musik zu
„Der weiße Hai“ (1975):
„Das Hai-Thema, ein stampfendes Ostinato, von tiefen Streichinstrumenten ausgeführt, gehört zu den berühmtesten Stücken der Filmmusik überhaupt“, meint Tony Thomas in „Filmmusik – Die großen Filmkomponisten – ihre Kunst und ihre Technik“ (Heyne, 1995, S. 362). „Wenn die Kamera sich ihren Weg durch das trübe Meer und die unruhigen Seegräser sucht, ist es die Musik, welche die Spannung aufbaut und den Zuschauer mit der Ahnung zu gewärtigenden Schreckens beunruhigt.“
Der nächste Höhepunkt in John Williams‘ Karriere ließ nicht lange auf sich warten. Im März 1977 nahm Williams mit dem London Symphony Orchestra den Soundtrack zu George Lucas‘ „Krieg der Sterne“ auf.
„Erst nach dem letzten Schnitt von
‚Krieg der Sterne‘ wurde deutlich, dass
Lucas einen Film geschaffen hatte, dem die notwendigen Kompromisse bei der Produktion kaum anzumerken waren. Er hatte eine Fantasie geschaffen, die filmisch so rein war, dass ihre epische Geschichte kaum auf Texte angewiesen war.
Williams zollte diesem Aspekt Tribut, indem er eine Filmmusik schuf, die die Geschichte des Films ganz unabhängig von den Bildern vermittelt. Ein ausschweifendes Thema leitete zu einer Reihe von Charaktermelodien und aussagekräftigen Einsätzen über, die sich an der Wagnerianischen Leitmotivtechnik von Komponisten wie
Franz Waxman und
Bernard Hermann orientierten“, resümiert Marcus Hearn in
„Das Kino des George Lucas“ (Schwarzkopf & Schwarzkopf, 2005, S. 109).
Die langjährige Zusammenarbeit zwischen
„Der weiße Hai“-Regisseur
Steven Spielberg und
John Williams begann 1974 mit
„Sugarland Express“. Seitdem komponierte
Williams mit Ausnahme von
„Die Farbe Lila“ alle Soundtracks zu
Spielbergs Filmen.
„Catch Me If You Can“ markierte 2002 die 20. Zusammenarbeit zwischen
Spielberg und
Williams und war die erste Musik des Komponisten für seinen Freund, in der er Jazz-Elemente verwendete.
„Die Abenteuer von Tim und Struppi“ stellte bereits das 25. gemeinsame Verwirklichen eines Filmprojekts dar, übrigens für beide der jeweils erste Animationsfilm.
Weitere Meilensteine in der Werksbiographie des Komponisten sind
„Schindlers Liste“, die ersten drei
„Harry Potter“-Filme und
„Die Geisha“.
2009 schrieb
Williams die mit einem Emmy ausgezeichnete Titelmusik zur TV-Serie
„Great Performances“. Mittlerweile komponiert
Williams weniger für die große Leinwand, als mit Orchestern Konzerte zu spielen. So waren seit 2006 nur drei Filmmusiken von ihm zu hören:
„Indiana Jones und das Königreich des Kristallschädels“ (2008),
„Die Abenteuer von Tim und Struppi – Das Geheimnis der Einhorn“ und ebenfalls für
Steven Spielberg die Musik zu
„Gefährten“ (beide 2011 und jeweils mit einer Oscar®-Nominierung bedacht).
Wie vielseitig
John Williams ist, bewies er allein im Jahre 2005, als er so unterschiedliche Scores wie die dramatische Musik zu
„Star Wars: Episode III“, die aufwühlende, teils gruselige Musik zu
Spielbergs Remake von
„Krieg der Welten“, die elegante Musik zu
„Die Geisha“ und die traurige Musik zu
„München“ schuf.
„Ich bin der Ansicht, dass es beim Schreiben von Filmmusik besonders darauf ankommt, eine musikalische Atmosphäre zu schaffen, die sich mit dem Film verbindet, und bis zu dem Grad, wie man einen persönlichen Stil oder eine eigene Sprache ausbilden kann, sollte man seine Vielfältigkeit treiben, um in seiner Laufbahn über eine bestimmte Manier hinauszugelangen“, fasste John Williams im Interview mit Tony Thomas sein Erfolgsrezept zusammen („Filmmusik – Die großen Filmkomponisten – ihre Kunst und ihre Technik“, Heyne, 1995, S. 363).
Sagenhafte 47 Oscar®-Nominierungen kann
John Williams bis heute aufweisen, zuletzt für die beiden
Steven-Spielberg-Filme
„Gefährten“ und
„Die Abenteuer von Tim und Struppi“. Gewonnen hat er die Trophäe bislang fünfmal, einmal in der Kategorie „Beste Musik (Adaption)“ für
„Anatevka“ (1971) und viermal in der Kategorie „Beste Musik (Original)“ für
„Der weiße Hai“ (1975),
„Krieg der Sterne“ (1977),
„E.T. – Der Außerirdische“ (1982) und
„Schindlers Liste“ (1993).
John Williams schrieb 2009 zur Vereidigung
Barack Obamas zum 44. Präsidenten der Vereinigten Staaten das Quartett
„Air and Simple Gifts“, das von
Itzhak Perlman (Geige),
Yo-Yo Ma (Cello),
Gabriela Montero (Klavier) und
Anthony McGill (Klarinette) aufgeführt wurde.
Darüber hinaus komponierte
Williams immer wieder die Fanfaren für Olympische Spiele, so u.a. für die Sommerspiele 1984 in Los Angeles oder die Winterspiele 2002 in Salt Lake City, die Erkennungsmelodie der amerikanischen Nachrichtensendung
NBC News und für das
DreamWorks SKG-Logo.
Filmographie (Auswahl):
1959: Daddy-O
1960: I Passed for White
1960: Because They’re Young
1961: Geheime Wege (The Secret Ways)
1961: Bachelor Flat
1962: Der König von Hawaii (Diamond Head)
1963: Gidget Goes To Rome
1966: Wie klaut man eine Million? (How to Steal a Million)
1966: None But The Brave
1966: The Time Tunnel
1966: Finger weg von meiner Frau! (Not With My Wife, You Don't!)
1966: Penelope
1966: The Plainsman
1966: The Rare Breed
1967: Das Tal der Puppen (Valley Of The Dolls)
1967: Fitzwilly
1967: A Guide For The Married Man
1968: Heidi (Heidi, TV)
1969: Goodbye, Mr. Chips (Goodbye, Mr. Chips)
1969: Daddy's Gone A-Hunting
1969: Der Gauner (The Reivers)
1970: Jane Eyre – Eine Frau kämpft um ihr Glück (Jane Eyre, TV)
1970: Story Of A Woman
1971: Anatevka (Fiddler On The Roof)
1972: Spiegelbilder (Images)
1972: Die Cowboys (The Cowboys)
1972: Die Höllenfahrt der Poseidon (The Poseidon Adventure)
1972: Pete 'n' Tillie
1973: Zapfenstreich (Cinderella Liberty)
1973: Der Tod kennt keine Wiederkehr (The Long Goodbye)
1973: Der Mann, der die Katzen tanzen ließ (The Man Who Loved Cat Dancing)
1973: The Paper Chase
1974: The Cowboys (TV-Serie)
1974: Sugarland Express (The Sugarland Express)
1974: Erdbeben (Earthquake)
1974: Flammendes Inferno (The Towering Inferno)
1974: Conrack
1975: Der weiße Hai (Jaws)
1975: Im Auftrag des Drachen (The Eiger Sanction)
1976: Schlacht um Midway (Midway)
1976: Familiengrab (Family Plot)
1976: Duell am Missouri (The Missouri Breaks)
1977: Unheimliche Begegnung der dritten Art (Close Encounters of the Third Kind)
1977: Star Wars: Episode IV – Eine neue Hoffnung (Star Wars: Episode IV – A New Hope)
1977: Schwarzer Sonntag (Black Sunday)
1978: Der weiße Hai 2 (Jaws 2)
1978: Teufelskreis Alpha (The Fury)
1978: Superman
1979: Dracula
1979: 1941 – Wo bitte geht’s nach Hollywood? (1941)
1980: Star Wars: Episode V – Das Imperium schlägt zurück (Star Wars: Episode V – The Empire Strikes Back)
1981: Heartbeeps
1981: Jäger des verlorenen Schatzes (Raiders Of The Lost Ark)
1982: E. T. – Der Außerirdische (E.T. The Extraterrestrial)
1982: Monsignor
1983: Star Wars: Episode VI – Die Rückkehr der Jedi-Ritter (Star Wars: Episode VI – Return Of The Jedi)
1984: Indiana Jones und der Tempel des Todes (Indiana Jones And The Temple Of Doom)
1984: Menschen am Fluß (The River)
1986: SpaceCamp
1987: Die Hexen von Eastwick (The Witches Of Eastwick)
1987: Das Reich der Sonne (Empire Of The Sun)
1988: Die Reisen des Mr. Leary (The Accidental Tourist)
1989: Indiana Jones und der letzte Kreuzzug (Indiana Jones And The Last Crusade)
1989: Geboren am 4. Juli (Born On The Fourth Of July)
1989: Always – Der Feuerengel von Montana (Always)
1990: Stanley & Iris (Stanley And Iris)
1990: Aus Mangel an Beweisen (Presumed Innocent)
1990: Kevin – Allein zu Haus (Home Alone)
1991: Hook (Hook)
1991: JFK – Tatort Dallas (JFK)
1992: Kevin – Allein in New York (Home Alone 2: Lost In New York)
1992: In einem fernen Land (Far And Away)
1993: Jurassic Park (Jurassic Park)
1993: Schindlers Liste (Schindler’s List)
1995: Sabrina (Sabrina)
1995: Nixon (Nixon)
1996: Sleepers (Sleepers)
1997: Rosewood (Rosewood)
1997: Vergessene Welt: Jurassic Park (Lost World – Jurassic Park)
1997: Sieben Jahre in Tibet (Seven Years In Tibet)
1997: Amistad (Amistad)
1998: Seite an Seite (Stepmom)
1998: Der Soldat James Ryan (Saving Private Ryan)
1999: Star Wars: Episode I – Die dunkle Bedrohung (Star Wars: Episode I – The Phantom Menace)
1999: Die Asche meiner Mutter (Angela’s Ashes)
1999: The Unfinished Journey
2000: Der Patriot (The Patriot)
2001: A. I. – Künstliche Intelligenz (A.I. – Artificial Intelligence)
2001: Harry Potter und der Stein der Weisen (Harry Potter And The Sorcerer’s Stone)
2002: Star Wars: Episode II – Angriff der Klonkrieger (Star Wars: Episode II – Attack Of The Clones)
2002: Minority Report (Minority Report)
2002: Harry Potter und die Kammer des Schreckens (Harry Potter And The Chamber Of Secrets)
2002: Catch Me If You Can (Catch Me If You Can)
2004: Harry Potter und der Gefangene von Askaban (Harry Potter And The Prisoner Of Azkaban)
2004: Terminal (The Terminal)
2005: Star Wars: Episode III – Die Rache der Sith (Star Wars: Episode III – The Revenge Of The Sith)
2005: Krieg der Welten (War Of The Worlds)
2005: Die Geisha (Memoirs of a Geisha)
2005: München (Munich)
2008: Indiana Jones und das Königreich des Kristallschädels (Indiana Jones and the Kingdom of the Crystal Skull)
2011: Die Abenteuer von Tim und Struppi – Das Geheimnis der Einhorn (The Adventures of Tintin)
2011: Gefährten (War Horse)
Playlist:
1
John Williams - Raider' March (
Indiana Jones) - 02:29
2
John Williams - Duel of the Fates (
Star Wars - Episode I) - 04:14
3
John Williams - The Chamber of Secrets (
Harry Potter and the Chamber of Secrets) - 03:49
4
John Williams - Dance Of the Witches (
The Witches of Eastwick) - 04:46
5
John Williams - Main Theme (
Jaws) - 02:16
6
John Williams - Adventures on Earth (
E.T.) - 10:57
7
John Williams - Becoming A Geisha (
Memoires Of A Geisha) - 04:52
8
John Williams - Catch Me If You Can (
Catch Me If You Can) - 02:41
9
John Williams - Journey To The Island (
Jurassic Park) - 08:51
10
John Williams - Theme From Angela's Ashes (
Die Asche meiner Mutter) - 06:18
11
John Williams - End Credits (
Stepmom) - 06:17
12
John Williams - A Happy Navorsky Ending! (
The Terminal) - 02:47
13
John Williams - Main Theme (
Hook) - 04:07
14
John Williams - End Credits (
Munich) - 04:06
15
John Williams - The Rebel Fleet, End Title (
Star Wars – Episode V) - 06:27
16
John Williams - Love Field: Dallas, November 1963 (
Nixon) - 04:51
17
John Williams - Prologue (
JFK) - 04:00
18
John Williams - The Early Days, Massapequa, 1957 (
Born On The 4th Of July) - 04:59
19
John Williams - Redcoats At The Farm And The Death Of Thomas (
The Patriot) - 04:58
20
John Williams - Sierra Leone, 1839 and The Capture Of Cinque (
Amistad) - 03:38
21
John Williams - End Credits (
Far And Away) - 06:39
22
John Williams - Main Title (
Superman) - 04:27
23
John Williams - Seven Years In Tibet (
Seven Years In Tibet) - 07:11
24
John Williams - Cadillac Of The Skies (
Empire Of The Sun) - 04:58
Share