Die 91. Verleihung der Academy Awards, die in der Nacht vom 24. Februar 2019 im Dolby Theatre in Los Angeles stattfand, sorgte schon im Vorfeld für einige Überraschungen, als beispielsweise der für die Moderation vorgesehene US-Komiker und Schauspieler Kevin Hart zwei Tage nach Bekanntgabe seiner Rolle wegen früherer homophober Aussagen absagte. Aber auch die Tatsache, dass die Netflix-Produktion „Roma“ als Oscar-Favorit gehandelt wurde, war der Academy sichtlich ein Dorn im Auge, schließlich fand Alfonso Cuaróns autobiografisches Drama weitgehend außerhalb der Kinosäle statt. Am Ende gewann „Roma“ bei zehn Nominierungen zwar immerhin drei Oscars in den Kategorien „Bester fremdsprachiger Film“, „Beste Regie“ und „Beste Kamera“, aber als „Bester Film“ wurde schließlich überraschend Peter Farrellys Roadmovie „Green Book“ gekürt, während der ebenfalls mit zehn Nominierungen hoch gehandelte Historienfilm „The Favourite – Intrigen und Irrsinn“ nur mit einem überraschenden Oscar für Olivia Colman als „Beste Hauptdarstellerin“ ausgezeichnet wurde.
Alfonso Cuarón schildert in dem schwarz-weiß gefilmten Drama
„Roma“ Ereignisse, die auf seine eigenen Jugenderfahrungen zurückgehen, und stellt das junge Kindermädchen Cleo (
Yalitza Aparicio) ins Zentrum einer Geschichte, die von großen politischen und persönlichen Veränderungen geprägt ist. Die stimmungsvolle Schwarz-Weiß-Fotografie verleiht dem poetischen Drama einen nostalgischen Charme, funktioniert aber auch als Brücke zwischen den geschilderten Einzelschicksalen und den politischen Ereignissen jener Zeit, die vor allem in den Studentenunruhen thematisiert werden, wobei Cleo in einem Möbelhaus beobachtet, wie ein junger Mann ganz in ihrer Nähe erschossen wird. In die unaufgeregten, in langen Kameraeinstellungen festgehaltenen Alltagsszenen webt
Cuarón immer wieder dramatische Elemente ein, so der Waldbrand während einer Silvesterfeier, Cleos Einlieferung ins Krankenhaus, nachdem vor zwei Stunden schon ihre Fruchtblase geplatzt war oder die Sequenz, als Cleo am Strand zwei von Sofias Kindern aus den Fluten retten muss. Die authentisch wirkenden Bilder vom Leben auf den Straßen in Mexiko-Stadt und die teilweise intimen Momente im Alltag der jungen indigenen Angestellten und ihrer weißen Arbeitgeber sorgen ebenso wie die eskalierende Gewalt bei dem Corpus-Christi-Massaker, bei dem mehr als hundert Studenten durch eine paramilitärische Gruppe getötet wurden, immer wieder für großartige Filmmomente, die auf einfühlsame Weise aber auch auf die Klassenunterschiede und den Zusammenhang von Klasse und ethnischer Herkunft thematisieren.
Für Diskussionsstoff sorgte auch die Entscheidung für
„Green Book“ als „Bester Film“, denn der sentimentale Versöhnungsanspruch der Geschichte um den begnadeten schwarzen Pianisten Dr. Don Shirley (
Mahershala Ali), der 1962 für eine Tournee den Italo-Amerikaner Tony Lip (
Viggo Mortensen) als Chauffeur engagiert und sich mit ihm während der langen Fahrt von New York bis in die amerikanischen Südstaaten langsam anfreundet, sorgte gerade bei Filmemacher
Spike Lee für Unverständnis. Er selbst war mit seiner biografischen Rassismus-Krimi-Satire
„BlackKklansman“ im Rennen um den Oscar u.a. für den besten Film und die beste Regie, gewann ihn aber immerhin für das beste adaptierte Drehbuch. Der Film erzählt die wahre Geschichte von Ron Stallworth (
John David Washington), der in den siebziger Jahren der erste Schwarze ist, der beim Polizeidepartment angenommen in Colorado Springs wird. Nach Undercover-Einsätzen bei Veranstaltungen der Black-Power-Bewegung kontaktiert er den Ku-Klux-Klan, bittet telefonisch um Aufnahme und wird tatsächlich Mitglied. Bei den örtlichen Treffen wird er von seinem jüdischen Kollegen Flip (
Adam Driver) vertreten, der dann die aus den Telefongesprächen bekannte Stimme imitiert. Bei ihren Ermittlungen stoßen sie auf einen Terroranschlag, den der lokale KKK-Ableger offenbar plant, wobei es Ron sogar gelingt, mit dem Neonazi David Duke (
Topher Grace) zu telefonieren, einem verdammt hohen Tier im Klan…
„Vor 400 Jahren wurden unsere Vorfahren aus Afrika geraubt. Vor der ganzen Welt erweise ich denen, die dieses Land aufgebaut haben, meine Ehre“, erklärte Spike Lee in seiner Dankesrede. „Die Präsidentschaftswahlen von 2020 sind nicht mehr weit. Wir müssen eine moralische Wahl zwischen Liebe und Hass treffen.“
Ansonsten verteilten sich die Academy Awards ungewöhnlich breit. Der Oscar für den besten Hauptdarsteller ging wie erwartet an den ägyptischstämmigen Amerikaner
Rami Malek für seine Rolle als
Freddie Mercury in
„Bohemian Rhapsody“ (der noch drei weitere Oscars für Schnitt, Ton und Tonschnitt erhielt). Den Oscar für die beste Hauptdarstellerin bekam die Britin
Olivia Colman für ihre Rolle in
„The Favourite“ überreicht, die damit die amerikanische Favoritin
Glenn Close (
„Die Frau des Nobelpreisträgers“) auf die Plätze verwies.
Die Nebenrollen-Oscars gingen an
Regina King (
„If Beale Street Could Talk“) und
Mahershala Ali. In einer stark von Afroamerikanern und anderen Minderheiten geprägten Zeremonie gewann der Schwede
Ludwig Göransson mit seiner afrikanisch geprägten Musik zum Marvel-Blockbuster
„Black Panther“ den Musik-Oscar.
„Nachdem ich das erste Mal das Skript gelesen habe, bin ich zur Recherche nach Afrika gereist. Ich war im Senegal, der im Westen liegt. Vor allem dort gibt es diese ganz besonderen afrikanischen Instrumente, wie die Sabar-Trommel, die einfach so eine tolle Energie versprüht, oder die Talking Drum. All die verschiedenen Rhythmen und Melodien, die ich geschrieben habe, stammen zum größten Teil aus der westafrikanischen Kultur. Im Senegal gibt es zwei bestimmte Völker: Das Volk der Wolof und die Fulbe, die beide zu den größten Stämmen in Westafrika gehören. Ein großer Teil der Filmmusik stammt von diesen zwei Kulturen“, erzählt der Komponist im Interview mit
filmstarts.de.
„Black Panther“ war nicht nur der erste Superheldenfilm unter den „Bester Film“-Kandidaten, sondern auch gleich noch der nach Zahlen erfolgreichste Film des letzten Jahres - mit einer stolzen Feier afrofuturistischer Utopien. Dazu gewann die
„Black Panther“-Ausstatterin
Hannah Beachler als erste Afroamerikanerin einen Oscar in der Produktionsdesign-Kategorie.
Die Oscar-Hoffnungen der deutschen Filmbranche wurden enttäuscht. In vier Kategorien waren Filmschaffende oder Produktionen aus Deutschland nominiert, gingen aber jeweils leer aus, wobei allein
Florian Henckel von Donnersmarcks „Werk ohne Autor“ in den Kategorien „Bester fremdsprachiger Film“ und „Beste Kamera“ nominiert gewesen waren.
In der heutigen Sendung werden all die nominierten (und prämierten) Filme, zu denen Soundtracks mit relevanten Instrumental-Anteilen veröffentlicht worden sind, noch einmal musikalisch vorgestellt. Dabei sind die Komponisten
Max Richter (
„Werk ohne Autor“, „Maria Stuart, Königin von Schottland“),
Marco Beltrami (
„Free Solo“, „A Quiet Place“),
Carter Burwell (
„The Ballad of Buster Scruggs“, „Christopher Robin“) und
Alan Silvestri (
„Avengers: Infinity War“, „Ready Player One“) sogar jeweils mit zwei Filmarbeiten vertreten.
Bester Film
• Green Book – Eine besondere Freundschaft
• Black Panther
• BlacKkKlansman
• Bohemian Rhapsody
• The Favourite
• Roma
• A Star is Born
• Vice – Der zweite Mann
Beste Hauptdarstellerin
• Olivia Colman (The Favourite)
• Yalitza Aparicio (Roma)
• Glenn Close (Die Frau des Nobelpreisträgers)
• Lady Gaga (A Star Is Born)
• Melissa McCarthy (Can You Ever Forgive Me?)
Bester Hauptdarsteller
• Rami Malek (Bohemian Rhapsody)
• Bradley Cooper (A Star Is Born)
• Christian Bale (Vice – Der zweite Mann)
• Willem Dafoe (At Eternity’s Gate)
• Viggo Mortensen (Green Book – Eine besondere Freundschaft)
Beste Nebendarstellerin
• Regina King (If Beale Street Could Talk)
• Amy Adams (Vice – Der zweite Mann)
• Marina De Tavira (Roma)
• Emma Stone (The Favourite)
• Rachel Weisz (The Favourite)
Bester Nebendarsteller
• Mahershala Ali (Green Book – Eine besondere Freundschaft)
• Richard E. Grant (Can You Ever Forgive Me?)
• Adam Driver (BlacKkKlansman)
• Sam Elliott (A Star Is Born)
• Sam Rockwell (Vice – Der zweite Mann)
Beste Regie
• Alfonso Cuarón (Roma)
• Spike Lee (BlacKkKlansman)
• Pawel Pawlikowski (Cold War – Der Breitengrad der Liebe)
• Adam McKay (Vice – Der zweite Mann)
• Yorgos Lanthimos (The Favourite)
Bester fremdsprachiger Film
• Roma
• Capernaum
• Cold War – Der Breitengrad der Liebe
• Werk ohne Autor
• Shoplifters
Bester animierter Spielfilm
• Spider-Man: A New Universe
• Die Unglaublichen 2
• Isle Of Dogs
• Mirai
• Chaos im Netz
Bestes adaptiertes Drehbuch
• Charlie Wachtel & David Rabinowitz & Kevin Willmott & Spike Lee (BlacKkKlansman)
• Joel Coen & Ethan Coen (The Ballad Of Buster Scruggs)
• Nicole Holofcener & Jeff Whitty (Can You Ever Forgive Me?)
• Barry Jenkins (Beale Street)
• Eric Roth & Bradley Cooper & Will Fetters (A Star Is Born)
Bestes Originaldrehbuch
• Nick Vallelonga & Brian Currie & Peter Farrelly (Green Book – Eine besondere Freundschaft)
• Deborah Davis & Tony McNamara (The Favourite)
• Paul Schrader (First Reformed)
• Alfonso Cuarón (Roma)
• Adam McKay (Vice – Der zweite Mann)
Beste Kamera
• Alfonso Cuarón (Roma)
• Lukasz Zal (Cold War - Der Breitengrad der Liebe)
• Robbie Ryan (The Favourite)
• Caleb Deschanel (Werk ohne Autor)
• Matthew Libatique (A Star Is Born)
Bester Song
• „Shallow“ (Lady Gaga und Bradley Cooper, A Star Is Born)
• „All the Stars“ (Black Panther)
• „I’ll Fight“ (RBG)
• „The Place Where Lost Things Go“ (Mary Poppins’ Rückkehr)
• „When A Cowboy Trades His Spurs For Wings“ (The Ballad Of Buster Scruggs)
Beste Filmmusik
• Ludwig Goransson (Black Panther)
• Terence Blanchard (BlacKkKlansman)
• Nicholas Brittell (Beale Street)
• Alexandre Desplat (Isle Of Dogs)
• Marc Shaiman (Mary Poppins’ Rückkehr)
Bester Schnitt
• John Ottman (Bohemian Rhapsody)
• Barry Alexander Brown (BlacKkKlansman)
• Yorgos Mavropsaridis (The Favourite)
• Hank Corwin (Vice – Der zweite Mann)
• Patrick J. Don Vito (Green Book – Eine besondere Freundschaft)
Bestes Make-up und beste Frisuren
• Greg Cannom & Kate Biscoe & Patricia Dehaney (Vice – Der zweite Mann)
• Göran Lundström & Pamela Goldammer (Border)
• Jenny Shircore & Marc Pilcher & Jessica Brooks (Maria Stuart, Königin von Schottland)
Bestes Kostümdesign
• Ruth Carter (Black Panther)
• Mary Zophres (The Ballad Of Buster Scruggs)
• Sandy Powell (The Favourite)
• Sandy Powell (Mary Poppins’ Rückkehr)
• Alexandra Byrne (Maria Stuart, Königin von Schottland)
Bestes Szenenbild
• Hannah Beachler & Jay Hart (Black Panther)
• Fiona Crombie & Alice Felton (The Favourite)
• Nathan Crowley & Kathy Lucas (First Man – Aufbruch zum Mond)
• John Myhre & Gordon Sim (Mary Poppins’ Rückkehr)
• Eugenio Caballero & Bárbara Enríquez (Roma)
Bester Tonschnitt
• John Warhurst & Nina Hartstone (Bohemian Rhapsody)
• Bejamin A. Burtt (Black Panther)
• Ethan Van Der Ryn & Erik Aadahl (A Quiet Place)
• Sergio Diaz & Skip Lievsay (Roma)
• Al-Ling Lee & Mildred Iatrou Morgan (First Man – Aufbruch zum Mond)
Bester Ton
• Paul Massey & Tim Cavagin & John Casali (Bohemian Rhapsody)
• Skip Lievsay & Craig Henighan & José Antonio García (Roma)
• Steve Boeddeker & Brandon Proctor & Peter Devlin (Black Panther)
• Jon Taylor & Frank A. Montano & Al-Ling Lee & Mary H. Ellis (First Man – Aufbruch zum Mond)
• Tom Ozanich & Dean Zupanici & Jason Ruder & Steve Morrow (A Star Is Born)
Beste visuelle Effekte
• Paul Lamert, Ian Hunter & Tristan Myles & J.D. Schwalm (First Man – Aufbruch zum Mond)
• Dan Deleeum & Kelly Port & Russell Early & Dan Sudick (Avengers: Infinity War)
• Christopher Lawrence & Michael Eames & Theo Jones & Chris Corbould (Christopher Robin)
• Roger Guyett & Grady Cofer & Matthew E. Butler & David Shirk (Ready Player One)
• Rob Bredow & Patrick Tubach & Neal Scanlan & Dominic Tuohy (Solo: A Star Wars Story)
Bester animierter Kurzfilm
• Bao
• Animal Behaviour
• Late Afternoon
• One Small Step
• Weekends
Bester Kurzfilm
• Skin
• Detainment
• Fauve
• Marguerite
• Mother
Bester Dokumentarfilm
• Free Solo
• Minding The Gap
• Hale County this Morning, this Evening
• RBG
• Of Fathers and Sons
Bester Dokumentar-Kurzfilm
• Period. End of Sentence.
• Black Sheep
• Endspiel (End Game)
• Lifeboat
• A Night At The Garden
Playlist:
1.
Nicholas Britell - Eden [Harlem] (
If Beale Street Could Talk) - 02:54
2.
Kris Bowers - Water Boy (
Green Book) - 04:54
3.
Nate Heller - Noah Coward/John Hancock (
Can You Ever Forgive Me?) - 04:03
4.
Nicholas Britell - Conclusion - The Transplant (
Vice) - 07:07
5.
Marco Beltrami - 7,573' (
Free Solo) - 05:50
6.
Justin Hurwitz - The Landing (
First Man) - 05:32
7.
Jocelyn Pook - The Rehearsal (
The Wife) - 03:32
8.
Marco Beltrami - A Quiet Life (
A Quiet Life) - 02:59
9.
Max Richter - Enemy Lines (
Werk ohne Autor) - 06:47
10.
Terence Blanchard - No Cross Burning Tonight (
BlackKklansman) - 03:12
11.
Marc Shaiman - Goodbye Old Friend (
Mary Poppins Returns) - 02:33
12.
Ludwig Göransson - Questioning Klaue (
Black Panther) - 03:33
13.
Daniel Pemberton - Aunt May and the Spider-Shed (
Spider-Man: Into the Spider-Verse) - 03:03
14.
Michael Giacchino - Devtechno! (
Incredibles 2) - 01:54
15.
Carter Burwell - The Wingless Thrush (
The Ballad of Buster Scruggs) - 02:30
16.
Carter Burwell - Billy Leaves (
Goodbye Christopher Robin) - 05:35
17.
Alan Silvestri - "There's Something I Need To Do" (
Ready Player One) - 05:01
18.
Alan Silvestri - End Credits (
Avengers: Infinity War) - 07:31
19.
John Powell - Savareen Stand-Off (
Solo: A Star Wars Story) - 04:25
20.
La Revolucion de Emilio Zapata - Ciudad Perdida (
Roma) - 04:37
21.
Ars Antigua & Rachel Barton Pine - Vivaldi: Viola d'amore Concerto in A Minor, RV 397: 1. Vivace (
The Favourite) - 03:10
22.
Max Richter - Finale (
Mary Queen of Scots) - 08:24
23.
Alexandre Desplat - End Titles (
Isle of Dogs) - 04:52
24.
Ludwig Göransson - United Nations/Finale (
Black Panther) - 07:26