Playlist # 50 vom 16.01.11 - DARREN ARONOFSKY Special
Der am 12. Februar 1969 im New Yorker Brooklyn geborene Drehbuchautor und Regisseur Darren Aronofsky, der gerade seinen neuen Film „Black Swan“ in den Kinos präsentiert, zählt derzeit neben Regisseuren wie David Fincher und Spike Jonze zu den interessantesten Filmemachern, die die Branche zu bieten hat. Nachdem er 1991 in Harvard sein Studium der Anthropologie, in Film und Animation mit Auszeichnung absolviert hatte, besuchte Aronofsky das American Film Institute und inszenierte seine ersten drei Kurzfilme „Supermarket Sweep“, „ Fortune Cookie" (beide 1991) und „Protozoa“ (1993), bevor er 1996 anfing, an seinem ersten Langfilm „Pi“ zu arbeiten.
Für den vitalen elektronischen Soundtrack zeichnete nicht nur der ehemalige Pop-Will-Eat-Itself-Frontmann und Songwriter Clint Mansell mit seiner ersten Musik für einen Film verantwortlich, auch progressive Electro-Acts wie Orbital, Massive Attack, Autechre und Aphex Twin untermalten die gänzlich in Schwarz-Weiß festgehaltene Paranoia, den nervenaufreibenden halluzinativen Trip des Mathematik-Genies Max Cohen perfekt.
Ähnlich verstörend kam 2000 auch „Requiem For A Dream“ daher, eine ungeschönte Psycho-Studie über drogenabhängige junge Leute, die immer tiefer in den Sog aus Sucht und Verzweiflung geraten. Mit außergewöhnlich eingesetzten Stilmitteln wie Split-Screens, Zeitraffer, schnellen Schnittfolgen und der hypnotischen wie verstörenden Musik von Clint Mansells, die dieser mit dem Kronos-Quartett eingespielt hat, inszenierte Aronofsky Hubert Selbys 1978 veröffentlichtes Buch als qualvolles Anti-Sucht-Drama, das kein Happy End erlaubt.
Erst 2006 präsentierte Aranofsky seinen nächsten Film „The Fountain“. „Die Suche nach dem Sinn des Lebens und der Fortexistenz nach dem Tod ist Thema des auf drei Zeitebenen spielenden Films. Ausgehend von den fieberhaften Bemühungen eines Onkologen, den Wettlauf gegen den Tod seiner geliebten Frau zu gewinnen, entdeckt der Film Parallelen in den Mythen und Philosophien anderer Zeiten und Kulturkreise, bis hin zu einer 500 Jahre in der Zukunft angesiedelten Vision von der Vollendung des Lebens im ewigen Kreislauf des Kosmos“, fasst das Lexikon des Internationalen Films 2007 zusammen und befindet: „Ein komplexer, bildstarker Versuch, das menschheitsbewegende Thema durch die Allegorien und Symmetrien der ineinander verwobenen drei Geschichten auf sehr individuelle Weise für ein an Fantasy-Filmen geschultes Publikum aufzubereiten.“ (S. 419)
„Kein Wunder, dass der Film mit ‚2001: Odyssee im Weltraum‘ (1968) verglichen wurde. Die überwältigende Kameraführung von Matthew Libatique und eine Filmmusik, die das Kronos Quartet und Clint Mansell zusammenführt, trugen das ihre dazu bei, dass der Schöpfer von ‚Pi‘ seinen Status als visionärer Lieferant anspruchsvoller filmischer Kopftrips festigen konnte.“ (Cinema Now, S. 66)
Im Gegensatz zum philosophisch-prätentiösen „The Fountain“, aber auch Aronofskys vorangegangenen Werken, die durch ihre prachtvolle Ästhetik berauschten, traten 2008 bei „The Wrestler“ das audio-visuelle Element vollkommen in den Hintergrund, um die unaufgeregte Geschichte eines abgehalfterten Wrestlers (Mickey Rourke) möglichst einfühlsam wie schnörkellos zu erzählen, wobei die Kamera immer bei Mickey Rourke bleibt und seine Geschichte auf fast dokumentarische Weise einfängt.
Laut Aronofsky stellt sein neuer Film „Black Swan“ eine Art Pendant zu „The Wrestler“ dar. Begrub dieser jegliche Illusion über den Show-Kampfsport, zeigt „Black Swan“ nun die Schattenseiten des filigranen Balletts auf. Es ist eine doppelbödige Version von Tschaikowskis berühmtem „Schwanensee“, dessen Musik Clint Mansell für den „Black Swan“-Score aufgegriffen hat. In der ursprünglichen Geschichte wird eine Prinzessin in einen weißen Schwan verwandelt und kann nur durch die Liebe eines Prinzen ihre Freiheit zurückerlangen. Doch ihr düsteres Ebenbild, der schwarze Schwan, verführt den Prinzen … Dieses märchenhafte Element hat Aronofsky durch Mystery-Thriller-Elemente umzusetzen versucht, die dem Drama seine Spannung verleihen. Natürlich gibt es wundervolle Ballettszenen zu bewundern, die Aronofsky auf gewohnt virtuose Weise in Szene gesetzt hat, aber schonungslos rücken auch die geschundenen, blutenden Füße ins Bild.
„Seit Roman Polanskis ‚Repulsion‘ ('Ekel', 1965) hat man wohl keine so dichte und beklemmende Studie einer von Ängsten in die Psychose getriebenen jungen Frau gesehen. Die Ballerina Nina – eine Oscar-reife Leistung von Natalie Portman – strebt nach Perfektion und der Hauptrolle in ‚Schwanensee‘ und verliert sich immer mehr in Zwangsvorstellungen“, stellt Susanne Ostwald in der Neuen Züricher Zeitung fest. „Zwar bedient Aronofsky sich einiger recht vordergründiger Spannungseffekte, und auch die Spiegel-Symbolik sowie die Metapher vom guten und bösen Schwan sind recht plakativ. Doch als Mittel zum Zweck funktionieren sie ausgezeichnet, denn sein Film entwickelt einen Sog, dem man sich unmöglich entziehen kann.“
Filmographie:
1991: Supermarket Sweep (Kurzfilm)
1991: Fortune Cookie (Kurzfilm)
1993: Protozoa (Kurzfilm)
1998: Pi
2000: Requiem for a Dream
2006: The Fountain
2008: The Wrestler
2010: Black Swan
2011: The Wolverine
Playlist:
1 Clint Mansell - Cruel Mistress (Black Swan) - 03:29
2 Clint Mansell - We Got The Gun (Pi) - 04:49
3 Gus Gus - Anthem (Pi) - 04:52
4 Clint Mansell - Aeternal [Remix by Andy Gray & Paul Oakenfold] (Requiem For A Dream Remixed) - 06:50
5 David Holmes - No Man's Land (Pi) - 06:18
6 Clint Mansell feat. The Kronos Quartet - Hope Ouverture (Requiem For A Dream) - 02:34
7 Clint Mansell - Deluxed [Remix by Delerium] (Requiem For A Dream Remixed) - 07:20
8 Clint Mansell feat. The Kronos Quartet - Lux Aeterna (Requiem For A Dream) - 03:54
9 Clint Mansell feat. The Kronos Quartet & Mogwai - Tree Of Live (The Fountain) - 03:45
10 Clint Mansell feat. Slash - Glory Be (The Wrestler) - 02:00
11 Clint Mansell - A Swan Song (Black Swan) - 06:22
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