Playlist #390 vom 11.02.2024 - NORMAN JEWISON (1926-2024) Special
Dass er in seiner langen Hollywood-Karriere gleich dreimal für einen Oscar als Bester Regisseur nominiert worden ist (auch wenn er ihn zusätzlich zu seinen vier Nominierung als Produzent für den Besten Film nie gewinnen konnte), macht deutlich, welch ein qualitatives Schwergewicht Norman Jewison gewesen ist. Der vielseitige Filmemacher wurde durch die Doris-Day-Komödien wie „Was diese Frau so alles treibt“ (1963) und „Schick mir keine Blumen“ (1964) ebenso bekannt wie durch sein Rassismus-Drama „In der Hitze der Nacht“, die Musical-Verfilmungen „Anatevka“ (1971) und „Jesus Christ Superstar“ (1973) und die Steve-McQueen-Klassiker „Cincinnati Kid“ (1965) und „Thomas Crown ist nicht zu fassen“ (1968). Am 20. Januar 2024 verstarb der kanadische Filmproduzent und -regisseur im Alter von 97 Jahren im kalifornischen Malibu.
Norman Frederick Jewison wurde am 21. Juli 1926 im kanadischen Toronto als Sohn eines protestantischen Ladenbesitzers geboren, besuchte das Malvern Collegiate Institute und fand während der 1930er Jahre Gefallen am Schauspielern und Theater. Nachdem er von 1944 bis 1945 in der Royal Canadian Navy während des Zweiten Weltkriegs gedient hatte, reiste er durch den amerikanischen Süden und lernt dort den Rassismus kennen, der prägend für seine spätere Arbeit werden sollte.
1949 schloss Jewison sein Studium am Victoria College der University of Toronto ab, wobei während seiner Studienzeit bei verschiedenen Theater-Produktionen als Autor, Regisseur und Schauspieler tätig gewesen war. Er zog nach London, wo er Skripte für das Kinderfernseh-Programm schrieb und gelegentlich für die BBC als Schauspieler agierte, sich aber überwiegend mit öden Jobs über Wasser halten musste.
Ende 1951 kehrte er nach Toronto zurück, wo er am Trainee-Programm von CBLT teilnahm, das die Gründung von CBS Television vorbereitete.
Dort begann Jewison seine Karriere als Regieassistent, schrieb, inszenierte und produzierte eine Vielzahl an Musicals, Comedy-Variete-Shows, Dramen und Specials. Er heiratete das frühere Model Margaret Ann Dixon und wechselte 1958 zur NBC nach New York, wo er zunächst Shows wie „Your Hit Parade“ und „The Andy Williams Show“ betreute und dann Specials zu Künstlern wie Harry Belafonte, Jackie Gleason und Danny Kaye inszenierte.
Während einer Probe zur „Judy Garland Show“ (1962) mit Frank Sinatra und Dean Martin schlug Tony Curtis vor, dass Jewison einen Kinofilm inszenieren sollte.
Tony Curtis‘ und Janet Leighs Produktionsfirma Curtleigh Productions beauftragte Jewison dann mit der Regie der Komödie „Ein Rucksack voller Ärger“ (1962) mit Tony Curtis und Suzanne Pleshette in den Hauptrollen, die der erste Film gewesen ist, der je in Disneyland gedreht wurde.
Jewison gründete seine eigene Independent-Filmproduktionsfirma und realisierte für Universal die beiden Doris-Day-Komödien „Was diese Frau so alles treibt“ (1963) und „Schick mir keine Blumen“ (1964). Nach einer weiteren Komödie – „Bei Madame Coco“ (1965) mit James Garner, Dick Van Dyke und Elke Sommer – beschloss Jewison, sich herausfordernden Projekten zu widmen.
Mit dem Spieler-Drama „Cincinnati Kid“ (1965) – mit einem überragenden Steve McQueen in der Hauptrolle - gelang Jewison gleich ein Klassiker, dem er – erstmals auch als Produzent - die vierfach Oscar-nominierte Satire „Die Russen kommen! Die Russen kommen!“ (1966) folgen ließ.
Einen weiteren großen Wurf landete Jewison mit dem Rassismus-Drama „In der Hitze der Nacht“ (1967) mit Sidney Poitier und Rod Steiger in den Hauptrollen. Der Film erhielt fünf Oscars, Jewison eine Nominierung als Bester Regisseur.
Mit dem von ihm produzierten und inszenierten Heist Movie „Thomas Crown ist nicht zu fassen“ (1968) gelang Jewison ein weiterer Hit mit Steve McQueen in der Hauptrolle. Anschließend filmte Jewison das mit drei Oscars ausgezeichnete Musical „Anatevka“ (1971) in den Londoner Pinewood Studios und in Jugoslawien sowie in Israel das auf Andrew Lloyd Webbers und Tim Rices Broadway-Erfolg basierende Musical „Jesus Christ Superstar“ (1973).
Mit „Rollerball“ (1975) inszenierte Jewison schließlich ein futuristisches Drama über globale Konzerne, die jeden Individualismus, jede Selbstbestimmtheit des Menschen im Keim ersticken.
Um die Massen ruhig zu halten und Demonstrationen und Aufstände zu vermeiden, wird die Bevölkerung – ähnlich den Gladiatorenkämpfen im alten Rom – mit der Sportart „Rollerball“ unterhalten. Bei dem Spiel geht es hart zu und durch verschiedene Hilfsmittel kommt es immer öfter zu Schwerverletzten oder gar Toten. Jonathan E. (James Caan) sticht dabei als herausragender Spieler hervor und wird von den Massen umjubelt. Das sieht die Führungsebene aber nicht gern und beschließt, dass Jonathan seinen Abschied nehmen muss.
Danach folgten das Gewerkschaftsdrama „F.I.S.T. – Ein Mann geht seinen Weg“ (1978) mit Sylvester Stallone in der an Jimmy Hoffa angelehnten Hauptrolle, das Justiz-Drama „… und Gerechtigkeit für alle“ (1979) mit Al Pacino, die romantische Komödie „Zwei dicke Freunde“ (1982) mit Burt Reynolds und Goldie Hawn sowie das Rassismus-Drama „Sergeant Waters - Eine Soldatengeschichte“ (1984), das auf einem mit dem Pulitzer Prize prämierten Bühnenstück basierte und für drei Academy Awards nominiert war, ebenso wie das Kloster-Drama „Agnes – Engel im Feuer“ (1985) mit Jane Fonda, Meg Tilly und Anne Bancroft in den Hauptrollen.
Nach seinem Wechsel von Columbia zu MGM inszenierte Jewison mit „Mondsüchtig“ (1987) einen der erfolgreichsten romantischen Filme, der drei Oscars abräumte, davon einen für Hauptdarstellerin Cher.
Nach dem Kriegsdrama „Zurück aus der Hölle“ (1989) drehte Jewison die Gesellschaftssatire „Das Geld anderer Leute“ (1991), die romantische Komödie „Nur für dich“ (1994), die Fantasy-Komödie „Bogus“ (1996) und das wiederum mit dem Rassismus spielende Drama „Hurricane“ (1999), in dem Denzel Washington den schwarzen Boxer Rubin „Hurricane“ Carter verkörpert, der Mitte der 1960er Jahre fälschlicherweise des dreifachen Mordes beschuldigt wurde.
1999 erhielt Jewison von der Academy of Motion Picture Arts and Sciences den Irving G. Thalberg Memorial Award für sein Lebenswerk.
Seine letzten Arbeiten waren der Fernsehfilm „Dinner with Friends“ (2001) mit Andie MacDowell, Greg Kinnear, Toni Colette und Dennis Quaid in den Hauptrollen und das Thriller-Drama „The Statement“ (2003) mit Michael Caine in der Rolle eines Komplizen des Vichy-Regimes, der 1944 im besetzten Frankreich an der Ermordung von sieben Juden maßgeblich beteiligt war.
Er konnte allerdings nach seiner Inhaftierung fliehen, um dann anonym ein friedliches Leben unter dem Schutz rechtsgerichteter Gruppierungen innerhalb der katholischen Kirche zu führen – bis ein Mordanschlag auf ihn verübt wird, er dem Täter aber zuvorkommen kann. Die Richterin Annemarie Livi (Tilda Swinton) hat sich zum Ziel gesetzt, den Kriegsverbrecher auch nach so langer Zeit seiner gerechten Strafe zuzuführen und so fandet sie mit Hilfe von Colonel Roux (Jeremy Northam) nach dem untergetauchten Mann.
Auf die Frage, was seine Filme besonders ausmache, antwortete Jewison einmal: „Ich möchte, dass sich die Menschen in meinen Filmen wiedererkennen. Ich schätze keine hirnlosen Action-Filme.“
Und wie Georg Seesslen in seinem Nachruf in "Die Zeit" formuliert:
„Jewison nutzte die Mittel der Traumfabrik, um etwas zu sagen. Wenn man es auf den kleinsten Nenner bringen will: Es ging ihm um die Schuld des Menschen in dieser Welt, in dieser Geschichte, in dieser Gesellschaft. Das war manchmal dramatisch, manchmal aber auch furchtbar komisch. Jewison war auch als Komödienregisseur einer, der nie überdrehte, sondern sich stets den genauen Blick auf die Lebensumstände seiner Protagonisten bewahrte.“
Filmographie:
1962: Ein Rucksack voller Ärger (40 Pounds of Trouble)
1963: Was diese Frau so alles treibt (The Thrill of It All)
1964: Schick mir keine Blumen (Send Me No Flowers)
1965: Bei Madame Coco (The Art of Love)
1965: Cincinnati Kid (The Cincinnati Kid)
1966: Die Russen kommen! Die Russen kommen! (The Russians Are Coming the Russians Are Coming)
1967: In der Hitze der Nacht (In the Heat of the Night)
1968: Thomas Crown ist nicht zu fassen (The Thomas Crown Affair)
1969: Gaily, Gaily
1971: Anatevka (Fiddler on the Roof)
1973: Jesus Christ Superstar
1975: Rollerball
1978: F.I.S.T. – Ein Mann geht seinen Weg (F.I.S.T.)
1979: … und Gerechtigkeit für alle (…And Justice for All)
1982: Zwei dicke Freunde (Best Friends)
1984: Sergeant Waters – Eine Soldatengeschichte (A Soldier’s Story)
1985: Agnes – Engel im Feuer (Agnes of God)
1987: Mondsüchtig (Moonstruck)
1989: Zurück aus der Hölle (In Country)
1991: Das Geld anderer Leute (Other Peoples Money)
1994: Nur für Dich (Only You)
1996: Bogus
1999: Hurricane (The Hurricane)
2001: Abendessen mit Freunden (Dinner with Friends, Fernsehfilm)
2003: The Statement
Playlist:
01. John Williams - Wedding Celebration and Bottle Dance (Fiddler on the Roof) - 03:51
02. Lalo Schifrin - Melba (The Cincinnati Kid) - 04:04
03. Quincy Jones - Mama Caleba's Blues (In the Heat of the Night) - 05:37
04. Michel Legrand - The Chess Game (The Thomas Crown Affair) - 05:59
05. Christopher Young - You Have Transcended (The Hurricane) - 05:48
06. Dave Grusin - I Did An Experiment (Dinner With Friends) - 03:14
07. Dave Grusin - Something Funny Goin' On (And Justice For All) - 03:28
08. Bill Conti - End Title (F.I.S.T.) - 04:16
09. Normand Corbeil - The Chase (The Statement) - 03:08
10. James Horner - Distant Memories (In Country) - 05:08
11. Lalo Schifrin - Dialogue In The Rain (The Cincinnati Kid) - 03:05
12. Christopher Young - Scream of Silence (The Hurricane) - 05:12
13. Georges Delerue - Symphonic Suite For Chorus and Orchestra - Part II (Agnes of God) - 03:30
14. Michel Legrand - Doubting Thomas (The Thomas Crown Affair) - 03:49
15. Dave Grusin - I'm Happy For You (Dinner With Friends) - 03:18
16. Bill Conti - Kissing in the Closet (F.I.S.T.) - 03:10
17. Rachel Portman - Theme From "Only You" (Only You) - 03:35
18. Normand Corbeil - Candle Lighting (The Statement) - 03:08
19. Dave Grusin - Ballad For God (And Justice For All) - 02:47
20. Dmitri Shostakovich - Symphony No. 5 [excerpt Third Movement] (Rollerball) - 06:39
21. Georges Delerue - Symphonic Suite For Chorus and Orchestra - Part I (Agnes of God) - 03:29
22. Lalo Schifrin - Shooter (The Cincinatti Kid) - 03:24
23. Marc Shaiman - Bogus (Bogus) - 03:18
24. Michel Legrand - Playing the Field (The Thomas Crown Affair) - 05:49
25. David Newman - Bitter Victory (Other People's Money) - 02:30
26. Tomaso Albinoni - Adagio in G Minor (Rollerball) - 08:12
27. James Horner - Fallen Friends (In Country) - 10:11
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