Das biografische Drama „Shine – Der Weg ans Licht“ machte den in Uganda geborenen Filmemacher Scott Hicks 1996 weltberühmt, und auch seine nachfolgenden Werke – die Bestseller-Verfilmungen von David Gutersons „Schnee, der auf Zedern fällt“ (1999) und Stephen Kings „Hearts In Atlantis“ (2001) konnten sich sehen lassen. Seither ist er vor allem durch die Philip-Glass-Dokumentation „Glass: A Portrait of Philip in Twelve Parts“ (2007) aufgefallen. Für dieses Jahr ist von dem vielseitigen Filmemacher der Fantasy-Thriller „Fallen“ angekündigt.
Hicks lebte bis zu seinem zehnten Lebensjahr in Kenya, dann zog seine Familie erst nach England und dann, als er vierzehn war, weiter ins australische Adelaide. Er beendete 1975 sein Studium an der Flinders University of South Australia und profitierte davon, dass das die australische Regierung den seit Jahrzehnten brachliegenden Filmmarkt förderte. Etablierte Filmemacher wie
Peter Weir und
Bruce Beresford kamen nach Adelaide, um ihre Filme dort zu drehen.
Hicks arbeitete als Crew-Mitglied an einem Dutzend von Filmen in den nächsten Jahren, bis er anfing, Kurzfilme und gesponserte Dokumentationen zu drehen.
In seinem ersten Film
„Freedom“, den er 1981 in und um Adelaide herum drehte, verwendete er Musik von
Cold Chisels Don Walker und die Vocals von
INXS-Frontmann Michael Hutchence. Für das
INXS-Label WEA drehte er zwischen 1982 und 1983 die Videoclips zu „Spy Of Love“, „To Look At You“ und „Don’t Change“ und dann auf 16mm Film für die populäre südaustralische Band
Vertical Hold.
International bekannt wurde
Hicks erst 1996 mit
„Shine – Der Weg ans Licht“, einem Biopic über den australischen Pianisten
David Helfgott (
Geoffrey Rush), der als Wunderkind heranwächst, während sein Vater (
Armin Müller-Stahl) ihn und seine Geschwister mit traumatisierenden Geschichten über den Verlust seiner Familie in den Konzentrationslagern des NS-Regimes quält. Schließlich gelingt es David sich von seinem Vater loszusagen und in Übersee ein Studium anzutreten.
„Nichts wird wieder so sein wie vorher. ‚Shine‘ war eine einzigartige Erfahrung und einige wenige Leute sind auf ewig glücklich, diesen Grad an universeller Akzeptanz zu erleben. Selten genug kann man sagen, dass Filme das Leben von Menschen verändern. In Bezug auf die Welt kam der Film aus dem Nichts und stürmte durch die Welt. Es projizierte mich in eine neue Arena und machte Geoffrey Rush zum Star, veränderte komplett David Helfgotts Leben und reanimierte die Karriere von Lynn Redgrave. Es gab einige von uns, die in diesen Film involviert waren, deren Leben nie wieder wie zuvor sein würde“, meinte Drehbuchautor und Regisseur Scott Hicks nach dem Erfolg von „Shine“.
Geoffrey Rush erhielt den Oscar als bester männlicher Hauptdarsteller, weitere Nominierungen erhielten
Scott Hicks selbst (Regie),
Jan Sardi und
Scott Hicks (Buch),
Armin Müller-Stahl (Nebendarsteller),
David Hirschfelder (Musik) und
Pip Karmel (Schnitt).
Natürlich ist durch diesen Erfolg Hollywood auf den australischen Filmemacher aufmerksam geworden und übertrug ihm die Verfilmung von
David Gutersons Bestseller
„Schnee, der auf Zedern fällt“.
Das Krimi- und Liebesdrama spielt auf der kleinen Insel San Piedro vor der nordamerikanischen Küste in den 50er Jahren und beginnt mit dem Gerichtsprozess gegen Lachsfischer Kazuo Miyamoto (
Rick Yune), einen US-Bürger japanischer Abstammung, der angeklagt wird, seinen Jugendfreund und Kollegen Carl Heine auf nebliger See ermordet zu haben. Wie bei den Zeugenvernehmungen deutlich wird, sitzen neun Jahre nach dem Angriff auf Pearl Harbor Misstrauen und Hass auf die Japaner bei den Amerikanern noch sehr tief. Dem Prozess wohnt auch der junge Gerichtsreporter Chambers (
Ethan Hawke) bei, der persönlich in die Angelegenheit verstrickt ist: Miyamotos Ehefrau Hatsue (
Youki Kudoh) ist seine große Jugendliebe, der er immer noch nachtrauert …
„Das Denken und Handeln der Protagonisten erklärte sich bei Guterson nicht aus der Gegenwart, sondern aus den Rückblenden in verschiedene Momente der individuellen Vergangenheiten.
Hicks schafft es, durch ausgewogenen Rhythmus und harmonisches Hin- und Herspringen zwischen den Zeitebenen, seine Figuren mit Geschichte und damit mit Leben zu füllen, sie menschlich und erfahrbar zu machen. Die Schnitttechnik ist virtuos und die Bilder haben ihre eigene, ganz spezielle Ästhetik. Kühle Blau-Grautöne, der metaphernreiche Schnee und Aufnahmen des Meeres und der Buchten stellen ein Setting, dessen Schönheit man sich nur schwer entziehen kann“, befindet Flemming Schock in seiner Rezension auf
filmspiegel.de.
Besondere Aufmerksamkeit verdiente auch der grandiose, subtil produzierte Score von
James Newton Howard (
„The Sixth Sense“, „Waterworld“).
„Wichtige Faktoren für das Gelingen dieser Verfilmung waren neben dem Drehbuch (von
David Guterson persönlich) die vorzügliche Kamera von
Robert Richardson und die grandiose Musik von
James Newton Howard. Während
Richardson in stilvollen, zurückhaltenden Bildern von teilweise erlesener Schönheit die Geschichte nachzeichnet, schafft
Howard einen enorm detailvollen und dramatischen Score, der durchaus als ein Highlight seiner Karriere anzusehen ist. Die zurückgenommene Tonsprache, die filigrane Verbindung von orchestralen, ethnischen und synthetischen Elementen und die vereinzelten dramatischen Ausbrüche von großer Eindringlichkeit machen
‚Schnee der auf Zedern fällt‘ zu einem der besten Scores des Kinojahres 1999“, meint auch Jan Zwilling in seiner Rezension auf
original-score.de. “
Howard baute seinen Score als atmosphärisch-tonmalerische Musik ohne große Schaueffekte auf. Das Arrangement beruht auf einer stimmigen Mischung aus hohen Streichern, Soli von Cello und Shakuhachi und einem starken Vokalpart. Wichtiger Bestandteil ist zudem der vor Allem als Klangdesigner wirksame Synthesizer, aus dem die Musik viel ihrer Stimmung bezieht. Die daraus entwickelte Tonsprache ist auf leise weise dramatisch, kühl und einfühlsam. Der winterliche Schauplatz findet sich in hellen, durch die delikaten Soli von Flöten, Shakuhachi und Violine leicht entrückt wirkenden Klängen wieder, auch die leicht asiatischen Einflüsse in den Cellopassagen und begleitenden Glockenspielen wirken konzeptionell gelungen.“
Seinen letzten großen Erfolg durfte Hicks mit einer weiteren Bestseller-Adaption feiern,
Stephen Kings „Hearts In Atlantis“.
Der Fotograf Bobby Garfield (
David Morse) kehrt bedingt durch den Tod seines Sandkastenfreundes in die Stadt seiner Jugend zurück. Unweigerlich keimen alte Erinnerungen wieder auf und versetzen ihn zurück in den Sommer 1960. Erzählt wird die Geschichte eines elfjährigen vaterlosen Jungen (
Anton Yelchin), der seine Zeit mit seinem Freund Sully und dem Nachbarmädchen Carol (
Mika Boorem) verbringt. Als der geheimnisvolle Fremde Ted Brautigan (
Anthony Hopkins) in das Dachgeschoss der Pension zieht, in der Bobby mit seiner Mutter lebt, findet er in ihm einen väterlichen Freund. Es soll der letzte Sommer in Bobbys Kindheit werden. Aus der Freundschaft zu Carol erwachen erste Gefühle, Ted benötigt seine Hilfe - so bekommt Bobby eine Ahnung davon, welche Chancen ihm das Leben und die Liebe bieten können...
„
,Hearts in Atlantis‘ ist in erster Linie ein Stimmungsbild. Die Handlung folgt dem Schicksal von Bobby Garfield, seiner Liebe und seinen Problemen, während eines Sommers. Die Hauptstärke des Films liegt eindeutig in seinen wundervollen Bildern. Kameramann
Piotr Sobocinski zaubert traumhaft schöne Ansichten in den tollsten Farben auf die Leinwand, leider verstarb er während den Dreharbeiten im Alter von 43 Jahren. Zusammen mit der gelungenen Musikuntermalung entsteht eine fast einzigartige Atmosphäre, eine Hommage ans Kindsein, ohne die Bilder mit zu viel Kitsch und Pathos zu überladen“, meint David Hiltscher in seiner Kritik auf
filmspiegel.de.
Hicks zog sich anschließend in seine australische Heimat zurück und konzentrierte sich auf sein Privatleben, arbeitete an Fernsehspots und schaffte es mit einem Clip sogar in die permanente Sammlung des Museum of Modern Art in New York.
2007 kehrte
Hicks mit der Komödie
„Rezept zum Verlieben“ nach Hollywood zurück, für die
Philip Glass den Score komponierte, worauf
Hicks eine Dokumentation über den bekannten Komponisten drehte.
„Sie hat mich zu meinen dokumentarischen Wurzeln zurückgeführt“, ließ
Hicks dazu einmal verlauten. „Ich entschied, dass der einzige Weg, dieses Projekt anzugehen, darin bestand, mir einfach eine Kamera zu kaufen und das zu filmen zu beginnen, wie Philip zuhause mit seiner Familie und seinen Kindern umgeht, Pizza macht und darüber spricht, Sinfonien zu schreiben. Okay, es ist ein weiterer obsessiver Pianist. Es ist ein netter Zehn-Jahres-Zirkel von
‚Shine‘ bis zu
Glass, wenn man möchte.“
2010 inszenierte
Hicks in seiner australischen Heimat das Drama
„The Boys Are Back“.
Clive Owen spielt den erfolgreichen britischen, in Australien lebenden Sportreporter Joe Warr, der nach dem tragischen Tod seiner Frau vor der schwierigen Aufgabe steht, sich allein um seinen sechsjährigen Sohn Artie (
Nicholas McAnulty) und den rebellischen Teenie Harry (
George MacKay) aus einer früheren Ehe zu kümmern. Da er den Kindern alles erlaubt, versinkt der reine Männerhaushalt ohne jeden weiblichen Einfluss bald in völligem Chaos.
Das biografische Drama ist allerdings stellenweise recht kitschig ausgefallen und fiel bei Kritikern und an den Kinokassen durch. Einzig der gefühlvolle Score des früheren
Dire-Straits- und
Fish-Gitarristen
Hal Lindes und die verträumten Songs von
Sigur Rós, Elbow und
Mayfield konnten überzeugen.
Zwei Jahre später versuchte es
Hicks mit einer weiteren Verfilmung, diesmal des Bestseller-Autors
Nicholas Sparks (
„Message In A Bottle“, „Das Lächeln der Sterne“), allerdings konnte die melodramatisch-kitschige Romanze
„The Lucky One – Für immer der Deine“ auch nicht punkten. Der Score von
Mark Isham blieb dazu unveröffentlicht, dafür gaben sich auf dem Soundtrack Acts wie
Hilmar Örn Hilmarsson, Mayfield, A Fine Frenzy und
Josh Radin ein munteres Stelldichein.
Mit seinem neuen Film
„Fallen – Engelsnacht“ betritt
Hicks für sich neues Terrain.
In dem romantischen Mystery-Thriller entdeckt Lucinda „Luce“ Price (
Addison Timlin) nach ihrer Verbannung in ein Internat, dass der unglaublich attraktive Daniel Grigori (
Jeremy Irvine) ein gefallener Engel ist, der dazu verdammt ist, für immer auf der Erde zu wandern. Das Internat wird zum Mittelpunkt einer Schlacht zwischen Himmel und Hölle …
Ob
Hicks mit diesem Werk, für das wiederum
Mark Isham die Musik beisteuern durfte, wieder die Anerkennung bekommt, die er mit seinen Frühwerken
„Shine“, „Schnee, der auf Zedern fällt“ und
„Hearts In Atlantis“ erhielt, bleibt fraglich. Dafür bleiben diese Meisterwerke unvergessen.
Filmographie:
1974: The Wanderer
1975: Down the Wind
1979: You Can’t Always Tell
1980: Assertive Skills Training (Video)
1980: Bert Flugelman: Public Sculptor
1981: Women Artists of Australia (TV-Serie)
1981: No Going Back (TV)
1982: The Hall of Mirrors: A Festival
1982: Freedom
1983: One Last Chance
1985: Family Tree
1985: The INXS: Swing and Other Stories
1988: Sebastian and the Sparrow
1989: The Great Wall of Iron (TV-Serie)
1990: Call Me Mr. Brown
1991: Finders Keepers (Fernsehserie)
1993: Submarines: Sharks of Steel
1994: The Space Shuttle (TV)
1996: Shine
1996: The Ultimate Athlete: Pushing the Limit (TV)
1999: Schnee, der auf Zedern fällt
2001: Hearts in Atlantis
2007: Rezept zum Verlieben (No Reservations)
2007: Glass: A Portrait of Philip in Twelve Parts
2009: The Boys Are Back – Zurück ins Leben
2012: The Lucky One – Für immer der Deine
2015: Fallen
Playlist:
01.
James Newton Howard - The Evacuation (
Snow Falling On Cedars) - 04:08
02.
David Hirschfelder - With The Help Of God, Shine (
Shine) - 03:22
03.
Mychael Danna - Summer Vacation (
Hearts In Atlantis) - 05:32
04.
Hal Lindes - The Boys Are Back (
The Boys Are Back) - 03:11
05.
Hilmar Örn Hilmarsson - Over The Bend (
The Lucky One) - 04:18
06.
Philip Glass - Zoe & Kate Watch Video (
No Reservations) - 02:15
07.
Sigur Rós - Fljotavik (
The Boys Are Back) - 03:50
08.
James Newton Howard - Humanity Goes On Trial (
Snow Falling On Cedars) - 04:49
09.
Philip Glass - Etude No. 2 (
Glass: A Portrait Of Philip in Twelve Parts) - 04:54
10.
Mychael Danna - The Hill (
Hearts In Atlantis) - 04:14
11.
A Fine Frenzy - What I Wouldn't Do (
The Lucky One) - 02:57
12.
David Hirschfelder - Will You Teach Me (
Shine) - 02:33
13.
James Newton Howard - Tarawa (
Snow Falling On Cedars) - 04:08
14.
Mychael Danna - Molly (
Hearts In Atlantis) - 04:22
15.
Sigur Rós - Ara Batur (
The Lucky One) - 08:57