Gleich mit seinem ersten Kinofilm „American Beauty“ (1999) heimste der britische Film- und Theaterregisseur Sam Mendes einen Oscar und einen Golden Globe für die Beste Regie ein, und auch für seine folgenden Werke wie „Road To Perdition“ und „Zeiten des Aufruhrs“ erhielt Mendes diverse Nominierungen und Auszeichnungen.
Mittlerweile sorgt der Brite als „James Bond“-Regisseur für Furore. Nach John Glen ist er überhaupt erst der zweite Regisseur, der mehr als an einem Agent-007-Abenteuer hintereinander arbeiten durfte.
Musikalisch präsentiert sich diese Stunde auch als kleines Thomas-Newman-Special, denn abgesehen von der Indie-Komödie „Away We Go“ komponierte Newman die Musik zu allen Filmen des britischen Regisseurs.
Der am 1. August 1965 im englischen Reading als Sohn des Schriftstellers und Hochschullehrers
James Peter Mendes und der Kinderbuchautorin
Helene Mendes geborene
Sam Mendes machte nach der Scheidung seiner Eltern in Oxford seinen Schulabschluss, trat dem Chichester Festival Theatre bei und schloss 1987 die Universität Cambridge mit einem Bachelor in Englisch ab.
Am Theater führte er im Alter von 24 Jahren mit
Judi Dench in der Hauptrolle die Regie bei
Tschechows „The Cherry Orchard“ und gewann gleich den
Critics Circle Award for Best Newcomer, worauf
Mendes zur
Royal Shakespeare Company ging und bei Produktionen wie
„Troilus and Cressida“, „The Tempest“ und
„Richard III“ Regie führte.
1992 wurde
Mendes künstlerischer Leiter des wiedereröffneten
Donmar Warehouse in London und war als Regisseur für Produktionen wie
„The Glass Menagerie“ und das Revival des Musicals
„Cabaret“ zuständig, das mit vier
Tony Awards ausgezeichnet worden ist. Außerdem führte
Mendes Regie bei
„The Blue Room“ mit
Nicole Kidman in der Hauptrolle.
Steven Spielberg wurde auf den erfolgreichen Theaterregisseur aufmerksam und holte ihn in die USA, wo er 1999 nach zwei Fernsehfilmen mit
„American Beauty“ seinen ersten Kinofilm drehte, der nicht nur verdientermaßen mit fünf Oscars (u.a. für den besten Film, die beste Regie und den besten Hauptdarsteller) prämiert wurde, sondern bis heute als die ultimative Abrechnung mit dem amerikanischen Traum gilt.
Lester Burnham (
Kevin Spacey) hat in seinem Leben eigentlich alles erreicht, wovon ein Amerikaner nur träumen kann, einen gut bezahlten Job, ein schickes freistehendes Haus in einer gepflegten Vorstadtsiedlung, eine attraktive Frau (
Annette Bening) und eine fast erwachsene Tochter (
Thora Birch). Allerdings ist sich Lester durchaus der Tatsache bewusst, dass er ein kompletter Spießer-Langweiler ist und sowohl von seiner Familie verachtet wird. Als er jedoch Angela (
Mena Suvari) kennenlernt, die Freundin seiner Tochter, ergeht er sich in erotischen Fantasien und tut alles, um sie wahr werden zu lassen: er betreibt Fitness in der Garage, joggt mit den schwulen Nachbarn und schmeißt seinen Job, wobei er noch kaltschnäuzig eine fette Abfindung erpresst, die er gleich in einen jugendlichen Sportwagen investiert. Bei dem gerade zugezogenen Nachbarsjungen Ricky (
Wes Bentley) deckt er sich mit bestem Gras ein und fühlt sich fortan wie ein neuer Mensch. Gleichermaßen irritiert wie abgestoßen von Lesters Lebenswandel stürzt sich seine Frau Carolyn, die verzweifelt in der Immobilien-Branche Fuß zu fassen versucht, in eine Affäre mit dem egomanischen Immobilien-Star Buddy Kane (
Peter Gallagher), während Tochter Jane sich auf merkwürdige Weise von Ricky angezogen fühlt, der sie ständig mit der Kamera filmt.
Doch die emotionalen Irrungen und Wirrungen bleiben nicht ohne Folgen, zumal Rickys Vater, der emotional labile Marine Frank Fitts (
Chris Cooper), kritisch beäugt, was sich bei den Burnhams so alles tut …
Bereits die gelungene Eröffnungssequenz gibt den Ton von
„American Beauty“ an, wenn die Kamera von oben langsam in das schicke Vorstadtviertel zoomt und Lester Burnham lapidar aus dem Off verkündet, dass er in einer Woche tot sein wird. Aber das wisse er jetzt natürlich noch nicht. Während sich der Zuschauer also fragt, auf welche Weise Lester wohl sterben wird, zerflückt
Sam Mendes mit seinem vorzüglichen Ensemble lustvoll die Illusion eines sorgenfreien Lebens in den schicken Gegenden des vornehmen Bürgertums. Trotz der ernüchternden Demontierung aller Klischees vom großartigen amerikanischen Traum sprüht der Film vor melancholisch-leisem Humor. Das ist vor allem
Alan Balls (
„Six Feet Under“, „True Blood“) großartigem Drehbuch zu verdanken, aber auch den äußerst differenzierten Darstellungen des ausgesuchten Ensembles, wobei gerade die jungen Schauspieler
Thora Birch (
„The Hole“),
Wes Bentley (
„Die Tribute von Panem“) und
Mena Suvari (
„American Pie“) den bekannten Namen in nichts nachstehen.
Die exquisite Kameraarbeit des 2003 verstorbenen
Conrad L. Hall (
„Kaltblütig“, „Der Marathon-Mann“) und der verspielte Score von
Thomas Newman (
„Grüne Tomaten“, „Skyfall“) runden ein Meisterwerk ab, das
Sam Mendes den Weg ebnete für weitere Highlights wie
„Road To Perdition“, „Zeiten des Aufruhrs“ und schließlich
„Skyfall“.
Für sein nächstes Projekt konnte
Mendes seinen Cast quasi nach Belieben zusammenstellen. In dem Rache-Drama, das in den Zeiten der US-Prohibition Anfang der 30er Jahre angesiedelt ist, spielt
Tom Hanks den liebenden Familienvater Mike Sullivan, der als Profikiller für den Mafia-Patriarchen John Rooney (
Paul Newman) arbeitet. Als Sullivans Sohn Michael junior (
Tyler Hoechlin) seinem Vater heimlich folgt, um zu sehen, was er wirklich macht, muss er mitansehen, wie sein Vater mit dessen hitzköpfigen Partner, Rooneys Sohn Connor (
Daniel Craig), einen Konkurrenten regelrecht durchsieben. Als Connor den Augenzeugen eliminieren will, verfehlt er allerdings sein Ziel und tötet stattdessen Michaels jüngeren Bruder Peter (
Liam Aiken) und dessen Mutter Annie (
Jennifer Jason Leigh). Auf seinem Rachefeldzug gegen die Rooney-Familie steht Sullivan aber ganz allein da. Und der Mafia-Clan hat bereits den Profi-Killer Maguire (
Jude Law) auf die Sullivans angesetzt …
„Sehr erfrischend ist die brutale Konsequenz, die Mendes an den Tag legt. Von Kamera-Veteran Conrad L. Hall (‚American Beauty‘, ‚Zwei Banditen‘) in brillante Bilder gepackt, verliert der Film in keiner einzigen Szene seine Düsternis und Kälte, bleibt unglaublich atmosphärisch und besticht zudem durch Mendes' Exaktheit. Kein Bild ist zuviel, keine Einstellung verschenkt, alles macht Sinn. So dringen dann mal mehr, mal weniger ersichtlich religiöse, biblische Untertöne und Metaphern an die Oberfläche, sodass aus ‚Road To Perdition‘ ein große Drama wird. Loyalität, Vater-Sohn-Liebe und Rache. Das sind die zentralen Themen, die ausgefochten werden. Und endlich einmal hat eine Big-Budget-Produktion aus Hollywood den Mut, bis zum unabdingbaren Ende gnadenlos konsequent zu sein“, begeistert sich Carsten Baumgardt in seiner Kritik auf filmstarts.de.
2005 folgte
„Jarhead“, ein Kriegsfilm, der im Irak 1991 spielt. Sergeant Sykes (
Jamie Foxx), Anführer eines Marine-Platoons und dessen Scharfschützen Swoff (
Jake Gyllenhaal), wurden gerade erst aus dem Ausbildungscamp entlassen und bereiten sich mit ihrer Einheit unter extremen Bedingungen auf den eigentlichen Kriegseinsatz vor. Doch die routinierten Tagesabläufe mit Gewehrputzen, Schießübungen, Briefe lesen, Hydrieren, Dehydrieren, Schlafen und Masturbieren nagen an der Substanz.
„Wer sich von
‚Jarhead‘ ob des heiklen Schauplatzes eine Anklage gegen den aktuellen, politisch fragwürdigen Irak-Feldzug der Amerikaner erhofft, ist auf der falschen Fährte. Sein Film handelt von Ambivalenzen und inneren Mechanismen des Soldatentums. Mit der Dualität des Menschen, dem Gegensatz zwischen individueller und kollektiver Funktion in Organisationen wie der Armee, beschäftigt sich letztlich auch
Kubricks ‚Full Metal Jacket‘, womit sich der Kreis zum Vorbild schließt.
‚Jarhead‘ transportiert diese cineastischen Meditation über inneren, äußeren und medialen Krieg in die Neuzeit und fügt ihr eine intelligente, bildgewaltige und brillant gespielte Episode hinzu“, meint Andreas Borcholte auf
spiegel.de.
In der Verfilmung von
Richard Yates‘ Roman
„Zeiten des Aufruhrs“ standen
Leonardo DiCaprio und
Mendes‘ damalige Ehefrau
Kate Winslet vor der Kamera.
Frank Wheeler (
Leonardo DiCaprio) führt mit Gattin April (
Kate Winslet) und zwei kleinen Kindern im Connecticut der 50er Jahre ein beschauliches Leben. Mit Franks ungeliebtem Bürojob lässt sich ein hübsches Familienhaus in der „Revolutionary Road“ finanzieren, wo sich April nach einer gescheiterten Karriere am Theater ihrem vermeintlichen Schicksal fügt und sich dem Alltagstrott ihrer Hausfrauenrolle ergibt. Als die einst ambitionierten Eheleute beschämt einsehen müssen, dass sie längst im verhassten Kleinbürgertum angekommen sind und ihr Selbstbild zur Karikatur verblasst, beschließen Frank und April einen Neuanfang in Europa …
„
Mendes hat sich der Demontage des amerikanischen Traums schon in seinem wunderbar bösartigen Debüt
‚American Beauty‘ angenommen.
‚Zeiten des Aufruhrs‘ ist weniger zynisch – ein leises Drama, von
Roger Deakins in Bilder gegossen, die die Melancholie der Protagonisten einfangen, ohne sich aufzudrängen“, urteilt Kati Thielitz auf
zeit.de.
Nach all diesen prominent besetzten Kassenerfolgen inszenierte
Mendes 2009 das humorvolle Indie-Drama
„Away We Go“.
Burt Farlander (
John Krasinski) und Verona De Tessant (
Maya Rudolph) freuen sich auf ihr erstes Kind. Als die Geburt kurz bevor steht, teilen ihnen Burts Eltern (
Catherine O'Hara und
Jeff Daniels) mit, dass sie fortan in Belgien leben wollen. Jetzt weiß das künftige Elternpaar nicht so recht weiter, weil es sich stets auf die Unterstützung der exzentrischen Farlanders verlassen hat.
Burt und Verona beschließen, ihr heruntergekommenes Heim im verschneiten Colorado hinter sich zu lassen und auf einer Reise alte Freunde und Bekannte abzuklappern, um einen neuen Ort zum Leben zu finden, was sich als schwieriger als erwartet erweist.
„
‚Away We Go‘ gehört zu jenen Filmen, bei denen die Musik eine entscheidende Rolle spielt.
Sam Mendes engagierte den Singer/Songwriter
Alexi Murdoch, der mit Liedern von seinem starken Debütalbum
‚Time Without Consequence‘ sowie einigen neuen Titeln weite Strecken des Films untermalt. Ähnlich wie in
Hal Ashbys Klassiker
‚Harold & Maude‘ ist die Musik fast ein weiterer Hauptdarsteller, auch wenn
Murdochs sanfte Stimme und seine Gitarre oftmals nur leise im Hintergrund eingesetzt werden. Die Musik ist stets genau auf die jeweilige Szene abgestimmt und prägt die locker-gefühlvolle Stimmung des Films nachhaltig“, vermerkt Björn Becher in seiner Kritik auf
filmstarts.de.
Am 5. Januar 2010 sorgte die Nachricht, dass
Sam Mendes den 23. James-Bond-Film drehen würde, für Furore.
„Skyfall“ startete pünktlich zum 50. Geburtstag der James-Bond-Filmreihe weltweit am 26. Oktober 2012 und wurde zu einem künstlerischen und Kassenerfolg.
James Bonds (
Daniel Craig) Loyalität zu seiner Vorgesetzten M (
Judi Dench) wird auf die Probe gestellt, als die resolute Chefin des MI6 von ihrer eigenen Vergangenheit eingeholt wird. M hat Daten verloren, die alle Agenten enttarnen können, die in terroristische Zellen eingeschleust wurden. Dadurch gerät der britische Geheimdienst ins Fadenkreuz eines Verbrechers, durch dessen Skrupellosigkeit viele Menschen ihr Leben lassen müssen. Nun liegt es an 007 die unheimliche Bedrohung aufzuspüren und aufzuhalten, die den gesamten Geheimdienst an den Rand des Zerfalls treibt. Die Spur führt Bond zu dem mysteriösen Cyber-Terroristen Silva (
Javier Bardem) …
„Im 50. Jubiläumsjahr gelingt ‚Skyfall‘ nun eine wunderbar paradoxe Rolle rückwärts: Die Krise wird zugleich zugespitzt und überwunden, der Craig-Bond ist endgültig nicht mehr der Bond, wie man ihn kennt, und am Ende, wenn die Franchise-Partikel peu à peu wieder ins Gefüge eingesetzt finden, doch Bond durch und durch. Sogar ein geschüttelter Martini wird, sehr nebenbei, getrunken, selbst Moneypenny kommt zum Schuss, im neuen Geheimdienst-Hauptquartier wartet der berühmte Salon. Nebenbei ist ‚Skyfall‘ eine glänzende Apotheose des zeitgenössischen Unterhaltungskinos - und der beste Bond seit Jahren, wenn nicht Jahrzehnten. Alles zurück auf Doppelnull. Ein Geschenk des Himmels“, findet Thomas Groph in seiner Filmkolumne auf perlentaucher.de.
Nach dem überwältigenden Erfolg von
„Skyfall“ ließ sich
Sam Mendes dazu überreden, auch den nächsten James-Bond-Film
„Spectre“ zu inszenieren.
Geheimdienst-Chef M (
Ralph Fiennes) gerät unter Druck. Max Denbigh (
Andrew Scott), der neue Leiter des Centre for National Security, zweifelt an der Relevanz des MI6 – und an der des besten Mannes im Hause: James Bond (
Daniel Craig). 007 ist gerade wieder auf einer nicht genehmigten Solo-Mission unterwegs, in Mexiko City, nachdem er eine kryptische Nachricht aus seiner Vergangenheit erhielt. Danach trifft er in Rom Lucia Sciarra (
Monica Bellucci), die hübsche, eiskalte Witwe eines berühmten Kriminellen, mit deren Hilfe er einer finsteren Geheimorganisation namens „Spectre“ auf die Spur kommt. Bond bittet Moneypenny (
Naomie Harris) und den Technikexperten Q (
Ben Wishaw), ihm dabei zu helfen, die Tochter seines alten Erzfeindes Mr. White (
Jesper Christensen) aufzuspüren: die Ärztin Madeleine Swann (
Léa Seydoux). Nur sie hat die entscheidende Information, das Mysterium hinter Spectre zu lüften und den mysteriösen Mann (
Christoph Waltz) dingfest zu machen, der an der Spitze steht…
„Während es in den Bond-Filmen früherer Jahrzehnte um den Schauwert und die atemberaubendsten Stunts und Gimmicks ging, spielt bei Mendes die Symbolik der Bilder eine entscheidendere Rolle: In
‚Skyfall‘ plumpst Bond zweimal signifikant ins Wasser, geht sozusagen unter;
‚Spectre‘ lässt ihn nun gleich mehrfach wieder zum Kämpfen in die Lüfte steigen, so wie sich der zuletzt arg geschundene und zerquälte Charakter im Laufe dieser Prequel-Erzählung allmählich zum zynischen, arroganten und manipulativen Supermacho entwickelt, den
Sean Connery und auch
Roger Moore einst im Sinne Ian Flemings spielten.
Craigs zwischen Brutalität und Nervosität pendelnder Minimalismus ist auch hier erneut ein großes Schauspiel“, findet Andreas Borcholte auf
spiegel.de.
Filmographie:
1993: Cabaret (Fernsehfilm)
1996: Company (Fernsehfilm)
1999: American Beauty
2002: Road to Perdition
2005: Jarhead – Willkommen im Dreck (Jarhead)
2008: Zeiten des Aufruhrs (Revolutionary Road)
2009: Away We Go – Auf nach Irgendwo (Away We Go)
2012: James Bond 007: Skyfall (Skyfall)
2015: James Bond 007: Spectre (Spectre)
Playlist:
01.
Thomas Newman - Dead Already (
American Beauty) - 03:18
02.
Thomas Newman - Rock Island, 1931 (
Road To Perdition) - 03:22
03.
Thomas Newman - Mental Boy (
American Beauty) - 01:43
04.
Thomas Newman - Dickskinner (
Jarhead) - 03:34
05.
Thomas Newman - Ghosts (
Road To Perdition) - 03:38
06.
Thomas Newman - Any Other Name (
American Beauty) - 04:06
07.
Thomas Newman - Permission To Fire (
Jarhead) - 04:55
08.
Thomas Newman - End Title (
Revolutionary Road) - 04:54
09.
Thomas Newman - Unrealistic (
Revolutionary Road) - 02:50
10.
Alexi Murdoch - Blue Mind (
Away We Go) - 05:46
11.
Adele - Skyfall (
Skyfall)- 03:56
12.
Thomas Newman - Adrenaline (
Skyfall) - 02:20
13.
Thomas Newman - New Digs (
Skyfall) - 02:45
14.
Thomas Newman - End Title (
Spectre) - 05:37
15.
Thomas Newman - April (
Revolutionary Road) - 09:34