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Sonntag, 11. Oktober 2009

James Newton Howard (Teil 1) - Den Ideen der Regisseure verpflichtet

Fraglos zählt James Newton Howard momentan nicht nur zu den meistbeschäftigten, sondern auch musikalisch interessanteren Hollywood-Komponisten. Mit seinen geschätzten Scores zu so unterschiedlichen Filmen wie "Flatliners", "Herr der Gezeiten", "Dave", "Falling Down", "Auf der Flucht", "Wyatt Earp" und "Waterworld" bis zu seinen letzten Blockbuster-Arbeiten zu Peter Jacksons „King Kong“ und Christopher Nolans „Batman“-Reaktivierungen „Batman Begins“ und „The Dark Knight“ (jeweils in Zusammenarbeit mit Hans Zimmer) bewies er ein sicheres Gespür für sowohl packend-dramatische und actionreiche als auch romantische, herzergreifende und komödiantische Kompositionen, die sich fast allesamt durch sehr einprägsames Themenmaterial auszeichnen.

Ebenso schillernd wie seine Karriere als Filmkomponist ist dabei seine musikalische Vergangenheit als Studiomusiker, Plattenproduzent und Orchestrator. Nachdem James Newton Howard die USC School of Music und Santa Barbara's Music Academy of the West absolviert hatte, fühlte er sich zunächst zur Popmusik hingezogen, schloss sich Anfang der 70er der in Los Angeles beheimateten Band Mama Lion an, veröffentlichte ein Soloalbum namens "James Newton Howard & Friends" und machte die Bekanntschaft mit Plattenproduzent Richard Perry, woraufhin sich der junge Musiker schnell als Programmierer, Piano- und Keyboardspieler für Künstler wie Carly Simon, Leo Sayer, Diana Ross und Ringo Starr einen Namen machte. Zwischen 1974 und 1975 wurde James Newton Howard von Elton John für seine Band engagiert, spielte mit ihm das 75er Album "Rock of The Westies" ein und 1980/81 das Album "Blue Moon", um ihm 1986 erneut, diesmal als Orchestrator für seine Australien-Tournee beiseite zu stehen. Zwischenzeitlich produzierte James Newton Howard Alben von Leuten wie Valerie Carter und Cher und co-komponierte/produzierte Künstler wie Randy Newman, Chaka Khan und Rickie Lee Jones, arrangierte die Musik von Earth, Wind & Fire, Kenny Loggins, Olivia Newton-John, Bob Seger, Diana Ross, Barbra Streisand und Toto.
Nachdem der von Bernard Herrmann, Jerry Goldsmith und Erich Wolfgang Korngold beeinflusste Komponist 1985 seinen ersten Film, "Head Office", gemacht hatte, begann eine beispiellose Karriere in Hollywood, die sicher längst noch nicht ihren Höhepunkt erreicht hat. 1996 hatte ich die schöne Gelegenheit, James Newton Howard zu interviewen.

Sie verfügen über einen wirklich bemerkenswerten musikalischen Background. Wann und wie haben Sie Interesse und Zugang zur Filmmusik gefunden?
Bevor ich angefangen habe, als Studiomusiker und Arrangeur zu arbeiten, hatte ich eine klassische Ausbildung. 1973/74 machte ich ein Soloalbum mit instrumentaler Musik. Ich schrieb immer eine Menge instrumentaler Musik, spielte mit Elton John in den 70ern. Schließlich haben 1985 die Leute, die mich zu jener Zeit managten, mir vorgeschlagen, Filme zu machen. Ich war deswegen sehr nervös, weil ich so etwas vorher nie gemacht habe. Die Technik war eine Sache, über die ich z.B. überhaupt nichts wusste. Deshalb war ich von dieser Idee sehr eingeschüchtert. Aber schließlich wurde mir ein Film angeboten, und ich entschied mich, ihn zu machen. Es war eine phantastische Erfahrung und ich habe seitdem immer damit weitergemacht.

Obwohl Sie eine klassische Ausbildung genossen haben, wird Ihr Name oft mit Komponisten wie Hans Zimmer, Danny Elfman oder Graeme Revell in Zusammenhang gebracht, die aus der Pop- und Rockmusik-Szene kommen und über keine akademische Ausbildung verfügen. Was halten Sie von den Kritiken, die behaupten, dass diese Leute ihren Job schlechter machen als klassisch ausgebildete Komponisten?
Die Leute bringen mich mit einem nicht akademischen Hintergrund in Zusammenhang, weil die erste Sache ist, die sie hören, dass ich mit Elton John gespielt habe. Ich finde aber auch, dass es kein sehr zutreffendes Statement ist zu behaupten, dass nicht klassisch ausgebildete Komponisten ihren Job schlechter machen als diejenigen mit einer akademischen Ausbildung. Ich denke, der einzige Weg, den Wert eines Scores zu beurteilen, ist zu sehen, wie gut er dem Film dient. Gerade im Fall von Hans Zimmer kann man anhand vieler seiner Scores ganz genau festmachen, dass sie sehr gut im Film funktionieren und die ganzheitliche Erfahrung, einen Film zu erleben, unterstützen.

Auf welche Weise arbeiten Sie gewöhnlich für einen Film? Wie sprechen die Regisseure über die Musik, die sie für ihre Filme haben möchten?
Für die meisten Regisseure ist es sehr schwierig, über Musik zu reden, weil es eine Sprache ist, die sie nicht verstehen. Wenn es schließlich darum geht, sich mit ihnen über die Musik für ihren Film zu unterhalten, reden sie nicht in musikalischen Termini, sondern auf eher abstrakte Weise. Sie sprechen über Gefühle, manchmal auch über Klangfarben und Texturen. Was ich mache, ist, dem zuzuhören, was sie denken, haben zu wollen. Und was ich versuche, ist, ihnen zu geben, was ich denke, dass sie wirklich brauchen. Da gibt es große Differenzen.
Vor Jahren arbeitete ich mit einigen Regisseuren zusammen, die sich wirklich musikalischer Begriffe bedienten, aber für mich macht das eigentlich keinen großen Unterschied. Die einzige Sache, worauf ich bei den meisten Regisseuren achte, ist, mich ihren Ideen zu verpflichten. Solange ein Regisseur sich dessen sehr sicher ist, was er mag und was nicht, und wenn er in der Lage ist zu erkennen, wenn die Musik funktioniert, habe ich keine Probleme mit ihm oder ihr zu arbeiten, ganz unabhängig davon, ob sie in musikalischen Dingen bewandert sind oder nicht.

Viele Ihrer Scores zeichnen sich durch die Verbindung von elektronischen Instrumenten und orchestralen Arrangements aus. Haben Sie eine spezielle Vorliebe dafür, mit Synthesizern zu arbeiten?
Nun, es ist ein großer Teil meines Backgrounds als Plattenproduzent. Das, was ich jetzt mache, sehe ich als quintessentielle Mixtur meiner zwei Backgrounds, des klassischen und orchestralen einerseits - wobei ich gerade den orchestralen Aspekt bei den Platten in den 70ern und 80ern benutzte - und des elektronischen andererseits, der aus meiner Zeit als Studiomusiker und Plattenproduzent resultiert. Ich betrachte elektronische und zeitgenössische Musik als eine sehr wertvolle Stimme in der Filmmusik, aber ich glaube nicht, dass die eine oder andere Seite allein der beste Weg wäre. Ich habe herausgefunden - gerade in den meisten großen Action-Filmen -, dass die elektronischen Instrumente etwas leisten können, wozu das Orchester nicht in der Lage wäre, und ich glaube, dass es die beste Art ist, die Synthesizer als eine Stimme im Orchester einzusetzen.

Die Karriere von Filmkomponisten hängt oft eng mit den Regisseuren zusammen, mit denen sie ständig zusammenarbeiten - so wie bei Danny Elfman und Tim Burton, Howard Shore und David Cronenberg oder Patrick Doyle und Kenneth Branagh. Obwohl Sie bislang mit einer ganzen Reihe von Regisseuren zusammengearbeitet haben, scheinen mir Ihre Kollaborationen mit Joel Schumacher ("Flatliners", "Dying Young", "Falling Down") und Lawrence Kasdan ("Grand Canyon", "Wyatt Earp", "French Kiss") besonders wichtige Stationen Ihrer bisherigen Karriere gewesen zu sein. Wie kamen Sie mit diesen Regisseuren zusammen und was mögen Sie an der Zusammenarbeit mit ihnen?
Ich habe zuerst Joel Schumacher kennengelernt. Vorher hatte ich auch zwei Filme mit Michael Hoffman gemacht, der verschiedene kleinere Filme gedreht hat, von denen du vielleicht "Soapdish" kennst, den er vor einigen Jahren gemacht hat und den ich leider nicht machen konnte, weil ich gerade mit einem anderen Projekt sehr beschäftigt gewesen war.
Jedenfalls arbeitete ich mit ihm vorher an zwei kleineren Filmen zusammen, "Promised Land" und "Some Girls". Joel Schumacher hat im Kino "Some Girls" gesehen und liebte den Score wirklich, also rief er mich an und wir trafen uns, bevor er anfing, "Flatliners" zu drehen. Er bot mir die Gelegenheit, eine Art Messe-orientierte, religiös-verbundene Musik zu schreiben, die nur begrenzte Parameter hatte, so dass ich fast schreiben konnte, was ich wollte. Das war ein großartiger Moment für mich und wir hatten eine unglaublich erfolgreiche Zeit zusammen.
Lawrence Kasdan traf ich ungefähr 1989/90, lernte ihn aber bereits 1985 auf dem Set von "Silverado" kennen, wo ich meine ex-Frau Rosanna Arquette besuchte. Er rief mich dann etwa fünf Jahre später an, um sich mit mir wegen "Grand Canyon" zu treffen. Das Treffen war offensichtlich sehr erfolgreich, denn er engagierte mich für diesen Film und zwei weitere bis jetzt.
Was ich an beiden Regisseuren schätze, ist ein wahrer und dankbarer Respekt vor dem, was ich mache, weil sie es als sehr wichtig für ihren Film betrachten und jede Änderung, die sie vornehmen, zusammen mit mir durchgehen. Sie geben mir unglaublich viel Freiraum und zu beiden entwickelte ich gute Freundschaften.

Gerade "Flatliners" scheint ja eine Art Durchbruch für Sie gewesen zu sein. Können Sie mir etwas über Ihre Ideen erzählen, für diesen Score sakrale Chöre mit modernen Synthi-Sounds und rockigen Gitarren zu verbinden?
Als Joel mich erstmals kontaktierte, bat er mich, eine Messe zu schreiben. Natürlich ist diese Messe eine Messe, wie man sie sich in Hollywood vorstellt. Was mir zunächst in den Sinn kam, war eine Art katholische Liturgie zu verwenden und eben alle Dinge, die man benutzt, wenn es um eine Messe geht. Ich fand, "Flatliners" beschäftigte sich mit dem Tod auf unterschiedlichen Ebenen. Zum einen spielt er sich auf einer Abenteuer-Ebene ab, wobei ich dachte, dass die Musik eine gewisse Erregung portraitieren sollte. Dafür setzte ich zeitgenössische Instrumente wie Gitarren, Percussions und Synthesizer ein. Außerdem spielte Angst eine große Rolle, die ich damit zu verbinden versuchte.
Aber es ging auch um die Schönheit darin. Es ist ja eine Geschichte über Erlösung, Entschlossenheit, dass der von Kiefer Sutherland verkörperte Charakter in der Lage ist, zurückzugehen und seinen Frieden mit dem Jungen zu machen, den er als Kind gequält und verspottet hat. Schließlich war auch ein pointierter emotionaler Gehalt darin.
Ich fand, dass die choralen Aspekte am besten in der Lage waren, die mystischen Dimensionen der Geschichte zu erfassen. Für mich war es das erste Mal bei einem Score, den ich gemacht habe, dass ich alles benutzen konnte, wofür ich schon immer eine große Leidenschaft empfand.

Abgesehen von "Flatliners" benutzten Sie Chöre auch in "Grand Canyon", "Intersection", "Outbreak" und "Waterworld". Als ich mit Chris Young und Elliot Goldenthal sprach, fand ich heraus, dass sie Chöre auf sehr elaborierte Weise in ihrer Musik einsetzen. Wie gehen Sie mit Chören bei Ihren Scores um?
Ich liebe es, für Chöre zu schreiben. Im Falle von "Outbreak" und "Waterworld" waren keine wirklichen Lyrics vorhanden. Es handelte sich eher um Texturen und Ergänzungen, um den Filmen eine magische, mystische Aura zu verleihen. Bei "Outbreak" ging es um eine spannungsvolle Struktur von Menschenwesen. Ich fand, dass die damit verbundene Angst und Tragödie am besten durch menschliche Stimmen ausgedrückt werden konnte. In "Waterworld" ging es eher um eine magische Dimension, eine Art "Wizard Of Oz"-Gefühl zu kreieren, um die Wirkung des Scores allgemein zu intensivieren.
"Grand Canyon" war ganz interessant, weil ich den Chorus als griechischen Chor angefangen habe zu schreiben, in der Tradition eines Bewusstseins, das die Handlungen der Hauptdarsteller kommentiert. In "Grand Canyon" herrschte so ein Gefühl, das von unbeabsichtigten Wellen des Schicksals geprägt wurde. da ging man seiner alltäglichen Arbeit nach und es konnten einem plötzlich die schrecklichsten, aber auch die schönsten Dinge geschehen, ohne Vorwarnung. Der Chor diente dazu, ein Gefühl dafür zu vermitteln, wie man unter Kontrolle steht. Für mich schien es der beste Weg zu sein, dies zu erreichen. Wieder waren keine Texte vorhanden, es ging nur um den Sound und ein Gefühl.
In "Intersection" war der Chor weniger signifikant, und um ehrlich zu sein, bin ich damit nicht sehr zufrieden, einen Chor eingesetzt zu haben. Ich denke, ich bin damit nur meiner Tradition gefolgt. Es war eines dieser Experimente, das manchmal gut funktioniert, manchmal weniger gut. Das ist aber nur meine eigene Meinung. Für mich bestand die Schwierigkeit, glaube ich, darin, den Kern der Musik zu bewahren. Es war einerseits eine Liebesgeschichte, andererseits die mystische Dimension eines Mannes während seines Todes. Ich weiß nicht, ob es funktioniert hat oder nicht.

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