James Newton Howard (Teil 3) - Auf einem höheren Level
Wie viele Komponisten arbeiten auch Sie mit einem Team, mit Michael Mason als Co-Produzent, Brad Dechter und Chris Boardman als Orchestratoren, Marty Paich als Dirigent und Jim Weidman als Editor. Ist es einfach eine Notwendigkeit, in einem Team zu arbeiten, wenn man so viele Scores wie Sie produziert?
Ja, ich kann gar nicht genug betonen, wie wichtig ein Team ist. Michael Mason, mit dem ich seit zehn Jahren zusammenarbeite, ist die einzige Person, die mir beim Komponieren über die Schulter schauen darf. Komponieren ist ein Vorgang voller Hemmungen. Für jede gute Idee, mit der ich ankomme, muss ich unzählige schlechte verwerfen. Jemanden wie Michael um sich zu haben, ist, als ob man einen Freund um sich hat, der Vertrauen in deine Arbeit hat und einem sagen kann, welcher Track nicht verwendet werden sollte, welche die richtige Musik ist usw. Bei Jim Weidman ist es ähnlich. Er ist ein phantastischer Music Editor.
Er hilft mir nicht nur, die Musik richtig im Film zu platzieren, was ungeheuer wichtig ist, sondern hat auch ein sehr gutes Gespür für den richtigen Klang eines Cues und sorgt dafür, dass meine Musik im Film nicht allzu zerstückelt wird.
Marty Paich ist leider kürzlich verstorben. Mit Artie Kane arbeite ich nun seit vier oder fünf Filmen zusammen. Ich habe vorher viele meiner Arrangements selbst dirigiert, aber mittlerweile sind viele meiner Scores mit den Orchestern, Synthesizern und den ganzen Produktionsmitteln so komplex geworden, dass ich mich eher um die Nachbereitung kümmere, damit ich mich eher auf den Dialog mit dem Regisseur, auf seine Gefühle einlassen kann. Das würde nicht so gut funktionieren, wenn ich auch noch auf dem Podium stehen würde.
Das ist ein Team, zu dem auch noch die Kopistin JoAnn Kane gehört. Ich werde nicht ohne mein Team arbeiten. Wenn jemand aus welchen Gründen auch immer sagen sollte, ich dürfe diese Leute nicht haben, würde ich antworten, dass sie sich jemand anderen für den Job suchen sollen.
Viele Kritiker und auch Komponisten meinen, dass die Filmmusik jedes Jahr schlechter werden würde. Wie denken Sie über den heutigen Filmmusik-Standard?
Ich glaube, dass es nicht sehr viele gute Scores heutzutage gibt, aber ich denke auch, dass es nicht notwendigerweise schlimmer ist als früher. Wenn man sich beispielsweise viele Scores aus den 50ern und 60ern anhört, ist das total peinlich. Es ist immer so gewesen, dass einige Scores von uninspirierten Komponisten geschrieben wurden oder dass der Sound schon völlig überholt war, als der Film veröffentlicht wurde. Es gibt heutzutage sowohl brillante Talente, die phantastische Scores schreiben, als auch Leute, die besser TV-Commercials komponieren sollten.
Hören Sie viele Scores Ihrer Kollegen wie James Horner, Hans Zimmer, Elliot Goldenthal, Chris Young oder Joel Mc Neely?
Natürlich höre ich sie. Ich achte auf deren Scores die ganze Zeit. Ich bin ein großer Fan von James Horner. Er ist einer der größten Stars, die emporgekommen sind. Ich bin ein großer Bewunderer von Jerry Goldsmith. All die Leute, die du genannt hast. Von Joel Mc Neely habe ich gute Dinge gehört. Man muss den Wettbewerb abwarten.
Es schien eine Menge Probleme im Post-Produktions-Prozess von "Waterworld" zu geben. Regisseur Kevin Reynolds schied aus und Sie wurden engagiert, um an Stelle von Mark Isham die Musik zu komponieren. Können Sie mir etwas über die Probleme erzählen, bevor Sie involviert wurden?
Ich habe keine Ahnung, was vorher passierte. Offensichtlich haben Kevin Reynolds und Kevin Costner bestimmte Dinge unterschiedlich gesehen, so dass Kevin Reynolds gegangen ist und Kevin Costner das Projekt übernommen hat. Ich weiß aber nicht, was, wie, warum es passierte. Alles, was ich weiß, ist, dass Kevin Costner derjenige ist, der mich engagiert hat. Ich habe mit ihm bei "Wyatt Earp" bis zu einem gewissen Grad zusammengearbeitet, was mir viel Spaß machte. Das war es.
Haben Sie die Musik von Mark Isham gehört?
Ich glaube nicht, dass Mark überhaupt Musik dafür geschrieben hat, und wenn doch, dann sehr wenig. Mark ist ein wundervoller Komponist, also glaube ich nicht, dass es etwas damit zu tun hatte, dass er nicht in der Lage gewesen wäre, den Job auszuführen. Ich glaube, dass es eher mit Kevin Costner zu tun hatte, weil er mit mir bei "Wyatt Earp" zusammengearbeitet hat und den Score wirklich mochte. Er meinte, dass er mit mir eine Beziehung habe, und er wollte bei "Waterworld" mit einem Komponisten arbeiten, den er gut kennt. Das war wohl die grundlegende Entscheidung. Es hatte bestimmt nichts damit zu tun, dass Mark Isham nicht dazu in der Lage gewesen wäre. Ich glaube, er hätte einen wundervollen Score geschrieben.
Es ist witzig, weil ich mit Irwin Winkler zwei Filme gemacht habe und Irwin mich auch für "The Net" haben wollte. Ich machte aber nicht den Vorschlag, an meiner Stelle Mark zu engagieren. Als Irwin mir allerdings erzählte, er habe Mark engagiert, habe ich ihm gesagt, dass es eine großartige Idee sei.
Mit wem haben Sie bei "Waterworld" hauptsächlich über die Musik gesprochen?
In erster Linie war Kevin Costner mein Ansprechpartner. Wir haben uns zusammengesetzt, miteinander gesprochen und uns den Film zusammen angeschaut. Wir haben nochmal darüber gesprochen, ich habe dann angefangen, ein paar Sachen zu schreiben, und er mochte die Sachen, die ich ihm im Studio vorspielte. Ich traf auch mit Chuck Gordon, dem Produzenten, zusammen, und er liebte die Musik auch. Das nächste Mal haben wir uns erst bei den Aufnahmen gesehen.
Zwei Wochen haben wir für die zwei Stunden Musik gebraucht, was viel Musik ist. Alle waren sehr damit zufrieden. Kevin hatte noch ein paar Kommentare abzugeben, aber im Grunde war jeder damit glücklich. Der Editor Peter Boyle wurde noch hinzugezogen und merkte einiges an, aber alles funktionierte ganz ausgezeichnet. Ich hatte noch nie so viel Spaß in meinem Leben.
Worin lag bei dem Score für "Waterworld" die größte Herausforderung für Sie?
"Waterworld" war ein Score, vor dem ich angst hatte, ihn zu machen, weil es ein so gigantischer, epischer Action-Film gewesen ist. Ich denke, jeder Komponist würde dem zustimmen, dass das die schwierigste Art von Film zu scoren ist. John Williams, Jerry Goldsmith und James Horner machen das so brillant, aber es ist harte Arbeit, weil es so viele Noten sind, weil es laut und groß ist. Das Problem bei "Waterworld" bestand für mich zum einen darin, eine 14minütige Kampfszene zu scoren. Das ist eine sehr heftige Komposition. Das zweite Problem war für mich, den richtigen Ton zu finden. Die Smokers sind ja nicht einfach die bösen Jungs, sie sind eine Art lustige böse Jungs. Es handelte sich um ein Action-Abenteuer, das in der Zukunft spielt und eine Portion Humor besaß. Für mich war es schwierig, dafür den richtigen Ton zu finden.
Wie groß war das Orchester für "Waterworld"?
Es war das größte, das ich je hatte - 104 Musiker und 60 Chorstimmen, sowie unzählige Synthesizer und Percussions.
Mittlerweile sind Sie so beschäftigt und erfolgreich, dass Sie unter einer Vielzahl von Skripten entscheiden können. Nach welchen Kriterien suchen Sie Ihre Projekte mittlerweile aus?
Ich denke, die wichtigste Sache, um die ich mich kümmere, ist das Skript. Es muss ein Skript sein, auf das ich mich beziehen kann, eine Geschichte, bei der ich glaube, dass ich sie unterstützen und mich darin involvieren kann, und natürlich spielt der Regisseur und die Besetzung eine wichtige Rolle, wenn nicht sogar die bedeutendste. Viele Filme mache ich mittlerweile mit Leuten, mit denen ich bereits früher zusammengearbeitet habe. Das muss nicht immer ein Regisseur sein, sondern auch Produzenten, Freunde aus dem Filmgeschäft. Ich mache zum Beispiel einen Animationsfilm mit Michael Jordan für Warner Bros. Dieser wirklich witzige Film wird zwar von einem Regiedebütant gedreht, aber Ivan Reitman produziert ihn. Er rief mich an, weil wir schon einige Male zusammengearbeitet haben.
Ich mache einen Film, den Michael Grillo produziert, der auch alle Kasdan-Filme produziert hat. Frühere Beziehungen spielen also eine große Rolle, aber in erster Line sind das Skript und der Regisseur entscheidend.
Haben Sie je Probleme mit dem Budget für einen Score gehabt?
Ich habe oft Probleme mit den Budgets. Ich hatte keine bei "Waterworld", weil ich alles bekam, was ich haben wollte. Bei den meisten Filmen, die ich mittlerweile mache, ist das Budget aber nicht mehr das Problem, weil sie sich auf einem höheren Level befinden. Man wird dafür bezahlt, dass man effektiv und erfolgreich arbeitet. Gewöhnlich handelt es sich um einen Big-Budget-Film, der einem erlaubt, das zu tun, was man für richtig hält. Das Geldproblem fällt eher bei kleineren Filmen an, die oft die besseren Filme sind. Wenn man wie ich an einem Punkt der Karriere angelangt ist, wo man sehr erfolgreich ist, ist man versucht, nur noch die großen Filme zu machen, die nicht immer die besten sind. Wenn man kleinere Filme macht, muss man kreativer und innovativer sein. Das Budget muss man die ganze Zeit beachten, aber glücklicherweise ist das nicht mehr das große Problem.
Jamie Richardson von der Gorfaine & Schwartz Agency erzählte mir, dass Sie momentan an der Warner-Bros.-Produktion "Eye For An Eye" arbeiten. Worum geht es in dem Film und welche Ideen haben Sie schon für die Musik dazu?
"Eye For An Eye" ist ein Film mit Sally Field, Joe Mantegna und Kiefer Sutherland. Es geht um ein Ehepaar, dessen Tochter ermordet wurde. Der Mörder kommt frei, aber der von Sally Field dargestellte Charakter kann damit nicht leben und will ihre Tochter rächen. Es geht also in erster Linie um Rache und Gerechtigkeit.
Der Grund, warum ich den Film machen wollte, ist, weil John Schlesinger ihn macht, der meiner Meinung nach einige der größten Filme der Filmgeschichte gedreht hat. Man kann sehr gut mit ihm zusammenarbeiten. Ich bin gerade dabei auszuarbeiten, welche Musik dazu passen würde. Ich glaube aber, dass ich das Drama eher für sich sprechen lassen möchte, dass ich ein eher kleines Orchester benutze, mit vielen Electronics und vielleicht einigen Soloinstrumenten.
Was können Sie mir noch über Ihre weiteren Projekte erzählen?
Danach werde ich "Deaddrop" mit Andrew Davis machen, dem Regisseur von "Auf der Flucht". Er ist mit Keanu Reeves, Nicole Kidman und Morgan Freeman. Dann mache ich einen Film namens "One Fine Day" mit Michelle Pfeiffer, den Michael Hoffman dreht. Anschließend mache ich den Animationsfilm für Warner Bros. mit Bill Murray, Michael Jordan, Duffy Duck und Bugs Bunny. Das wird mich bis zum Ende des Jahres beschäftigen.
Mit welchen Regisseuren würden Sie in Zukunft gern zusammenarbeiten?
Ich denke, jeder Komponist würde gern mit Bernardo Bertolucci arbeiten. Ich würde aber auch gern mit Terry Gilliam, Ridley Scott, Wim Wenders arbeiten. Aber viele Regisseure haben Beziehungen zu bestimmten Komponisten. Mir fallen momentan keine weiteren ein, aber es gibt noch einige, mit denen ich gern arbeiten würde.
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