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Sonntag, 20. Juni 2010

Elliot Goldenthal (Teil 3) - Der erste Academy Award

Elliot Goldenthal, der sich bislang stets unterschiedlicher Filmprojekte angenommen hatte und immer wieder mit außergewöhnlichen, erfrischenden Scores dazu aufwartete, wurde schließlich auch für den dritten Film in der "Batman"-Reihe engagiert, bei dem er zusammen mit Regisseur Joel Schumacher die Rollen von Regisseur Tim Burton, der als Produzent von "Batman Forever" fungierte, und seinem langjährigen musikalischen Begleiter Danny Elfman übernahm.

"Es war gut, dass es ein neuer Regisseur war, ein neues Batmobile, ein neuer Batman, so dass ich nicht mit dem Erbe der anderen beiden Filme insofern konfrontiert wurde, da der Regisseur alles neu haben wollte. Ich denke, Danny Elfman hat großartige Arbeit für Tim Burtons Filme geleistet, aber wir wollten etwas anderes, etwas Neues machen. Meine Umsetzung war recht einfach, weil ich den Film als Comic-Buch-Oper betrachtete. Tommy Lee Jones' Charakter war ein ganz simpler Bösewicht, so dass seine Musik sehr dunkel klang. Für Jim Careys Charakter benutzte ich elektronische Instrumente aus den 50ern und 60ern, um eine nicht zu moderne Musik zu kreieren, weil er für mich etwas aus der Vergangenheit darstellte. Für Batman komponierte ich natürlich eine heroische, aber sehr dunkle Musik."
Tatsächlich ist Goldenthal mit dem Score zu "Batman Forever" (Atlantic) ein weiterer Geniestreich gelungen, bei dem auf komplexe, höchst intelligente Weise großorchestrale Klangschöpfungen mit elektronischen Finessen zu einer vergnüglichen wie aufbrausenden Einheit verschmelzen, die Goldenthals Vorliebe für die Musik von Bernard Herrmann, Phillip Glass und den Einfluss von Richard Wagner auf das Szenario von "Batman Forever" deutlich macht. Das Erbe Wagners kommt schließlich auch in der Titelgebung von Tracks wie "Fledermausmarschmusik" und "Batterdammerung" zum Tragen.
"Ich finde, die deutsche Musik war Mitte bis Ende des 19. Jh. voller heroischer Charaktere. Der Protagonist aus ‘Der Fliegende Holländer’ ähnelt z.B. Batman sehr, indem er sich der Frau zu erkennen gibt, die er liebt; er ist eine sehr dunkle, mysteriöse Persönlichkeit voller Kraft. ‘Batman’ liegt also ein Konzept zugrunde, das ähnlich dem deutschen aus dem 19. Jh. ist. Ich finde, dass Wagner das in seinen frühen Opern sehr gut ausgedrückt hat.
Eine andere Komponente aus den drei ‘Batman’-Filmen, die einen Bezug zu Deutschland aufweist, ist die Ähnlichkeit zu Fritz Langs ‘Metropolis’, das auch eine Art von Gotham City darstellt. Das einzige, was von diesem deutschen Ursprung abweicht, sind die jazzigen Elemente, die mit Jim Careys Rolle und der Stadt an sich zusammenhängen. Amerikanische Städte werden irgendwie mit Jazz assoziiert, Ich bezog mich aber auch auf die Superhelden-Shows im Fernsehen aus den 50ern und 60ern, in denen dieser Sound vorhanden war."
Gerade hat Goldenthal seine Arbeit an einem symphonischen Choralwerk anlässlich des 20. Jahrestages des Vietnamkriegendes (Sony) beendet, das vom Pacific Symphony Orchestra aufgeführt werden wird, um auf musikalische Weise dem menschlichen Leiden durch den Vietnam-Krieg zu gedenken.
"Es ist ein musikalisches Monument, aber völlig unpolitisch, da ich nicht daran interessiert bin, ein politisches Statement über den Krieg abzugeben. Aber es ist sehr persönlich. Der Text enthält Briefe, Korrespondenzen sowohl von den Nord- und Südvietnamesen als auch von den amerikanischen Soldaten. Es ist ein persönliches Statement über die Leiden des Krieges, vor allem nach 1975. Es wird einen vollen Chor, Orchester, elektrische Gitarre (Jimmy Hendrix-Samples) und Solisten enthalten und in Englisch, Latein und Vietnamesisch vorgetragen. Es wird hinsichtlich des Publikums vielleicht das erste Mal sein, dass amerikanische und vietnamesische Kriegsveteranen in einem Raum sitzen werden, um derselben Musik zuzuhören. Das ist noch nie passiert.
Während des Vietnam-Krieges war ich völlig gegen den Krieg. Ich fand es dumm und unglücklich, diesen Krieg anzuzetteln. Wie auch immer, die Soldaten, die diesen Krieg kämpften, waren überwiegend sehr arm, meistens Schwarze. Soldat zu sein, war die einzige Möglichkeit, dem Elend der Stadt zu entkommen. Als die Soldaten zurückkehrten, waren sie nicht willkommen, weil der Krieg unpopulär geworden ist. Viele Soldaten fühlten sich sehr einsam, kehrten sehr verwirrt zurück und wurden drogenabhängig. Es war eine sehr unglückliche Situation für die Amerikaner, die teilweise ihre Arme und Beine, ihre Familien, Frauen und Kinder verloren. Sie hatten nichts. Für die Südvietnamesen konnte nichts schlimmer sein, als langsam ihre Familien und Leben zu verlieren und Stück für Stück zurückgedrängt zu werden. Die Nordvietnamesen wurden mit Napalm bebombt, ihre Leben und das Land wurde von Leuten zerstört, die 6000 Meilen entfernt waren.
Die Gefühle sind auf allen Seiten sehr komplex gewesen, immer noch lebendig, sehr roh. Sie kamen bislang noch nicht zur Ruhe. Wenn Amerikaner und Vietnamesen zur selben Zeit nebeneinander sitzen und derselben Musik zuhören, ist das ein sehr emotionales Erlebnis."
Was Goldenthal an dem Projekt faszinierte, war auch der Umgang mit so unterschiedlichen Kulturen, die Herausforderung, einen Rahmen zu finden, der die Komposition, die Texte und die Bedeutungen vereint. Für das, was Musik für ihn bedeutet, hat Goldenthal auch einen schönen Vergleich parat.
"Ich war 17, als Neil Armstrong auf dem Mond spazierte, auf die Erde schaute und feststellte, wie klein und schön sie aussah, und realisierte, dass nationale Grenzen wirklich dumm sind, dass Musik etwas ist, das wir alle miteinander teilen können. Wir müssen keine schwierige Sprache erlernen, um Musik verstehen zu können. Ein Kind aus Leipzig kann ebenso gut die Rolling Stones lieben wie ein Junge aus Ohio Bach lieben kann.
Es gibt keine Grenzen in der Musik. Es ist schön zu wissen, dass man ohne große Schwierigkeiten fast jede Sprache der Welt sprechen kann, wenn man nur die Ohren für die Musik offenhält. Ich glaube nicht an die Idee einer nationalen Musik. Als Bizet ‘Carmen’ komponierte, bin ich sicher, dass er kein Spanier sein musste. Richard Wagner musste kein Wikinger sein, um die ‘Nibelungen’ zu komponieren. George Gershwin musste kein Schwarzer sein, um ‘Porgy & Bess’ zu schreiben. Musik ist auf eine Weise heilig, dass der Turm zu Babel in der Musik nie existierte, da jeder diese Sprache spricht."
Dennoch scheint es bei Goldenthals Arbeit zu Michael Manns Thriller "Heat" (Warner) verschiedene Meinungen über das gegeben zu haben, was Musik in diesem Fall leisten sollte. Verlief die Arbeit zu "Batman Forever" noch reibungslos, was die Verwendung von Score und Songs anging, so trügt bei "Heat" die stimmig anmutende Symbiose zwischen Goldenthals teils elektronischen, teils orchestralen Score mit markanten Streichern des Kronos Quartetts und scharfen elektrischen Gitarren einerseits und den Songs von Moby, Lisa Gerrard, Passengers u.a. andererseits.
"Es gab insofern Probleme, als ich für die Szenen, in denen Songs eingesetzt werden sollten, ebenfalls Musik geschrieben habe. Es ging um Brian Eno und mich, wobei der Regisseur sich in die Stücke verliebt hat und sie in dem Film einsetzen wollte, obwohl ich schon für die entsprechenden Szenen Musik komponiert hatte. Es war der reinste Zirkus, so dass ich gehen musste. Ich konnte da nicht mehr sein. Ich hatte eine schöne Zeit damit, die Musik zu komponieren, aber als ich ebenso wie andere realisierte, dass der Regisseur willkürliche Entscheidungen traf, verließ ich mit Matthias Gohl das Projekt. Er ging in die Schweiz, ich nach Barbedos."
Mittlerweile haben sich beide von den Aufregungen des "Heat"-Projekts erholt, und Goldenthal durfte wieder für Michael Manns letzten Film „Public Enemies“ musikalisch tätig werden. Aber auch die Zusammenarbeit mit den Regisseuren Neil Jordan und Joel Schumacher fand ihre Fortsetzung. 1996 schrieb Elliot Goldenthal, der gerne für Bertolucci, Sidney Lumet und Jane Campion arbeiten würde, die Musik zu "Michael Collins", Neil Jordans epische Biographie des IRA-Terroristen.
"Michael Collins ist eine sehr wichtige Persönlichkeit für Irland, eine Art Malcolm X oder George Washington. Er war von 1916 bis 1922 der erste Terrorist der IRA und ist für viele Iren ein Held. Für mich bedeutet das eine große Verantwortung“, erzählte mir Goldenthal im Vorfeld der Produktion.
„Natürlich werde ich irische Folk-Elemente integrieren, traditionelle irische Musik, aber auch Vocals, vielleicht Sinead O’Connor oder Enya. Es wird aber auch ein volles Orchester geben, da es ein sehr großer, epischer Film im Stile von ‘Napoleon’ oder ‘Gandhi’ wird.
Nach ‘Michael Collins’ folgt ‘Time To Kill’, ein Film von Joel Schumacher. Und dann gibt’s es einen weiteren ‘Batman’-Film, 1997. Die Hälfte des Materials dafür ist praktisch schon fertig, das Batman-Theme, das Batmobile-Theme, insofern hoffe ich, dass der nächste Film einfacher wird."

Nach seinen furiosen Arbeiten für die „Batman“-Reihe sorgte auch die Computerspiel-Verfilmung „Final Fantasy: Die Mächte in dir“ im Jahre 2001 für Lobeshymnen, ehe Goldenthal ein Jahr später für die stimmungsvolle Musik zum Biopic „Frida“ mit dem Oscar ausgezeichnet wurde.
„Für ‚Frida‘ habe ich versucht, die Musik mit einer melodischen Intimität zu versehen, also mit Melodien oder Harmonien im Gegensatz zu motivischen Fragmenten zu arbeiten. Um eine zusätzliche Intimität zu erreichen, habe ich ein kleines Ensemble mit akustischen Instrumenten gewählt: die kleine mexikanische Gitarre (Vihuela), die normale klassische Gitarre, mexikanische Bass-Gitarre (Guitarron), Akkordeon, mexikanische Harfe, Marimba und Glasharmonika (eine Erfindung von Benjamin Franklin). Ich fand, dass die Gitarren die ganze Bandbreite an Lyrizismus und Percussion lieferten, die ich benötigte“, beschrieb der Komponist in den Liner Notes zum Soundtrack „Frida“.
„Mexikanische Musik kann nicht generalisiert werden, sie variiert extrem von einer Region zur nächsten, aber in ihrer folkloristischen Musik ist ein gewisser harmonischer Fingerabdruck zu erkennen, ein Gebrauch von fortlaufenden Dritteln und eine stolze Vermeidung überkomplexer Harmonien. Ich dachte, wenn ich dieser essenziellen harmonischen Signatur folge und meinen Melodien treu bleibe, wird mich der Film einladen.
Ein anderer extrem wichtiger Aspekt des gesamten Scores ist der Song. Songs findet man überall in Mexiko, du wirst angesungen und man erwartet von dir zu singen. In den Fiestasm auf den Seen, in den Feldern, in den Hinterhöfen, unter den Fenstern von Liebenden, auf den Friedhöfen, auf Hochzeiten – Mexiko singt. Diese traditionellen und regionalen Songs scheinen wunderbar neben den letzten romantischen Boleros und experimentellen Pop leben zu können.“

Filmographie
1979 Blank Generation
1989 Drugstore Cowboy
1989 Pet Semetary
1989 Criminal Justice
1992 Alien 3
1992 Grand Isle
1993 Demolition Man
1993 Golden Gate
1994 Cobb
1994 Interview with the Vampire
1995 Heat
1995 Voices
1995 Batman Forever
1996 Michael Collins
1996 A Time To Kill
1997 Batman and Robin
1998 The Butcher Boy
1998 Sphere
1999 In Dreams
2000 Titus
2001 Final Fantasy
2002 The Good Thief
2002 Frida
2003 S.W.A.T.
2007 Across The Universe
2009 Public Enemies
2010 The Tempest

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