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Sonntag, 12. Januar 2020

Playlist #284/#285 vom 19.01./02.02.2020 - PHILIPPE SARDE Special

Philippe Sarde zählt nicht nur neben Georges Delerue, Michel Legrand und Maurice Jarre zu den prominentesten Komponisten des französischen Kinos der Nachkriegszeit, sondern wurde gerade dem deutschen Filmpublikum auch durch seine Zusammenarbeit mit Regisseur Claude Sautet und der Schauspielerin Romy Schneider bekannt. Aber auch mit den Filmemachern Bertrand Tavernier, André Téchiné und Roman Polanski verband Sarde eine enge künstlerische Beziehung.

Philippe Sarde wurde am 21. Juni 1948 in Neuilly-sur-Seine, Hauts-de-Seine, Île-de-France, geboren und wurde durch seine Mutter, die an der Pariser Oper singende Andrée Gabriel, früh an die Musik herangeführt, dirigierte bereits im Alter von vier Jahren einen kurzen Ausschnitt aus „Carmen“ an der Pariser Oper und begann ein Jahr später, mit Klangaufnahmen zu experimentieren und seine ersten Kurzfilme zu drehen. Sarde entwickelte nämlich ebenso wie für die Musik eine Liebe zum Film, weshalb er später während seines Musikstudiums am Pariser Konservatorium bis zu zehnmal wöchentlich eine Kinovorstellung besuchte und von der Verbindung von Musik und Bild fasziniert war. Während er bei Noël Gallon Harmonie, Kontrapunkt, Fuge und Komposition studierte, drehte er im Alter von 17 Jahren einen Kurzfilm in Schwarz-Weiß auf 35mm und schrieb dazu auch die Musik, wobei er Vladimir Cosma fragte, ob er ihm bei der Orchestration helfen könne.
Er schrieb Songs für die französische Chanson-Sängerin Régine und traf als 18-Jähriger Claude Sautet, der ihn gegen den Willen der Produzenten damit beauftragte, die Musik für den Film „Die Dinge des Lebens“ (1969) zu schreiben, was nicht nur den Beginn einer 25 Jahre andauernden Zusammenarbeit bedeutete, in denen die beiden elf Filme gemeinsam realisierten, sondern auch die weitere Karriere von Philippe Sarde vorzeichnete. Sarde schrieb bei seiner ersten Zusammenarbeit mit Sautet auch Romy Schneiders wohl berühmtesten Chanson, „Chanson d’ Hélène“, das sie im Duett mit ihrem Filmpartner Michel Piccoli auch auf Deutsch und Italienisch aufnahm.
Das Trio Sautet/Schneider/Sarde realisierte über ein knappes Jahrzehnt lang nach „Die Dinge des Lebens“ auch die Filme „Das Mädchen und der Kommissar“ (1971) und „César und Rosalie“ (1972) bis hin zu „Mado“ (1976) und „Eine einfache Geschichte“ (1978), wobei sich Sarde bei diesen Scores recht experimentierfreudig erwies und schon früh einen Moog-Synthesizer einsetzte. Sautets und Sardes gemeinsame Vorliebe für Thelonious Monk und Charles Mingus resultierte schließlich in entsprechend jazzigeren Anklängen. Einen seiner besten Jazz-Scores schrieb Sarde allerdings für Georges Lautners Thriller „Der Fall Serrano“ mit Alain Delon in der Hauptrolle. Über Sautet entwickelte sich für Sarde auch eine weitere langjährige Zusammenarbeit mit dem Regisseur Bertrand Tavernier. Sie lernten sich am Set von „Die Dinge des Lebens“ kennen, als Tavernier noch Sautets Pressebetreuer gewesen war. Als Tavernier Mitte der 1970er Jahre dann selbst begann, Regie zu führen, sicherte er sich gleich die Talente von Philippe Sarde, der sich über zu Klassikern avancierten Filmen wie „Der Uhrmacher von St. Paul“ (1974), „Das große Fressen“ (1975) oder „Der Richter und der Mörder“ (1976) schnell als einer der produktivsten und wichtigsten Komponisten in Frankreich etablierte.
Wegweisend für die weitere Karriere von Philippe Sarde erwies sich auch die Zusammenarbeit mit Roman Polanski, mit dem er die drei Filme „Der Mieter“, „Tess“ und „Piraten“ realisierte. Für seinen romantischen Score zur Thomas-Hardy-Verfilmung „Tess“ mit Nastassja Kinski in der Hauptrolle erhielt Sarde schließlich auch seine erste und einzige Oscar-Nominierung.
Auch Regisseure wie Pierre Granier-Deferre, Georges Lautner, André Téchiné und Jacques Doillon schätzten die Zusammenarbeit mit Sarde, der zudem Bertrand Bliers „Beau-Père“, Alain Corneaus „Fort Saganne“ und Marshall Brickmans Filme „Lovesick“, „The Manhattan Project“ und „Sister Mary Explains It All“ vertonte. Für Jean-Jacques Annaud komponierte er die Scores zu „Am Anfang war das Feuer“ (1981) und „Der Bär“ (1988).
Zuletzt arbeitete er mit dem französischen Schauspieler Louis Garrel an dessen ersten beiden Regie-Arbeiten „Zwei Freunde“ und „Ein treuer Mann“ sowie an Jacques Doillons biografischen Drama „Auguste Rodin“.
„Das Film-Business ist ein Kompromiss, und du kannst ihm nicht entkommen. Ich muss das akzeptieren. Normalerweise höre ich mir meine Musik tausendmal an, nachdem ich sie aufgenommen habe. Dann höre ich sie nicht mehr, bis ich den Film im Fernsehen sehe. Manchmal finde ich die Musik, wenn ich sie auf diese Weise wiederhöre, gut, manchmal aber auch schlecht, und das entmutigt mich“, erklärte Philippe Sarde 1987 in einem Interview mit Marco Werba. „Meistens verliebe ich mich aber in die Musik, die ich schreibe, oder auch nur in die Idee von dem, was ich schreiben soll. Ich fürchte mich manchmal vor mir selbst, weil, wenn ich das, was ich für einen Film geschrieben habe, negativ bewerte, dann habe ich nicht mehr die Energie weiterzumachen. Die Filmindustrie steckt voller Fallen, alle eine nach der anderen. Man muss wissen, wie man über sie hinwegspringt. Das hört sich verrückt an, ist aber die Wahrheit. Je mehr man das realisiert, desto öfter versucht man es und hält sich davon fern. Für Filme zu arbeiten ist beängstigend – wenn du nicht bereit bist, das zu tun, solltest du besser im Bett bleiben.“ 

Filmographie (Auswahl):
1969: Die Dinge des Lebens (Les choses de la vie)
1970: Sortie de secours
1970: La liberté en croupe
1971: Die Katze (Le chat)
1971: Das Mädchen und der Kommissar (Max et les ferrailleurs)
1971: Der Sträfling und die Witwe (La veuve Couderc)
1971: Hellé
1972: Das Recht zu lieben (Le droit d'aimer)
1972: César und Rosalie (César et Rosalie)
1972: Allein mit Giorgio (Liza)
1973: Le Train – Nur ein Hauch von Glück (Le train)
1973: Endstation Schafott (Deux hommes dans la ville)
1973: Le fils 1973: Les corps célestes
1973: Der Koffer in der Sonne (La valise)
1973: Charlie und seine zwei Hübschen (Charlie et ses deux nénettes)
1973: Das große Fressen (La grande bouffe)
1974: Lancelot, Ritter der Königin (Lancelot du Lac)
1974: Der Uhrmacher von St. Paul (L’horloger de Saint-Paul)
1974: Dorotheas Rache
1974: Jet Set (La race des 'seigneurs')
1974: Eiskalt wie das Schweigen (Les seins de glace)
1974: La confession d'un enfant du siècle (Fernsehfilm)
1974: Vincent, François, Paul und die anderen (Vincent, François, Paul… et les autres)
1974: Berühre nicht die weiße Frau (Touche pas à la femme blanche)
1975: Adieu, Bulle (Adieu, poulet)
1975: Der Ehekäfig (La Cage)
1975: Zum Freiwild erklärt (Folle à tuer)
1975: Teufelskreis der Gewalt (Folle à tuer)
1975: Die Gelüste des Herrn Theobald (Les galettes de Pont-Aven)
1975: Erinnerungen aus Frankreich (Souvenirs d'en France)
1975: Wo, bitte, geht’s zum nächsten Friedhof? (Pas de problème!)
1975: Quartett Bestial
1975: Un sac de billes
1975: Un divorce heureux
1976: Mado
1976: Ein Tolpatsch auf Abwegen (On aura tout vu!)
1976: Barocco
1976: Marie-poupée
1976: Der Mieter (Le locataire)
1976: Die letzte Frau (La dernière femme)
1976: Der Richter und der Mörder (Le juge et l’assassin)
1977: Das malvenfarbene Taxi (Un taxi mauve)
1977: Früchtchen mit Sahne (Violette & François)
1977: Der Richter, den sie Sheriff nannten (Juge Fayard dit Le Shériff)
1977: Der Teufel möglicherweise (Le diable probablement)
1977: Der Fall Serrano (Mort d’un pourri)
1978: Affentraum (Ciao maschio)
1978: Zucker, Zucker! (Le sucre)
1978: Eine einfache Geschichte (Une histoire simple)
1979: Die Schwestern Brontë (Les sœurs Brontë)
1979: Tess
1979: Den Mörder trifft man am Buffet (Buffet froid)
1979: Waffe des Teufels (Le toubib)
1980: Der ungeratene Sohn (Un mauvais fils)
1980: Der Puppenspieler (Le guignolo)
1980: Der Loulou (Loulou)
1981: Am Anfang war das Feuer (La guerre du feu)
1981: Begegnung in Biarritz (Hôtel des Amériques)
1981: Ausgerechnet ihr Stiefvater (Beau père)
1981: Wahl der Waffen (Le choix des armes)
1981: Zurück bleibt die Angst (Ghost Story)
1981: Der Saustall (Coup de torchon)
1981: Ganz normal verrückt (Storie di ordinaria follia)
1981: Eine merkwürdige Karriere (Une étrange affaire)
1982: Der Schock (Le choc)
1982: Stern des Nordens (L’étoile du nord)
1982: Tausend Milliarden Dollar (Mille milliards de dollars)
1983: Verheiratet mit einem Toten (J’ai épousé une ombre)
1983: Erste Sehnsucht (Premiers désirs)
1984: Ein Sonntag auf dem Lande (Un dimanche à la campagne)
1984: Fort Saganne
1985: Rendez-Vous
1985: Harem
1985: Die Familienpyramide (L’été prochain)
1986: Erpresst – Das geheimnisvolle Foto (Cours privé)
1986: Schauplatz des Verbrechens (Le lieu du crime)
1986: Piraten (Pirates)
1986: Die Liebe der Florence Vannier (L’état de grâce)
1987: Die Unschuldigen (Les innocents)
1988: Der Bär (L’ours)
1988: Einige Tage mit mir (Quelques jours avec moi)
1989: Music Box – Die ganze Wahrheit (Music Box)
1989: Der wiedergefundene Freund (Reunion)
1991: Im Schatten der Golanhöhen (Pour Sacha)
1992: Max und Jeremy (Max & Jeremie)
1992: Auf offener Straße (L.627)
1992: Room Service
1993: Die kleine Apokalypse (La petite apocalypse)
1993: Le jeune Werther
1993: Meine liebste Jahreszeit (Ma saison préférée)
1994: D’Artagnans Tochter (La fille de d’Artagnan)
1994: Geheimnisse (Uncovered)
1994: Der Lieblingssohn (Le fils préféré )
1995: Le petit garçon
1995: Nelly & Monsieur Arnaud
1995: Sag Ja! (Dis-moi oui)
1996: Ponette
1996: Diebe der Nacht (Les voleurs)
1997: Le Rouge et Le Noir (Fernsehfilm)
1997: Duell der Degen (Le bossu)
1997: K – Das Zeichen des Bösen (K)
1997: Ein Bruder … (Un frère...)
1997: Lucie Aubrac
1998: Alice & Martin (Alice et Martin)
1998: Je suis vivante et je vous aime
2000: Princesses
2000: Victoire, ou la douleur des femmes (TV-Mini-Serie)
2000: Là-bas... mon pays
2001: Mademoiselle
2001: Sister Mary Explains It All (Fernsehfilm)
2002: Entre chiens et loups
2003: Das Geheimnis des gelben Zimmers (Le mystère de la chambre jaune)
2003: Die Flüchtigen (Les égarés)
2003: Claude Sautet oder Die unsichtbare Magie (Claude Sautet ou La magie invisible, Dokumentation)
2003: Raja
2004: Colette, une femme libre (TV-Mini-Serie)
2004: Un mundo menos peor
2004: Zwei ungleiche Schwestern (Les sœurs fâchées)
2005: Das Parfüm der Dame in Schwarz (Le parfum de la dame en noir)
2006: Le grand Meaulnes
2006: Je m'appelle Elisabeth
2007: Wir waren Zeugen (Les témoins)
2009: La fille du RER
2010: Le mariage à trois
2010: Die Prinzessin von Montpensier (La princesse de Montpensier)
2010: Ein Sommer in Haifa (Once I Was)
2010: Streamfield, les carnets noirs
2012: Savage Nights – Unerfüllte Begierde (E la chiamano estate)
2013: Quai d’Orsay
2013: Young Couples
2015: Zwei Freunde (Les deux amis)
2017: Auguste Rodin (Rodin)
2018: Ein treuer Mann (L'homme fidèle)

Playlist #284 vom 19.01.2020:

1. Philippe Sarde - Desciption des Ferrailleurs (Max et les Ferrailleurs) - 02:13
2. Philippe Sarde - Les Choses de la Vie (Les Choses de la Vie) - 02:28
3. Philippe Sarde - Le Retour de Fabrice (Hellé) - 03:04
4. Philippe Sarde - Elysée-Matignon (Mort d'un Pourri) - 04:45
5. Philippe Sarde - Radicale (Barocco) - 04:11
6. Philippe Sarde - Retour à la vie (Deux Hommes dans la Ville) - 03:26
7. Philippe Sarde - Suite (La veuve Couderc) - 05:31
8. Philippe Sarde - Final (The Tenant) - 02:27
9. Philippe Sarde - Mouvement 1 (Le Petit Criminel) - 03:41
10. Philippe Sarde - Suite (César et Rosalie) - 04:22
11. Philippe Sarde - Suite (Un Mauvais Fils) - 04:45
12. Philippe Sarde - Suite (Nelly et Monsieur Arnaud) - 05:25
13. Philippe Sarde - Suite (Les Soeurs Brontë) - 04:22
14. Philippe Sarde - Suite (Les Innocents) - 04:24
15. Philippe Sarde - Tango Illusion (Alice et Martin) - 02:25
16. Philippe Sarde - La Grande Bouffe (La Grande Bouffe) - 02:34
17. Philippe Sarde - Retour dans l'île / La Nage (Liza) - 04:39
18. Philippe Sarde - Thème Principal (La Dernière Femme) - 02:58
19. Philippe Sarde - Miou Miou (Pas des Problemes) - 02:54
20. Philippe Sarde - Un Homme et une Girl (La Valise) - 03:17
21. Philippe Sarde - ...Peut en cacher une autre (Attention une femme peut en cacher une autre) - 03:42
22. Philippe Sarde - Ann's Theme (Music Box) - 02:32
23. Philippe Sarde - Redemption/End Titles (Sister Mary Explains It All) - 06:04
24. Philippe Sarde - Chloe (Lovesick) - 03:14
25. Philippe Sarde - Escape (The Manhattan Project) - 03:22
26. Philippe Sarde - La porte de l'enfer (Rodin) - 04:12
27. Philippe Sarde - Fire on the Mountain (Lord of the Flies) - 02:49
28. Philippe Sarde - Pastorale (L'ours) - 04:49
29. Philippe Sarde - La naissance d l'amour (La Guerre du Feu) - 03:42
30. Philippe Sarde - Suite en quatre mouvements (La petite apocalypse) - 08:59

Playlist #285 vom 02.02.2020:

1. Philippe Sarde - Joshua's Trio (Joshua Then and Now) - 03:00
2. Philippe Sarde - New York (Harem) - 06:30
3. Philippe Sarde - Découverte de Caroline (Premiers Désirs) - 03:46
4. Philippe Sarde - Belle-Fille (Beau-Pere) - 04:27
5. Philippe Sarde - Demise (Ghost Story) - 04:13
6. Philippe Sarde - L'Oiseau (Ennemis Intimes) - 05:31
7. Philippe Sarde - Denouement et final (La maison assassinee) - 04:44
8. Philippe Sarde - Juillet (Fort Saganne) - 05:10
9. Philippe Sarde - Don Alfonso Escapes (Pirates) - 04:31
10. Philippe Sarde - Mon Cher Papa (La Baule - Les Pins) - 04:21
11. Philippe Sarde - Un convent abandonne (La fille d'Artagnan) - 04:15
12. Philippe Sarde - The Chess Game (Uncovered) - 04:19
13. Philippe Sarde - El Veleidoso (Dis-moi oui) - 05:42
14. Philippe Sarde - Paris-Berlin (K) - 04:52
15. Philippe Sarde - Il teatro del sol (Le bossu) - 04:10
16. Philippe Sarde - Caluire (Lucie Aubrac) - 03:36
17. Philippe Sarde - La Maison Abandonnee (Les Egares) - 03:33
18. Philippe Sarde - Retour en prison (Les deux amis) - 03:20
19. Philippe Sarde - Discours à l'ONU (Quai d'Orsay) - 04:43
20. Philippe Sarde - L'Amour Secret (Le mystère de la chambre jaune) - 03:43
21. Philippe Sarde - E la chiamano Estate: Movement II (E la chiamano Estate) - 06:43
22. Philippe Sarde - Ponette [Mouvement 1] (Ponette) - 04:32
23. Philippe Sarde - Bataille (La Princesse de Montpesier) - 04:12
24. Philippe Sarde - Shalom (Pour Sacha) - 06:44
25. Philippe Sarde - Mangeclous [Quatrième tableau] (Mangeclous) - 07:22

Mittwoch, 1. Januar 2020

Playlist #283 vom 05.01.2020 - BILL CONTI Special

Der italoamerikanische Komponist Bill Conti ist vor allem durch seine Oscar-prämierte Musik zu Philip Kaufmans biographischen Weltraum-Abenteuer „Der Stoff, aus dem die Helden sind“ (1983) und für die Oscar-prämierte Filmreihe „Rocky“ berühmt, dessen Titelsong „Gonna Fly Now“ nicht nur für einen Oscar nominiert wurde, sondern am 1. Juli 1977 auch Platz 1 der amerikanischen Musikcharts stürmte. Daneben schrieb der ebenso umtriebige wie vielseitige Komponist auch die Musik zu den vier Filmen der „Karate Kid“-Reihe, den James-Bond-Film „In tödlicher Mission“, die Fernseh-Mini-Serie „Fackeln im Sturm“ und die TV-Serien „Der Denver-Clan“, „Falcon Crest“ und „American Gladiators“.

Bill Conti wurde am 13. April 1942 in Providence, Rhode Island, in einem Haus von Liebhabern italienischer Opern geboren. Sein Vater war Konzertpianist und spielte auch in Nachtclubs, um seine Familie zu unterstützen, und es dauerte nicht lange, da folgte Bill Conti seinem Vater und nahm ebenfalls Klavierunterricht. Conti übernahm bereits im Alter von 15 Jahren den Job als Dirigent des örtlichen Orchesters und machte seinen Abschluss an der Louisiana State University, wo er Piano und Komposition studierte, und machte seinen Master an der Juilliard School of Music in New York, während er Jazz in Nachtclubs für seinen Lebensunterhalt spielte.
Seine filmmusikalische Karriere begann in Italien mit Filmen wie José María Elorrietas Krimi-Drama „Un sudario a la medida“ (1969), dem Drama „Juliette de Sade“ (1969) und dem historischen Kriegsfilm „Der Garten der Finzi Contini“ (1970), ehe er in den USA mit Paul Mazurskys Komödien-Drama „Harry und Tonto“ (1974) seinen ersten Erfolg feiern konnte. Schon zwei Jahre später wurde er durch seine Musik zum Boxer-Drama „Rocky“ (1976) weltberühmt.
Der für zehn Oscars nominierte Film von John G. Avildsen nach einem Drehbuch von Hauptdarsteller Sylvester Stallone gewann letztlich in drei Kategorien (Bester Film, Beste Regie, Bester Schnitt) und machte Stallone zum Star. Als Stallone 1978 selbst Regie zu führen begann, engagierte er Conti auch für seine Filme „Vorhof zum Paradies“ (1978), „Rocky II“ (1979), „Rocky III – Das Auge des Tigers“ (1982) und setzte auch für „Rocky Balboa“ (2006) die von Conti für frühere „Rocky“-Filme komponierte Musik ein. Mit dem „Rocky“-Erfolg ergaben sich für Conti viele weitere interessante Projekte. So arbeitete er erneut mit Paul Mazursky am Drama „Eine entheiratete Frau“ (1978) und an dem Stallone-Film „F.I.S.T. – Ein Mann geht seinen Weg“ (1978) mit.
„Der Regisseur, Norman Jewison, wollte, dass sich der Film wie eine Art Film anfühlt, der in den 40er Jahren gemacht wurde und ein großes Orchester und viel Musik hatte. Aber es war immer noch eine Geschichte von Unterdrückung und darum, dass das Thema reflektieren musste, wie jemand beharrlich dagegen vorging. Aber in der Hauptsache ging es darum, diese Filme zu rekreieren, die wir in den 40ern gemacht haben“, blickte der Komponist in einem Interview zurück.
Es folgten Filme wie „Solo mit Trompete“ (1978), „Dreamer“, „Rocky II“, „Dollarrausch“ (alle 1979), „Gloria, die Gangsterbraut“, „Schütze Benjamin“ und „Die Formel“ (alle 1980), ehe er nach der Absage von John Barry den James-Bond-Film „In tödlicher Mission“ (1981) vertonen durfte und mit dem von Sheena Easton gesungenen Titelsong „For Your Eyes Only“ erneut eine Oscar-Nominierung für den besten Filmsong erhielt.
In den 1980er Jahren schrieb Conti gleich mehrere bekannte Kompositionen, nämlich für „Der Stoff, aus dem die Helden sind“, „Karate Kid“ und die Mini-Serie „Fackeln im Sturm“, außerdem zu dem IRA-Drama „Auf den Schwingen des Todes“, das Superhelden-Abenteuer „Masters of the Universe“ und das Drama „Broadcast News – Nachrichtenfieber“ (alle 1987), schließlich für die US-Version von Luc Bessons Drama „Im Rausch der Tiefe“ und den Polit-Thriller „Verraten“ (beide 1988).
In den 1990er Jahren zählten „Blood in Blood out – Verschworen auf Leben und Tod“, „Die Abenteuer von Huck Finn“, „Der Durchstarter“ und „Die Thomas Crown Affäre“ zu seinen bekanntesten Werken, ehe Contis Fertigkeiten in den 2000er Jahren immer weniger gefragt waren. Für seine Arbeit als musikalischer Direktor bei verschiedenen Oscarverleihungen wurde er insgesamt zehn Mal für einen Emmy nominiert, gewonnen hat er diesen Preis bisher drei Mal. Am 10. November 1989 ist Bill Conti auf dem Walk of Fame mit einem Stern geehrt worden.

Filmographie:
1968: Juliette de Sade
1969: Un sudario a la medida
1970: Der Garten der Finzi Contini (Il giardino dei Finzi Contini)
1973: Heirat ausgeschlossen (Blume In Love)
1974: Harry und Tonto (Harry and Tonto)
1975: Pacific Challenge (Dokumentation)
1976: Ein Haar in der Suppe (Next Stop, Greenwich Village)
1976: Rocky
1976: Smash-Up on Interstate 5 (Fernsehfilm)
1977: Der Mann in der Todeszelle (Kill Me If You Can)
1977: Eine entheiratete Frau (An Unmarried Woman)
1977: Flotte Sprüche auf Kanal 9 (Handle with Care)
1977: Zum Leben verurteilt (In the Matter of Karen Ann Quinlan)
1978: Der große Trick (The Big Fix)
1978: Der Pirat (The Pirate)
1978: Ring of Passion (Fernsehfilm)
1978: F.I.S.T. – Ein Mann geht seinen Weg (F.I.S.T.)
1978: Mit dir in einer großen Stadt (Slow Dancing in the Big City)
1978: Solo mit Trompete (Uncle Joe Shannon)
1978: Vorhof zum Paradies (Paradise Alley)
1979: Die Verführung des Joe Tynan (The Seduction of Joe Tynan)
1979: Dollarrausch (A Man, a Woman, and a Bank)
1979: Fünf Tage bis nach Hause (Five Days from Home)
1979: Dreamer
1979: Der Agent (Goldengirl)
1979: Rocky II
1979: Sieben Stuntmänner räumen auf (The Fantastic Seven)
1980: Die Formel (The Formula)
1980: Gloria, die Gangsterbraut (Gloria)
1980: Murder Ink (TV-Serie)
1980: Schütze Benjamin (Private Benjamin)
1981: Die verrückten Nachbarn (Neighbors)
1981: Eine schöne Bescherung (Carbon Copy)
1981: Flucht oder Sieg (Victory)
1981: James Bond 007 - In tödlicher Mission (For Your Eyes Only)
1981: Falcon Crest (TV-Serie, 1 Folge)
1981: Der Denver-Clan (Dynasty, TV-Serie, 1 Folge)
1982: Bad Boys – Klein und gefährlich (Bad Boys)
1982: Champions (That Championship Season)
1982: Das Idol (Split Image)
1982: Die Pranke der Tigerin (Farrell for the People)
1982: Ich, der Richter (I, the Jury)
1982: And They Are Off
1982: Rocky III – Das Auge des Tigers (Rocky III)
1983: Emerald Point (TV-Serie, 2 Folgen)
1983: Der Stoff, aus dem die Helden sind (The Right Stuff)
1983: Marathon der Hoffnung (The Terry Fox Story)
1984: Bitte nicht heute nacht (Unfaithfully Yours)
1984: Der große Preis (The Coolangatta Gold)
1984: Die Auseinandersetzung (Mass Appeal)
1984: Karate Kid (The Karate Kid)
1984: Der Bär (The Bear)
1984: Iron Man
1984: Der Ninja-Meister (The Master, TV-Mini-Serie)
1984: Grand Canyon: The Hidden Secrets (Kurz-Dokumentation)
1985: B.I.E.R. (Beer)
1985: Die Colbys (The Colbys, Fernsehserie)
1985: Fackeln im Sturm (North and South, TV-Mini-Serie)
1985: Gotcha! – Ein irrer Trip (Gotcha!)
1986: Die Frau vom Boß (The Boss’ Wife)
1986: F/X – Tödliche Tricks (F/X)
1986: Niagara: Miracles, Myths and Magic (Kurz-Dokumentation)
1986: Karate Kid II – Entscheidung in Okinawa (The Karate Kid, Part II)
1986: Nomads – Tod aus dem Nichts (Nomads)
1986: Sterben... und leben lassen (Big Trouble)
1986: Fackeln im Sturm II (North and South Book II, TV-Mini-Serie)
1986-87: Ohara (TV-Serie, 4 Folgen)
1987: Auf den Schwingen des Todes (A Prayer for the Dying)
1987: Baby Boom – Eine schöne Bescherung (Baby Boom)
1987: Happy New Year
1987: I Love N.Y.
1987: Masters of the Universe
1987: Nachrichtenfieber – Broadcast News (Broadcast News)
1988: Hitman – Cohen & Tate (Cohen and Tate)
1988: Im Rausch der Tiefe (Le Grand bleu, US-amerikanische Version)
1988: Jimmy Reardon (A Night in the Life of Jimmy Reardon)
1988: Maybe Baby – Am Anfang war der Klapperstorch (For Keeps?)
1988: Verraten (Betrayed)
1989: Der knallharte Prinzipal (Lean on Me)
1989: Karate Kid III – Die letzte Entscheidung (The Karate Kid, Part III)
1989-93: American Gladiators (TV-Serie, 64 Folgen)
1989: Lock Up – Überleben ist alles (Lock Up)
1989: Recht, nicht Rache – Die Geschichte des Simon Wiesenthal (Murderers Among Us: The Simon Wiesenthal Story)
1989: Bionic Showdown: The Six Million Dollar Man and the Bionic Woman
1990: Ghost Dad – Nachrichten von Dad (Ghost Dad)
1990: Im Dschungel der Unterwelt (Backstreet Dreams)
1990: Powerplay (The Fourth War)
1990: Rocky V
1990: Die Operation (The Operation, Fernsehfilm)
1991: Armadillo Bears – Ein total chaotischer Haufen (Necessary Roughness)
1991: Das Duell der Meister (By the Sword)
1991: Verliebt in die Gefahr (Year of the Gun)
1991: Under Cover (Fernsehfilm)
1992: Ein Cop sieht rot (Nails, Fernsehfilm)
1992: Geschichten aus der Gruft (TV-Serie, 1 Folge)
1993: Blood in, Blood out – Verschworen auf Leben und Tod (Bound by Honor)
1993: Der Durchstarter (Rookie of the Year)
1993: Die Abenteuer von Huck Finn (The Adventures of Huck Finn)
1993. Turning Point (TV-Serien-Dokumentation)
1993: Gefangen im ewigen Eis (A Captive in the Land)
1994: 8 Seconds (8 Seconds to Glory)
1994: Der Scout (The Scout)
1994: Yellowstone (Kurz-Dokumentation)
1994: Golf: The Greatest Game (Fernseh-Dokumentation)
1994: Karate Kid IV – Die nächste Generation (The Next Karate Kid)
1995: Durchgeknallt und auf der Flucht (Bushwhacked)
1995: Whiz Kids (Ferseh-Dokumentation)
1995: Napoleon – Abenteuer auf vier Pfoten (Napoleon)
1996: Agent 00 – Mit der Lizenz zum Totlachen (Spy Hard)
1996: Angst vor Gefühlen (Entertaining Angels: The Dorothy Day Story)
1998: Leslie Nielsen ist sehr verdächtig (Wrongfully Accused)
1998: Winchell (Fernsehfilm)
1998: MacCool und der Piratenschatz (The Real Macaw)
1999: Die Thomas Crown Affäre (The Thomas Crown Affair)
1999: Inferno
2000: Eine amerikanische Tragödie – Die O.J. Simpson Story (American Tragedy)
2001: Tortilla Soup – Die Würze des Lebens (Tortilla Soup)
2002: Avenging Angelo
2002: G
2002: 2 Birds with 1 Stallone
2003: Boys on the Run
2003: The Gospel of Lou
2003: Coast to Coast (Fernsehfilm)
2004: Judas und Jesus (Judas, Fernsehfilm)
2004: Coast to Coast
2004: Letting Go (Fernsehfilm)
2006: Der Pate (Videospiel)
2006: Rocky Balboa
2008: Role Model: Gene Wilder (Fernseh-Dokumentation)
2008: Hold-Up
2009: Moonlight Blade
2010: The Perfect Game
2010: Small Town Hero
2011: Man’s Man (Kurzfilm)
2011: Two Knives
2016: Rocky Paper Scissors (Kurzfilm)
Playlist: 
1. Bill Conti - Reflections (Rocky) - 03:20
2. Bill Conti - Mademoiselle de Sade E I Suoie Vizi [4] (Mademoiselle de Sade E I Suoie Vizi) - 05:47
3. Bill Conti - Erica Leaves Saul (An Unmarried Woman) - 05:55
4. Bill Conti - Return to the Sea (Uncle Joe Shannon) - 07:40
5. Bill Conti - Motel No. 2 (Five Days From Home) - 03:01
6. Bill Conti - Glenn's Flight (The Right Stuff) - 05:08
7. Bill Conti - Tom's Home/Lonely Stroll (That Championship Season) - 03:27
8. Bill Conti - Redemption and Credits (Bad Boys) - 05:32
9. Bill Conti - End Title (Betrayed) - 03:57
10. Bill Conti - Back to the Sea (The Big Blue) - 03:17
11. Bill Conti - Main Title (A Prayer For the Dying) - 06:41
12. Bill Conti - Prison (Blood In Blood Out) - 05:56
13. Bill Conti - Paint the Fence (The Karate Kid) - 03:14
14. Bill Conti - Italian Embassy (Broadcast News) - 02:42
15. Bill Conti - The Paris Express (Escape From Victory) - 03:31
16. Bill Conti - A Black and White Ball (The Thomas Crown Affair) - 03:54
17. Bill Conti - Tough Life in Hell's Kitchen (Paradise Alley) - 04:01
18. Bill Conti - Coyote Moon/Eddie's Dream and Desert Heat (Inferno) - 05:01
19. Bill Conti - Overture (Rocky II) - 08:38
20. Bill Conti - The Slaves Want Freedom (North and South) - 02:03
21. Bill Conti - The First Time (Harry & Tonto) - 03:28
22. Bill Conti - Slow Dancing in the Big City (Slow Dancing in the Big City) - 03:05
23. Bill Conti - Hospital Room (Dreamer) - 03:31
24. Bill Conti - St. Cyril's Monastery (For Your Eyes Only) - 04:40
25. Bill Conti - The River (Rookie of the Year) - 02:07
26. Bill Conti - The Stadium (The Scout) - 08:12

Samstag, 21. Dezember 2019

Playlist #282 vom 22.12.2019 - NEUHEITEN 2019 (7)

In der letzten Neuheiten-Sendung des laufenden Jahres gibt es wieder eine bunte Mischung ganz unterschiedlicher Interpreten zu verschiedenen Film- und Fernsehformaten und Genres zu hören. Neben den renommierten Komponisten James Newton Howard, Alexandre Desplat, Howard Shore, Carter Burwell, Thomas Newman, Gabriel Yared, Stephen Warbeck, John Debney und Brian Tyler sind viele neue Namen, aber auch bekannter werdende Nachwuchstalente wie Jeff Russo und Martin Phipps sowie Neuveröffentlichungen von Altmeistern wie Elmer Bernstein und Lalo Schifrin in der heutigen Playlist vertreten.

Den Auftakt bildet die Zusammenarbeit zwischen John Debney und Germaine Franco zur Realfilm-Adaption der Nickelodeon-Zeichentrickserie „Dora“, die von 2000 bis 2014 auf acht Staffeln kam. Nachdem der Vorschulhit eine Spin-off- und Sequelserie, Merch-Artikel, Bücher und Videospiele hervorbrachte, legt „Die Muppets“-Regisseur James Bobin eine Fortsetzung des Familienabenteuers im Kinoformat vor, bei dem die siebenjährige Dora aus dem Fernsehen zu einem Teenager gereift ist und im Dschungel von Peru in einen Entführungsfall verstrickt wird. Die Komponisten haben dazu einen wuchtigen orchestralen Score mit Chor und exotischen Elementen kreiert.
Lele Marchitelli ist vor allem durch seine langjährige Zusammenarbeit mit dem italienischen Regisseur Paolo Sorrentino („The Young Pope“, „La Grande Bellazza“) bekannt geworden. Nun komponierte er die von feinen Piano-Melodien und leisen Streichern geprägten Score zum Dokumentarfilm „#AnneFrank – Parallel Stories“, in dem Helen Mirren aus dem Tagebuch der jungen Jüdin vorliest, die kurz vor dem Kriegsende dem Holocaust zum Opfer gefallen war.
Der schwedische Komponist Simon Kölle engagierte für seinen Score zu dem von Rasmus Tirzitis inszenierten Wikinger-Abenteuer „The Huntress: Rune of the Dead“ den schwedischen Multi-Instrumentalisten Per Runberg und die Sängerin Mohlavyr, um dem orchestralen Score außergewöhnliche Farben zu verleihen.
„Es war auf der einen Seite etwas neu für mich, einen Score für einen Wikinger-Film zu komponieren, auf der anderen Seite habe ich einen Hintergrund, Musik für Fantasy-Spiele und -Alben zu schreiben“, erzählt der 1977 in Stockholm geborene Komponist, der gerade die zweite Staffel der schwedischen Serie „Blake Lake“ und den Steven-Seagal-Action-Thriller „The Perfect Weapon“ vertont hat. „Rasmus Tirzitis verwendete keine Temp Music, um mir alle möglichen Freiheiten zu gewähren, mit der Musik eine Geschichte zu erzählen und die passende Stimmung für den Film zu kreieren.“
Seit einem bahnbrechenden Hollywood-Debüt mit „American Beauty“ hat Sam Mendes immer gut drei bis vier Jahre gebraucht, um einen neuen Film in die Kinos zu bringen. Nach den beiden James-Bond-Filmen „Skyfall“ (2012) und „Spectre“ (2015) inszenierte Mendes nun mit „1917“ ein Kriegsdrama, in dem die beiden jungen britischen in Nordfrankreich stationierten Soldaten Schofield (George MacKay) und Blake (Dean-Charles Chapman) den Auftrag erhalten, tief durch von Deutschen kontrolliertes Land zu gehen, um eine wichtige Botschaft zu überbringen. Um den gefürchteten Angriff zu verhindern, läuft den beiden Kurieren aber die Zeit davon, denn unter den Hunderten Soldaten, die dem Angriff zum Opfer fallen würden, wäre auch Blakes eigener Bruder … Thomas Newman komponierte in der siebten Zusammenarbeit mit dem Regisseur dazu einen betörend schönen, von elegischen Streichern und den für Newman typischen Piano-Tupfern getragenen Score, der besonderen Anforderungen gerecht werden musste, wie der Komponist im Interview mit "The Wrap" erinnert:
„Es ging um emotionale Inhalte im Vergleich zu dramatischen Inhalten. Am Ende musste die Musik den Ort, die Nachtfackeln und den Kontrast von Licht und Dunkelheit einbeziehen. Und die Frage, die du beantworten musst, lautet: Soll es beängstigend sein, soll es intensiv sein oder soll es dystopisch schön sein? Mendes wollte immer dystopisch schön sein, und so wurde daraus die Frage: Wie klingt das?“ 
Besonders schöne Klänge gibt es auch von Alexandre Deplat zu hören. Der französische Oscar-Preisträger („The Grand Budapest Hotel“, „The Shape of Water“) vertonte nicht nur Costa-Gravas‘ biografisches Drama „Adults in the Room“, in dem die Auseinandersetzungen über die Finanzhilfen für Griechenland 2015 aufgearbeitet werden, sondern auch Greta Gerwigs Neuverfilmung von „Little Women“.
„Als ich das erste Mal daran dachte, ‚Little Women‘ zu machen, wusste ich, dass der Score ein essentieller Teil des Storytelling werden würde. Ich wollte, dass der Film ein Musical ohne Gesang wird. Er musste wunderschön sein, ohne süßlich zu wirken, episch, ohne die Darsteller zu erdrücken, tragisch, ohne manipulativ zu sein, intelligent, ohne überlegen wirken zu wollen. Kurzgesagt, ich brauchte ein Genie, und Alexandre Desplat ist ein Genie des Kinos, da bin ich mir sicher“, berichtet die Schauspielerin und Regisseurin im Booklet zum Soundtrack von Sony Classical.
„Indem sie ‚Little Women‘ für die Leinwand adaptierte, hat sie die Erforschung vom Ende der Unschuld, die Entdeckung der Liebe und den notwendigen Kampf der Frauen um ihre Unabhängigkeit weiterentwickelt“, fügt Desplat zur Zusammenarbeit mit Greta Gerwig hinzu. „Um das Leben dieser vier jungen Mädchen auf ihrem Weg zum Erwachsensein einzufangen, habe ich es in die vier Hände zweier Pianisten gelegt. Sie werden unterstützt von einem Kammerorchester, das uns in der intimen Welt dieser ‚kleinen Frauen‘ hält.“ 
Caldera Records hat mit „Naked“ eine schöne Zusammenstellung der langjährigen Zusammenarbeit zwischen dem britischen renommierten Filmemacher Mike Leigh („Lügen und Geheimnisse“, „Happy-Go-Lucky“) veröffentlicht, auf der neben der Musik zu „Meantime“ (1983), „Hohe Erwartungen“ (1988) und „Lügen und Geheimnisse“ (1996) vor allem die von einer Harfe geprägten Musik zu dem 1993 inszenierten Drama „Nackt“ prominent vertreten ist.
Nachdem David Stone Hamilton bereits Carl Strathies Weltraum-Thriller „Solis“ vertont hatte, komponierte er nun auch dessen übernatürlichen Thriller „Dark Encounter“, in dem eine trauernde Familie die Wahrheit über das mysteriöse Verschwinden ihres achtjährigen Mädchen verarbeiten muss.
„Wir wollten mit dem Score Themen der Schuld und des Verlustes erforschen und mit der Musik die Art und Weise reflektieren, wie eine Tragödie eine Familie auseinanderreißen kann“, erklärt der Komponist. „Wenn Besucher aus einer anderen Welt in Gestalt fremdartiger Lichter erscheinen, haben wir avantgardistische Vocals verwendet, um ein Gefühl von Terror und Mystery hervorzurufen, während sie auf einen sehr menschlichen Aspekt in diesen außerirdischen Eindringlingen hinweisen. Als die wahren Absichten der Aliens entschlüsselt sind, werden die Vocals zu himmlischen Chor-Texturen transformiert und das Orchester nimmt größere Ausmaßen an. Wir wollten diesen Kontrast im musikalischen Stil und der Instrumentation, um eine wichtige Veränderung in der Geschichte zu signalisieren, während sich starke emotionale Themen als roter Faden durch den Film ziehen.“ 
Der belgische Komponist Hannes De Maeyer vertonte mit seiner Musik zum WW2-Thriller „U-235“ (aka „Torpedo“) die Geschichte flämischer Rebellen, die in geheimer Mission mit einem gekaperten deutschen U-Boot vom Kongo in die USA mit einer Fracht unterwegs sind, die den Alliierten zum Sieg verhelfen könnte.
„Ich bin immer ein Fan von WW2-bezogenen Filmen und Spielen wie der ‚Medal of Honor‘-Reihe von Michael Giacchino und Christopher Lennertz, ‚Saving Private Ryan‘ von John Williams oder ‚Band of Brothers‘ von Michael Kamen gewesen“, erzählt De Maeyer. „Während der Vorbereitung zu ‚U-235‘ bin ich komplett in diese Welt eingetaucht. Die größte Schwierigkeit bestand darin, eine Balance zwischen der Nostalgie zu finden, ohne dass es zu altmodisch klingt. Das ist etwas, an dem wir hart gearbeitet haben. Es gab keinen Zweifel daran, dass wir den Score mit einem großen Orchester voll mit Blechbläsern und Percussions aufnehmen mussten. Das war einfach das, was der Film brauchte. Die Bezüge und die Stimmungen von nostalgischen Filmen wie ‚The Great Escape‘ und ‚Indiana Jones‘ waren in allen Aspekten des Films vorhanden, auch bei der Musik.“
Der in Frankreich geborene und in Teheran lebende Komponist Christophe Rezai nimmt den Hörer mit seiner Musik zum Animations-Abenteuer „The Last Fiction“ auf eine musikalische Reise durch Raum und Zeit, wobei er die mittelalterliche Welt des Mittleren Ostens auferstehen lässt. Die Geschichte, die auf Traditionen der persischen Literatur und vor allem auf dem Klassiker „The Book of Kings“ von Ferdowski basiert, folgt zum einen dem jungen Prinzen Zahak, der durch einen Handel mit dem Teufel den Thron des antiken Persien erobert, zum anderen dem jungen Helden Afaridoun, der die Menschheit im Königreich aus der Dunkelheit befreien will. Rezai vereint in seinem Score iranische folkloristische Musik mit einem symphonischen, mit Chorälen angereicherten Orchester zu einem ebenso emotionalen wie actionreichen Soundtrack.
„Der Soundtrack zu ‚The Last Fiction‘ präsentiert die reine musikalische Kultur des Iran. Wir haben fünf Jahre damit verbracht, überall im Land die iranische Folkmusik zu erforschen, selbst in den kleinsten Dörfern“, rekapituliert Rezai die Entstehung der Musik. „Wir haben uns dazu entschlossen, weil der Film von Shahnameh (The Book of Kings) handelt, also haben wir das Bedürfnis gehabt, dass die gesamte musikalische Kultur mit einem der größten je geschriebenen iranischen Bücher repräsentiert werden sollte.

Playlist:
1. John Debney & Germaine Franco - Moon Gate (Dora and the Lost City of Gold) - 03:42
2. Lele Marchitelli - Alive (#AnneFrank - Parallel Stories) - 02:50
3. Simon Kölle - The Viking Family (The Huntress) - 03:55
4. Christophe Rezai - Jamshid's Light (The Last Fiction) - 02:26
5. Carl Thiel - Chi Sau Training (Seis Manos) - 02:12
6. Rik Schaffer - Chinatown Theme (Vampire The Masquerade - Bloodlines) - 06:09
7. Brian Tyler - Identity Crisis (Charlie's Angels) - 03:19
8. Nate Heller - Score Suite (A Beautiful Day in the Neighborhood) - 04:45
9. Stephen Warbeck - The City (Down to Earth) - 03:07
10. Gabriel Yared - Prologue (Paradise War - The Story of Bruno Manser) - 02:57
11. Max Aruj & Steffen Thom - Haley's Theme (Crawl) - 02:13
12. Labyrinth - Demanding Excellence (Euphoria) - 03:31
13. Thomas Newman - Come Back to Us (1917) - 05:40
14. Alexandre Desplat - Europe (Adults In The Room) - 05:04
15. Alexandre Desplat - Jo Writes (Little Women) - 03:50
16. James Newton Howard - Love and Suffering (A Hidden Life) - 07:45
17. Howard Shore - It Ended In Silence (The Song of Names) - 04:25
18. David Reichelt - Sola (La Palma) - 02:35
19. Carter Burwell - Are We Doing This? (The Morning Show - Season 1) - 03:53
20. Hannes De Maeyer - Sacrifice (Torpedo) - 02:24
21. David Stone Hamilton - One Year Later (Dark Encounter) - 03:22
22. Lisa Gerrard & James Orr - Nightcap (Secret Bridesmaid's Business) - 02:16 - 03:41
23. Andrew Dickson - Blank It All Out (Naked) - 02:39
24. Martin Phipps - Man on the Moon (The Crown - Season 3) - 04:09
25. Tom Howe - Lu-La's Memory (Farmageddon) - 03:15
26. Trent Reznor & Atticus Ross - How the West Was Really Won (Watchmen - Volume 01) - 03:45
27. Atticus Ross, Leopold Ross & Claudia Sarne - As Far as I Could (Earthquake Bird) - 04:58
28. Lalo Schifrin - Will We Ever See You Again? (Return From Witch Mountain) - 03:40
29. Elmer Bernstein - Goodbyes and End Credits (The Amazing Mr. Blunden) - 03:30
30. Jeff Russo - Race to the Moon [Piano Suite] (For All Mankind - Season 1) - 06:11

Sonntag, 1. Dezember 2019

Playlist #281 vom 08.12.2019 - AUSTIN WINTORY Special

Mit seinem 2012 komponierten Score zum PS3-Spiel „Journey“ schrieb Austin Wintory Geschichte, denn es war der erste Videogame-Score, der in der Kategorie „Best Score for Visual Media“ für einen Grammy nominiert worden ist. Der Soundtrack erreichte zudem die höchste Charts-Platzierung für ein Original Videogame Score in den Billboard Top 200 Charts. Seither hat sich der in Los Angeles arbeitende Komponist zu einem der profiliertesten Vertreter seiner Zunft im Videospielbereich entwickelt und auch mittlerweile für über fünfzig Filme die Musik komponiert. Gerade hat der produktive Wintory die drei Videogame-Soundtracks zu „Erica“, „John Wick Hex“ und „The Bradwell Conspiracy“ veröffentlicht, dazu das Konzeptalbum „Remnants“.

Im Alter von zehn Jahren entdeckte der 1984 in Denver geborene Austin Wintory seine Liebe zur Filmmusik, als er Jerry Goldsmiths Scores zu „Patton“ und „A Patch of Blue“ hörte. Er brachte sich an der High-School selbst Komposition und Orchestration bei, bevor er an den Universitäten von New York und USC zu studieren begann, wo er über 150 Studentenfilme vertonte und zur Zeit seiner Graduierung sowohl von Sony den Auftrag erhielt, das Videospiel „flOw“ zu vertonen, als auch beim Sundance Film Festival den Audience Award für seinen Soundtrack zum Film „Captain Abu Raed“ ausgezeichnet wurde. Seither hat es Wintory vorzüglich verstanden, seine Talente auf der Konzertbühne, in den virtuellen Welten und auf der Leinwand einzubringen und zu verfeinern.
Den Score zum Strategiespiel „The Banner Saga“ (2014) ließ Wintory vom Dallas Wind Symphony und den drei bekannten YouTube-Musikern Malukah, Peter Hollens und Taylor Davis einspielen. Zu den mehr als ein Dutzend Auszeichnungen und Nominierungen zählten seine vierte und fünfte British Academy Award Nominierungen und der ASCAP Composer’s Choice Award für den besten Video Game Score des Jahres. Danach vereinte er in dem für etliche Preise nominierten Score zum Videospiel „ABZÛ“ Orchester, Chor und ein großes Harfen Ensemble, während er für den Ubisoft-Blockbuster „Assassin’s Creed: Syndicate“ einen im Kammermusik-Stil angelegten Score komponierte, der in den Traditionen des 19. Jahrhunderts verwurzelt ist und mit den virtuosen Musikerinnen Sandy Cameron und Tina Gua in den legendären Abbey Road Studios in London aufgenommen wurde.
Neben den bemerkenswerten Arbeiten für Videospiele wie „Tooth and Tail“, „Monaco“, „Soul Fjord“, „Sunset“, „Absolver“, „Deformers“ und „Luna“ komponierte Wintory die Musik zum Action-Thriller „The Rendezvous“, zum Thriller „Standoff“ mit Laurence Fishburne in der Hauptrolle sowie zu „Mercury Plains“ und den Independent-Komödien „A Little Help“ und „Strangely in Love“. Seine Musik ist in den Dramen „Leave“, „The Last Movie Star“ (mit Burt Reynolds in seiner letzten Rolle) und „The Grief Tourist“ ebenso zu hören wie in dem Action-Thriller „Bullet Head“ und den Dokumentationen „Tread“, „A Beautiful Game“ und „The War Around Us“.
Mit seinem Album „Remnants“ hat Austin Wintory ein ganz besonders Konzept verwirklicht.
„Jeder Komponist und im Grunde jeder Künstler wird ständig mit Ablehnung konfrontiert. In meinem Fall besteht diese Form davon darin, dass ich Demos oder Stücke schreibe, um an einem Projekt beteiligt zu werden, nur damit mir gesagt wird, dass es nicht läuft. Die Gründe dafür haben meist nichts mit mir persönlich zu tun, auch wenn es verführerisch ist, es persönlich zu nehmen, Ablehnung mit Versagen gleichzusetzen“, erklärt Wintory auf seiner Bandcamp-Seite zum Album. „Indem meine Karriere trotzdem voranschritt, dämmerte es mir, dass Ablehnungen eine viel bessere Umschreibung einer Möglichkeit waren. Und als ich zurückblickte, realisierte ich, wie viele Möglichkeiten ich gehabt habe! Es machte nichts, dass so viele nicht funktionierten. 100% der Musik auf diesem Album war für den Müll. Das meiste davon sind abgelehnte Stücke, aber auch Stücke für gescheiterte Projekte und auch von einigen, bei denen ich mittendrin gefeuert worden bin. Am Ende hoffe ich, dass ihr es liebt und es eine Erinnerung daran ist, dass Ablehnung keine Niederlage bedeutet, sondern tatsächlich seltsamen Spaß und Bekräftigung bedeutet.“ 

Werkauswahl: 
2007: Flow (Videospiel)
2007: Back Soon
2007: Man Vs. (TV-Serie)
2007: Captain Abu Raed
2008: 3-Day-Weekend
2008: Print
2009: Grace
2009: Serpent and the Sun: Tales of an Aztec Apprentice (Dokumentation)
2009: Knuckle Draggers
2009: Eine Überraschung zum Fest (Make the Yuletide Gay)
2009: The Sunset Sky
2009: Live Evil – Die Jagd hat begonnen
2009: Mr. Sadman
2009: The Echo Game
2010: Let the Game Begin
2010: The River Why
2010: A Little Help
2010: Majid
2010: Workshop
2010: Hubristic
2011: Playing House
2011: Leave
2012: A Beautiful Game (Dokumentation)
2012: Journey (Videospiel)
2012: The Grief Tourist
2012: Spirit of the Cosmos
2012: Junction
2012: Counter-Strike: Global Offensive (Videospiel)
2012: Horn (Videospiel)
2012: Monaco: What’s Yours Is Mine (Videospiel)
2013: Cement Suitcase
2013: Leisure Suit Larry in the Land oft he Lounge Lizards: Reloaded (Videospiel)
2013: It’s Not You, It’s Me
2014: The Banner Saga (Videospiel)
2014: The War Around Us (Dokumentation)
2014: Inverse
2014: Soul Fjord (Videospiel)
2014: Targeting
2014: Aftermath
2014: Strangely in Love
2014: The Incredible Adventure of Jojo
2015: Dark Summer
2015: Sunset (Videospiel)
2015: Home Run Showdown
2015: Assassin’s Creed: Syndicate (Videospiel)
2016: Standoff – Die einzige Zeugin
2016: Mercury Plains
2016: The Banner Saga 2 (Videospiel)
2016: Abzû (Videospiel)
2016: The Morning the Sun Fell Down
2016: The Rendezvous
2017: Deformers (Videospiel)
2017: The Last Movie Star
2017: Diane
2017: Absolver (Videospiel)
2017: Tooth and Tail (Videospiel)
2017: Bullet Head
2018: Pode (Videospiel)
2018: The Assassin’s Code
2018: The Banner Saga 3 (Videospiel)
2018: Command and Conquer: Rivals (Videospiel)
2019: Tread (Dokumentation)
2019: Erica (Videospiel)
2019: John Wick Hex (Videospiel)
2019: The Bradwell Conspiration (Videospiel)
2019: Remnants
Playlist:
1. Austin Wintory - In the Fog (Captain Abu Raed) - 03:36
2. Austin Wintory - Reception (A Little Help) - 01:52
3. Austin Wintory - Curious Eddy (The River Why) - 06:20
4. Austin Wintory  - Larbi (Majid) - 02:46
5. Austin Wintory  - Apotheosis (Journey) - 07:07
6. Austin Wintory  - Twilight Mist (Spirit of the Cosmos) - 06:02
7. Austin Wintory  - Chapter 7: New Beginnings (Strangely in Love) - 04:59
8. Austin Wintory ft. Malukah & Tina Guo - The Forge (The Forge) - 03:55
9. Austin Wintory  - Huddled in the Shadows (The Banner Saga) - 03:02
10. Austin Wintory  - On the Promises of Twilight (The Banner Saga 3) - 04:42
11. Austin Wintory  - Our Curiosity (Our Curiosity) - 06:24
12. Austin Wintory  - How It Might Have Been (Sunset) - 04:01
13. Austin Wintory  - The Churning Seas of London (Assassin's Creed: Syndicate) - 01:58
14. Austin Wintory  - Juke 1: Lefty's (Leisure Suit Larry: Reloaded) - 03:01
15. Austin Wintory  - Grüvheim Streets (Soul Fjord) - 02:43
16. Austin Wintory  - It's a Big Scar / Claire De Claire (The Rendezvous) - 04:51
17. Austin Wintory  - A Thousand Roads (Luna) - 04:34
18. Austin Wintory  - The Tower of Adal (Absolver) - 05:48
19. Austin Wintory  - Desert Walk (Mercury Plains) - 02:49
20. Austin Wintory  - The History Below (Pode) - 06:55
21. Austin Wintory  - Another World, Beneath (Erica) - 03:44
22. Austin Wintory  - So Difficult to Find Good Help These Days (John Wick Hex) - 04:13
23. Austin Wintory  - The Architects (Remnants) - 02:41
24. Austin Wintory  - Not a Fan of Hospitals (The Bradwell Conspiracy) - 06:40
25. Austin Wintory  - Their Waters Were Mingled Together (ABZÛ) - 10:14

Sonntag, 24. November 2019

Rückblick auf das Filmmusik-Festival "FxM Film Meets Music"

Filmmusik bildet bereits seit 2001 einen besonderen Schwerpunkt beim Braunschweig International Film Festival. So sind in der Vergangenheit bereits namhafte Komponisten wie Michael Nyman, Craig Armstrong, Alexandre Desplat, Shigeru Umebayashi, Niki Reiser, Zbigniew Preisner, Jan A.P. Kaczmarek und Don Davis mit der Aufführung ihrer Werke zu Gast beim BIFF gewesen. Mittlerweile ist die Filmmusik ein so elementarer Bestandteil des Festivals geworden, dass im vergangenen Jahr mit „FxM Film Meets Music“ ein Festival im Festival ins Leben gerufen wurde, das in Zukunft als eigenständiges Publikumsfestival für Film und Musik im Rahmen des BIFF etabliert werden soll. Zu den Höhepunkten in diesem Jahr zählten das Live-to-Film-Eröffnungskonzert zu Jane Campions „Das Piano“ mit der Musik von Michael Nyman sowie die Verleihung des „Weißen Löwen“ für das filmmusikalische Lebenswerk von Helmut Zerlett.

© by Dirk Hoffmann
Das Eröffnungskonzert am 19.11. in der Stadthalle Braunschweig präsentierte die preisgekrönte Musik des britischen Komponisten Michael Nyman zu Jane Campions dreifach Oscar-prämierten Dramas „The Piano“ aus dem Jahre 1993. Andrew Berryman dirigierte das Staatsorchester Braunschweig und brachte die Live-to-Film-Präsentation besonders zum Leuchten. Da der Film recht wenig für ihn komponierte orchestrale Musik enthält und überwiegend von der Klaviermusik getragen wird, die Hauptdarstellerin Holly Hunter selbst gespielt hat, war das Orchester weit weniger gefordert als beispielsweise bei Don Davis‘ komplexer Partitur zum Science-Fiction-Klassiker „The Matrix“ oder Yati Durants Neukomposition zu Sergej Eisensteins Filmklassiker „Panzerkreuzer Potemkin“ (1925). Besonders erfreulich war es daher, dass Berryman das Orchester vor und nach dem Film kleine Suiten aus Nymans Filmmusik vortrugen. Die orchestrale Begleitung während der Filmprojektion erwies sich jedenfalls als problematisch, da der Sound die eindringlichen Filmmomente eher zu erdrücken drohte.
Vor einer besonderen Herausforderung stand das Staatsorchester Braunschweig unter Dirigent Rodrigo Lopez Klingenfuss einen Tag später, als es ein interaktives Videospielkonzert darbot, bei dem es die Musik von FX Dupas und Mathieu Lavoie live auf das Gameplay des Spielers reagieren müssen. Als Grundlage fungierte das dynamische Märchenuniversum von „Stories: The Path of Destinies“, bei dem ein Held gegen einen verrückten Imperator kämpft und jede seiner Entscheidungen in eine andere der 120 Gamesequenzen führte, die musikalisch passend begleitet werden musste.
© by Dirk Hoffmann
Am 21.11. stand das Stummfilmkonzert „The Home Maker – The Penelopes Plays Silent Movie“ in der Bartholomäuskirche Braunschweig auf dem Programm. King Baggot inszenierte 1925 mit „The Home Maker“ einen ungewöhnlich fortschrittlichen, für damalige Verhältnisse geradezu subversiven Film, in dem der Büroangestellte Lester Knapp (Clive Brook) nicht nur die erhoffte Beförderung zum Office Manager verpasst, sondern wenig später von seinem Chef Willings auch noch gekündigt wird. Als auch noch ein Selbstmordversuch fehlschlägt und Lester fortan querschnittsgelähmt ist, sorgt seine handwerklich geschickte und auch sonst effizient arbeitende Frau Eva (Alice Joyce) für den Lebensunterhalt, während Lester mit den drei Kindern den Haushalt schmeißt. Diesen ebenso humorvoll wie nachdenklich inszenierten Rollentausch nach einem Roman von Dorothy Canfield haben die beiden aus Paris stammenden, mittlerweile in London lebenden und wirkenden Musiker Axel Basquiat und Vincent T. alias The Penelopes mit einem elektronischen Score versehen, der groovige Ambient-Techno-Klänge mit feinen Industrial-Akzenten verbindet.
© by Dirk Hoffmann
Der 1959 in Köln geborene Helmut Zerlett, der beim 33. Braunschweig International Film Festival mit dem „Weißen Löwen“ für sein filmmusikalisches Lebenswerk ausgezeichnet wurde, gab am 21.11. im LOT Theater im Gespräch mit Michael P. Aust Auskunft über seine bewegte musikalische Vergangenheit und machte deutlich, dass diese Auszeichnung eigentlich zu früh käme, da er sich noch in der Hochphase seines Schaffens befinde. Bereitwillig und ausführlich rekapitulierte Zerlett seinen ungewöhnlichen musikalischen Werdegang, der zwar keine professionelle musikalische Ausbildung aufweist, dafür aber inspirierende Begegnungen mit Künstlern wie Jaki Liebezeit und Holger Czukay von Can und dem international renommierten Percussion-Spieler Reebop Kwaku Baah (Traffic, The Rolling Stones), mit dem er 1983 den Dancefloor-Hit „Masimbabele“ komponierte. 1984 wurde er vom Schauspieler Udo Kier beauftragt, seinen Kurzfilm „The Last Trip to Harrisburg“ zu vertonen, wobei Kier in einer Doppelrolle zu sehen war, die die von Rainer Werner Fassbinder gelesene Johannes-Offenbarung in Dialogform präsentierte.
Eine besondere Herausforderung stellte für Zerlett die Arbeit an der Action-Fernsehserie „Der Clown“ (1996-2000) dar, die im Pilotfilm mit der Musik von Brad Fiedel zu „Terminator 2“ getemptrackt worden war und zu der Zerlett quasi durchgehend Action-Musik liefern sollte, die natürlich die nötigen Brakes und Entwicklungen bieten musste, um nicht eintönig zu wirken.
Anhand von Clips zu den Filmen „Neues vom Wixxer“, „Die Vampirschwestern 2“, „Das Haus der Krokodile“, „Jerry Cotton“ und „Der Vorname“ (die übrigens im Rahmen der Helmut-Zerlett-Retrospektive auch im Rahmen des BIFF gezeigt wurden) erläuterte der Komponist anschaulich die besondere Arbeitsweise an den Szenen, was deutlich machte, wie eng, inspirierend und herausfordernd die Zusammenarbeit mit den Regisseuren, Produzenten und Cuttern ausfällt.
© by Dirk Hoffmann
Am 22.11. präsentierte Zerlett, der in seiner Karriere bislang die Musik zu bisher 22 Spielfilmen, 28 Fernsehfilmen und über 90 TV-Serienfolgen komponiert hat, auf der Probebühne ½ des Staatstheaters Braunschweig eine Auswahl seiner Filmmusiken (u.a. zu dem noch nicht im Fernsehen ausgestrahlten „Tatort – Die Guten und die Bösen“), wobei er von Akademix (die Band der Deutschen Filmakademie) und dem Staatsorchester Braunschweig unterstützt wurde.
Den Auftakt des ebenso kurzweiligen wie leider auch zu kurz geratenen und überraschend schlecht besuchten Konzerts bildete ein Potpourri, das Zerlett mit Akademix aus Eigenkompositionen (wie des Titelthemas zur Action-TV-Serie „Der Clown“) und Lieblingsstücken wie den berühmten, groovig und rockig interpretierten Themen aus „Ocean’s Eleven“, „Hawai-Five-O“, „James Bond“ und „Mission: Impossible“ präsentierte. Dazu sang Zerletts Tochter Isis die drei Stücke, die er für den Sönke-Wortmann-Film „Der Vorname“ komponiert hatte, sowie die Titelmelodie aus „Das Haus der Krokodile“.
© by Dirk Hoffmann
In der zweiten Hälfte stieß das Staatsorchester Braunschweig dazu und spielte Auszüge aus „Kalte Füße“, „Der Vorname“ und den kommenden Filmen „Tatort – Die Guten und die Bösen“ und „Enkel für Anfänger“.
Abgerundet wurde die „FxM Film Meets Music“-Reihe durch die beiden Stummfilmkonzerte „Silent Poe“ (zu vier Kurzfilmen nach Edgar Allan Poe mit Musik von Jakob Gardemann und Christoph Seelinger) und „Ausgerechnet Wolkenkratzer!“ im Sharoun Theater Wolfsburg sowie das Filmkonzert, bei dem das von Klaus Schulze und Tangerine Dream beeinflusste Solo-Projekt Wellenvorm von Uwe Rottluff verschiedene Kurzfilme von Patrick Müller musikalisch begleitete.
Nachdem Michael P. Aust, der sich in den vergangenen Jahren als Programmdirektor vor allem auch um das filmmusikalische Programm beim BIFF gekümmert hatte, seinen Vertrag nicht verlängert hat und sich in Zukunft mehr um das Filmfestival SoundTrack_Cologne in seiner Kölner Heimatstadt widmen will, bleibt er dem BIFF zwar als Kurator für die „FxM Film Meets Music“ erhalten, aber es bleibt trotzdem abzuwarten, inwieweit die Qualität des Filmmusik-Sektors im Rahmen des BIFF aufrechterhalten werden kann.

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