Brad Fiedel - Technologie und Menschlichkeit
Die beiden „Terminator“-Filme und „True Lies“ haben nicht nur Regisseur James Cameron und Action-Star Arnold Schwarzenegger groß rauskommen lassen. Gerade die apokalyptischen Maschinenklänge der „Terminator“-Scores haben auch den damals umtriebigen Brad Fiedel, der am 10. März 1951 in New York geboren wurde, für eine kurze Zeit populär gemacht. Vor allem in den späten 80ern und frühen 90ern waren Fiedels meist elektronisch arrangierte Scores in Thrillern und Dramen wie „Blink“, „The Big Easy“, „Angeklagt“ , „Tödliche Nähe“, „Blue Steel“ oder Wes Cravens „Die Schlange im Regenbogen“ zu hören.
Dass in Fiedels Brust von jeher zwei (musikalische) Herzen schlagen, liegt daran, dass er bereits in frühen Jahren der Musik, mit der er aufwuchs, zwiespältige Gefühle entgegenbrachte.
Sein Vater, ein Pianist, war sein erster Lehrer, doch obwohl Fiedel bereits mit sieben Jahren Mozart-Sonaten spielen konnte, rebellierte er gegen die klassische Musik und wandte sich dem Rock´n´Roll zu. Das klassische Erbe seiner musikalischen Erziehung blieb aber in ihm wach, und so begann sich Fiedel für Filmmusik zu interessieren, studierte bei Sanford Gold Keyboard-Harmonie und orchestrierte Ende der 70er, Anfang der 80er bereits die meisten seiner Sachen selbst.
„Bis in meine frühen 20er hinein schrieb ich Songs, spielte in Clubs und ging mit Hall & Oates auf Tour. Während der Tour drehte ein Freund von mir einen Film und fragte mich, ob ich Lust hätte, die Musik dazu zu schreiben. Ich hatte also eine gute Möglichkeit, zwischen Rock’n‘Roll und Filmmusik zu vergleichen, und ich stellte fest, dass ich das Schreiben einer Filmmusik weitaus mehr genoss als in einer Rockband zu spielen und von Hotel zu Hotel zu ziehen. Ich genoss auch die Freiheit gegenüber dem Druck, in einer Rockband in einem bestimmten Stil zu spielen.
Ich hatte eine Menge musikalischer Ideen, die darüber hinausgingen, kommerzielle Songs fürs Radio zu spielen, Teil des Musikgeschäfts zu sein. Filmmusik erlaubt es einem, ganz verschiedene Sachen zu machen. Einmal habe ich einen ganz experimentellen Synth-Score geschrieben und meine eigene Stimme benutzt, einen Monat später habe ich einen klassischen Orchesterscore geschrieben. Mir gefällt die musikalische Vielfalt in der Filmmusik und das Leben an überwiegend einem Ort.“
Nach seinem Umzug nach L.A. Anfang der 80er arbeitete sich Fiedel ziemlich schnell nach oben. Bereits mit den Scores zu den beiden „Fright Night“-Horrorkomödien erregte er Aufmerksamkeit, ehe er mit seinem elften Kinofilm „Terminator“ (1984) den endgültigen Durchbruch schaffte.
„Bevor wir ‚Terminator‘ gemacht haben, war ich ziemlich unbekannt in L.A. In New York habe ich einige Kinofilme gemacht, während ich in L.A. mehr an Fernsehprojekten beteiligt war. Ich hatte zu jener Zeit eine Agentin, die sich sehr für mich einsetzte. Sie hatte eine Liste von anstehenden Projekten vorliegen, auf der auch `Terminator´ von Jim Cameron aufgeführt war, der damals noch recht unbekannt war. Meine Agentin schickte Jim ein Tape von meinen Arbeiten, und irgendwann meldete er sich bei mir und meinte, dass die Musik ihm gefallen würde. Er kam dann mit dem Produzenten von `Terminator´ zu mir ins Studio, wo er mir den Film zeigte und ich ihm mehr Musik vorspielte. Ich glaube, sie haben sich in dem Moment für mich entschieden, als sie zum Ende des Films merkten, wie aufregend ich ihn fand, wobei ich meine Gedanken laut ausgesprochen hatte.“
Die Zusammenarbeit schien James Cameron zumindest so gut gefallen zu haben, dass er Fiedel auch für die 91er Fortsetzung des Science-Fiction-Special-Effects-Spektakels „Terminator II“ und den 94er humorvollen Action-Thriller „True Lies“ engagierte.
„Die Art und Weise, wie Jim und ich über mehrere Filme hinweg arbeiteten, variierte von Film zu Film, verlief überwiegend sehr spontan und hing auch mit der Entwicklung der Technologie zusammen, die jeweils verfügbar war. Selbst wenn ich einen akustisch-orchestralen Score, wie `True Lies´ größtenteils einer ist, mache, ist Technologie stets ein wichtiger Bestandteil meiner Arbeit; nicht nur bei reinen Synth-Scores wie `Terminator II', den ich komplett in meinem Studio eingespielt habe, sondern weil die Technologie mir erlaubt, ihm meine Ideen zu demonstrieren, und zwar auf eine sehr effiziente Weise. Ich kann schließlich auch Computer und Sampler benutzen. Als ich das Hauptthema für `True Lies´ im Kopf hatte, konnte ich es ihm bereits Stunden später vorspielen, und zwar mit Hilfe des Computers - voll orchestriert.
Für unsere Beziehung ist es sehr wichtig, dass ich ihm schon sehr früh meine Ideen präsentieren kann, so dass ich für den Fall, dass er damit nicht zufrieden ist, die Gelegenheit habe, darauf zu reagieren. Wenn mir die Technologie nicht zur Verfügung stehen würde, wäre ich sicher weitaus konservativer.
Wenn er ein Stück erst hören würde, wenn ich es mit einem 106köpfigen Orchester, das unheimlich viel Geld pro Minute kostet, eingespielt hätte, würde ich Jahre für die Musik brauchen. Ich denke, er mag die Art, wie ich meine Musik arrangiere, und die Art,wir zusammenarbeiten, gibt ihm ein Gefühl der Sicherheit, weil er nicht nervös zu werden braucht. Ich nehme keine Musik auf, die ihm nicht gefällt, weil wir sie Schritt für Schritt ausarbeiten. Er verfolgt ständig die musikalische Entwicklung und hat jederzeit die Gelegenheit, seine Ideen einzubringen.“
Immerhin vergingen gut sieben Jahre bis zur Fortsetzung von „Terminator“. Nachdem der 84er Film noch den Charme einer Low-Budget-Produktion hatte und mit einem Mono-Score ausgestattet war, sprengte das Serial mit einem Budget von 100 Millionen Dollar alle Rekorde. Arnold kämpfte diesmal für die gute Sache und verlegt sein Robot-Treiben aus der Zukunft in die Gegenwart, und Brad Fiedel lieferte einen Soundtrack, dessen bombastischen Arrangements den minimalistisch inszenierten Score des 84er Werkes klanggewaltig übertönte.
„Zwischen dem ersten `Terminator´-Film und dem zweiten bestand eine sehr lange Pause. In der Zwischenzeit hat sich die Technologie etwas verändert, ich habe verschiedene Filme wie `The Big Easy´ und `Angeklagt´ gemacht, genauso wie sich James Cameron weiterentwickelt hat. Der zweite Film war auch ganz anders als der erste. Viele Fans vom ersten Film hatten Probleme mit dem zweiten, weil sie das Ende des ersten Film sehr mochten.
Der zweite Film war viel größer, normaler in dem Sinn, dass mehr menschliche Emotionen eine Rolle spielten. Ein Kind spielt eine wichtige Rolle, der Terminator ist ein positiver Charakter. Ich war sehr neugierig, als ich das Skript las, weil ich wusste, dass das Skript und der Score des ersten Teils viele Fans hatten. Deshalb wollte ich dem alten Material neue Kraft verleihen. Als Jim und ich das erste Mal darüber sprachen, meinte er, er wollte nichts vom ersten Score verwenden, ausgenommen die Grundmelodie. Der Score zum zweiten Film unterscheidet sich sehr stark vom ersten, der noch sehr elektronisch klang und viele Sequenzen benutzt, weil ich den mechanischen Charakter des Terminator betonen wollte, das Element des Unzerstörbaren. Der zweite Score weist eigentlich nur zum Anfang und zum Ende die Melodie auf, auf die zwischenzeitlich manchmal verwiesen wird, aber ansonsten ist er vielfältiger, komplexer. Musikalisch ist dabei eine Entwicklung zu beobachten, die auf meine eigene Entwicklung zurückgeht, ebenso wie auf die Erhältlichkeit und die Möglichkeiten der Technologie, des Samplings und des Arbeitens. Als ich den ersten `Terminator´ machte, gab es nicht mal ein Midi-Interface. Ich musste alle Sequenzen und Drummaschinen per Hand programmieren, was eine schwierige Angelegenheit war. Beim zweiten Film war die Technologie so ausgereift, wie ich sie mir vorstellte.
Ursprünglich wollten Jim und ich für den zweiten Score sogar ein Orchester benutzen, und manche Tracks waren dazu bestimmt, später orchestriert zu werden, aber wir standen unter Zeitdruck, so dass das entfallen musste.“
Überhaupt hält Brad Fiedel große Stücke auf den Action-Spezialisten James Cameron. Es scheint, dass sich hier zwei gleichgesinnte Seelen gefunden haben, die ihre Faszination für die Entwicklung der Technologie gemeinsam ausleben und dabei einander in ihren Bemühungen, diese Faszination auf künstlerische Weise auszuleben, unterstützen können.
„Wenn Regisseure einen Film in Angriff nehmen, geben sie meistens vorher Interviews und erzählen, welch großartige Ideen sie haben, wie toll der Film wird, aber man wundert sich sehr oft, dass im Film nichts davon zu sehen ist. Schon sehr früh habe ich bei der Zusammenarbeit mit Jim gemerkt, dass er einer der wenigen ist, der eine Vorstellung vom Film hatte, bevor er zu den größeren Fragen wie Technologie, Menschlichkeit überging. Er zählt zu den wenigen Regisseuren, die sehr detaillierte Ideen zu der Geschichte und den Bildern haben und sie auch im Film umsetzen können. Das hat mich sehr beeindruckt. Ich denke, er ist sehr kreativ, was die eigene Vorstellungskraft, die Benutzung der Technologie und die filmische Umsetzung dessen angeht, was er zu tun beabsichtigt. Obwohl seine Filme voller Action und technischer Raffinessen sind, geht es doch um menschliche Belange, um das Verhältnis zwischen Mensch und Maschinen, die Benutzung der Technologie durch den Menschen. Gerade in `True Lies´ stehen zwischenmenschliche Beziehungen, Arbeit und Familie im Vordergrund.“
Doch auch mit anderen Regisseuren hat Fiedel öfter zusammengearbeitet, mit Roger Young beispielsweise an drei TV-Produktionen, mit George Schaefer an deren sogar fünf, mit Jonathan Kaplan („Angeklagt“), Wes Craven („Die Schlange im Regenbogen“), Jim McBride („The Big Easy“) und Rowdy Harrington („Tödliche Nähe“) arbeitete er jeweils an zwei Projekten.
„Ich habe ganz unterschiedliche Erfahrungen mit allen Regisseuren gemacht, mit denen ich bislang zusammengearbeitet habe. Man muss sehr flexibel sein, und manchen Regisseuren muss man auf intellektuelle Weise erklären, was man musikalisch zu tun beabsichtigt. Das ist manchmal gar nicht so leicht, weil meine Musik auf eher organische, nicht-intellektuelle Weise entsteht.
Ich muss in der Lage sein, auf intellektuelle Weise zu erklären, warum die Musik zu einer bestimmten Szene passt. Andere Regisseure vertrauen ihren Instinkten, und wenn man diese trifft, sind sie sofort beigeistert. Wiederum andere Regisseure kommen zu mir, zeigen mir ihren Film und sagen zu mir, dass dieser Film eine ganz bestimmte Musik braucht, was ich dafür vorschlagen würde. Mittlerweile ist dieses Verfahren sehr verbreitet, aber ich war einer der ersten Komponisten, der in der Lage gewesen ist, sehr früh meine Ideen vorzustellen, und zwar in einer Version, die dem Endergebnis ziemlich nahe war.
In der Regel spiele ich ihnen etwas aus meiner - wie ich es nenne - Bibel vor, also verschiedene Melodien, Main und End Titles, das musikalische Vokabular, das für den Film angebracht wäre. Später arbeite ich das etwas aus, schreibe Melodien, versehe sie mit bestimmten Rhythmen und Percussionsounds, und wenn ich mich nach ein oder zwei Tagen oder ein bis zwei Wochen wieder mit den Leuten treffe, die oft ein Jahr lang oder länger an dem Film gearbeitet haben, ist es sehr aufregend für mich, wenn sie sagen: `Jetzt ist es ein Film. Das ist die richtige Musik.´“
Dass Brad Fiedel trotz steigender Popularität nicht ausschließlich für Kinofilme die Musik schreibt, sondern sich auch immer noch für Fernsehproduktionen engagiert, mag überraschen, doch stehen dem Komponisten hier noch ganz andere Ausdrucksmöglichkeiten zur Verfügung.
„Dass ich mehr Fernsehproduktionen gemacht habe, liegt daran, dass sie sehr schnell gehen und ich davon sehr viele in einem Jahr machen kann, während Kinoprojekte heutzutage sehr viel Zeit in Anspruch nehmen. Ich mache immer noch einige Kabelfernsehfilme, weil es mitunter ein sehr interessantes Medium ist, weil es die Möglichkeit bietet, an interessanten Themen zu arbeiten, die man in einem Kinofim nicht unterbringen kann. Amerikanische Filmemacher haben große Probleme damit, Filme fürs Kino zu drehen, wenn sie damit keinen Kassenschlager landen können. Insofern können bestimmte Projekte nur fürs Kabelfernsehen realisiert werden. Ich suche mir weiterhin ein breites Spektrum zu bewahren. Und wenn es sich um eine interessante Story, um gute Schauspieler oder einen guten Regisseur handelt, dann mache ich das, weil ich dazu nicht viel Zeit benötige und nebenbei trotzdem an Kinofilmen arbeiten kann.“
Bei der Auswahl seiner Filme achtet Brad Fiedel indes darauf, dass er nicht Gefahr läuft, in die Action-Ecke abgelegt zu werden, auch wenn er damit manchmal unpopuläre Entscheidungen treffen mag.
„Ich achte sehr darauf zu versuchen, mich zu verändern bei dem, was ich tue. Natürlich wird man durch die Scores zu Filmen bekannt, die sehr erfolgreich waren, aber ich lege großen Wert darauf, verschiedene Sachen zu machen. Man kann auch zu sehr Gefahr laufen, sich ständig selbst zu kopieren, wenn man ausschließlich an Actionfilmen arbeitet. Ich wäre froh, wenn ich mehr Angebote für gefühlvolle Filme bekäme, deshalb arbeite ich gern an bestimmten Fernsehprojekten, denn ich denke, für einen Künstler ist es wichtig, seinen Horizont zu erweitern.“
Filmographie:
1983: Mord im falschen Bezirk (Murder in Coweta County)
1984: Terminator (The Terminator)
1985: Die rabenschwarze Nacht – Fright Night (Fright Night)
1985: American Eiskrem (Fraternity Vacation)
1986: Holt Harry raus (Let's Get Harry)
1986: Young Streetfighters (The Brotherhood of Justice)
1987: The Big Easy – Der große Leichtsinn (The Big Easy)
1988: Angeklagt (The Accused)
1988: Die Schlange im Regenbogen (Serpent And The Rainbow)
1989: Das dreckige Spiel (True Believer)
1990: Blue Steel
1991: Terminator 2 – Tag der Abrechnung (Terminator 2: Judgment Day)
1992: Fäuste – Du musst um Dein Recht kämpfen (Gladiator)
1993: Karen McCoy – Die Katze
1993: Tödliche Nähe (Striking Distance)
1994: Blink – Tödliche Augenblicke (Blink)
1994: True Lies – Wahre Lügen (True Lies)
1995: Vernetzt – Johnny Mnemonic (Johnny Mnemonic)
1996: Rasputin
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