Nach zwei Monaten ist es wieder an der Zeit, neue Scores und Artverwandtes bei Soundtrack Adventures zu präsentieren. Mit dabei sind alte Bekannte wie Max Richter, Craig Armstrong, Brian Tyler, Zbigniew Preisner, Pascal Gaigne, neue Musik aus Fernsehserien wie „13 Reasons Why“, „Handmaid’s Tale“ und „Yellowstone“, Wieder- und Neuveröffentlichungen früherer Arbeiten von Kenyon Hopkins und Christopher Young sowie eine neue Stummfilmmusik des Sheffielder Duos In The Nursery.
Den Anfang macht Max Richter, der bei
„Ad Astra“ erstmals mit Regisseur
James Gray (
„Helden der Nacht – We Own the Night“, „Two Lovers“) und Hauptdarsteller
Brad Pitt zusammenarbeiten durfte. In dem Science-Fiction-Film, der gerade in den deutschen Kinos läuft, spielt der Hollywood-Star einen Astronauten und Raumfahrt-Ingenieur, der im All nach seinem Vater (
Tommy Lee Jones) sucht, der vor dreißig Jahren mit seiner Crew nach außerirdischem Leben forschen wollte, zu dem aber der Kontakt abbrach, als sie zuletzt Neptun umkreisten.
Richter sah Anfang 2018 einen ersten Rohschnitt des Films und sprach mit dem Regisseur und
Brad Pitt einige erste Gedanken, worauf der Komponist eigene Ideen abseits des Films entwickelte, Themen und Psychologie des Materials erforschte und sich dabei von den „Voyager“-Missionen der NASA inspirieren ließ, die Ende der 1970er andere Planeten erforschen sollten.
In die Kompositionen aus Streichern, Electronics und Vocals integrierte er auch Klänge, die während der ersten beiden „Voyager“-Missionen übertragen wurden.
„Dieser ,Location Aufnahme‘-Ansatz erlaubte mir, tatsächliches Material zu verwenden, das dort aufgenommen wurde, wo die Geschichte spielt, wenn Brad beispielsweise Saturn oder Jupiter hinter sich lässt, können wir wirklich Musik hören, die aus den Daten gewonnen wurde, die die Voyager von dieser Seite übertragen hat“, erklärt
Max Richter. „Die Musik illuminiert so die Geschichte in zweierlei Hinsicht: sie illustriert in traditioneller Filmmusik-Weise, was in der Geschichte geschieht, aber sie dokumentiert die Reise auch auf eine gänzlich neue Weise, indem sie Material enthält, das tatsächlich auf den Reisen eingefangen worden ist.“
Ihre zweite Zusammenarbeit nach
„Lion – Der lange Weg nach Hause“ präsentieren
Dustin O’Halloran und
Volker Bertelmann mit dem Score zu
Simon Curtis‘ „Enzo und die wundersame Welt der Menschen“. Der neue Film vom
„Goodbye Christopher Robin“-Regisseur basiert auf dem Bestseller
„The Art of Racing in the Rain“ (so der Originaltitel des Films) von
Garth Stein und erzählt die Geschichte eines Formel-Eins-Fahrers, seiner Frau, seiner jungen Tochter und vor allem seines besten Freundes Enzo. Der Hund (Stimme im Original von
Kevin Costner) glaubt an die mongolische Legende, die besagt, dass ein Hund, sobald er dazu bereit ist, in seinem nächsten Leben als Mensch wiedergeboren wird. Darauf will Enzo bestmöglich vorbereitet sein und so verbringt der Hund viel Zeit damit, die Menschen um sich herum zu beobachten und über das Leben zu philosophieren.
O’Halloran (
„Transparent“, „The Hate U Give“) und
Bertelmann (
„Patrick Melrose“, „Adrift“) kreierten dazu einen von Streicher- und Piano-Klängen dominierten Score, der neben meist gefühlvollen Kompositionen auch dramatische und rhythmische Elemente enthält.
Das trifft auch auf
Bertelmanns Musik zur Bestseller-Verfilmung
„Gut gegen Nordwind“ von
Daniel Glattauer zu.
2015 präsentierte die chinesische Schriftstellerin und Drehbuchautorin
Sanyuan Peng ihr Spielfilmdebüt
„Lost and Love“, in dem es um die Liebe zwischen Eltern und ihren Kindern geht.
Andy Lau (
„The House of Flying Daggers“) spielt einen Mann, der sich auf eine 14 Jahre währende Suche nach seinem Sohn macht, der im Alter von zwei Jahren verschwunden war, und dabei auf einen jungen Mechaniker trifft, der ebenfalls als Kind entführt wurde. Für die Vertonung der Geschichte über Hoffnungslosigkeit, Verzweiflung, Mut und Beharrlichkeit hat Peng den polnischen Komponisten
Zbigniew Preisner engagiert, den die Filmemacher während eines Festivals in Shanghai kennenlernte, wo der Komponist
„Preisner conducts Kieslowski“ aufführte.
Preisner hatte nach Sichtung des Films gleich eine genaue Vorstellung von der Musik, die er dazu kreieren wollte.
„Chinesen haben eine andere Vorstellung von Freude und Traurigkeit, aber die Geschichte des Films ist universell – ein Vater sucht nach seinem Kind und ein Junge sucht nach seinen Eltern. Das kann an jedem anderen Ort der Welt geschehen. So überzeugte ich die Regisseurin, eine universelle Musik zu komponieren.“
Der einfühlsame Score, der nun von Caldera Records erstmals auf CD veröffentlicht worden ist, vereint sanfte Streicher- und Piano-Klänge mit Akzenten von Flöte und Gitarren.
Mit
„The Seashell and the Clergyman“ veröffentlichen die Sheffielder Zwillingsbrüder
Klive & Nigel Humberstone alias
In The Nursery bereits ihren neunten Soundtrack innerhalb ihrer Optical Music Series, in der u.a. zuvor neu komponierte und eingespielte Soundtracks zu Stummfilmklassikern wie
„The Cabinet of Dr. Caligari“, „Asphalt“, „Man with a Movie Camera“, „The Passion of Joan Arc“ und
„The Fall of the House of Usher“ erschienen sind.
„The Seashell and the Clergyman“ aus dem Jahre 1928 wird weithin als erster surrealistischer Film angesehen und wurde von
Germaine Dulac nach einer Idee von
Antonin Artaud inszeniert.
In The Nursery haben die umfangreiche Symbolik des feministischen Films durch die Verbindung von außergewöhnlichem Sounddesign und experimentellen Aufnahmetechniken zu interpretieren versucht.
In der spanischen Dramedy
„To Live Twice“ von Regisseurin
Maria Ripoll (
„Don’t Blame Karma for Being an Idiot“) unternimmt ein Mann mit seiner Tochter Julia und Enkelin Blanca einen verrückten Road-Trip auf der Suche nach der ultimativen Liebe. Musikalisch unterstützt werden sie bei ihrem Vorhaben vom spanischen Komponisten
Arnau Bataller (
„The Valdemar Legacy“, „[REC]3: Genesis“) und dem in Barcelona lebenden britischen Komponisten
Simon Smith (
„Now or Never“), die einen von sanften Piano- und Streicherklängen geprägten Score eingespielt haben.
Etwas turbulenter geht es in
Alfonso Cortés-Cavanillas’ 1944 angesiedelten spanischen Western
„Sordo: The Silent War“ zu, in dem eine örtliche Guerilla-Truppe die Widerstandskämpfer dabei unterstützt, die Infrastruktur des Regimes von General Franco zu zerstören und den Machthaber zu stürzen. „Carlos‘ Komposition ist genau das, worüber wir so lange gesprochen haben“, erklärt der Regisseur. „Perfekt. Präzise. Episch. Sie macht den Film größer, bringt den Western, oder in diesem Fall diesen spanischen Western, zum Leben. Musik wird zu einem eigenen Charakter in der Geschichte. Sie begleitet und unterstützt, was meiner Meinung nach ein großartiger Soundtrack tun sollte.“ Inspiriert vom großen
Ennio Morricone schuf
Carlos Martín Jara einen abwechslungsreichen Score mit Orchester, Chor und einzelnen Akustik-Akzenten.
In seinem über einen Zeitraum von mehr als sechs Jahren entstandenen und in über zwanzig Ländern auf der ganzen Welt gedrehten Essayfilm
„Finis Terrae“ hat Regisseur
Konstantin Ferstl versucht, eine ganz persönliche Geschichte des vergangenen Jahrhunderts zu erzählen. Die Reise führt über
Fidel Castros Begräbnis bis zur versteinerten Theokratie in Nordkorea, vom Tod des Kommunismus bis zur Auferstehung des Kapitalismus.
„Für mich war dieser Film generell eine der größten Herausforderungen seitdem ich Filmmusik mache. Zum einen kenne ich keinen Film vergleichbarer Machart, zum anderen ist die Thematik sehr komplex und wird mit vielen sprachlichen und bildlichen Metaphern erzählt“, verrät Komponist
Christoph Zirnbigl im Interview mit dem
Theater Regensburg, wo am 01.02. dieses Jahres ein Filmkonzert von
„Finis Terrae“ aufgeführt worden ist. „Das alles sind Merkmale, die Konstantins Filme schon immer ausgezeichnet haben, in
,Finis Terrae‘ noch intensiver als in allen bisherigen seiner Werke. Die Musik eröffnet in
,Finis Terrae‘ eine komplett eigenständige Erzählebene, mal zeichnet sie die emotionalen Bögen der Geschichte nach, mal fügt sie in Form von musikalischen Zitaten eigene Querverweise ein. Die besondere Schwierigkeit bestand hier darin, dass fast über den ganzen Film hinweg ein Erzähler und verschiedene Protagonisten zu hören sind, denen die Musik trotz ihrer Länge von 82min (bei 92min Film) und trotz der üppigen Instrumentierung mit Symphonieorchester und Chor genug Raum lassen musste.“
Regisseur
Brett Leonard hatte bereits 1992 mit der
Stephen-King-Verfilmung von
„Der Rasenmäher-Mann“ sein Faible für Science-Fiction-Storys unter Beweis gestellt und 1995 mit
„Hideway“ einen Horror-Thriller von
Dean Koontz verfilmt. Im selben Jahr inszenierte er mit
„Virtuosity“ mit
Denzel Washington und
Russell Crowe seinen letzten größeren Film und engagierte für die musikalische Untermalung
Christopher Young, der durch seinen bemerkenswerten Score für die Paramount-Produktion
„Jennifer 8“ bewiesen hatte, dass er auch für Major-Produktionen in Frage kam. Für
„Virtuosity“ kreierte er einen Cyberpunk-Mix aus synthetischen Strukturen, Techno-Beats und E-Gitarren-Riffs, für die emotionaleren Momente aber auch Streicher und Piano verwendete.
„Downhill Racer“ (dt.
„Schussfahrt“) bedeutete 1969 das Regiedebüt für
Michael Ritchie und präsentierte
Robert Redford in einer weiteren bemerkenswerten Hauptrolle nach seinen Auftritten in
Arthur Penns „Ein Mann wird gejagt“,
Sydney Pollacks „Dieses Mädchen ist für alle“ und
Gene Saks‘ „Barfuß im Park“. Er spielte den ebenso ehrgeizigen wie egoistischen Skifahrer David Chappellet, der im erweiterten Kader hofft, unter Trainer Eugene Claire (
Gene Hackman) noch ins Olympische Team zu kommen.
Kenyon Hopkins, der zuvor für so dialoglastige und Charkterentwicklungsfilme wie
„Baby Doll“, „Wild River“, „The Fugitive Kind“ und
„The Hustler“ die Musik komponierte, schuf für
„Downhill Racer“ einen unterhaltsamen Big-Band-Orchester-Mix, der Streicher, Bläser, Keyboards und Percussion miteinander verband.
Playlist:
1.
Max Richter - To the Stars (
Ad Astra) - 03:30
2.
Dustin O'Halloran & Volker Bertelmann - Walking in the Woods (
The Art of Racing in the Rain) - 02:43
3.
Volker Bertelmann - Emmi statt Emma (
Gut gegen Nordwind) - 03:39
4.
Alain Johannes & Alessandro Cortini - The Long Road (
Tom Clancy's Ghost Recon: Breakpoint) - 03:23
5.
Zbigniew Preisner - Flashback (
Lost and Found) - 05:45
6.
Craig Armstrong & Scott Fraser - November [from Neds] (
Music for the Films of Peter Mullan) - 05:01
7.
Craig Armstrong - Orphans Theme [from Orphans] (
Music for the Films of Peter Mullan) - 03:48
8.
Mychael Danna - Grace Meets Isabel (
After the Wedding) - 04:29
9.
Nils Frahm - All Armed (
Encores 3) - 11:39
10.
Jeff Russo - End Credits Suite (
Lucy in the Sky) - 04:32
11.
Daniel Hart - You Listen to Your Inside Voice (
Light of my Life) - 03:55
12.
Arnau Bataller & Simon Smith - Final Embrace (
To Live Twice) - 03:10
13.
Carlos M. Jara - Do Not Look, Rosa (
Sordo: The Silent War) - 03:14
14.
Pascal Gaigne - Remember Me [Finale] (
Remember Me) - 05:49
15.
Pascal Gaigne - La trinchera infinita / Final (
La trinchera infinita) - 04:08
16.
Christoph Zirngibl - Weary Dreams (
Finis Terrae) - 03:35
17.
In The Nursery - Vestibule (
The Seashell and the Clergyman) - 03:09
18.
Brian Tyler - Family Members Only (
Ready or Not) - 03:55
19.
Brian Tyler - You Happened (
Yellowstone - Season 2) - 03:59
20.
Brian Tyler - John and Gabrielle (
Rambo Last Blood) - 05:02
21.
Hildur Guðnadóttir - Meeting Bruce Wayne (
Joker) - 04:36
22.
Eskmo - Our Families (
13 Reasons Why - Season 3) - 03:20
23.
Adam Taylor - Offred Explores Her Room (
The Handmaid's Tale) - 03:29
24.
Christopher Young - Parker Saves the Girl (
Virtuosity) - 06:08
25.
Kenyon Hopkins - Powder Snow (
Downhill Racer) - 02:52
26.
Craig Armstrong - Lowry End Titles (
Mrs. Lowry and Son) - 09:33