Playlist # 87 vom 17.06.2012 - SIX FEET UNDER Special
Ausgerechnet an Weihnachten wird Bestattungsunternehmer Nathaniel Fisher (Richard Jenkins) im Auto von einem Bus erfasst und zu Tode zerquetscht. Aus dem geplanten Festtagsschmaus, zu dem Mutter Ruth (Frances Conroy) geladen hat, wird plötzlich ein Leichenschmaus. Die Aufgaben in der Familie müssen neu verteilt werden. Dies ist das Ausgangsszenario der amerikanischen Serie „Six Feet Under“, die über fünf Staffeln hinweg in den Jahren 2001 bis 2005 von dem amerikanischen Pay-TV-Sender HBO produziert wurde und Kritiker wie Publikum gleichermaßen in ihren Bann zog.
Das tiefgründige wie makabre Familien-Drama stammt aus der Feder von Alan Ball, dessen Drehbuch zu „American Beauty“ (1999) mit dem Oscar ausgezeichnet wurde, und beginnt stets mit einem mehr oder wenigen skurrilen, banalen, tragischen oder schockierenden Todesfall. Gern wird der anfängliche Tod des Familienoberhaupts als das Verschwinden patriarchalischer Verhältnisse interpretiert, denn in vielen Folgen wird thematisiert, wie sich die Gesellschaft ohne patriarchale Führung entwickeln könnte. Indem die u.a. mit sieben Emmys und drei Golden Globes ausgezeichnete Serie die oft turbulenten Lebenswege der einzelnen Familienmitglieder, ihrer Freunde, Geliebten und Verwandten verfolgt, kommen auch andere Themen zum Tragen, vor allem die wechselnden partnerschaftlichen Beziehungen, Selbstfindungsprozesse, die Unsicherheit Heranwachsender, Rassenkonflikte, die Auflösung traditioneller familiärer Bindungen, psychische Probleme und Drogensucht.
Kurz nachdem Alan Ball im Jahre 2000 den Oscar für sein Drehbuch zu „American Beauty“ erhalten hatte, bekam er das Angebot, für HBO („Die Sopranos“) eine Serie zu entwickeln. Er entwickelte ein Konzept, das auf zwei Lieblingsfilmen von Carolyn Strauss, der damaligen Senior Vice Präsidenten der Abteilung für Eigenproduktionen bei HBO, beruhte, nämlich „Harold und Maude“ und „Tod in Hollywood“, die auf schwarzhumorige Weise um das Thema Tod kreisten. Weitere Einflüsse auf die Serie hatten autobiografische Ereignisse wie der Tod von Balls älterer Schwester bei einem Autounfall in seiner Anwesenheit, als er dreizehn Jahre alt war, und der durch Krebs verursachte Tod seines Vaters sechs Jahre später. Dazu gesellten sich Bücher wie „The American Way Of Death“ von Jessica Mitford und „Bodies in Motion and at Rest“ sowie „The Undertaking“ des amerikanischen Dichters und Bestatters Thomas Lynch, die Ball den Drehbuchautoren und Schauspielern zur Lektüre empfahl.
Bei der Umsetzung seines Serienkonzepts ging Alan Ball unkonventionelle Wege. So ließ er seine sieben Hauptautoren gemeinsam mit ihm Ideen für einzelne Episoden sammeln, Charaktere und Handlungsstränge entwickeln, bevor die Autoren die Aufträge zum Ausarbeiten der Drehbücher bekamen. Bei der Auswahl der Regisseure bevorzugte Ball bekannte Independent-Regisseure wie Ted Demme und Rose Troche, aber auch originelle Fernsehregisseure. Die visuelle Gestaltung sollte eine filmische Qualität besitzen, weshalb Kameramann Alan Caso sehr malerische Bilder mit entsättigten Farben und naturgetreuem Licht schuf, um die Atmosphäre von Bestattungshäusern mit ihren dezenten Farben, schmeichelnder Musik und einem Gefühl von Zeitlosigkeit wiederzugeben. Indem er möglichst auf Bewegungen der Kamera verzichtete, erzeugte er theaterartige Bilder.
Eine besondere Bedeutung kam der Filmmusik zu. Für die Titelmusik konnte Alan Ball den renommierten Komponisten Thomas Newman („American Beauty“, „Der Plan“, „The Help“) gewinnen. Richard Marvin („Surrogates“, „Without a Trace“) war für den sehr sphärischen Underscore der Episoden verantwortlich, während Thomas Golubic und Gary Calamar die Auswahl der Fremdkompositionen übernahmen. Alan Ball behielt allerdings die Gesamtkontrolle über die musikalische Gestaltung, weil er der Musik in der Serie große dramatische Bedeutung beimaß.
Und Dirk Knipphals resümiert auf Spiegel.de: „Wer die Splatterelemente und makabren Einfälle der ersten Staffeln zu schätzen wusste, wird die fünfte Staffel möglicherweise als zu melodramatisch empfinden. Man sei vorgewarnt: Es wird mehr geweint, gelitten und sich wieder versöhnt als je zuvor. Eine Serie, die mit coolen Todesfällen begann, ist zum Finale hin tatsächlich bei etwas ganz und gar Uncoolem gelandet: bei der Bearbeitung von Gefühlen. Aber im Grunde ist die Entwicklung folgerichtig. Familie funktioniert in der fünften Staffel endgültig nicht mehr als Heimat, vor der man fliehen muss oder in die man sich zurückziehen kann. Familie, das ist vielmehr der Ort, bei dem man unwillkürlich landet, wenn es um die letzten Dinge geht: Tod, Geburt, Liebe, Anerkennung. Und Familie ist etwas, was man selbst herstellen muss, sonst hat man sie eben nicht. Über die Strecke aller fünf Staffeln gesehen, ist die Verbindung des Familien- mit dem Beerdigungsinstitutsthema also ganz und gar nicht zufällig. In beiden geht es um Unhintergehbares. ‚Six Feet Under‘ ist in der Tat eine ganz große Familiengeschichte unserer Zeit.“„“Alle Warten“ in der letzten Episode ‚Six Feet Under‘ schließlich auf den Tod. Langsam spielen die Klänge zu Sias ‚Breathe Me‘ an, hoffnungslos und tieftraurig, und doch so von Schönheit gezeichnet, wie es nur ein Alan Ball erschaffen konnte. Es fließen die Jahre an den Hauptcharakteren vorbei, umwoben von neuem Leben, letzten Tagen und ihrem eigenen Tod. Und obwohl das Ableben in dieser Familie zum Alltag wurde, war das Leben nie gewöhnlich. Gezeichnet von übernatürlichen Verlusten kämpfte jeder für sich allein, in ihrem Bunde jedoch verschweißt, immer an einem Strang“, meint Frau Soraly auf Ce Reality zusammen. "Fazit: Ein, für heutige Verhältnisse, frühes Ende nahm ‚Six Feet Under‘. Nicht, weil die Geschichten knapp wurden, die Charaktere sich zu Langweilern geformt hatten, die Inspiration verloren ging. Es ging zu Ende, weil es an der Zeit war. Der Tod bekanntlich kommt irgendwo, irgendwann, irgendwie. Für ‚Six Feet Under‘ nach fünf hervorragenden Jahren mit einer menschlichen Familie, die dem Tod täglich ins Gesicht sah.“
Playlist:
1 Thomas Newman - Title Theme (Six Feet Under) - 01:36
2 Jem - Amazing Life (Six Feet Under - Everything Ends) - 04:02
3 The Herbaliser - A Mother For Your Mind (Blow Your Headphones) - 06:37
4 Lamb - Heaven (Six Feet Under) - 04:58
5 Sia - Breathe Me (Six Feet Under - Everything Ends) - 04:30
6 Richard Marvin - Burying Lisa (Six Feet Under) - 05:46
7 The Beta Band - Squares (Six Feet Under) - 03:44
8 Röyksopp - Sparks (Melody A.M.) - 05:25
9 Boozoo Bajou - Lava (Malkasten Vol. IV) - 04:25
10 Thievery Corporation - Holographic Universe (Cosmic Game) - 03:42
11 TUU - All Our Ancestors (All Our Ancestors) - 07:36
12 The Dining Rooms - Pure & Easy (Six Feet Under) - 04:34
13 Nightmares On Wax - 70s 80s (Mind Elevation) - 05:32
14 Craig Armstrong - Let's Go Out Tonight (Six Feet Under) - 06:01
15 Air - Cherry Blossum Girl (Talkie Walkie) - 03:39
16 Zero 7 - Distractions (Six Feet Under) - 05:17
17 Goldfrapp - Pilots (Felt Mountain) - 04:31
18 The Dandy Warhols - Bohemian Like You (Six Feet Under) - 03:28
19 Radiohead - Lucky (Six Feet Under - Everything Ends) - 04:17
20 Thievery Corporation - The Time We Lost Our Way (Cosmic Game) - 04:11
21 The Devlins - Waiting (Tom Lord-Alge Remix) (Six Feet Under) - 04:51
22 Air - The Way You Look Tonight (Everybody Hertz) - 03:46
23 Thomas Newman - Title Theme (Photek Remix) (Six Feet Under) - 05:07
24 Thievery Corporation - All That We Perceive (The Richest Man In Babylon) - 03:43
25 Death Cab For Cutie - Transatlanticism (Six Feet Under - Everything Ends) - 08:21
SOUNDTRACK ADVENTURES with SIX FEET UNDER (TV) at Radio ZuSa by Dirk Hoffmann on Mixcloud
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