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Sonntag, 15. März 2009

Lisa Gerrard (Teil 2) - Eins mit dem Universum

Nach der Auflösung von Dead Can Dance im Jahre 1998 hat Lisa Gerrard eine beachtliche Solo-Karriere hingelegt. Während ihr langjähriger Partner Brendan Perry gerade mal ein Solo-Album, das 1999 veröffentlichte „Eye Of The Hunter“, fertig stellen konnte, legte Lisa 2004 mit „Immortal Memory“ mittlerweile ihr drittes Werk vor, das in Zusammenarbeit mit dem irischen Komponisten Patrick Cassidy entstanden ist. Furore hat Lisa in den vergangenen Jahren aber vor allem durch ihre vielfach preisgekrönten Soundtrack-Arbeiten zu kleinen wie großen Filmen wie „Gladiator“, „Ali“, „The Insider“, „Tränen der Sonne“, „Mission: Impossible 2“ oder zuletzt „Whalerider“ gemacht.
Interessant ist dabei, wie vielseitig die gebürtige Australierin dabei musikalisch zu Werke gegangen ist. Zwar lebt die Musik von Lisa Gerrard in erster Linie von ihrer außergewöhnlichen, stets eindeutig identifizierbaren, nicht von dieser Welt zu gehören scheinender Stimme, die mit ihren archaisch anmutenden Lauten jenseits verständlicher Sprachen ganz intime Gefühle zum Ausdruck bringt und gleichzeitig tief in unbewusste Regionen des Hörers vorzudringen vermag. Aber schon bei Dead Can Dance fiel das instrumentale Umfeld dazu äußerst vielschichtig aus, pendelte zwischen reinen a-cappella-Vorträgen, mittelalterlichen Traditionals, irischen Volksweisen und mittel- oder fernöstlich inspirierten Arrangements hin und her. Ihre Solo-Arbeiten wirken da allerdings in sich geschlossener. Ihr 1995 veröffentlichtes Solo-Debüt „The Mirror Pool“ war vor allem durch die bombastischen Orchesterklänge von John Bonnar charakterisiert, das in Zusammenarbeit mit Pieter Bourke (Eden, Soma) entstandene „Duality“ (1998) lebte von den vitalen, stark pulsierenden Percussions. Und mit „Immortal Memory“ legte Lisa nach fünf Jahren endlich ihr drittes Album vor, das ungewöhnlich ruhig ausgefallen ist. Sanfte und elegische, manchmal fast einschläfernd und eher untermalend wirkende, hintergründig eingesetzte Streicher sind bis auf ganz wenige Ausnahmen die einzige Instrumentierung, die der Hörer gewahr wird.

In der Mitte des Albums sorgen bei „Sailing To Byzantium“ verhaltene Percussions für einen aufrüttelnden Effekt, das abschließende neunminütige „Psallit In Aure Dei“ verstärkt mit seinen Orgelklängen den sakralen Charakter, den das Album überwiegend ausstrahlt – darüber hinaus ist es allein Lisas melancholische, mal irisch, mal aramäisch singende, dann wieder intuitiv lautmalerisch agierende Stimme, die „Immortal Memory“ prägt. Doch auch wenn manchmal der Eindruck entsteht, dass Lisas Stimme mit dem Orchester verschmilzt, wehrt sie sich doch dagegen, ihre Stimme als Instrument, als Teil des Orchesters zu sehen.
„Nein, ich betrachte sie nie, aber wirklich niemals als eine akademische Sache, sie ist persönlicher und sehr privater Natur“, betont Lisa. „Es ist eine private Welt, zu der ich genug Vertrauen habe, sie jetzt teilen zu können. Seit ich ein kleines Mädchen war, frustrierte es mich, nicht in der Lage zu sein, das auszudrücken, was ich fühlte. Ich denke, viele Kinder erleben dies, wenn man sie demonstrierend und leidenschaftlich sich entfalten und die Dinge tun sieht, die sie tun, weil sie sich mit Worten nicht ausdrücken können."
"Wenn wir lernen, einen Mittelpunkt in der Kunst zu finden, glaube ich, dass diese Fähigkeit uns von Gott gegeben ist, um unsere Liebe und unsere Gefühle zu demonstrieren, die wir nicht kommunizieren können, dass wir sie zu einem Ort der Reinheit bringen. Wenn wir diese Mittelpunkte gefunden haben und in der Lage sind, unsere innersten Gefühle zu befreien, dann können wir gesund in dem Sinne bleiben, dass es uns möglich ist, unsere privaten Dinge zur Sprache zu bringen, die uns in Kontakt zu Dingen bringen, die wir normalerweise nicht demonstrieren oder erfahren dürfen.“
Mit Patrick Cassidy hat sie auch verstärkt an Soundtracks geschrieben. Beide haben bereits eng mit Hans Zimmer gearbeitet, sie bei „Gladiator“, „Tränen der Sonne“, „Black Hawk Down“ und „Mission: Impossible 2“, er bei „Hannibal“ und „An Everlasting Peace“. Es folgten die TV-Mini-Serie „Salem’s Lot“ nach Stephen Kings Vampir-Bestseller „Brennen muss Salem“, „One Perfect Day“, ein Film über die heutige Rave- und DJ-Kultur, bei dem Lisa mit Orbital und David Hobson zusammenarbeitete.

Eins mit dem Universum

Nachdem Lisa Gerrard seit mehr als zwei Jahrzehnten die Musikwelt mit ihrem einzigartigen Gesang verzaubert hatte, einer von allem irdischem Ballast befreiten, dem Göttlichen entgegen strebenden Stimme, die meist auf intuitive, lautmalerische Art und Weise mit Klängen und Wesenheiten kommuniziert, die ebenso wenig von dieser Welt zu stammen scheinen wie Lisa Gerrard selbst, ließ sie mit einer schlicht „Lisa Gerrard“ betitelten Best-Of-Compilation ihre Karriere im Jahre 2007 Revue passieren …
Schon während der von 1981 bis 1998 andauernden Karriere mit Dead Can Dance, an der sie an der Seite von Brendan Perry so berauschend schöne Werke wie „Within The Realm Of A Dying Sun“ (1988), „The Serpent’s Egg“ (1988), „Aion“ (1990) und „Into The Labyrinth“ (1993) geschaffen hat, katapultierte sich Lisa Gerrard mit ihrer begnadeten, entfesselten Stimme in sphärische Höhen jenseits sichtbarer Horizonte.
„Wenn du durch den Torbogen in ein unbekanntes Land gehst, kommt der Punkt in deinem Leben, an dem du den Übergang vollziehen musst“, entwickelt Lisa eine Analogie zu den traditionellen „rites de passage“ bei Naturvölkern, mit denen die Individuen der Gesellschaft lernen mussten, die Vergangenheit abzustreifen und in der Zukunft neu geboren zu werden. „Das hat dann nichts mehr mit den Beteiligungen an dem kollektiven Bewusstsein zu tun, sondern ist das Resultat von ‚Toward The Within’. Von dort aus ging es zu ‚The Mirror Pool’, von ‚The Mirror Pool’ zu ‚Spiritchaser’, von ‚Spiritchaser’ zu ‚Duality’ und von dort aus zu ‚Immortal Memory’ – und nun ist es für mich an der Zeit, die Reise durch das Tor zu unternehmen“, beschreibt Lisa die Stationen von den letzten Dead-Can-Dance-Alben zu ihren ersten Solo-Werken „The Mirror Pool“ (1995) und „Duality“ (1998).
Man merkt schon, auch in ihren etwas kryptischen, stark spirituell geprägten Aussagen hebt sich Lisa Gerrard deutlich von konventionellen Sängerinnen ab. Vor allem wenn es um ihre ureigene Disziplin, das Singen, geht, hebt Frau Gerrard in schwindelerregende Dimensionen ab.
„Wenn ich in den höchsten Tönen singe, fühle ich mich eins mit dem Universum, dann empfinde ich mich als Teil von allem. Und wenn du einmal diese Erfahrung gemacht hast, verlierst du sie nie wieder“, teilt Lisa bedeutungsschwanger mit. „Wenn ich einen Klang höre, empfinde ich das Bedürfnis, mit ihm zu kommunizieren. Ich muss aus dem Klang heraus kommunizieren oder von einem Ort aus, der mir nicht gehört. Da ist auch etwas Angst im Spiel. Sobald sich mir ein Klang nähert oder zwei Töne, dann muss ich sehr schnell darauf reagieren.“
Schon frühzeitig hat die passionierte Sängerin („Das Bedürfnis zu singen ist viel größer als das Bedürfnis, es nicht zu tun“) begonnen, ihre Solo-Karriere an den Start zu bringen, die sie äußerst vielgestaltig zu formen verstand. So ist das Solo-Debüt „The Mirror Pool“ vor allem durch die Orchester-Arrangements von John Bonnar aufgefallen, das Nachfolgewerk „Duality“ ist zusammen mit Pieter Bourke (Eden, Soma) entstanden, mit dem sie auch an den Soundtracks zu Michael Manns Filmen „The Insider“ und „Ali“ gearbeitet hat. Überhaupt hat die Welt der Filmmusik einen Narren an Lisa Gerrards außergewöhnlichen Stimmtalenten gefressen. Nachdem bereits so außergewöhnliche Sängerinnen wie Enya („Far And Away“, „Lord Of The Rings: The Fellowship Of The Ring“), Diamanda Galas („The Last Of England“, „The Serpent And The Rainbow“) und Emma Shaplin („Red Planet“) in Hollywood für neue Akzente sorgten, ist Lisa Gerrard spätestens seit der erfolgreichen Zusammenarbeit mit Filmmusik-Superstar Hans Zimmer bei „Gladiator“ immer wieder auf interessanten Soundtracks wie „Layer Cake“, „Man On Fire“, „Tears Of The Sun“ oder „Salem’s Lot“ zu finden – abgesehen von kompletten Soundtracks wie „Whale Rider“ und „A Thousand Roads“.
Und wenn man Songs wie „See The Sun“ aus „Ali“, „Now We Are Free“ aus „Gladiator“ oder „Go Forward“ aus „Whale Rider“ hört, merkt man sogleich die besondere Intensität, die Lisa Gerrard mit ihrer Stimme im Zusammenspiel mit den eindringlichen Kompositionen zu erzeugen versteht. Das Schöne an „Lisa Gerrard“ ist, dass die geschickte Auswahl der Tracks – von Dead-Can-Dance-Tracks wie „Persephone“, „Indus“ und „The Promised Womb“ bis zu Soundtrack-Geschichten wie „Gladiator“, „Whale Rider“ und „Ali“ – den Eindruck einer sehr homogenen Einheit hinterlässt, eine Folge himmlisch schöner Musik …

Diskographie
1995 – “The Mirror Pool”
1998 – “Duality” mit Pieter Bourke
2004 – “Immortal Memory” mit Patrick Cassidy
2006 – “The Silver Tree”
2007 – „The Best of Lisa Gerrard“
2008 – “Farscape“ mit Klaus Schulze
2009 – „Black Opal“
2010 – „Departum“ mit Marcello De Francisci

Filmographie:
1998 – “Nadro“
1999 – „The 13th Warrior“ mit Graeme Revell (rejected)
1999 – “Insider“ mit Pieter Bourke
2000 – „Gladiator“ mit Hans Zimmer
2000 – „Mission: Impossible II“ mit Hans Zimmer
2001 – „Ali“ mit Pieter Bourke
2002 – „Whale Rider“
2003 – „Tränen der Sonne“ mit Hans Zimmer
2004 – „Salem's Lot” (TV mini-series) mit Patrick Cassidy und Christopher Gordon
2004 – „Man on Fire“ zusammen mit Harry Gregson-Williams und Hybrid
2005 – „Constantine“ (rejected)
2005 – „A Thousand Roads“ mit Jeff Rona
2005 – „Fateless“ mit Ennio Morricone
2008 – „Ichi - Die blinde Schwertkämpferin“ mit Michael Edwards
2009 – „Balibo“

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