Playlist # 70 vom 23.10.11 - PETER GABRIEL Special
Er war die treibende Kraft hinter der Supergruppe Genesis, die in den 70ern neben Yes, King Crimson und Emerson, Lake & Palmer zu den bedeutendsten Vertretern des Progressive Rock zählten. Doch Frontmann Peter Gabriel, der Genesis 1967 mit seinen Schulfreunden Tony Banks, Mike Rutherford, Anthony Phillips und Chris Stewart gründete, war 1975 so von dem Rock-Zirkus genervt, dass er nicht nur die Band verließ, sondern auch Zweifel äußerte, ob er je wieder Rock-Musik machen würde.
Für sein 1978 erschienenes Album „2“ holte sich Gabriel mit Robert Fripp einen experimentierfreudigen, stark improvisierenden Produzenten ins Boot. Doch erst mit „3“ (1980) schien Peter Gabriel seinen Stil gefunden zu haben. Zusammen mit Produzent Steve Lillywhite (Siouxsie & The Banshees, XTC) und Freunden wie Robert Fripp und Phil Collins bedeutete der Einsatz eines Fairlight-Sample-Keyboards neue Möglichkeiten der Klangerzeugung und –manipulation. So sind bei dem hymnischen „Biko“ Samples von afrikanischen Trommeln und Gesängen zu hören, die zugleich Peter Gabriels Hinwendung zu außereuropäischen Musiktraditionen markieren. Außerdem enthielt das Album die Hit-Single „Games Without Frontiers“, an die Gabriel 1982 mit „Shock The Monkey“ vom vierten Album nahtlos anknüpfen konnte.
Die ethnischen Einflüsse waren zudem noch stärker ausgeprägt und gipfelten in Gabriels Engagement für das 1982 ausgerichtete WOMAD-Festival (World of Music and Dance), bei dem Künstler aus Pakistan, Burundi und Indonesien auftraten. Zwar erwies sich das erste Festival als finanzieller Flop, doch nach einem Benefiz-Konzert mit Genesis konnte das WOMAD-Konzept für die Zukunft gerettet werden.
Seine Filmmusikkarriere begann Peter Gabriel zunächst mit einzelnen Songs für Kinofilme, mit „Out Out“ für Joe Dantes Horror-Spaß „Gremlins“, „Walk Through The Fire“ für Taylor Hackfords „Against All Odds“ und „I Go Swimming“ für Larry Peerces Rick-Springfield-Vehikel „Hard To Hold“ (alle 1984). Ein Jahr später produzierte Gabriel für Alan Parkers Film „Birdy“ seinen ersten instrumentalen Soundtrack, wobei er mit Produzent Daniel Lanois auch Fragmente von Songs wie „Family Snapshot“, „Wallflower“, „Rhythm Of The Heat“ und „San Jacinto“ verwendete.
Bevor er aber mit „Passion“ den grandiosen Soundtrack zu Martin Scorseses „Die letzte Versuchung Christi“ (1989) vorlegte, startete Peter Gabriel 1986 mit seinem fünften Studioalbum „So“ voll durch. Das brillant von Daniel Lanois produzierte Werk enthielt nicht nur den weltweiten Superhit „Sledgehammer“, dessen visuell einfallsreich-innovatives Video neue Maßstäbe in der Videoclip-Kultur setzte, sondern auch das fröhlich-forsche „Big Time“, das Kate-Bush-Duett „Don’t Give Up“, das eindringliche „Red Rain“ sowie die Songs „In Your Eyes“ und „We Do What We’re Told“, die in Cameron Crowes „Say Anything“ (1986) bzw. Michael Rymers „Angel Baby“ (1996) Verwendung fanden.
Martin Scorseses Film „Die letzte Versuchung Christi“ spaltete mit seiner freizügigen Darstellung des Lebens und Leidens von Jesus Christus Kritiker und Publikum, doch der überwiegend instrumentale Score von Peter Gabriel avancierte 1989 zu einem Meilenstein des World Music Genres, das Gabriel durch die Organisation des WOMAD-Festivals überhaupt erst einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht hatte. So wirkten bei dem „Passion“ betitelten Soundtrack Künstler wie Youssou N’Dour oder Nusrat Fateh Ali Khan mit, die über WOMAD und Gabriels Real World Label auch in der westlichen Hemisphäre bekannt geworden sind.
Zwar wurde das Album von der Tradition orientalischer und arabischer Klänge inspiriert, doch ließ Gabriel auch seine kompositorischen Fähigkeiten und sein Faible für moderne Technologien in die Produktion einfließen.
Die auf „Passion“ realisierte Verschmelzung verschiedener Musiktraditionen quer durch Zeit und Raum prägten auch die späteren Alben von Peter Gabriel, der sich aber zunächst vor allem um sein Label Real World kümmerte und sich für verschiedene humanitäre Unternehmungen wie Amnesty International und absolvierte Benefiz-Touren mit Sting, Bruce Springsteen u.a. (Conspiracy of Hope, 1986, Human Rights Now, 1988) engagierte. Mit dem düsteren Album „Us“ meldete sich Peter Gabriel schließlich 1992 zurück und produzierte mit „Xplora“ (1994) und „Eve“ (1997) innovative CD-ROMs. Gabriel wurde beauftragt, in London die Millenniumsfeier zu konzipieren, die mit einer Vielzahl namhafter Künstler wie Neneh Cherry und Elizabeth Fraser über die Bühne ging und auf dem 2000 veröffentlichten Album „Ovo“ ihren Niederschlag fand.„Ich war sehr gespannt, als ich gefragt wurde, an der Musik zu dem Film zu arbeiten. Als ich erstmals das Projekt mit Martin Scorsese im Jahre 1983 diskutierte, wollte ich herausfinden, wie er diese kontroverse Geschichte verfilmen wollte. Er plante, den Widerstreit zwischen der Menschlichkeit und Göttlichkeit Jesu Christi auf kraftvolle und originelle Weise zu präsentieren, und ich war von seinem Engagement für den spirituellen Inhalt und der Aussage überzeugt“, erinnert sich Peter Gabriel im Booklet zur CD-Veröffentlichung von „Passion“. „Wir haben einige der besten Sänger und Solisten auf dem Feld der Weltmusik aufgenommen und den Score vor dem Hintergrund traditioneller nordafrikanischer Rhythmen und Sounds angelegt. Es war wundervoll, mit solch unterschiedlichen und einzigartigen Musikern zusammenzuarbeiten. Sie kamen aus Pakistan, Türkei, Indien, Elfenbeinküste, Bahrain, Ägypten, Neu-Guinea, Marokko, Senegal und Ghana. Für viele von ihnen war es eine ziemlich neue Erfahrung, an diesem Material mitzuwirken, und sie waren sehr enthusiastisch.“
Im Jahre 2002 erschien nicht nur Gabriels nächstes Album „Up“, sondern auch sein bis dato letzter Soundtrack zu dem australischen Drama „Rabbit Proof Fence“. Im Jahre 2008 veröffentlichte Peter Gabriel das neue Album „Big Blue Ball“, dessen Startschuss bereits 1991 fiel und an dem in dessen Folge unter der Regie des Produzenten-Trios Peter Gabriel, Karl Wallinger (World Party, Waterboys) und Stephan Hague (Pet Shop Boys, OMD) insgesamt 75 Musiker aus über 20 Ländern beteiligt waren, neben Gabriel und Wallinger u.a. Sinead O'Connor, Natacha Atlas, Papa Wemba, Joseph Arthur, Hukwe Zawose, Justin Adams, Jah Wobble, Billy Cobham und The Holmes Brothers.
Zwei Jahre später erschien mit „Scratch My Back“ ein Album, auf dem Peter Gabriel die Kompositionen von einem Dutzend anderer Bands und Künstler neu interpretiert und inszeniert hat, Songs, die für den Künstler zu den großen Errungenschaften perfekten Songwritings zählen, darunter Klassiker wie David Bowies „Heroes“, Radioheads „Street Spirit“, außerdem Lou Reed („The Power Of The Heart“), Talking Heads („Listening Wind“), Neil Young („Philadelphia“) und Randy Newmans „I Think It’s Going To Rain Today“, aber auch Kompositionen von jüngeren Künstlern und Bands wie Arcade Fire („My Body Is A Cage“), Regina Spektor („Apres moi“) und Bon Iver („Flume“).
Im Gegenzug werden diese Künstler einen Song aus dem umfangreichen Schaffen von Peter Gabriel neu interpretieren und ihre Resultate auf einem Folgealbum namens „I’ll Scratch Yours“ vereinen. Peter Gabriel hat sich dabei für eine rein orchestrale musikalische Untermalung ohne Gitarren und Schlagzeug entschieden, was er auf dem aktuellen Album „New Blood“ fortgesetzt hat. Dieses Mal jedoch covert Gabriel nicht Kollegen wie Paul Simon oder David Bowie, sondern seine eigenen Klassiker wie „The Rhythm Of The Heat“, „San Jacinto“, „Don’t Give Up“ oder „Solsbury Hill“.
Zu den zahlreichen Auszeichnungen, mit denen das Schaffen und die immensen politisch-humanitären Engagements von Peter Gabriel gewürdigt wurden, gehören der von Friedensnobelpreisträgern verliehene „Man of Peace Award“, der „Chevalier dans l’Ordre des Arts et des Lettres“, der „Quadriga Award“ und der „BT Digital Music Pioneer Award“. 2008 wurde Gabriel auf der MIDEM zur Persönlichkeit des Jahres gekürt. Zu seinen bislang sechs Grammy Awards, darunter auch für das legendäre Video zu „Sledgehammer“, das als einer der besten Clips aller Zeiten zählt, kam zuletzt der Grammy für den oscarnominierten Song „Down To Earth“ aus dem Pixar-Film „Wall-E“ hinzu.
Weitere Highlights unter den Soundtrack-Beiträgen, die Gabriel produziert hat, sind "Lovetown" aus dem Film "Philadelphia", "Taboo" aus Oliver Stones "Natural Born Killers", "I Grieve" aus "City Of Angels" und das mit Deep Forest eingespielte "While The Earth Sleeps" aus "Strange Days".
Diskographie:
1977 - I (Car)
1978 - II (Scratch)
1980 - III (Melt)
1982 - IV (Security)
1983 - Peter Gabriel Plays Live
1985 - Birdy
1986 - So
1989 - Passion: Music for The Last Temptation of Christ
1990 - Shaking The Tree (Compilation)
1992 - Us
2000 - Ovo : The Millennium Show
2002 - Long Walk Home. Music From The Rabbit-Proof Fence
2002 - Up
2003 - Hit (Compilation)
2008 - Big Blue Ball
2010 - Scratch My Back
2011 - New Blood
Playlist:
1 Peter Gabriel - The Heat (OST Birdy) - 04:47
2 Peter Gabriel - Walk Through The Fire (OST Against All Odds) - 04:00
3 Peter Gabriel - In Your Eyes (OST Say Anything) - 05:23
4 Peter Gabriel - Partyman (OST Virtuosity) - 05:39
5 Peter Gabriel - We Do What We're Told (OST Angel Baby) - 03:18
6 Peter Gabriel & Deep Forest - While The Eearth Sleeps (OST Strange Days) - 03:51
7 Peter Gabriel - Here Comes The Flood (OST Felicity) - 04:33
8 Peter Gabriel - Lovetown (OST Philadelphia) - 05:27
9 Peter Gabriel - Animal Nation (OST The Wild Thornberrys Movie) - 07:20
10 Peter Gabriel - Signal To Noise (OST Gangs Of New York) - 07:39
11 Peter Gabriel - The Book Of Love (OST Shall We Dance?) - 03:36
12 Peter Gabriel - Low Light (OVO) - 06:37
13 Peter Gabriel - The Tower That Ate People (OST Red Planet) - 04:05
14 Peter Gabriel - The Time Of The Turning (OVO) - 05:06
15 Peter Gabriel - Taboo (OST Natural Born Killers) - 04:22
16 Peter Gabriel & Thomas Newman - Down To Earth (OST Wall-E) - 05:56
17 Peter Gabriel - The Feeling Begins (OST The Last Temptation Of Christ) - 04:00
18 Peter Gabriel - Jigalong (OST Rabbit-Proof Fence) - 04:03
19 Peter Gabriel - Of These, Hope (OST The Last Temptation Of Christ) - 03:55
20 Peter Gabriel - Cloudless (OST Rabbit-Proof Fence) - 04:49
21 Peter Gabriel - Don't Give Up (New Blood) - 05:12
22 Peter Gabriel - I Grieve (OST City Of Angels) - 08:11
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