DIE 4. LANGE NACHT DER FILMMUSIK 07./08.03.2014 - JÓHANN JÓHANNSSON Special
Vor allem mit seinem beunruhigenden Score zu Denis Villeneuves Thriller „Prisoners“ hat der isländische Komponist Jóhann Jóhannsson auch außerhalb der postklassischen und experimentellen Musikszene auf sich aufmerksam machen können. Nun komponierte er den Score zu Josh C. Wallers Film „McCanick.“
Jóhannsson begann im Alter von elf Jahren, Klavier und Posaune zu studieren, brach aber die formale Ausbildung in der Highschool ab, weil er sich von den Beschränkungen der akademischen Musik eingeengt fühlte. Nachdem er Literatur und Sprachen an der Universität studiert hatte, verbrachte er zehn Jahre damit, seine Musik in Indie-Rock-Bands zu spielen, wobei er sich darauf konzentrierte, mit mehreren Gitarren interessante vielschichtige Soundscapes zu kreieren.„Musik ist wichtig für mich, aber das ist es nicht, wie ich definiere, was ich tue“, meint er. „Ich bin von der Textur von Klängen besessen und interessiere mich für minimale Formen, um Dinge so einfach wie möglich auszudrücken, um sie in ihrer ursprünglichen Form zu destillieren. Je einfacher der Ausdruck, desto einfacher sind Ideen zu kommunizieren.“
„Als ich die Alben auf Enos Obscure Records Label aus den 70ern entdeckte, verlagerte sich mein Interesse zur Kreation von minimalistischen Ambient-Strukturen mit klassischen Instrumenten. Ich legte die Gitarre beiseite und begann, Musik für Streicher, Woodwinds und Kammer-Ensembles zu schreiben, indem ich akustische und elektronische Sounds miteinander verband.“
Indem er die Resonanzen von akustischen Instrumenten mit digitalem Processing verknüpfte, schuf Jóhannsson Musik, die akustische und elektronische Sounds zu etwas Einzigartigem und Neuem verband. „Mein Ideal ist Musik, bei der elektronische und akustische Klänge nahtlos miteinander verschmelzen.“
Im Jahre 2002 veröffentlichte das britische Touch-Label Jóhannssons Debütalbum „Englabörn“, das auf dem Theaterstück gleichen Namens basiert und klassische Streicher mit Electronics verbindet. „Ich nahm die Streicher auf, ließ sie durch digitale Filter laufen, um die Sounds zu extrahieren, und setzte diese neu zusammen. Ich mag es, zum mikroskopischen Kern der Musik vorzudringen, um die Essenz zu extrahieren und aus ihr Schichten von Klängen zu kreieren.“
Seine Arbeit für Theater- und Dance-Stücke führte Jóhannsson in die Welt der Filmmusik. Seine mehr als ein Dutzend umfassenden Credits beinhalten „Varmints“ (2008), „The Good Life“ (2010), „Mystery“ (2011) und „For Ellen“ (2012), ehe Denis Villeneuve den Komponisten für sein Kidnapping- und Rachedrama „Prisoners“ engagierte.
„Denis wollte die Musik als poetische Stimme etablieren, die als Gegenpol zur Handlung im Film agierte. Auch wenn der Film ein Thriller ist, ist die Musik lyrisch und schön, im starken Kontrast zum Horror, der Hässlichkeit und Grausamkeit in dem Film.“
Jóhannsson komponierte den Score, während er eine frühe Fassung des Films sah, und reagierte auf die verstörenden Bilder auf der Leinwand. Er schrieb die Musik für ein Orchester mit großen Streicher- und Woodwind-Sektionen und integrierte die Klänge von zwei eher unbekannten Instrumenten, dem Cristal Baschet, das einer Glas-Harmonika ähnelt, und dem Ondes Martenot, einem dem Theremin verwandten alten elektronischen Instrument.
Für das Krimi-Drama „McCanick“ wählte Jóhannsson wiederum einen gänzlich anderen Ansatz. „Es ist ein psychologisches Drama, also verwendete ich ein kleines Streichorchester als Percussion-Instrument. Ich nahm zwanzig Spieler auf, wie sie ihre Instrumente mit der Rückseite ihres Bogens schlugen, manipulierte diese Texturen und verwob sie mit elektronischen Klängen.“
In den vergangenen Jahren veröffentlichte Jóhannsson, der von Künstlern wie Kraftwerk, Steve Reich, Einstürzende Neubauten, Swans, Arvo Part, Ennio Morricone, Morton Feldman und Bernard Herrmann inspiriert wird, ganz unterschiedliche Werke. Sein 2004 ebenfalls bei Touch erschienenes Album „Virthulegu Forsetar“ ist eine einstündige Fanfare für Orgel und Blechbläser, mit „Fordlandia“ (2008) komponierte Jóhannsson eine Ode an die Stadt, die Henry Ford im Amazonas-Dschungel zu bauen versuchte, während „Copenhagen Dreams“ (NTOV) eine visuelle und musikalische Huldigung an seine aktuelle Heimatstadt und ihre Bewohner darstellt.
In der Vergangenheit hat Jóhannsson mit Künstlern wie Marc Almond, Barry Adamson, Pan Sonic, The Hafler Trio, Can-Drummer Jaki Liebezeit und vielen anderen zusammengearbeitet.
„Ich mag es, aus meinem Studio herauszukommen und mit anderen Leuten zu arbeiten. In einem Raum mit jemandem zu sein, der eine andere Herangehensweise verfolgt, inspiriert mich. Sich von jemand anderer Musikalität zu ernähren bringt immer interessante Resultate hervor.“
Diskographie:
2002 Englabörn
2004 Dís
2004 Virðulegu Forsetar
2006 IBM 1401, A User’s Manual
2008 Fordlandia
2009 And In The Endless Pause There Came The Sound Of Bees
2010 Live Recordings
2011 The Miners’ Hymns
2012 Copenhagen Dreams
2012 Free The Mind
2013 Prisoners
2014 McCanick
Playlist:
01. Jóhann Jóhannsson - Sálfræðingur (Englabörn) - 03:48
02. Jóhann Jóhannsson - Prisoners (Prisoners) - 06:59
03. Jóhann Jóhannsson - End [Snowing] (And In The Endless Pause There Came The Sound Of Bees) - 06:40
04. Jóhann Jóhannsson - IBM 1401 Processing Unit (IBM 1401, A User's Manual) - 08:33
05. Jóhann Jóhannsson - Bankok Norðursins (Dís) - 04:55
06. Jóhann Jóhannsson - A Memorial Garden On Enghavevej (Copenhagen Dreams) - 04:10
07. Jóhann Jóhannsson - Jarðaför (Dís) - 03:52
08. Jóhann Jóhannsson - The Rocket Builder (Fordlandia) - 06:26
09. Jóhann Jóhannsson - Love After Love (Free The Mind) - 05:37
10. Jóhann Jóhannsson - McCanick (McCanick) - 03:07
11. Jóhann Jóhannsson - IBM 729 Magnetic Tape Unit (IBM 1401, A User's Manual) - 07:17
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