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Sonntag, 27. März 2011

Playlist # 55 vom 27.03.11 - THOMAS NEWMAN Special

Seit seinem Score zu Sam Mendes‘ „Zeiten des Aufruhrs“ ist es etwas ruhig um Thomas Newman geworden, den am 20. Oktober 1955 in Los Angeles geborenen jüngsten Sohn des großen Hollywood-Komponisten Alfred Newman. Nun meldet er sich mit dem neuen Matt-Damon-Action-Drama „Der Plan“ zurück. Vor allem in den 90er Jahren hat Thomas Newman mit seinen gefühlvollen, einzigartig instrumentierten Scores zu Dramen wie „Grüne Tomaten“, „Der Pferdeflüsterer“, „The Green Mile“ oder „American Beauty“ auf sich aufmerksam und diverse Oscar®-Nominierungen einfahren können.

Nach zwei Jahren Studium an der University of Southern California, wo er unter anderem bei David Raksin in die Lehre ging, schloss er sein Studium in Yale mit einem Master in Music ab und spielte in Bands und am Theater. Er verbrachte einige Jahre als Keyboarder in der Rock-Band The Innocents und in der Avantgarde-Formation Tokyo 77. Da sein Onkel Lionel Newman dem Music Department von 20th Century Fox vorstand, als Thomas Newman die High School und das College besuchte, hatte er die Möglichkeit, John Williams zuzusehen, wie er die Soundtracks zu den Katastrophen-Filmen „The Towering Inferno“ und „The Poseidon Adventure“ dirigierte.
Seinen ersten eigenen Score produzierte Thomas Newman 1984 zu dem Film „Reckless“. Schon mit seinem nächsten Soundtrack, dem ethnisch groovenden Score zum Madonna-Film „Susan … verzweifelt gesucht“, gelang Newman ein Jahr später der Durchbruch als Filmkomponist. Nach diesen noch rein elektronisch geprägten Arbeiten ging Newman dazu über, elektronische Instrumente mit orchestralen Elementen zu verbinden, was in den beiden Projekten „The Lost Boys“ und „Unter Null“ (beide 1987) besonders gut zur Geltung kam.
„Ich interessiere mich für beide musikalische Welten und ich habe nie die eine über die andere gestellt. Ich hasse die Behauptung, elektronische Arrangements wären nur eine billige Art, Musik zu kreieren, und dass das Orchester der einzig wahre Ansatz sei, Filmmusik zu kreieren. Aber man kann diese Kritiker verstehen, weil Electronics dir erlauben, einfache Entscheidungen zu treffen. Jeder kann das. Aber während Synthesizer Dinge sind, die du hinter Sounds verstecken kannst, können sie auch an Stellen verwendet werden, an denen man sie nie erwarten würde“, meint Newman.
Nach weiteren kleineren Filmen wie „Getäuscht“, „Ferien zu dritt“ und „Cookie“ begann 1991 die Karriere für Thomas Newman so richtig anzulaufen, als er die Fanny Flagg-Verfilmung „Grüne Tomaten“ , Robert Altmans „The Player“ und den Al-Pacino-Film „Der Duft der Frauen“ mit außergewöhnlichen Scores vertonte. Mit seiner Fähigkeit, außergewöhnliche akustische Akzente mit einzigartigen elektronischen Klängen und orchestralen Arrangements zu verbinden, sicherte er sich die mehrjährige Zusammenarbeit mit Regisseuren wie Jon Avnet („Grüne Tomaten“, „Red Corner“, „Das Baumhaus“, „Aus nächster Nähe“), Gillian Armstrong („Betty und ihre Schwestern“, „Oscar and Lucinda“), Frank Darabont („Die Verurteilten“, „The Green Mile“), Martin Brest („Der Duft der Frauen“, „Meet Joe Black“) und Sam Mendes („Road To Perdition“, „American Beauty“, „Zeiten des Aufruhrs“).
„Mein Ansatz besteht in der Regel darin, vom Standpunkt einer Farbe zu beginnen, d.h. höre ich Woodwinds-Klänge oder höre ich reißende oder klingende Sounds, und dann versuche ich etwas aufzubauen. Ich beginne normalerweise mit Farben statt mit einer Melodie, und zwar weil ich an irgendeinem Punkt realisiere, dass ich ohnehin eine Melodie schreiben muss, also ist das eine Art Notwendigkeit, während Farben einfach eine Art Spaß sind, über die man nachdenken kann.. Was würde passieren, wenn ich dieses oder jenes mache, und was würde geschehen, wenn ich diese Art von Instrument benutze?“, beschreibt Thomas Newman seine Arbeitsweise im Newsletter der Editors Guild fest.
Neben seinen bemerkenswerten Arbeiten fürs Kino komponierte Thomas Newman auch Fernsehfilme („Those Secrets“, „Citizen Cohn“), steuerte Beiträge für Steven Spielbergs „Amazing Stories“ (die Weihnachtsfolge „Santa ´85“) und „Alfred Hitchcock Presents“ (die Episoden „A Human Interest Story“ und „The Creeper“) bei und komponierte die Themen für die TV-Serien „Boston Public“ und „Six Feet Under“.
Die meisten seiner Arbeiten sind zum Glück als Soundtrack-Alben erhältlich, oftmals allerdings auch nur als Song-Compilations, auf denen ein oder zwei Cues von Thomas Newman zu hören sind, der dieser Praxis mit gemischten Gefühlen gegenübersteht:
„Die Idee, zehn Sekunden eines Songs zu hören, so dass man ihn auf das Album packen kann, ruft bei mir echtes Augenrollen hervor. Ich fühle mich dann so, als sei ich manipuliert worden und ich verstehe die Marketing-Idee dahinter, und das macht nie Freude. Die andere Seite ist: wenn es gut ist, wirkt es großartig. Es gibt einige tolle Songs und sie funktionieren sicher gut in Filmen. Woody Allen hat immer sehr gut Source Music eingesetzt, und man bekommt ein Gespür dafür, dass es eine komfortable Art des musikalischen Hintergrunds des Territoriums abbildet, das er besetzen möchte.
Im Falle des Hank-Williams-Songs in ‚Die Verurteilten‘ – einer der Gefangenen liebt Hank Williams – ist es beispielsweise so, dass du den Song hörst und dir ein Lächeln ins Gesicht zaubert. Es ist wirklich wunderbar, und es sind Momente wie diese, bei denen ich denke, dass die Source Music in ‚Die Verurteilten‘ wunderschön ist. Ich dachte, es war absolut passend, und ich hatte kein Problem damit.“ (ebd.)
Thomas Newman wurde 1994 gleich für zwei Oscars® (zu „Betty und ihre Schwestern“ und „Die Verurteilten“) nominiert, im darauffolgenden Jahr noch einmal für „Entfesselte Helden“,1999 für seine Musik zu „American Beauty“, die ihm immerhin einen Grammy Award einbrachte, 2002 für „Road To Perdition“ und 2008 schließlich für das Disney-Abenteuer „Wall-E“. Auch wenn seine Hochzeit, die durch Meisterwerke wie „Road To Perdition“, „American Beauty“, „Engel in Amerika“, „Little Children“ und „Der Pferdeflüsterer“ gekennzeichnet ist, vorbei zu sein scheint, ist Thomas Newman immer wieder für eine berauschend schöne Filmmusik gut.
„Was ist eine Melodie? Es ist eine sehr abstrakte Sache geworden. Was versuche ich gerade hier? Was macht manches schön, was macht manches traurig? Ich erinnere mich, dass mich ein Lehrer mal gefragt hat, was Musik traurig macht. Was für eine brillante Frage. Seine Antwort lautete, dass es die physikalischen Qualitäten von etwas Traurigem annimmt. D.h. wenn sie traurig ist, dann bewegt sich die Melodie schrittweise. Sie tendiert dazu, langsamer zu werden, so wie man es ist, wenn man traurig ist; sie nimmt die körperlichen Charakteristika eines emotionalen Zustandes an. Etwas in der Musik klingelt und bringt dich zurück zu einer Erinnerung, die dir ein Gefühl entlockt. Ich denke, was so wundervoll an Musik ist, ist der Umstand, dass sie absolut abstrakt ist und so eine große biegsame, subjektive emotionale Reaktion hervorruft.“ (ebd.)
Filmographie:
1978: The Paper Chase (TV-Serie)
1984: Jung und rücksichtslos (Reckless)
1984: The Seduction of Gina (TV)
1984: Die Rache der Eierköpfe (Revenge of the Nerds)
1984: Speedway Trio (Grandview, U.S.A.)
1985: Der Verrückte mit dem Geigenkasten (The Man with One Red Shoe)
1985: Susan... verzweifelt gesucht (Desperately Seeking Susan)
1985: Mit Lippenstift und Eiscreme (Lipstick & Ice Cream)
1985: Was für ein Genie (Real Genius)
1985: Summer’s End
1986: Jumpin' Jack Flash
1986: Gung-Ho
1987: Unter Null (Less Than Zero)
1987: The Lost Boys
1987: Light of Day
1988: Great Outdoors – Ferien zu dritt (The Great Outdoors)
1988: Der Prinz von Pennsylvania (The Prince of Pennsylvania)
1989: Cookie
1990: Ein Mädchen namens Dinky (Welcome Home, Roxy Carmichael)
1990: Against the Law (TV)
1990: Verrückte Zeiten (Men Don’t Leave)
1990: Heatwave (TV)
1990: Rhythm Nation 1814
1990: Nackter Tango (Naked Tango)
1991: Kevins Cousin allein im Supermarkt (Career Opportunities)
1991: Grüne Tomaten (Fried Green Tomatoes)
1991: Houdini & Company - Der Geist des Magiers (The Linguini Incident)
1991: Getäuscht (Deceived)
1991: Dunkle Erleuchtung (The Rapture)
1992: Those Secrets (TV)
1992: The Player
1992: Der Duft der Frauen (Scent of a Woman)
1992: Stimmen im Dunkel (Whispers In The Dark)
1992: Citizen Cohn - Handlanger des Todes (TV)
1993: Josh and S.A.M.
1993: Flesh and Bone
1994: Die Verurteilten (The Shawshank Redemption)
1994: Betty und ihre Schwestern (Little Women)
1994: Einsam Zweisam Dreisam (Threesome)
1994: Das Baumhaus (The War)
1994: The Favor – Hilfe, meine Frau ist verliebt! (The Favor)
1995: Entfesselte Helden (Unstrung Heroes)
1995: Ein amerikanischer Quilt (How to Make an American Quilt)
1996: Larry Flynt – Die nackte Wahrheit (The People vs. Larry Flynt)
1996: Aus nächster Nähe (Up Close & Personal)
1996: Phenomenon – Das Unmögliche wird wahr
1996: American Buffalo – Das Glück liegt auf der Straße (American Buffalo)
1997: Oscar und Lucinda (Oscar and Lucinda)
1997: Red Corner – Labyrinth ohne Ausweg (Red Corner)
1997: Mad City
1998: Der Pferdeflüsterer (The Horse Whisperer)
1998: Rendezvous mit Joe Black (Meet Joe Black)
1999: American Beauty
1999: The Green Mile
2000: Erin Brockovich
2000: Das Glücksprinzip (Pay It Forward)
2000: Boston Public (TV)
2000: My Khmer Heart
2001: Six Feet Under – Gestorben wird immer (Six Feet Under) (TV-Serie)
2001: In the Bedroom
2002: Road to Perdition
2002: Weißer Oleander (White Oleander)
2002: The Salton Sea – Die Zeit der Rache
2002: The Execution of Wanda Jean
2003: Findet Nemo (Finding Nemo)
2003: Angels in America (TV)
2004: Lemony Snicket – Rätselhafte Ereignisse (Lemony Snicket's – A Series of Unfortunate Events)
2005: Das Comeback (Cinderella Man)
2005: La femme dans la chambre
2005: Jarhead – Willkommen im Dreck (Jarhead)
2006: The Good German – In den Ruinen von Berlin (The Good German)
2006: Little Children
2007: Nothing Is Private
2008: Wall-E
2008: Zeiten des Aufruhrs (Revolutionary Road)
2009: Autumn of Youth
2009: Brothers
2010: The Debt
2010: La siesta de Jacinto
2011: Der Plan (The Adjustment Bureau)

Playlist:
1 Thomas Newman - Elise (The Adjustment Bureau) - 03:27
2 Thomas Newman - Leave Atlantic City (Desperately Seeking Susan) - 02:33
3 Thomas Newman - Refrigerator Shrine (Welcome Home, Roxy Carmichael) - 02:36
4 Thomas Newman - Wallpaper (Fried Green Potatoes) - 01:30
5 Thomas Newman - Sisters (The Shawshank Redemption) - 01:18
6 Thomas Newman - Spring (Little Women) - 00:57
7 Thomas Newman - The High Downs and the Sea (Oscar and Lucinda) - 01:52
8 Thomas Newman - Black (Red Corner) - 04:50
9 Thomas Newman - The Rhythm of the Horse (The Horse Whisperer) - 03:14
10 Thomas Newman - Whisper of a Thrill (Meet Joe Black) - 05:43
11 Thomas Newman - Still Dead (American Beauty) - 02:46
12 Thomas Newman - Coffey On The Mile (The Green Mile) - 05:10
13 Thomas Newman - Rain Hammers (Road To Perdition) - 02:51
14 Thomas Newman - Unrealistic (Revolutionary Road) - 02:49
15 Thomas Newman - Mauve Antarctica (Angels In America) - 04:47
16 Thomas Newman - End Title (Little Children) - 07:40

Sonntag, 13. März 2011

Playlist # 54 vom 13.03.11 - TRENT REZNOR + ATTICUS ROSS Special

Zu den großen Überraschungen der jüngsten Oscar®-Verleihung zählte sicher der Academy Award® in der Kategorie „Music Score“: Dass Neulinge im Filmgeschäft wie Trent Reznor und Atticus Ross mit ihrem Soundtrack, den sie für David Finchers Portrait des Facebook-Gründers Mark Zuckerberg, „The Social Network“, kreierten, sogar preisgekrönte Veteranen wie Alexandre Desplat, John Powell und Hans Zimmer hinter sich ließen, war so bestimmt nicht vorauszusehen.
Atticus Ross und Trent Reznor
So ganz unbekannt sind die beiden Oscar®-Gewinner in der Filmbranche allerdings auch nicht. Atticus Ross machte erst kürzlich mit seinem ethnisch angehauchten, rhythmisch-eindringlichen Score zum Endzeit-Drama „The Book Of Eli“ auf sich aufmerksam, und Trent Reznor ist mit seinem Projekt Nine Inch Nails seit 1993 immer wieder auf Soundtracks von Filmen renommierter Regisseure wie Oliver Stone („Natural Born Killers“), David Fincher („Sieben“), Alex Proyas („The Crow“) oder David Lynch („Lost Highway“) zu finden. Diesen Umstand hat Reznor vor allem der Tatsache zu verdanken, dass Nine Inch Nails seit ihrer Gründung im Jahre 1988 schnell zu einer festen Größe der alternativen Musikszene avancierten.
Dabei sah zunächst alles danach aus, als würde Trent Reznor eine Karriere als Konzertpianist einschlagen. Doch als er in Teenagerjahren mit der Rockmusik in Berührung kam, fand er in ihr eine adäquatere Möglichkeit, sich auszudrücken, also brachte er sich selbst das Spielen einiger Instrumente bei und faszinierte sich für die unendlichen Möglichkeiten, die sich durch die technischen Entwicklungen boten. In welche musikalischen Richtungen vor allem die ersten erschwinglichen Synthesizer führen konnten, beobachtete Reznor bei europäischen Vertretern der (Post-)Industrial-Szene wie Cabaret Voltaire, Throbbing Gristle und Einstürzende Neubauten, aber auch die amerikanischen Pendants wie Ministry und Skinny Puppy sagten ihm sehr zu. Nach diversen eher unbefriedigenden Engagements bei lokalen Acts begann Trent Reznor 1988 seine eigenen Ideen unter dem Namen Nine Inch Nails konsequent weiterzuentwickeln.
Das 89er Debütalbum „Pretty Hate Machine“ spielte er zwar im Alleingang ein, ließ die spektakuläre Mixtur aus harten Industrial-Gitarren, coolen Synthi-Sounds und extrem eingängigen Melodien aber von Profis wie Flood (U2, Cabaret Voltaire, Soft Cell, New Order), Keith LeBlanc (Mark Stewart And The Maffia, Sugarhill Gang Band, Tackhead) und John Fryer (Depeche Mode, Fad Gadget, Die Krupps) veredeln.
Lucas Hilbert schreibt in seiner Rezension auf amazon.de:
„Mit dem Album ‚Pretty Hate Machine‘ wurde für ein kommerziell interessantes Publikum der Durchbruch zu einer genießbaren Variante der Industrial Music geschafft und in der Popkultur die entsprechende Schmuddel-Duftmarke gesetzt. Die aggressive Herrschaft der Klänge in diesem Album wurde zuerst von depressiv veranlagten Klubbesuchern verinnerlicht, die zu den Rhythmen umherwirbelten und sich die von Angst besessenen Überzeugungen aneigneten. Seit ihrem Erscheinen stehen die hart gesottenen Ansichten dieses Albums für eine ästhetische Träumerei von den Leidenswegen, auf die uns die Maschinen treiben. Die Tracks von zischenden Maschinen und dissonanten Überlastungen fallen über einen her - außerhalb aller Wege von moderner, gefälliger Vermittlung. Hits wie ‚Head Like a Hole‘ und ‚Down in It‘ sind an ihren sarkastischen Beats und an ihren durchdringenden Riffs zu erkennen, ebenso an den feindseligen Aussagen ihrer Texte, die den Hörer mit ihrer Flut von respektloser Kritik einfangen. ‚Pretty Hate Machine‘ ist keine leichte Kost und trifft in unserem Innersten einen empfindlichen Nerv.“
Doch drei Jahre später hat sich der Sound von Nine Inch Nails grundlegend geändert. Die 1992 veröffentlichte EP „Broken“ wartete kaum noch mit den ausgedehnten elektronischen Klanglandschaften auf, sondern präsentierte harten Industrial-Metal, wobei der Track „Gave Up“ – im Remix von Coil - erstmals den Sprung auf einen Soundtrack („The Young Americans“) schaffte. Der brachiale Gift-und-Galle-Industrial-Mix wurde zum Glück mit dem 1994er Album „The Downward Spiral“ in komplexere, aber auch eingängigere Gefilde überführt, wie die grandiose Single „Closer“ meisterhaft demonstriert. „Closer“ fand den Weg gleich auf drei Soundtracks.
Dass David Fincher das Stück in seinem düsteren Thriller „Sieben“ einsetzte (im Precursor-Remix von Coil), bedeutete quasi seine erste „Zusammenarbeit“ mit Trent Reznor. Darüber hinaus wurde das Stück in Tony Scotts Thriller „The Fan“ und im 2007er Remake von „The Hitcher“ verwendet. Das Jahr 1994 ist insofern bemerkenswert, weil Trent Reznor nicht nur eigens für den Gothic-lastigen Soundtrack der Comic-Verfilmung von James O’Barrs „The Crow“ den Joy-Division-Klassiker „Dead Souls“ eingespielt hat, sondern auch den Soundtrack zu Oliver Stones moderne Bonny-&-Clyde-Variante „Natural Born Killers“ produzierte und dabei die drei NIN-Stücke „Burn“, „Something I Can Never Have“ und „A Warm Place“ einfließen ließ.
Weitere Soundtrack-Aufträge beinhalteten den Score zum Computerspiel „Quake“ (1996) und die Produktion des Soundtracks zu David Lynchs „Lost Highway“ (1997), der neben dem Score von Angelo Badalamenti auch „The Perfect Drug“ von Nine Inch Nails und die beiden Trent-Reznor-Cues „Videodrones; Questions“ und „Driver Down“ enthielt.
Mit Nine Inch Nails ging es nur noch sporadisch im regulären Kontext weiter. Bis zum nächsten regulären Album-Release „The Fragile“ sollten fünf Jahre vergehen, doch dafür war das Doppel-Album vollgepackt mit starken Singles und hitverdächtigen Songs („The Day The World Went Away“ wurde sogar im Trailer zum vierten „Terminator“-Film „Die Erlösung“ verwendet).
‘The Fragile‘ ist sogar noch düsterer als das 1994 erschienene Album ‚The Downward Spiral‘ da es ständig mit finsterer Visage daherkommt. Trent Reznors heftige Sammlung von Kettensägen-Popmusik ist ein bedrückendes Werk, das sich durch die beiden CDs mit der Intensität einer Schrotflinte auf und ab bewegt. Es ist einen Augenblick lang gedämpft und im nächsten darauf explosiv, es mischen sich manchmal im Laufe eines Songs Trotz und Wut mit herzzerbrechender Resignation. Dennoch ist Reznors grimmiger und kompromissloser Stil ansprechend und unbestritten unterhaltsam, selbst wenn er Gesang total vermeidet. Unverändert sind die langen Passagen, die er wie besessen einsetzt, um den Hörer auf eine dynamische, aufregende Fahrt mitzunehmen. Die ruhigen Töne, die das Instrumentalstück ‚Just Like You Imagined‘ einleiten, explodieren plötzlich in ein Sperrfeuer von Rhythmen ohne jedes Taktmaß und in schlingernde Keyboard-Riffs, die alle zu einem vehementen Abschluss anschwellen. Allein die hier präsentierten Klangerfindungen sind schon erstaunlich. Reznors Produktion kommt der von Brian Eno nahe, was die Dynamik anbetrifft, obwohl sie aus einer völlig anderen Sensibilität heraus erwächst. ‚Starfuckers Inc.‘ benutzt zerhackte Stimmen als Verse und eine schreiende Meute als antreibenden Refrain im Stil von Ministry, um einige von NIN's Nachahmer (am deutlichsten Marilyn Manson) gnadenlos herunterzumachen. Obwohl es hier nichts für das Tanzparkett so richtig geeignetes gibt wie z.B. ‚Closer‘ auf dem Album ‚Downward Spiral‘, kommt ‚Where Is Everybody‘ dem doch sehr nahe, da es hier langsame, erschöpfende Drehungen und Adrian Belews dahingleitendes Gitarrenspiel gibt. Die Songs von ‚The Fragile‘ sind letztlich einfache Erkundungen einer tiefgehenden Desillusionierung. Sobald Reznor allerdings aufhört, sie zu verzerren, sind sie hervorragende Klanglandschaften voller Wut, die gleichermaßen erschreckend und schön sind“, urteilt Matthew Cooke in seiner Rezension auf amazon.de.
Weitere sechs Jahre gingen bis zum nächsten Album „With Teeth“ (2005) ins Land, das Reznor zusammen mit Alan Moulder (Depeche Mode, The Smashing Pumpkins) produzierte und sich etwas gefälliger und elektronischer präsentierte als das epische „The Fragile“-Werk.
Mit dem 2007 veröffentlichten Album „Year Zero“ unternahm Reznor eine Zeitreise ins Jahr 2022 und verarbeitete seine düsteren Zukunftsvisionen in einem stark elektronisch geprägten Konzeptalbum, das voller außergewöhnlicher Klänge und Improvisationen steckt, sporadisch aber auch von großer Schönheit durchzogen wird.
„Mit ‚Year Zero‘ setzt der Meister der Endzeitstimmung seinem Werk die Dornenkrone auf - und sich selbst an die Spitze der Verschwörungstheoretiker. Reznor schreibt die Idee vom totalen Überwachsungsstaat, die Orwell in ‚1984‘ meisterhaft skizziert hat, mit dieser Platte fort. Die USA im Jahr 2022: In God's Own Country ist der Teufel los. Das Land der Freien wird von einer fundamental religiösen Diktatur regiert, der nur ein paar viral vernetzte Guerrilleros die Stirn bieten. Dieser Plot ist der Ausgangspunkt für Reznors ambitioniertestes Projekt. Parallel zu diesem jüngsten macht seit Wochen das letzte Gerücht die Runde. Das neue Album der Nine Inch Nails wird von einer Kampagne begleitet, wie sie die Musikindustrie noch nicht erlebt hat. Reznor überzieht die reale wie die virtuelle Welt mit einer Flut von kryptischen Fingerzeigen auf das Jahr Null. Band-Shirts, auf Listening Sessions verteilte Buttons, zufällig gefundene USB-Sticks - immer wieder tauchen Hinweise und Links auf. Sie führten tiefer und tiefer in die labyrinthische Welt einer vielleicht gar nicht so fernen Zukunft. ‚Year Zero‘ verwischt auf diese Art Grenzen, um sie konsequent neu zu definieren - und gibt dem Begriff Gesamtkunstwerk so eine ganz neue Bedeutung. Um den Malstrom dieser mäandernden Fantasie in Songs zu kanalisieren, haben Reznor und seine alten Spießgesellen Atticus Ross und Alan Moulder wieder ein ganzes Heer von unerbittlich tickenden Sequenzern, kreischenden Gitarren, hämmernden Beats und suggestiver Sounds in Stellung gebracht. ‚Year Zero‘ ist nicht nur ein neuer Höhepunkt in Reznors künstlerischem Denken. Mit dieser Platte hat er seine Musik noch weiter ausdifferenziert - und auf den Punkt gebracht. Den Berserker lässt er zwar immer noch gern von der Leine. Doch auf das kontrolliert infernalische Klanggewitter folgte heute die Ruhe nach dem Sturm. Und in der liegt ja bekanntlich die Kraft. Der passionierte Nihilist hat damit die Quadratur des Kreises geschafft: Schließlich kommt es nicht oft vor, dass eine Platte, die vom Armageddon erzählt, Anlass zu uneingeschränktem Optimismus gibt“, urteilt Pure.de.
Das nachfolgende Doppel-Album „Ghosts I-IV“ (2008) erwies sich wiederum als ganz anderes Konzeptalbum, als eine Sammlung von 36 namenlosen Instrumentalstücken, die recht düster und ruhig Exkursionen durch psychedelische, aber auch sperrige Ambient-, Dub- und Electronica-Gefilde unternahmen.
Zumindest in filmmusikalischer Hinsicht stellte das von Trent Reznor und Atticus Ross produzierte Album eine elaborierte Fingerübung dar, fiel aber letztlich zu experimentell aus, um als Höhepunkt in der NIN-Diskographie betrachtet werden zu können.
Mit dem ebenfalls 2008 auf seinem eigenen Null-Label veröffentlichten letzten Album „The Slip“ kehrte Reznor wieder zu den großartigen Songstrukturen früherer Meisterwerke zurück.
2009 kündigte Trent Reznor an, mit Nine Inch Nails eine Pause einzulegen. Vielleicht gibt ihm der Erfolg mit dem Soundtrack zu „The Social Network“ den nötigen Antrieb, auf diesem Terrain seine Meisterschaft weiter auszubauen. Für „The Social Network“ war Trent Reznor auf jeden Fall Finchers erste Wahl:
„Ich finde, dass Trent einzigartig ist, sowohl als Technik-Freak als auch als Kommunikationsexperte. Er verfügt über eine ganz spezielle Beziehung zu seinem breit gefächerten Publikum, die er sehr ernst nimmt. Und wer kann in musikalischer Hinsicht besser über Innovation und Technologie und Kommunikation und Verbindungsmöglichkeiten reden als Trent?“, erzählte der Regisseur dem Online-Magazin Pitchfork.com.
David Fincher, der übrigens auch das Musikvideo zu NIN’s „Only“ drehte, hat Reznor und Ross bereits mit dem Soundtrack zum Remake des schwedischen „Millennium“-Auftakts „The Girl With The Dragon Tatoo“ beauftragt.
Atticus Ross arbeitet mit Trent Reznor seit dem NIN-Album „With Teeth“ eng zusammen. Mitte der 90er fing er als Programmierer für Bomb the Bass an, arbeitete dann mit Barry Adamson zusammen, ehe er mit Claudia Sarne und Adam Holden seine eigene Band 12 Rounds gründete.
 How To Destroy Angels
Zusammen mit Trent Reznor und dessen Frau Mariqueen Maandig rief Ross 2010 auch das Projekt How To Destroy Angels ins Leben, dessen Name von einem Frühwerk der britischen Avantgarde-Band Coil inspiriert wurde. Seine ersten Filmerfahrungen sammelte Ross, als er zusammen mit seiner Frau Claudia Sarne und seinem Bruder Leopold für die Hughes-Brüder 2004 die Fernsehserie „Touching Evil“ vertonte und dann deren Part in der Film-Anthologie „New York, I Love You“, bevor er mit „The Book Of Eli“ seinen ersten Soundtrack für einen kompletten Kinofilm produzierte.
Statt einer kompletten Diskografie, die Ihr z.B. hier findet, gibt es an dieser Stelle nur eine Auflistung der Filmmusik-Beiträge von Trent Reznor und Atticus Ross.

1993: "The Young Americans” (Gave Up)
1994: “The Crow – Die Krähe” (Dead Souls)
1994: “Natural Born Killers” (Burn, Something I Can Never Have, A Warm Place)
1995: „Sieben“ (Closer [Precursor])
1996: „Quake“ (Videogame-Soundtrack)
1996: “Der Fan“ (Closer to God - uncredited)
1997: “Lost Highway“ (The Perfect Drug, Videodrones; Questions, Driver Down)
2000: “Final Destination“ (Into the Void)
2001: “Tomb Raider” (Deep)
2004: „Mann unter Feuer“ (The Mark Has Been Made, The Wretched, The Art of Self Destruction - Part One, The Downward Spiral [The Bottom], Self Destruction - Part Two, The Great Below - jeweils nur im Film)
2004: “Touching Evil” (TV-Serien-Filmmusik von Atticus Ross, Leopold Ross, Claudia Sarne)
2005: “Doom“ (You Know What You Are [Remix von Clint Mansell])
2007: “The Hitcher“ (Closer)
2007: “300” (Just Like You Imagined - nur im Trailer)
2008: “Wanted” (Every Day Is Exactly the Same – nur im Film)
2009: “Terminator: Die Erlösung“ (The Day the World Went Away - nur im Trailer)
2009: “The Book Of Eli” (Film-Soundtrack von Atticus Ross)
2010: “The Social Network” (Film-Soundtrack von Trent Reznor und Atticus Ross)

Playlist:
1 Trent Reznor & Atticus Ross - Pieces From The Whole (The Social Network) - 04:18
2 Nine Inch Nails - Dead Souls (The Crow) - 04:52
3 Nine Inch Nails - Something I Can Never Have (Natural Born Killers) - 04:04
4 Nine Inch Nails - Closer (The Downward Spiral) - 06:13
5 Nine Inch Nails - Intermission (Quake) - 02:28
6 Trent Reznor - Driver Down (Lost Highway) - 05:18
7 Nine Inch Nails - The Downward Spiral [The Bottom Remix by Coil] (Further Down The Spiral) - 07:28
8 Nine Inch Nails - Deep (Lara Croft: Tomb Raider) - 04:07
9 Nine Inch Nails - The Great Below (The Fragile) - 05:16
10 Nine Inch Nails - The Mark Has Been Made (The Fragile) - 05:15
11 Atticus Ross - Movement (The Book Of Eli) - 03:07

Dienstag, 1. März 2011

And the Oscars® went to ...

In der Nacht vom 27. Februar wurden zum 83. Mal die begehrten Oscars®-Trophäen verliehen. Der aussichtsreichste Kandidat mit 12 Nominierungen – „The King’s Speech“ – konnte immerhin 4 Auszeichnungen abräumen, als bester Film, Colin Firth als bester Hauptdarsteller, Tom Hooper als bester Regisseur und David Seidler für das beste Drehbuch.

©A.M.P.A.S.®
Christian Bale und Melissa Leo erhielten jeweils einen Oscar® für die besten Nebenrollen in dem Boxer-Drama „The Fighter“, Natalie Portman als beste Hauptdarstellerin in Darren Aranofskys „Black Swan“. Abgesahnt haben auch Christopher Nolans Sci-Fi-Thriller „Inception“ (mit Auszeichnungen für Kameraarbeit, Sound Mixing, Sound Editing und visuelle Effekte) sowie David Finchers Biopic „The Social Network“. Hier wurde nicht nur das Drehbuch von Aaron Sorkin und der Filmschnitt mit einem Oscar® prämiert, sondern überraschenderweise auch Trent Reznor und Atticus Ross für ihre Filmmusik (womit die gestandene Komponisten wie Hans Zimmer und Alexandre Desplat hinter sich ließen), was umso erstaunlicher ist, als die Academy nur selten den Oscar® an „Neulinge“ vergibt. Schließlich verfügt keiner der beiden Musiker über eine formelle klassische Ausbildung, noch haben sie sich zuvor mit Arbeiten im Filmmusikgenre groß hervorgetan – sieht man von Atticus Ross‘ starkem Debüt für die Hughes-Brüder in „The Book Of Eli“ ab. Für mich ist diese Auszeichnung jedenfalls Grund genug, mich in meiner nächsten Sendung ausführlich mit dem Nine-Inch-Nails-Mastermind Trent Reznor und seinem Freund Atticus Ross zu beschäftigen. Eine vollständige Liste aller Nominierungen und –Preisträger findet Ihr hier:
Winners for the 83rd Academy Awards | Academy of Motion Picture Arts & Sciences

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