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Sonntag, 11. April 2010

Graeme Revell (Teil 1) - Das wahre Experiment

"Am meisten interessiert mich die Originalität ... soweit es mich betrifft, ist alles, was ein Geräusch macht, Musik", meinte Graeme Revell in den Anfangsjahren seiner 1978 gegründeten Band SPK, seinem langjährigen musikalischen Projekt, mit dem der 1955 in Neuseeland geborene Revell stets auf experimentell-innovative Weise auf der Suche nach neuen Sounds und deren Umsetzung in neue musikalische Ausdrucksformen gewesen war. Dieses Statement darf man durchaus als Programm eines Komponisten verstehen, der seit 1986 unter eigenem Namen ungewöhnliche Musik auf seinem damaligen Musique-Brut-Label und Filmsoundtracks ("The Crow", "Strange Days") produziert. 
Dass Revell unter Hollywoods jüngerer Komponistengeneration zu den wenigen gehört, die außerhalb eingefahrener Kompositionsweisen nach originellen Tönen in der Filmmusik streben, prädestiniert ihn als Komponist für entsprechend ungewöhnliche Filme, die mit konventionellen Kompositionsschemata nicht mehr adäquat musikalisch untermalt werden können und deshalb nach neuen Klangstrukturen verlangen. Insofern zählt Revell tatsächlich zu den interessanteren Vertretern von Filmmusikkomponisten, weshalb zunächst ein Blick zurück auf seine noch ungewöhnlichere musikalische Vergangenheit angebracht zu sein scheint.

Die 1978 in Australien vom psychiatrischen Krankenpfleger Graeme Revell gegründete Band SPK bezog sich mit ihren Namen auf das deutsche "Sozialistische Patienten Kollektiv", ein  Zusammenschluss von geisteskranken Patienten, die den Slogan "Kill Kill Kill For Inner Peace And Mental Health" prägten. Revell tat sich mit einem seiner zu beaufsichtigenden Patienten, Ne/H/iL, zusammen und versuchte sich einerseits dem Ausschluss durch die Gesellschaft zu entziehen, von dem die beiden als Teil einer psychiatrischen Anstalt betroffen waren, zum anderen ging es Revell darum, die akzeptierten Beschränkungen im künstlerischen Schaffensprozess aufzuheben, indem er ein aus Sounds, Texten, provozierendem Artwork, Dias, Filmen und Videos bestehendes Multi-Media-Konzept entwarf. Nachdem Revell, der u.a. für die Verabreichung der Drogen und die Anwendung von Elektroschocks verantwortlich war, feststellen musste, dass das Leiden der Patienten größtenteils auf die Therapien zurückzuführen war, tat er zwar alles in seiner Macht stehende, um beispielsweise die musikalischen Talente seiner Patienten zu entwickeln, doch schien auch dieses Bemühen hoffnungslos. Mit Ne/H/iL war allerdings auch ein Patient darunter, der sich für progressive Musik, Mode, Filme und Philosophien Ende der 70er interessierte und verschiedene Terroristengruppen bewunderte.
Mit Ne/H/iL teilte sich Revell 1978 ein Haus, diskutierte mit ihm über Ne/H/iLs Interessen und hörte mit ihm Musik von Kraftwerk, Can, Neu!, Faust und John Cage, woraufhin die beiden begannen, selbst Musik zu machen. Nachdem man sich in einer psychiatrischen Anstalt kennengelernt und sich nach einer Gruppe mit ähnlichen Ursprüngen benannt hatte, entschieden sich SPK, den Wahnsinn zu einem zentralen Thema ihrer Arbeit zu machen.
Dabei stellten sie Etiketten wie verrückt und gesund, schön und schlecht, abweichend und progressiv in Frage. Solchermaßen besorgt um die Einordnung von Menschen und Verhaltensweisen, nahmen sie Pseudonyme an: Revell nannte sich nach seinem Synthesizer EMS/AKS, während der Patient seinen Geburtsnamen in Ne/H/iL umwandelte. Auch ihren Sound veränderten SPK auf eine Weise, dass sie sich sowohl von allem, was bislang zu hören war, entfernten als auch immer wieder von ihrem eigenen Output. SPK hatten kein Interesse daran, als loyale Opposition zu der Darstellung von Serienkillern, Verrückten und Tyrannen in den Massenmedien zu fungieren, sondern wollten der Mehrheit der Außenseiter, zu denen auch die Geisteskranken zählen, eine Stimme verleihen. Indem sie sich auf die namenlosen Individuen und nicht auf die berühmten Verrückten wie Charles Manson konzentrierten, stellten SPK die fragwürdige Dichotomie zwischen abnormal und normal heraus. SPK operierten dabei völlig außerhalb der Musikindustrie, produzierten ihre Werke, nahmen sie auf und vertrieben sie selbst, ohne Anzeigen zu schalten, an Compilations teilzunehmen oder Interviews zu geben, und verkauften ihre Werke in provokativer Verpackung.
Nachdem SPK auf ihrem eigenen Label Side Effects schon 1979 zwei EPs veröffentlicht hatten ("No More/Kontakt/Germanik" und "Faktory/Retard/Slogun"; teilweise finden sich die Songs auf dem 1983 veröffentlichten und im Januar 1994 als CD erschienenen Album "Auto-Da-Fé" wieder), arbeitete die Band an ihrem ersten Album "Information Overload Unit". Obwohl SPK oft in die "Industrial"-Schublade gesteckt wurden, hat sich Revell selbst immer gegen diese Kategorisierung gewehrt.
"Ich habe immer gesagt, dass ich in keiner Weise daran interessiert bin, als Industrialband betrachtet zu werden. Ich würde dem zustimmen, dass Throbbing Gristle die einzige frühe Industrialband gewesen sind. Sie haben fast ausschließlich innerhalb eines verallgemeinerten Codes von Paranoia operiert - daher ihre Verwandtschaft mit Burroughs, Crowley und Manson.
Von Beginn an habe ich versucht, eine beträchtliche Distanz zu dem zu gewinnen, da ich es für einen altmodischen und ziemlich irrelevanten Diskurs halte. Der Schriftsteller, der für die Laien am ehesten diese post-industriellen oder post-modernen Ideen nachzeichnet, ist nicht etwa Burroughs, sondern J.G. Ballard in Werken wie `Crash´. Er konzentrierte sich mehr auf die Konzepte von Verführung, Einwilligung, symbolischen Nebenbedeutungen und Zufallsverbindungen, welche weit mehr symptomatisch dafür sind, wie der zeitgenössische Sozialcode unsere Seelen einverleibt. Bis zu einem gewissen Grade handelte der Punk Rock einiges auf diesem Gebiet besser ab als Throbbing Gristle, weil er mehr die Verbindungen mit stilistischer Identifikation, Mode und den Medien erkannte, aber letztlich war der Punk eine zu sehr negative Kritik.
Auf ähnliche Weise verlegten Throbbing Gristle zu sehr ihren Schwerpunkt auf berühmte Verrückte (vor allem Manson), während SPK auf die riesige Anzahl von unbekannten `Verrückten´ aufmerksam zu machen versuchten, die von einer Konsumgesellschaft zum Sündenbock dafür gemacht wurden, dass sie mit ihren Kapazitäten nicht den gesellschaftsrelevanten Ansprüchen gewachsen sind. Es ging auch um die Ablehnung von nicht annehmbaren Ausdrücken dieser Gesellschaft, so gut wir es in diesem Zusammenhang vermochten", erklärt Revell, meint aber auch: "Wie auch immer, ich habe nichts dagegen, dass die Musikpresse und andere genügend Ähnlichkeiten gefunden haben zwischen unseren Einstellungen und denen von Industrialbands. Das ist immer der Fall in der Kunstgeschichte gewesen - Kritiker brauchen Schubladen. "
Songtitel wie "Macht Schrecken", "Stammheim Torturkammer" oder "Kaltbruchig Acideath" legen bereits nahe, dass der Hörer mit wüstesten, elektronisch manipulierten Soundcollagen bombardiert wird, deren unruhig pulsierender Maschinenryhthmus eine Atmosphäre verdichtet, die geradewegs dem Seelenzustand Geisteskarnker zu entspringen scheint.
"Ich glaube nicht, dass es viele andere Bands gab, die versucht haben, ziemlich uninterpretierbare Geräuschwälle wie wir zu produzieren - vielleicht nur TG. Also wurden wir als 'ähnlich wie TG' charakterisiert. Wir dachten, dass wir nicht so sehr wie sie klangen; tatsächlich haben wir verzweifelt versucht, nicht wie sie zu klingen. Nun, was passiert, wenn Leute dieser Art von Sachen begegnen, ist: sie können nicht zwischen solchen Produkten unterscheiden, oder zwischen Ideen. Ich glaube, unsere Sounds sind ein Versuch, einen Eindruck von einer anderen Weltordnung zu vermitteln.
Und wir sind kritisch gewesen, aber wir haben auch versucht, positiv in dem Sinne zu sein, dass wir versuchten, viel Energie einzusetzen, da eines der Dinge, die wir kritisierten, Apathie war." Ausdruck fanden diese Eindrücke und Ideen nicht nur in heftigen Live-Performances, bei denen Revell das Publikum mit Feuerwerfern attackierte, das Gehirn von Schafen verzehrte oder ekelerregende Videos ("Despair") präsentierte, sondern auch in diversen Texten, die der 1979 in Paris Philosophie, Anti-Psychiatrie, Literatur, Musikwissenschaften und Semiotik studierende Revell zu Aspekten u.a. der Sexualität, der Informationsgesellschaft und Kontrollmechanismen verfasste, sowie in dem provokativen Artwork, das Foltermethoden, medizinische Apparaturen und Operationen sowie missgebildete Kinder verarbeitete.
"Ich denke, unsere Bilder reflektieren eine bizarre Weltsicht, einen Sinn für Schönheit im Bizarren. Wir sind keine völlig stoischen, depressiven Typen, die irgendjemandem verbieten, eine Vorstellung von der Schönheit zu haben, aber was wir tun, ist, jegliche ästhetische Idee abzulehnen, die uns entweder durch die Konvention oder durch eher soziale oder ähnliche Vorgaben diktiert wird. Es ist alles verdünnt worden, es betrifft nicht eine Verbindung zu irgendeinem unbewussten Prozess", erklärt Revell. "Deshalb haben wir uns nicht wirklich um irgendeines der Bilder gekümmert, wir haben nicht diese Art von bewusst erlernter Kunst mitgebracht. Wir machten Collagen, aber nicht in jüngster Zeit. Die Wirklichkeit schien uns ausreichend. Und ich denke, es ist Schönheit in allem. Ich persönlich versuche mich mit einer Welt zu umgeben, in der ich gern leben würde, selbst wenn ich nicht in ihr leben könnte."

Als ein DJ, der ein Interview mit Throbbing Gristle geführt hatte, Genesis P-Orridge eine SPK-Single zusandte, zeigte sich dieser beeindruckt und machte Revell ein Angebot, die zweite SPK-Single auf dem Industrial-Records-Label wiederzuveröffentlichen. Da Revell kein Geld hatte, um sie zu produzieren, nahm er das Angebot an und veröffentlichte dort die Single "Mekano / Slogun" unter dem Namen Surgical Penis Klinik, nachdem Ne/H/iL die Band verlassen hatte. Revell, der sich nun Operator nannte, zog im Juni 1980 nach England und verbrachte etwas Zeit mit den Leuten von Throbbing Gristle und Cabaret Voltaire. Brian Williams alias Lustmord - der später Graeme Revells Music Sound Designer in Hollywood wurde -, der von TGs Cosey eine SPK-Single nach Wales zugeschickt bekam, war sowohl vom Bandnamen als auch der Musik begeistert und begann eine Korrespondenz mit Revell, der Lustmord nach London einlud, um mit ihm im April 1981 in "The Crypt" live zu spielen. Unter den ca. 30 Gästen befanden sich auch illustre Leute aus dem Industrial-Bereich wie Steven Stapleton (Nurse With Wound), John Balance (Coil) und Nigel Ayers (Nocturnal Emissions), der die Show aufnahm und später Lustmords Debütalbum auf seinem Sterile-Records-Label veröffentlichte.
Die prägnanten SPK-Alben "Information Overload Unit" (1980) und "Leichenschrei" (1982) erschienen wieder auf dem Side-Effects-Label. Dieses wurde in London nicht mehr von Revell selbst, sondern von seinem Freund Brian Williams geleitet, der durch die Unterstützung von Revell und anderen Freunden aus der Industrial-Szene anfing, unter dem Namen Lustmord selbst Musik zu machen.
Nachdem "Leichenschrei" aufgenommen worden war, organisierte Graeme Revell eine ausführliche Tour, die SPK 1982 durch die USA und Europa führte. Zurück in London tat er sich mit Sinan, einer Australierin chinesischer Abstammung zusammen, die die Universität in Sydney mit einem Abschluss in Psychologie absolvierte, und begann, andere musikalische Wege einzuschlagen. Mit dem neuen tanzbaren Metal-Percussion-Sound vollzogen SPK den Wechsel zum Plattenmulti WEA, wo 1984 das Album "Machine Age Voodoo" veröffentlicht wurde, für das Revells jetziger Kollege Hans Zimmer das Programmieren der Synthesizer übernommen hatte.
Obwohl SPK oft Verrat vorgeworfen wurde, da sie ihre ursprünglichen Ideale der Kommerzialisierung preisgegeben hätten, ist doch nicht einzusehen, dass eine musikalische Weiterentwicklung, sei sie auch in Richtung populärerer Klänge, gerade in einem so experimentellen Genre wie der Industrial Culture verpönt sein soll. "Warum soll eine Band zehn Jahre lang die gleichen Sachen machen?", fragt sich Graeme Revell, der 1984 mit seinem Metal-Pop-Album "Machine Age Voodoo" den ursprünglichen Industrial-Kontext endgültig verlassen hatte und dessen Elemente popularisierte. "Das ist nicht das, was worum es uns geht. Uns geht es darum, uns jedesmal zu ändern, wenn wir etwas veröffentlichen. Das frühe Material ist ohnehin ganz verschieden, das erste Album ist total anders als das zweite.
Und wenn die Leute sagen, dass wir uns verkaufen, nun, man kann wirklich alles im Indie-Sektor machen, wozu man Lust hat.
Das wahre Experiment resultiert aus den Versuchen außerhalb des Gewöhnlichen im Major-Bereich, wenn die Zensur dich erfasst. So fühlten wir uns, als wir soviel wie uns möglich war im Indie-Sektor getan hatten, und das war das Ende des Experiments."
Obwohl der Ausflug in kommerziellere Gefilde kein einmaliger bleiben sollte (1986 erschien das geradezu poppige "Digitalis Ambigua"-Album), widmeten sich SPK ab 1986 ambitionierteren Projekten.
Zunächst entstand im heimatlichen Australien "Zamia Lehmanni", ein ungewohnt ruhiges, euro-byzantinisch-ethnisches Werk mit fesselnder, exotisch-betörender Aura.
Durch den Einsatz von tibetanischen Trommeln, dem Choir of the Russion Old Orthodox Church of the Holy Annunciation, Kongas, javanesischen, neu-guineischen und afrikanischen Flöten, Holzblöcken, Marimbas, prophetischen Stimmen, Glocken, Fabrikhörnern, Metallstücken, Cello, Eisenbahnfahrgeräuschen und Piano versuchte Revell den Einfluss byzantischer Kunst auf die europäische Kultur zu veranschaulichen (der Untertitel des Albums lautet "Songs of Byzantine Flowers") und zitierte auf dem Albumcover Egon Wellesz aus seinem Buch "Byzantine Music and Hymnography", der feststellte, dass kein einziges musikalisches Instrument in Mitteleuropa beheimatet wäre, sondern dass sie alle aus Asien eingeführt worden wären.
"Ich habe viel östliche Philosophien gelesen, und als ich im Alter von ungefähr 19 Jahren den chinesischen und tibetischen Buddhismus kennengelernt habe, war das tatsächlich ein Wendepunkt in meinem Leben. Aber das hatte eigentlich keinen Einfluss auf `Zamia Lehmanni´. Der wahre Impuls entsprang zwei Gründen: Zum einen glaubte ich, dass von uns ebenso wie den anderen zu jener Zeit genügend zu einer post-industriellen Anthropologie von Schrott-Percussions gesagt worden ist. Ich wollte eine neue Art des Ausdrucks. Zum anderen habe ich die byzantinische Mischkultur als eine Metapher angesehen. Sie war sowohl eine historische Kreuzung als auch ein Treibhaus zwischen Ost und West, während ich in der gleichen Position zwischen Nord und Süd saß. Meine Vorfahren waren auf Inseln im Südpazifik gestrandet und gezwungen, eine neue Kultur für uns aufzubauen. Diese Mischung aus der unmittelbaren Umgebung (Asien und die naheliegenden Inselkulturen) und meinem entfernten europäischen Erbe (englisch, irisch, französisch) war das, was mich an der Arbeit mit `Zamia Lehmanni´ interessiert hat. Ich konnte nicht beanspruchen, ein ähnlich spirituelles Gefühl wie bei den tibetischen Mönchen zu erreichen, aber nachdem meine frühen Perioden von einer manischen und oft gewalttätigen Energie geprägt waren, war dieses Werk pazifistischer und erwies sich als besser. Es ist mein Lieblingswerk."
Abgesehen davon, dass Graeme Revell mit diesem Meisterwerk sich den Weg ins Filmmusikgeschäft ebnete, wurde damit Revells musikalisch-stilistische Vielfalt mehr als zuvor verdeutlicht.
"Die Art und Weise, wie ich meine künstlerische Karriere gestaltete, war die einzige für einen ungelernten Komponisten (der nicht über die Kontakte eines klassisch Graduierten oder Professors verfügt), um genügend Aufmerksamkeit zu erlangen, dass ich später auch von seriösen Musikausschüssen wahrgenommen werde."
Mit "Musique Brut" gründete er schon 1985 ein Sublabel von Side Effects und widmete sich Dingen und Künstlern, die sich der "Innovation" verschworen haben.
Die erste Veröffentlichung auf diesem Label war 1986 das Album "Necropolis, Amphibians & Reptiles", das sich mit Interpretationen des posthum berühmten Irrenkünstlers Adolf Wölfli beschäftigte.
"Meine Kenntnisnahme von Wölfli resultierte aus meiner Pariser Periode, als ich viele Monate lang jeden Tag etwas las, alles mögliche über seltsame Dinge. Ich denke, dass ich das erste Mal auf die Kunst Geisteskranker durch das Buch 'Anti-Ödipus' von Deleuze und Guattare gestoßen bin. Danach hat mich diese Art von Kunst ungemein interessiert, vor allem die Möglichkeiten von Wölflis Musik. In musikalischer Hinsicht können wir über den Prozess des musikalischen Schaffens von Wölflis verschiedenen Methoden der Darstellung in ihrer dekorativen, bildhaften, symbolischen und verbalen Weise mehr lernen als durch das Festhalten an den heute akzeptierten Formen. Im 20. Jh. haben wir mittlerweile viele dieser Formen erforscht, z.B. die verbalen Anweisungen von Cage zur Instrumentierung und Dauer der Stücke, während sie andererseits durch den Zufall bestimmt werden; die bildlichen Partituren von Martin Davorin Jagodic; die architektonischen Ideen von Xenakis, um nur einige zu nennen. Wölfli muss sowohl als individuelles Phänomen als auch als eines seiner Zeit betrachtet werden, einer Zeit, in der neue Formen am Entstehen waren: Schönberg und Webern auf der einen Seite, Satie und Debussy auf der anderen. Wie mag sich die Musikgeschichte entwickelt haben, wenn Wölfli ein 'offizieller' Bestandteil von ihr gewesen wäre?"
Ebenfalls 1986 erschien auf Musique Brut das experimentelle Album "The Insect Musicians", für das Revell zwei Jahre lang von Australien nach Europa, Afrika, Indonesien und Nordamerika reiste, um verschiedene Insektengeräusche aufzunehmen (z.B. indonesische, indische, afrikanische, europäische und australische Zikaden, rote Wespen, Tse Tse-Fliegen, Wiesengrashüpfer, Hausgrille). Ein weiteres Jahr verbrachte er damit, die ungefähr vierzig Sounds zu sammeln und umzuwandeln, um später mit dem Fairlight-Computer die Platte zu produzieren.
"'The Insect Musicians' wurde durch das Buch von Lafcadio Hearn, 'Exotics and Retrospectives', inspiriert, das ich von Monte Cazazza (dem geistigen Urvater der Industrial-Bewegung, der für Throbbing Gristle das Motto prägte: "Industrial Music For Industrial People", Anm. d. Verf.) geschenkt bekam. Ich denke, es erwähnte den japanischen Brauch, Insekten für ihre Lieder zu halten, und meine jüngste Erwerbung eines Fairlight-Computers gab mir die Idee. Ich würde immer noch gern eines Tages ein ähnliches Projekt verwirklichen, und zwar mit der Benutzung von Echo-Ortungswellen von Fledermäusen - die sich allesamt außerhalb des menschlichen Hörbereichs befinden -, indem ich sie auf interessante Weise in diesen Bereich bringe."
Obwohl Revell für Musique Brut noch Pläne hatte, ein Album mit geistig behinderten Kindern zu machen und eines mit Mrs. Brown, einer Frau aus England, die behauptet, nie eine musikalische Ausbildung erhalten zu haben und dass ihre Stücke ihr von Chopin und Beethoven eingegeben worden seien, wurden sie bislang ebenfalls nicht verwirklicht.
"Ich war schwer enttäuscht, was die Rezeption bzw. Nicht-Rezeption bezüglich meiner Musique-Brut-Arbeiten durch die seriöse Musikgesellschaft anging. Ich beabsichtige nicht, meine Zeit noch einmal zu verschwenden, bis ich nicht mehr Aufmerksamkeit geschenkt bekomme", empörte sich Revell, der eine klassische Klavier- und Hornausbildung genoss und John Cage und Edgar Varese als wichtigste Einflüsse nennt.

Graeme Revell (Teil 2) - Streben nach Originalität

1988 schrieb Graeme Revell für "Dead Calm", einen Film von Phillip Noyce, seinen ersten Soundtrack und gewann damit den "Australian AFI Award" für die beste Filmmusik, nachdem bereits "Zamia Lehmanni" konzeptionell als Soundtrack angelegt war.

"Der originale Arbeitstitel von 'Zamia Lehmanni' war 'Music for impossible films' - unmöglich, weil ich dachte, nie die Chance zu erhalten, Filmmusik zu machen. Es erwies sich als perfektes Timing, denn 'In Flagrante Delicto' wurde die Grundlage für den Soundtrack von 'Dead Calm'.
Ich entwickelte ein Interesse an Filmmusik, weil ich immer, wenn ich Musik schrieb, visuelle Ideen im Kopf hatte und so Themen für kleine Szenarien komponierte. Ich hatte nie ein Faible für Pop- oder Rock-strukturierte Songs. Ich habe schon als Kind die Aufteilung in Vers und Refrain gehasst. Als ich anfing, experimentelle - oder wie immer man es auch nennen möchte - Musik zu machen, versuchte ich, mich von diesen Strukturen zu lösen. In dieser Hinsicht schien die Filmmusik eine neue Herausforderung zu sein, weil es hier nur darum ging, die Musik mit den Bildern in Einklang zu bringen und keine festen musikalischen Strukturen beachtet werden mussten."
Die Umstellung von eigenverantwortlichen Projekten, die Revell sowohl mit SPK als auch mit seinen Musique-Brut-Arbeiten verwirklichte, hin zu Auftragsarbeiten im Filmgeschäft war keine geringe.
"Der größte Unterschied besteht darin, dass das Material von SPK meinen eigenen Vorstellungen entsprang. Bei Filmen habe ich es mit der Umsetzung von Ideen anderer zu tun, denen des Drehbuchautors und des Regisseurs. In diesen Projekten bin ich ein Sklave, und es ist meine Aufgabe, die Wirkung der Story und der Bilder zu erhöhen. Insofern hängt es von den Emotionen und Aktionen auf der Leinwand ab. Da ich mit SPK viele verschiedene Sachen verwirklicht habe, verfüge ich nicht über einen eindeutigen Stil. Tatsächlich bin ich als Filmkomponist gerade deshalb so gefragt, weil ich auf jeden Film ganz anders reagiere, und alle meine Soundtracks unterscheiden sich erheblich voneinander. Wohingegen die meisten Komponisten mehr in ihrem stilistischen Bereich eingeschränkt sind."
Insofern hat Graeme Revell durchaus auch im Soundtracksektor die Ambition, Neues zu kreieren und sich durch seine Arbeiten vielleicht einen ähnlich großen Namen zu verdienen, wie es Bernard Herrmann beispielsweise tat.
"Ich glaube schon, dass man neue Musik für den Film schreiben kann. Herrmann war natürlich ein Meister des Horror-Genres, aber musikalisch wurde seine Nähe zu früheren klassischen Komponisten wie Ravel, Stravinsky und Copland oft erwähnt. Die meisten Leute halten 'Dead Calm' für eine äußerst ungewöhnliche Filmmusik. Aber es passiert natürlich, dass manche Soundtracks durch andere inspiriert werden. Ein Hollywood-Phänomen ist, dass die Major-Studios ihre Filme mit vorübergehender Musik vor einem Publikum testen, bevor der eigentliche Soundtrack dazu existiert - oft sind das sogar Soundtracks von anderen Komponisten. Leider haben sich einige Produzenten und Regisseure während der 15 bis 20 Vorführungen so an diese Musik gewöhnt, dass der Komponist letztlich gezwungen ist, etwas ganz ähnliches für den Film zu schreiben. Das ist ein laufendes Problem.
Ein anderes Problem tauchte bei 'Haus der Vergessenen' auf, als ich engagiert wurde, um einen Soundtrack im Stil von Penderecki zu schreiben, aber man wollte nur für die Hälfte des Orchesters zahlen, das ich benötigte, um solch einen Sound zu kreieren. Oft werde ich engagiert, um etwas Frisches und Aufregendes zu machen, aber wenn ich so etwas mache, sagt man: 'Nun, das ist großartig, aber wir wünschen, dass es etwas mehr klingt wie...' Aber ich habe bemerkt, dass das seltener passieren wird, wenn man mir mehr vertraut und mich mehr respektiert. In einigen Fällen ignoriere ich einfach den Temp-Score. In gewisser Weise bedeutet der Temp-Score eine Art Sicherheitsnetz, das dann zum Einsatz kommt, wenn man meint, der Komponist wäre nicht qualifiziert genug, so dass er einen Anhalt bekommt, wie der Score ungefähr klingen soll. Aber wenn man mehrere Filme gemacht hat und sich glücklich schätzen kann, dass noch kein Score abgelehnt worden ist - was sehr ungewöhnlich ist -, hat man weniger Probleme damit. Ich bereite nämlich meine Scores mit Synthis vor, d.h. jeder Cue des Films wird mit dem Synthi vorproduziert und mit Samples abgemischt, so dass die Regisseure frühzeitig die Musik zu ihrem Film kennenlernen und sagen können, ob sie ihnen so gefällt. Es braucht vielleicht noch ein oder zwei Male, um die Dinge ins rechte Lot zu bringen, aber das ist besser als gleich mit einem Orchester von 100 Musikern anzufangen und dann zu hören, dass die Musik dem Regisseur nicht gefällt, was gerade den älteren Komponisten oft passiert, die nicht mit Synthi-Demos arbeiten. Auf der anderen Seite werde ich schon oft so früh involviert, dass ich selbst den Film mit einem Temp-Score versehe, wie z.B. beim zweiten 'Crow'-Film. Der Regisseur hat eine große Vorliebe für Thomas Talas, den englischen Komponisten des 16. Jh., und ich teile diese Vorliebe, aber ich habe ihm gesagt, dass ich nicht sicher bin, ob das funktioniert, weil es sich um sehr leichte Musik handelt. Ich schlug vor, etwas in der Art von Palestrina oder den Gabriellis zu machen, weil das dunkler klingt, oder Monteverdi, was besser funktionieren würde, wobei wir es interessanter gestalten müssten, als nur Monteverdi nachzuahmen. Das ist eine Art des Involvierens, wie ich es für optimal und interessant halte, anstatt es mit einem Editor zu tun zu haben, der einen Film mit verschiedenen anderen Filmscores temptrackt. Es ist also gut, so früh wie möglich in ein Projekt einbezogen zu werden."
Nach über dreißig Filmmusiken, die Revell nach dem Anfangserfolg von "Dead Calm" über Dokumentarfilme wie "Great Southern Ark", TV-Mini-Serien wie "Bangkok Hilton" und "World Safari", Horrorfilme wie "Child's Play 2", "Psycho IV", Wes Cravens "People Under The Stairs" (Bay Cities), Sex-Thriller wie "Love Crimes", "Body Of Evidence" (Milan) und "Boxing Helena" bis zu Kult-Comic- und -Buch-Verfilmungen wie James O'Barrs "The Crow" (Varese Sarabande), Jim Carrolls "Basketball Diaries" (Island) und "Tank Girl" geführt haben, scheint Revells Streben nach Originalität mittlerweile durch den Umstand unterstützt zu werden, dass er gerade von einer jüngeren Generation von Filmemachern gefragt wird.
"Nachdem ich hier nun seit sechs Jahren gearbeitet habe, glaube ich, dass sich die jungen Regisseure wichtige Positionen erarbeiten, Leute wie Quentin Tarantino und Robert Rodriguez, der ein großer Fan meines 'Dead Calm'-Soundtracks ist.
Als ich das erste mal nach Hollywood kam, schien man von mir zu erwarten, immer etwas anderes zu machen, aber immer wenn ich das tat, schien man zu bezweifeln, ob das funktionieren würde. Damit habe ich mittlerweile keine Probleme mehr. Die jungen Regisseure haben einen wirklichen Bezug zu der Musik, die ich seit 12 oder 15 Jahren mache. Das ist wirklich schön. Ich kann einfach hingehen und ihnen einen seltsamen Mix von Dingen liefern, die ich mag. Das ist für mich sehr interessant, und die Regisseure haben keine Probleme damit, die Musik für ihre Filme zu verwenden. 
Es hat zwar eine kleine Weile gedauert, aber ich fühle mich mittlerweile sehr wohl, weil ich mit Projekten wie 'Strange Days' und 'From Dusk Till Dawn' das machen kann, was ich will und was die Leute auch akzeptieren. Das macht momentan sehr viel Spaß.
Ich habe vor ungefähr neun Wochen ein Treffen mit Oliver Stone gehabt, und einer seiner Fragen war, ob ich die Musik zu alten Filmen möge. Ich meinte, ja, in einigen Fällen wie Nino Rota, Miklos Rosza mochte ich sie sehr, aber ich würde nicht sagen, dass mich das besonders beeinflusst hat, weil die Art, wie heutzutage Filme gemacht werden und Leute Filme anschauen, sich völlig verändert hat. Ich versuche, so originell wie möglich zu sein, wenn ich an etwas arbeite. Die Zeiten haben sich geändert, und ich glaube nicht, dass die Musik von früher heute noch gut funktionieren würde. Allerdings sehe ich auch die moderne Filmmusik im Stile der TV-Action-Filme sehr kritisch, wenn sie nur Synthesizer-Soundtracks mit kleinen Orchestern aufblasen, was wie vorzeitige japanische Synthesizermusik klingt. Hollywood scheint momentan wieder zu einer Art von Workshop-Arbeit zurückzukehren, für die ein Komponist seinen Namen hergibt, mit der Arbeit an sich aber kaum etwas zu tun hat. Da gibt es eine Vielzahl von Leuten, die für ihn die Arbeit machen. Das ist etwas traurig, weil die Musik deshalb momentan nicht das ist, was sie sein könnte."
Besonders kritisch steht Graeme Revell der Gewohnheit in Hollywood gegenüber, Filme mit elektronischen Scores zu versehen, wie es beispielsweise Hans Zimmer und Brad Fiedel tun.
"Brad Fiedel war auf einer dieser Veranstaltungen, für die immer irgendwelche Komponisten eingeladen werden, und sprach über das Komponieren von Filmmusik, und ich dachte nur: 'Was?' Ich befürchte, er zählt zu denjenigen Leuten, die ich nicht besonders schätze. Wenn man nur Hans Zimmers Set-up betrachtet: Für den neuen Ridley-Scott-Film, der jetzt herauskommt, wurde Jeff Rona angeheuert, der bislang eine TV-Show gemacht hat.
Aber da er ein Synthesizer-Programmierer in Hans Zimmers Studio ist, haben sie einen drittklassigen Komponisten gewählt, der unter Hans Zimmers Fittichen ist, statt einen der dreißig Leute zu nehmen, die einen wirklich guten Job gemacht hätten. Diese ganze Sache ist sehr traurig, die Idee, dass Hans Zimmer der große Star in der Stadt ist, und wenn man ihn nicht bekommen kann, hat man immer noch seine Jungs. Das ist sehr frustrierend und das schlimmste, was momentan hier abläuft.
Ich denke, diese Handhabung ist für eine Menge miserabler Soundtracks verantwortlich. Z.B. halte ich den Soundtrack zu 'Speed' für den Tiefpunkt in der Filmgeschichte Hollywoods, und es wird sicherlich noch schlimmer. Ich hoffe, man wird aus Geschäftsgründen nicht dazu gezwungen, diese Technik aufzugreifen. Was nämlich passiert, ist, dass ein Produzent ein Treffen mit Hans hat und alles ist ganz entspannt und lustig. Hans ist nicht gestresst, obwohl er momentan wahrscheinlich an 20 Filmen gleichzeitig arbeitet. Anstatt sich zu fragen, ob er das Geld überhaupt wert ist, oder ob man nicht einfach nur einen Synthi-Programmierer engagiert, kommt man zu der Überzeugung, dass er brillant ist, weil er nicht nur an 20 Filmen gleichzeitig arbeiten kann, sondern zur gleichen Zeit auch noch Partys feiern kann. Das ist die Art und Weise, wie hier die Produzenten denken, sicher nicht die Agenten und Komponisten, gerade die älteren wie Jerry Goldsmith und Elmer Bernstein, die gerade den ganzen Mist zu den Action-Filmen hören müssen."
Insofern überrascht es nicht, dass Revell, dessen Scores zu Action-Filmen wie "Hard Target", "No Escape", "Streetfighter" und "Mighty Morphin Power Rangers" von Varese Sarabande veröffentlicht wurden, keine Lust mehr hat, in diesem Genre weiterzuarbeiten.
"Ich denke, jeder Komponist möchte immer an noch größeren Big-Budget-Filmen arbeiten. Sicher bin ich nun von weitaus mehr Leuten akzeptiert als zu Anfang meiner Karriere, als ich mit einem Thriller und ein paar Horrorfilmen begonnen habe, was eine gewöhnliche Art des Lernens in Hollywood zu sein scheint. Dann machte ich einige Action-Filme und bin nun so eine Art Hip-Typ geworden mit Filmen wie 'Strange Days' oder 'The Crow', was immer noch Genre-Filme, aber einfach interessant sind und verschiedene Stile beinhalten. Das ist ermutigend, auch wenn ich denke, dass noch ein langer Weg zurückzulegen ist. Ich hoffe, dass ich in Zukunft mehr von diesen Filmen machen kann, weil sie die interessantesten sind, um dafür Musik zu schreiben. Wenn jemand z.B. auf mich zukommen und mich fragen würde, ob ich die Musik für 'Mission Impossible' schreiben wollte, was der Tom-Cruise-Film für diesen Sommer ist, würde ich zusagen und sehr aufgeregt sein, aber dann würde ich mir die Frage stellen, was für Musik ich dafür schreiben sollte, weil man in einem so teuren Film nichts Ungewöhnliches machen kann, weil der Produzent kein Interesse daran hat, dass du merkwürdig oder interessant schreibst.
Insofern wirst du damit enden, einen hoffentlich kompetenten, aber doch konventionellen Score zu komponieren. Ich bezweifle, dass mich das sehr befriedigen würde. Was ich gern mache, sind diese Genre-Filme mit viel Gewalt, seltsamem Verhalten, Filme mit Bedeutung, mit einem wirklichen menschlichen Drama. Ich denke, jeder möchte in seinen Werken eine gewisse Balance aufweisen, als nur an einem gewöhnlichen Drama zu arbeiten."
Revell hat in seiner bisherigen musikalischen Karriere, sowohl als Kopf seiner Formation SPK als auch im Filmmusikbereich, eine Balance insofern herstellen können, indem er seine Vorliebe für experimentelle Musik auf verschiedenste Weise ausleben konnte. Mit SPK war dieses Experimentieren noch an keine bestimmte Form gebunden, als Filmmusikkomponist hat sich Revell allerdings mit den Konventionen des Genres genauso auseinanderzusetzen wie mit den visuellen Vorlagen, was eine andere Herangehensweise an den kreativen Schaffensprozess erfordert.
"In der Regel wird mir schon freie Hand gelassen. Ich erzähle den Leuten, was ich vorhabe, dann wird darüber diskutiert. Beim ersten Treffen bekommen die Leute schon eine recht genaue Vorstellung von dem, was ich beabsichtige, und es wird noch einmal darüber diskutiert, wenn sie die ersten Demos hören, aber ich habe es noch nie erlebt, dass die Leute allzu viele Probleme damit gehabt hätten. Vielleicht musste ich mal einen Cue ändern, aber überwiegend waren sie sehr froh. Ich weiß auch nicht, warum. Ob die Musik nun für sich allein funktioniert oder nicht - was etwas ist, worüber sich die meisten Leute ein Urteil bilden, weil die Musik auf einem Album etwas ist, was man immer wieder spielen möchte -, ich denke, ich habe die spezielle Fähigkeit, die Dramatik, die eine bestimmte Szene erfordert, zu erhöhen. Manche Komponisten schreiben Scores, die man problemlos für andere Filme verwenden könnte, so dass man mit dem einen Score einen anderen Film temptracken kann. Das funktioniert bei meinen Scores nicht. Darauf bin ich etwas stolz, weil ich es für wichtig halte, dass jeder Score etwas Einzigartiges darstellt."
Einzigartig sind Revells Scores vor allem in der Hinsicht, als sie wie bereits die SPK-Werke mit einer Fülle von merkwürdigen, mal metallisch scheppernden, mal ethnisch angehauchten, dann wieder völlig undefinierbaren Sounds aufwarten, für deren Produktion Graeme Revells Freund Brian Williams als Sound Designer verantwortlich ist.
"Ich versuche, Brian auf verbale Weise darzulegen, in welchem Klangbereich ich für ein Projekt bewegen möchte. Brian hat eine natürliche Tendenz dazu, sich in den dunklen, launischen Bereichen zu bewegen, dann muss ich beispielsweise sagen, dass ich diesmal kürzere, schärfere Sounds benötige, die er dann durch den Harmonizer schickt, um zu sehen, bis wohin er sie bringen kann. Für meinen nächsten Film über vier Hexen ('The Craft') habe ich mir ein sehr altes Piano gekauft, dessen Innenleben ich für jegliche Art von Sounds, die es kreieren kann, benutzen möchte. 20% der Samples, die ich damit produziere, werde ich dann in dem Film einsetzen. Man lernt mit jedem Film und den Samples, die man dafür erstellt, dazu, so dass die Auswahl an Samples immer weiter anwächst."
Überraschenderweise scheint es für Revell kein Problem zu sein, das Music Sound Design mit den Sound Effects der Filmhandlung miteinander in Einklang zu bringen.
"Am Anfang des Films 'Dead Calm' habe ich surreale Soundscapes eingesetzt, die von 'Zamia Lehmanni' stammen wie Wind und der Klang der Wellen, was ich in die Musik gemischt habe und was auch gut funktionierte. Mit den Jahren kam ich zu der Feststellung, dass Sound-Effects-Leute und Music Sound Designer über diese Dinge auf zwei verschiedene Weisen denken.
Wenn ein Sound Effect Designer eine surreal anmutende Atmosphäre oder Sound Effects zu den Handlungen auf der Leinwand kreiert, geschieht das immer auf sehr abstrakte Weise und auf die Handlung des Films bezogen. Dagegen konzentriert sich ein Komponist wie ich einer bin, der viele Industrial Sounds verwendet, auf die Charaktere, auf ihre Emotionen und Motivationen. Was immer ich auch kreiere, es gerät mit den Sound Effects nicht in Konflikt, was vielleicht etwas merkwürdig ist. Ich mische meine Musik immer auf 16 Spuren ab und reduziere sie nicht auf vier, wie viele andere es tun, weil mein Design so kompliziert ist, dass es unmöglich ist, es zu reduzieren. 
Für diese Arbeit ist Brian eine wichtige Hilfe, weil er mich mit unzähligen Sounds versorgt, die sich nie selbst wiederholen. Er ist ein sehr guter Sound Designer, und wir haben eine gute Beziehung zueinander. Ihm gebührt ein großer Anteil daran, dass es mir möglich ist, immer wieder mit neuen Sounds und originellen Ideen für jedes neue Projekt anzukommen."

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