Radio ZuSa
Posts mit dem Label Filmographie: Philip Glass werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label Filmographie: Philip Glass werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

Montag, 14. Februar 2011

DIE 1. LANGE NACHT DER FILMMUSIK 18.02.11 - Stunde 6 - PHILIP GLASS Special

Lange Zeit betrachtete man den amerikanischen Komponisten Philip Glass eher als ein musikalisches Genie, das abseits konzertmusikalischer Konventionen agierte. Doch seit seinem epochalen Meisterwerk „Einstein on the Beach“, das er 1976 gemeinsam mit Robert Wilson realisierte, mit seinen Opern „Satyagraha“, „Akhnaten“ und „The Voyage“, seinen Filmscores zu „Koyaanisqatsi“, „Powaqqatsi“, „Mishima“, „The Thin Blue Line“ und den beiden „Candyman“-Filmen, aber auch durch seine Zusammenarbeit mit so unterschiedlichen Pop-Künstlern wie David Bowie, Brian Eno, Suzanne Vega, Paul Simon und Aphex Twin hat sich der in New York lebende und arbeitende Künstler einen Ruf als ein ungemein vielseitiger Künstler erworben, für den es eine strenge Trennung zwischen E- und U-Musik nicht gibt und der gerade mit einer Golden-Globe- und einer Academy-Award-Nomination für seinen Score zu Martin Scorseses Film „Kundun“ bedacht wurde.

© by Pasquale Salerno
Der Grundstein für sein außergewöhnlich breit angelegtes musikalisches Betätigungsfeld wurde bei Philip Glass bereits in frühester Kindheit gelegt. Der Vater des am 31. Januar in Baltimore geborenen Philip Glass unterhielt ein Plattengeschäft, das den Nährboden für die vielseitigen musikalischen Interessen bot, für die Glass später berühmt werden sollte.
„Ich war in der glücklichen Lage, dass mein Vater ein Musikgeschäft hatte, so dass ich von früh an jede Art von Musik hörte, die man sich vorstellen kann, sowohl klassische als auch Pop-Musik und moderne Musik“, erzählt Glass.
„Ich begann, in dem Geschäft zu arbeiten, als ich gerade mal zwölf Jahre alt war. Wir konnten auch Platten mit nach Hause nehmen, um sie uns anzuhören. Das war ein großes Glück für mich. So konnte ich schon in jungen Jahren einen sehr breit gefächerten Musikgeschmack entwickeln. Ich habe nicht nur klassische oder experimentelle Musik gehört, sondern wirklich jede Art von Musik: Pop, World Music und verschiedene Arten von Crossover Music.“
Mit sechs Jahren begann Philip Glass mit dem Geigenspiel, zwei Jahre später kam die Flöte dazu. Doch sowohl das limitierte Flöten-Repertoire als auch das musikalische Leben im Nachkriegs-Baltimore frustrierten den jungen Musiker, der sich während seines zweiten Jahres an der Highschool für die Universität in Chicago bewarb, wo er Mathematik, Philosophie und Musik studierte. Mit 19 Jahren machte er dort seinen Abschluss und ging nach New York an die Juillard School, wo er seinen Traum, Komponist zu werden, verwirklichen wollte. Er ließ die 12-Ton-Technik, die er noch in Chicago praktizierte, hinter sich und begann sich für Komponisten wie Aaron Copland und William Schuman zu begeistern.
Doch weder das Studium unter Lehrern wie Vincent Persichetti, Darius Milhaud und William Bergsma, noch die Abkehr vom Serialismus und die Faszination von Außenseiter-Komponisten wie Harry Partch, Charles Ives, Moondog, Henry Cowell oder Virgil Thomson ließen Philip Glass noch immer nicht seine eigene Stimme finden.
Schließlich führte ihn seine Suche Mitte der 60er Jahre nach Paris, um bei Nadia Boulanger zu studieren.
Nadia Boulanger war sehr wichtig für mich, aber auch Ravi Shankar, mit dem ich zur gleichen Zeit Mitte der 60er arbeitete, war ein ebenso wichtiger Einfluss“, blickt Glass zurück. „Durch ihn kam ich in Kontakt mit einer Musik, die ich während meiner Schultage nicht kennen gelernt hatte. In den 60ern wussten wir noch nicht viel über die Tradition der World Music, wie sie in Afrika, Korea oder Indien vorherrschten. Mit Ravi wurde mir diese Tür geöffnet, und Boulanger lehrte mich die grundlegenden Wesenszüge von Musik, obwohl ich schon das Konservatorium abgeschlossen hatte. Mit ihrer Hilfe betrachtete ich all das, was ich bisher kannte, von Neuem und sie brachte mich auf eine sichere Basis musikalischer Technik. Das wurde dann besonders wichtig, als meine Musik experimenteller wurde. Gerade bei experimenteller Musik ist ein großer Background sehr hilfreich, und den habe ich von ihr erhalten. Andere Einflüsse wie das Zusammentreffen mit John Cage, Ornette Coleman, Paul Simon, die auch in New York leben, sind so bedeutend, weil ich ihre Musik hören und mit ihnen darüber reden kann.“
 © by Steve Pyke
Überhaupt führt Philip Glass den Umstand, dass er gerade mit Leuten aus der Popmusik-Szene zusammenarbeitet, auf die Tatsache zurück, dass er in New York lebt.
„Ich arbeite viel mit Leuten aus dem Pop-Bereich zusammen. ich habe einen Song mit Mick Jagger für einen Film gemacht; ich habe einen Song mit Suzanne Vega geschrieben, einen mit Paul Simon. Ich habe also einige Stücke mit Pop-Künstlern gemacht. New York ist wie eine Kreuzung von allen möglichen Musikstilen und Musikern. Es gab ein Konzert in der Carnegie Hall mit Patti Smith, Natalie Merchant, John Cale und Sheryl Crow. Das ist eine Sache, die ich sehr gern mache, meine Musik mit Pop-Musik zu verbinden, auch wenn meine Hauptarbeit auf dem Gebiet der Oper und Symphonie liegt. Aber ich arbeite sehr gern mit anderen Musikern zusammen, weil ich sehr stimulierend finde“, erklärt Philip Glass.
„Es ist ziemlich einfach in New York, Leute zu treffen. Als ich vor 15 Jahren zum ersten Mal mit Paul Simon zusammentraf, hatte er mich einfach angerufen. John Cale lernte ich bei einem Konzert kennen, Patti Smith ebenso. Wenn ich in Chicago, Pittsburgh oder Houston, Texas, leben würde, hätte ich diese Kontakte, ehrlich gesagt, nicht. Die können nur an bestimmten Orten stattfinden, wo Leute zusammenkommen. Und New York ist ein idealer Ort dafür.“
Dorthin kehrte er 1967 nach seinem Pariser Studium auch zurück, distanzierte sich von allem, was er vor seinen lehrreichen Begegnungen mit Boulanger und Shankar gemacht hatte, und begann, musikalische Techniken aus Nordafrika, Indien und dem Himalaja in seinen eigenen Werken anzuwenden.
„Was ich quasi als Offenbarung erkannte, war die Verwendung des Rhythmus beim Entwickeln einer Gesamtstruktur in der Musik.
Den Unterschied zwischen westlicher und indischer Musik würde ich folgendermaßen beschreiben: In der westlichen Musik unterteilen wir die Zeit, etwa so, als könnte man ein Stück Zeit nehmen und es wie einen Laib Brot aufschneiden. In der indischen Musik und in allen nicht-westlichen Musiktraditionen, die ich kenne, dagegen nimmt man kleine Einheiten oder 'beats' und verknüpft sie miteinander zu größeren Zeitwerten“, meint Philip Glass.
„Die Annäherung an Musik ist ganz unterschiedlich. Nehmen wir die Elemente der Musik: Melodie, Harmonie und Rhythmus. In westlicher Musik ist die Tradition der Musik in der Struktur von harmonischer und melodischer Sprache begründet. In östlicher Musik beruht die Struktur auf der rhythmischen Sprache. Als ich Ravi Shankar traf, musste ich eine völlig neue Technik lernen, eine Musik, die auf rhythmischen Prinzipien basiert. Ich musste die Elemente der Musik neu erlernen und sie auf eine neue Weise reintegrieren. Ich war gerade 27, 28 Jahre alt, hatte mein Studium abgeschlossen, war aber noch jung genug, um für neue Ideen offen zu sein, und ich hoffe, dass ich das immer noch bin. Aber wenn man jünger ist, fällt es einem doch leichter. Nun musste ich ein neues Training beginnen und über Musik auf eine andere Weise nachdenken. Das führte mich in eine Richtung, die sehr einzigartig war.“
Zunächst gründete Glass 1968 das heute noch bestehende Philip Glass Ensemble.
„Als ich 1968 mit dem Philip Glass Ensemble anfing, war es noch leicht, Leute zu finden, die Zeit hatten, sich jeden Donnerstagabend zum Üben zu treffen, weil niemand andere Verpflichtungen hatte. Aber ich wollte die Gruppe professionell organisieren. Wenn man in der Musik eine neue Sprache entwickelt, braucht man eine neue Technik, um sie zu spielen, und um die zu entwickeln, brauchte ich ein stabiles Ensemble“, blickt Glass zurück, der zur Organisation der ersten Tournee 120 Briefe verschickte und sechs Antworten bekam.
„Wir spielten in Tacoma, St. Louis, Minneapolis und noch ein paar anderen Städten. Jedes Mal packten wir unseren Bus, luden ab, spielten das Konzert, packten den Bus wieder und fuhren weiter. Die Veranstalter brachten uns bei sich zuhause unter. Aber Mitte der 70er Jahre waren wir dann einigermaßen etabliert.“
Für dieses Ensemble, das aus verstärkten Keyboards, Stimmen und Blasinstrumenten besteht, schrieb Glass die meisten seiner frühen Arbeiten, darunter „Music with Changing Parts“ (1973), „Music in 12 Parts“ (1974), die eine vierstündige Zusammenfassung des bisherigen Glass-Werkes darstellte, und die wegweisende Oper „Einstein on the Beach“ (1976) in Zusammenarbeit mit Robert Wilson.
„Wir haben fast zwei Jahre an dem Stück gearbeitet“, erinnert sich Philip Glass. „Man muss bedenken, dass wir 1973/74 noch nicht sehr bekannt waren und viel Zeit hatten, um es zu entwickeln. Es war eine Verbindung von Bildern und Musik, bei der Bilder von Einstein erschienen. Es erzählte nicht die Geschichte Einsteins, sondern zeigte nur Bilder, so dass sich das Publikum seine eigene Geschichte aus dem, was es sah, konstruierte. Das wurde damals sehr populär. Wir führten es 1976 auf, dann noch einmal 1984 und 1992. Es ist ein sehr kraftvolles Dokument über die Verbindung von Bildern, Bewegung, Text und Musik. Es war eines der ersten Stücke, das diese Elemente auf eine neue Weise verknüpfte.“
Spätestens mit diesem Mammutwerk konnte man das oft für Philip Glass verwendete Etikett „minimalistischer Komponist“ nicht mehr benutzen. Glass, der schon 1978 erklärte, dass dieses Wort abgeschafft werden sollte, akzeptiert diese Bezeichnung heute zwar, allerdings nur hinsichtlich seiner frühen Werke. Er selbst sieht sich eher als Komponist einer „Musik mit repetitiver Struktur“.
Das Arbeiten innerhalb verschiedener künstlerischer Disziplinen, das mit dem Musiktheater „Einstein on the Beach“ einen ersten Höhepunkt erreichte, sollte in Zukunft das wichtigste Betätigungsfeld für Glass werden. Obwohl er immer auch mal Streich-Quartette und Sinfonien komponierte, wurde Glass vor allem mit seinen interdisziplinären Werken populär.
„Der große Unterschied besteht darin, ob die Musik auf einem Thema, einer Geschichte, einem Bild basiert oder auf einer abstrakten Idee von Musik“, erklärt Glass. „Ich denke, es gibt nur zwei Arten von Komponisten, nämlich Komponisten von Theater- und Komponisten von Konzertmusik, wobei Theatermusik für mich auch Film, Ballett und Oper beinhaltet. Immer wenn Elemente wie Text, Bewegungen oder Bilder in die Musik involviert werden, dann hat man es mit dem Theater-Medium zu tun. Ich denke, Komponisten haben dabei verschiedene Wege eingeschlagen. Ich bin vor allem in die Richtung der Theatermusik gegangen, wo das Thema die Grundlage meines Werkes wurde. Ich habe einige Symphonien und Streichquartette komponiert, aber die meisten Sachen, die ich gemacht habe, fallen in die große Kategorie der Theatermusik. Diese Texte, Bewegungen und Bilder stellen für mich eine große Inspirationsquelle dar.“
So ist es wohl zu erklären, warum Philip Glass gerade im Film-Genre so umtriebig gewesen ist. Den sieben Opern - darunter „Satyagraha“ (1980), „Akhnaten“ (1983) und „The Voyage“ (1992) - stehen etliche Soundtracks gegenüber: „Koyaanisqatsi“ (1983), „Mishima“ (1985), „Hamburger Hill“ (1987), „Powaqqatsi“ (1988), „The Thin Blue Line“ (1988), „A Brief History Of Time“ (1992), „Candyman“ (1992), „Candyman: Farewell To The Flesh“ (1995) undvor allem der Golden-Globe- und Academy-Award-nominierte Score zu Martin Scorseses „Kundun“.
Bei dem raschen Wechsel zwischen den künstlerischen Disziplinen kann man sich schon denken, dass Philip Glass nicht zu den Komponisten zählt, die eine strikte Differenzierung zwischen hochkultureller E-Musik und populärer U-Musik vornehmen.
„Ich persönlich treffe diese Unterscheidung nicht, aber ich weiß, dass andere es tun“, meint Glass dazu. „Natürlich bin ich mir der Unterscheidung bewusst, wenn ich z.B. eine Symphonie für ein Orchester schreibe, dann gehe ich das anders an, als wenn ich einen Filmscore für Martin Scorsese komponiere. Ich weiß, dass das Publikum unterschiedlich ist und dass das Medium unterschiedlich ist, aber ich habe keine Probleme damit, für beide Seiten zu arbeiten.“
Mit seinem wunderschönen, exotischen wie melodramatischen Score zu Martin Scorseses Biographie des 14. Dalai Lamas, „Kundun“, hat Philip Glass sicher eines seiner beeindruckendsten Werke abgeliefert, das auch über die typische Glass-Anhängerschaft hinaus für Aufsehen sorgen dürfte. Glass, selbst gläubiger Buddhist, verband eindringliche Harmonien mit tibetischen Mönchsgesängen, Percussions, Synthesizern und Bläsern zu einem atmosphärisch dichten Meisterwerk.
„Ich wollte mit dem Score den Ort und die Bedeutung von Tibet reflektieren. Ich wollte, dass das Publikum von der ersten Note der Musik an, mit der Magie und der Mystik von Tibet vertraut wird“, erläutert Philip Glass, der idealerweise von Martin Scorsese gleich nach Erhalt des Skripts in das Projekt involviert wurde, so dass sich in dem intensiv wechselseitig funktionierenden Arbeitsprozess Musik und Film einander beeinflussen konnten. „Ich hoffte, dass die Musik zu einem Tor für eine Welt werden könnte, die irgendwie exotisch ist. Das war mein Ziel.“
Konkrete Ziele für die Zukunft hat Philip Glass dagegen noch nicht. Oft ist es einfach ein Anruf eines befreundeten oder einfach nur interessanten Künstlers, der ganz spontan zu einem neuen Projekt führt. „Man weiß bei diesen Kollaborationen vorher nie, wie das Resultat ausfallen wird. Deshalb sind sie auch so knifflig. Man muss sich diesen Projekten mit einem gewissen Maß an Enthusiasmus und einem gewissen Maß an Unschuld nähern, ohne dass man zu sehr über das Resultat nachsinnt“, ist Philip Glass überzeugt. „Erst dann ist es möglich, dass aus der Zusammenarbeit etwas unerwartet Schönes wird.“

Filmographie:
1970 – Marco
1971 – End Of The Art World
1983 - Koyaanisqatsi
1984 – High Wire
1985 - Mishima
1986 – Dead End Kids
1987 - Hamburger Hill
1988 - Powaqqatsi
1989 - The Thin Blue Line
1990 - Mindwalk
1991 – A Brief History Of Time
1992 – Anima Mundi
1992 - Candyman
1995 - Candyman 2 – Die Blutrache
1995 - Jenipapo
1996 - The Secret Agent
1997 - Kundun
1998 - The Truman Show
1999 - Dracula (1931)
2002 - The Hours
2002 - Naqoyqatsi
2003 - The Fog Of War
2004 - Secret Window
2004 - Undertow
2004 – Taking Lives
2005 – The Giant Buddhas
2005 - Neverwas
2006 - The Illusionist
2006 – Roving Mars
2006 - Notes On A Scandal
2007 - Cassandra's Dream
2007 - No Reservations
2007 – Glass: A Portrait of Philip in Twelve Parts
2007 – Repeat
2007 – Hard-Hearted
2007 – Deferred
2007 – The Seeds
2007 – Little Things
2007 - Les animaux amoureux (Animals In Love)
2008 - What Are You Looking For?
2008 – Objects and Memory
2009 – Transcendent Man
2009 - Regrets
2010 – Mr. Nice

Playlist:
1 Philip Glass - Main Title (Neverwas) - 04:08
2 Philip Glass - Floe 87 (Les Regrets) - 03:45
3 Philip Glass - Sand Mandala (Kundun) - 04:04
4 Philip Glass - The History (Notes On A Scandal) - 03:49
5 Philip Glass - Winnie Remembers (Secret Agent) - 03:18
6 Philip Glass - Primacy Of Number (Naqoyqatsi) - 06:52
7 Philip Glass - Prophecies (Koyaanisqatsi) - 08:11
8 Philip Glass - Anthem - Part I (Powaqqatsi) - 06:22
9 Philip Glass - The Pursuit & Murder In The Park (Cassandra's Dream) - 06:42
10 Philip Glass - Return To Cabrini (Candyman) - 09:46

  © Blogger template Brooklyn by Ourblogtemplates.com 2008

Back to TOP