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Samstag, 5. Januar 2013

Playlist # 102 vom 13.01.2013 - QUENTIN TARANTINO Special

Angesichts der unkonventionellen Karriere, die Drehbuchautor, Darsteller, Produzent und Regisseur Quentin Tarantino absolviert hat, muss es schon ein wenig verwundern, dass er heute zu den beliebtesten und geachtetsten Filmemachern der Welt zählt. Nach Meisterwerken wie „Reservoir Dogs“, „Pulp Fiction“ und „Inglourious Basterds“ präsentiert er nun mit „Django Unchained“ seine ganz persönliche Hommage an die Spaghetti-Western von Sergio Leone („Dollar“-Trilogie) und Sergio Corbucci („Django“). Wie alle seine Filme ist auch „Django Unchained“ mit einem formidablen Soundtrack ausgestattet, an dem der ausgewiesene Filmexperte wie immer selbst Hand anlegte.

Seinen Namen verdankt Tarantino, der am 27. März 1963 in Knoxville, Tennessee, als Sohn der damals 16-jährigen Connie und des 21-jährigen Italo-Amerikaners Tony Tarantino zur Welt kam, der „Rauchende Colts“-Figur Quint Asper. Nachdem Quentin als Zweijähriger mit seiner alleinerziehenden Mutter nach Los Angeles gezogen war, verbrachte er seine Freizeit mit Vorliebe in den kleinen Vorstadtkinos, die überwiegend Martial-Arts- und Grindhouse-Filme zeigten. Im Alter von 15 Jahren brach der Legastheniker Tarantino die High School ab und begann eine Schauspielausbildung. Als er durch sein enzyklopädisches Filmwissen einen Job in der „Video Archives“-Videothek in Manhattan Beach bekam, schrieb er mit seinen Freunden Roger Avary und Jerry Martinez u.a. das Drehbuch zu „The Open Road“, das von den Studios wegen seiner Länge von über 500 Seiten abgelehnt und schließlich in „True Romance“ und „Natural Born Killers“ aufgeteilt worden war. Schließlich besuchte er in Sundance den Regie-Workshop von Robert Redford und lernte dort Terry Gilliam („12 Monkeys“) kennen, der Tarantino darin ermutigte, Regisseur zu werden.
Nachdem sein erstes Filmprojekt „My Best Friend’s Birthday“ (1987) gescheitert war, weil große Teile des Materials im Schneideraum verbrannten, verfasste Tarantino Anfang der 90er Jahre das Drehbuch zu „Reservoir Dogs“, das er mit geringem Aufwand selbst verfilmen wollte. Doch dann wurde durch die Initiative von Produzent Lawrence Bender Harvey Keitel auf das Projekt aufmerksam und sorgte für die nötige finanzielle Unterstützung, um weitere Darsteller wie Michael Madsen, Steve Buscemi, Chris Penn und Tim Roth für den Film gewinnen zu können.
„Reservoir Dogs“ (1992) ist vordergründig ein Heist Movie, offenbart sich aber schnell als Studie über Verrat und Loyalität. Sie kennen sich nur bei ihren Spitznamen: Mr. White (Harvey Keitel), Mr. Orange (Tim Roth), Mr. Blonde (Michael Madsen), Mr. Pink (Steve Buscemi), Mr. Blue (Edward Bunker), Mr. Brown (Quentin Tarantino) und Nice Guy Eddie (Chris Penn). Zusammen mit ihrem Boss Joe Cabot (Lawrence Tierney) sitzen sie in einem Diner und philosophieren ausgelassen über die eigentliche Bedeutung von Madonnas "Like A Virgin" (von Tarantino selbst höchst vergnüglich referiert) und die Wichtigkeit von Trinkgeldern für die armen Frauen, die sich durch Kellnern ihren Lebensunterhalt verdienen müssen. Als sie das Lokal verlassen und sich auf den Weg machen, den ausgesuchten Juwelier zu berauben, ist die Welt noch in Ordnung. In der nächsten Szene fährt Mr. White den schwerverletzten Mr. Orange zum ausgemachten Treffpunkt. Der Coup ist schrecklich in die Hose gegangen, weil die Bande von einem Insider verraten wurde. Mr. Blonde hat in dem Kofferraum seines Wagens einen gefesselten Polizisten mit ins Versteck gebracht. Aus seinem Mund wollen sie den Namen des Verräters erfahren, doch der junge Mann weiß von nichts. Während die nicht von der Polizei getöteten Gauner in der alten Lagerhalle herauszufinden versuchen, wer von ihnen der Verräter ist, droht Mr. Orange, kläglich zu verbluten.
Eine von Tarantinos besonders herausragenden Talenten wird schon in der Eröffnungssequenz offenbart: Die Restaurant-Szene sprüht vor Dialogwitz und dient gleichsam dazu, gleich alle Figuren einzuführen. Dass Tarantino nicht vorhatte, ein Heist Movie im klassischen Sinne zu inszenieren, wird schnell deutlich. Er verzichtet auf den für das Genre üblichen Hauptteil, nämlich den Überfall, und führt den Film mit der Flucht nach dem offensichtlich verpatzten Coup fort. Der Rest des Films spielt sich wie auf einer Theaterbühne fast ausschließlich in der kargen Lagerhalle ab, die die Gauner als Treffpunkt vereinbart haben. Dazwischen bringen verschiedene Rückblenden etwas Licht in die Vorbereitungen des Plans. Tarantino versteht es dabei geschickt, das ohnehin schon tragische Geschehen zuzuspitzen, indem einer der Crewmitglieder in der Halle mit dem Tode ringt und sich die anderen darüber unterhalten, wer als Verräter in Frage kommt und wie man ihn identifizieren kann, wobei der moralische Kodex unter Gaunern die Dynamik des weiteren Geschehens bestimmt. Neben den tollen Dialogen sind es vor allem die superben Darsteller, die "Reservoir Dogs" zu einem kultverdächtigen Gangsterfilm mit Italowestern-Elementen machen.
Mit der Präsentation auf dem Sundance Film Festival avancierte „Reservoir Dogs“ zu einem Geheimtipp und machte Quentin Tarantino zum Star, der endlich seine Drehbücher an den Mann bringen konnte. So verfilmte Tony Scott 1993 sein Drehbuch zu „True Romance“ und Oliver Stone die kontroverse Mediensatire „Natural Born Killers“. Nachdem Tarantino mit Lawrence Bender die Produktionsfirma A Band Apart gegründet hatte, wurde er zum allseits gefeierten Star.
Begründet wurde dieser Starkult mit dem zweieinhalbstündigen Gangster-Epos "Pulp Fiction" aus dem Jahre 1994. Bereits mit der spektakulären Anfangsszene hat Tarantino sein Publikum im Griff. Mit großem Eifer plant das Kleinganovenpärchen Pumpkin (Tim Roth) und Honey Bunny (Amanda Plummer), sich vom Handel mit Alkohol auf das Ausrauben von Restaurants zu verlegen, und beginnt mit dem Diner, in dem sie gerade sitzen. Allerdings befindet sich unter den Gästen auch der ausgebuffte Gangster Jules (Samuel L. Jackson), der gar nicht daran denkt, seinen Aktenkoffer herzugeben. Die Situation droht zu eskalieren. Schnitt, neue Szene. Auf der Fahrt zu ihrem Boss Marsellus Wallace (Ving Rhames) diskutieren Jules und sein Partner Vincent Vega (John Travolta) über den Nährwert von Hamburgern, das Leben in Europa und Fußmassagen. Als sie einer Geisel aus Versehen im Wagen den Kopf wegschießen, soll der Cleaner Mr. Wolf (Harvey Keitel) die Sauerei beseitigen. Von Marcellus Wallace bekommt man nur den schwarzen Hinterkopf mit dem Pflaster auf dem Halsrücken zu sehen. Dafür spielen seine Frau und ein ihm bekannter Boxer die Hauptrollen in den Nebenhandlungen: Der alternde Butch Coolidge (Bruce Willis) soll gegen ein fürstliches Entgelt von Wallace bei seinem anstehenden Kampf in der fünften Runde auf die Bretter gehen. Stattdessen setzt Butch seinen Verdienst in einem Wettbüro auf seinen Sieg. Derweil soll sich Vincent einen Abend lang um Wallace' Frau Mia (Uma Thurman) kümmern. Die beiden haben viel Spaß, doch als Vincent die attraktive Lebefrau am nächsten Morgen zuhause absetzt, droht sie nach einer Überdosis Koks draufzugehen.
Was Tarantino in seinem zusammen mit seinem Freund Roger Avary ersonnenen Film "Pulp Fiction" abfackelt, ist einfach ganz großes, vor Coolness strotzendes Kino, das mit sämtlichen Konventionen des Gangsterkinos bricht. Tarantino durchbricht die Regeln des narrativen Kinos, indem er linear erzählte Episoden mit Zeitsprüngen, wodurch Hauptfiguren plötzlich zu Nebenfiguren werden und die geschilderten Ereignisse immer wieder scheinbar unlogisch gebrochen werden, geschickt miteinander verwebt. Der selbsternannte Filmfreak, der in einer Videothek gearbeitet und in seiner Freizeit unzählige Drehbücher verfasst hat, spielt ganz bewusst mit dem Vertauschen gängiger Muster und Konventionen. Der Zuschauer mag hier und da kurzfristig verwirrt sein, aber Tarantino löst die scheinbaren Widersprüche später wieder auf. Vor allem aber sprühen seine Dialoge vor lebendigem Witz, dass es eine Freude ist, jeden der sympathischen Antihelden durch das turbulente Geschehen zu begleiten. Vor allem hat Tarantino viel Gespür für die Besetzung der Rollen gehabt: Mit Harvey Keitel und Tim Roth sind wieder zwei erstklassige Darsteller aus Tarantinos fulminanten Debüt "Reservoir Dogs" (1992) dabei, die eigentliche Sensation stellt aber John Travolta ("Saturday Night Fever") dar, dem der Regisseur ein grandioses Comeback bescherte. Die Coolness, die Travolta seiner Figur verleiht, drückt dem ganzen Film ihren Stempel auf. Und Uma Thurman demonstriert als leicht durchgeknallte Gangsterbraut schon einmal ihre fiebrige Leinwandpräsenz, die später Tarantinos Martial-Arts-Epos "Kill Bill" (2003/04) prägen sollte. Abgerundet wird dieses großartige Kino-Spektakel durch die für Tarantino längst berühmten Filmzitate, an denen Kinogänger ihre helle Freude haben. Der handwerklich perfekt inszenierte Krimi wurde deshalb folgerichtig mit der Goldenen Palme von Cannes '94 und dem Oscar für das beste Original-Drehbuch ausgezeichnet.
Eine besonders prägende Rolle spielt in „Pulp Fiction“ der Soundtrack. Wie schon in „Reservoir Dogs“ verwendete Tarantino keinen extra für den Film komponierten Score, sondern bediente sich in seinem reich bestückten Musikarchiv, um den Soundtrack mit Songs zu bestücken, die dem Gefühl von dem Film, das der Regisseur vermitteln will, entsprechen. Stets beginnt die Arbeit an einem neuen Film für Tarantino damit, dass er in seiner Plattensammlung nach einer passenden Eingangsmusik sucht.
„Seine Filme entstehen also, unter anderem, aus einer sehr persönlichen Lektüre der Popgeschichte; sie haben in sich schon eine Vergangenheit, bevor sie überhaupt entstanden sind. Sie kommen mit einem kulturellen Gedächtnis auf die Welt. Und anders als bei einer komponierten Filmmusik ist es der Regisseur und sonst niemand, der seinem Film dieses Gedächtnis gibt. Aber noch etwas anderes erzählt sich auf diese Weise, denn anders als ein komponierter Soundtrack hat eine solch gefundene Musik immer noch ihre eigene Geschichte, in der Pop- und Kulturgeschichte und in den Biografien. So sehr diese Griffe in den eigenen Plattenschrank den Regisseur als Autor bestärken, so sehr vernetzt ihn der Gebrauch vorgefundener Musik auch mit zahllosen anderen Gedächtnissen. Wie immer bei Quentin Tarantino: Er nimmt sich etwas heraus, und er gibt zugleich etwas ab“, beschreibt Georg Seeßlen in seinem Essay „Zärtliche Zerstörungen. Anmerkungen zur Musik in Tarantinos Filmen“ (in Robert Fischer/Peter Körte/Georg Seeßlen: „Quentin Tarantino“, Bertz+Fischer, 4. Auflage, S. 65) Tarantinos wohl bedachte Strategie der Musikauswahl. 
Tarantino selbst äußerte sich in einem Interview, das im Booklet zum Soundtrack-Double-Feature von „Reservoir Dogs“ und „Pulp Fiction“ abgedruckt wurde, dazu wie folgt: „Im Grunde genommen ist der Score so wichtig, dass ich es niemandem zutraue. Ich habe Angst davor, jemanden zu engagieren und ihn einen Score schreiben zu lassen, den ich nicht mag. Ich meine, wenn ich den Score im Vorfeld heraussuchen kann, wenn ich den Score zu ‚Under Fire‘ in meinem Film verwenden kann, okay, cool. ‚The Good, The Bad and the Ugly‘? Großartig, lass es uns einbauen. Aber es gibt niemanden, dem ich genug traue, ihm zu sagen, ‚Okay, mach es‘, und dann zu hoffen, dass es funktioniert. ‚Pulp Fiction‘ unterscheidet sich von ‚Reservoir Dogs‘ insofern, dass jedes Musikstück in ‚Dogs‘ Source Music gewesen ist. Jemand stellt das Radio an und man hört etwas. In ‚Pulp‘ habe ich tatsächlich Score verwendet. All die Surf Music in dem Film wird als Score benutzt. Und der Grund dafür war, dass ich schon immer Surf Music gemocht habe, aber nie verstand, was zur Hölle sie mit Surfen zu tun hatte. Für mich klang sie wie Rock’n’Roll Spaghetti Western Music. Was sie für diesen Film perfekt machte, denn er ist eine Art Rock’n’Roll Spaghetti Western.“
1995 schrieb Tarantino Teile der Drehbücher zum Episodenfilm „Four Rooms – Silvester in fremden Betten“ und „From Dusk Till Dawn“, das sein Freund Robert Rodriguez realisierte. 1997 folgte sein nächster Film „Jackie Brown“. Nachdem er sich mit "Reservoir Dogs" (1992) und "Pulp Fiction" (1994) als grandioser Drehbuchautor und Filmemacher etablieren konnte, versuchte er sich mit "Jackie Brown" an der Adaption des komplexen Leonard-Romans "Rum Punch".
Einmal mehr erwies Tarantino einem Filmgenre seine Referenz, diesmal den Blaxploitation-Filmen der 70er Jahre, und besetzte die Hauptrolle mit einem Aushängeschild des Genres: Pam Grier. In der langen Eröffnungssequenz heftet sich die Kamera dicht an ihre Figur, eine Stewardess, die in ihrer blauen Cabo-Air-Uniform zu den Klängen von Bobby Womacks "Across 110th Street" auf einem Rollband durch den Los Angeles International Airport schwebt. Ordell Robbie (Samuel L. Jackson) ist ein ganz Großer im Waffenschmuggelgeschäft. Voller Stolz führt er in der von ihm finanzierten Wohnung seiner Bikini-tragenden Freundin Melanie (Bridget Fonda) seinem gerade aus dem Knast entlassenen Kumpel Louis Gara (Robert de Niro) den Fernsehspot "Chicks who love Guns" vor, in der ebenfalls Bikini-tragenden Frauen die Vorzüge verschiedener Automatikwaffen präsentieren. Ordell erzählt gerade von den 500.000 Dollar, die er mittlerweile aus seinen Geschäften in Mexiko zur Seite geschafft hat, da erhält er einen Anruf, dass Beaumont (Chris Tucker), einer seiner Helfer, mit einer Waffe betrunken am Steuer von der Polizei aufgegriffen und eingebuchtet wurde. Ordell beauftragt den routinierten Kautionsvermittler Max Cherry (Robert Forster), damit dieser die 10.000 Dollar Kaution für Beaumont hinterlegt, nur damit Ordell Beaumont als unliebsamen Zeugen liquidieren kann. Wenig später schlägt Ordell erneut bei Cherry auf, diesmal soll er die Stewardess Jackie Brown (Pam Grier) auslösen, nachdem Detective Sergeant Mark Dargus (Michael Bowen) vom Los Angeles Police Department und Special Agent Ray Nicolet (Michael Keaton) von der Abteilung Alkohol, Tabak und Feuerwaffen am Flughafen 50.000 Dollar in bar und ein Tütchen Kokain bei ihr gefunden hatten. Als Cherry die 44-jährige Frau vor dem Gefängnis in Empfang nimmt. Er schlägt Jackie vor, sich auf einen Deal mit dem LAPD einzulassen, gleichzeitig schlägt sie auch Ordell einen Deal vor, nachdem er erfolglos versucht hat, auch sie zu beseitigen. Insgeheim will sie sich aber mit dem von Ordell ergaunerten Geld ein neues Leben aufbauen ...
Tarantino hat gar nicht erst versucht, nach seinem grandiosen Erfolg mit "Pulp Fiction" ein ähnlich strukturiertes Gangster-Epos zu schaffen. Zwar schuf er mit "Jackie Brown" einen weiteren Zweieinhalb-Stunden-Film, doch sind die Handlungsstränge viel überschaubarer, die Inszenierung viel gelassener. So nimmt sich Tarantino viel Zeit, seine Figuren vorzustellen, wobei er wieder mit einigen Besetzungscoups aufwartet. Mit Samuel L. Jackson hat er noch einen seiner "Pulp Fiction"-Stars am Start, überraschend fallen dagegen einige der anderen Rollen aus. Vor allem Robert De Niro verblüfft mit seiner geradezu lethargischen Darstellung von Ordells Kumpel Louis, während Tarantino Bridget Fonda ("Weiblich, ledig, jung sucht ...", "Codename: Nina") ebenso aus der Versenkung holte wie Robert Forster ("Mulholland Drive", "Confidence"). Die eigentliche Sensation ist aber natürlich Blaxploitation-Queen Pam Grier, der Tarantino ein einzigartiges Denkmal setzt. Es überrascht daher nicht, dass sie am Ende über all jene triumphiert, die ihr irgendwie das Handwerk legen wollen, nur weil sich die schlecht verdienende Stewardess am Ende ihrer Karriere mit den falschen Leuten eingelassen hat. Tarantino bleibt überraschend eng an der Romanvorlage und demonstriert mit "Jackie Brown" sein Talent, vertraute Genres in neuem Licht erscheinen zu lassen. Authentisch wirkende Figuren, ein cooler 70er-Jahre-Soundtrack und gewohnt fein geschliffene, amüsante Dialoge machen den Film zu einem weiteren Meilenstein in Tarantinos Œuvre.
Der Soundtrack „beginnt mit ‚Across 110th Street‘. Der Song enthält gleichsam die back story der Heldin, die wir als Erstes in einer grotesken Form von Stillstand und Bewegung auf dem Förderband des Flughafens sehen. Es war vermutlich der Song, den der Regisseur als Erstes für seine Elmore-Leonard-Verfilmung und seine Lesart des Stoffes fand. In der Linie von Betrug – Befreiung – Verlust. Es ist die Musik, die aus einer weißen Frau im Roman eine schwarze Frau im Film macht, mit einem vollständig anderen Hintergrund, obwohl die Dialoge fast wörtlich aus Leonards Roman übernommen sind. Mit einer anderen Vergangenheit, mit einem anderen Gedächtnis“, resümiert Seeßlen in seinem bereits erwähnten Essay (S. 74). „Und es ist die Musik, die die Menschen in ‚Jackie Brown‘, allesamt über den Zeitpunkt hinaus gealtert, in dem man vom Leben noch einfach etwas zu erhoffen hat, an ihre Träume erinnert. Das unsichtbare Ghetto und die verlorene Zeit – davon handelt die Musik in ‚Jackie Brown‘.“ 
Nach einer fünfjährigen Pause meldete sich Tarantino mit dem Racheepos „Kill Bill“ zurück, das in zwei Teilen – im Oktober 2003 und im April 2004 - in die Kinos kam. Mit der furiosen Martial-Arts-Spaghetti-Western-Blaxploitation-Action hat Tarantino seinen Ruf als Filmemacher der Sonderklasse eindrucksvoll untermauert.
"Die Braut" (Uma Thurman) will ihren Job als Auftragskillerin an den Nagel hängen und mit ihrem zukünftigen Gatten ein bürgerliches Leben führen. Doch ausgerechnet bei der Generalprobe ihrer Hochzeit taucht ihr Ex-Chef Bill (David Carradine) und seiner Todesschwadron auf, um die Hochzeitsgesellschaft und vor allem seine abtrünnige Killerin ins Jenseits zu befördern. Doch "Die Braut" überlebt als einzige das Massaker, liegt nach Bills Kopfschuss aber vier Jahre lang im Koma. Nach ihrer selbst in die Hand genommenen Genesung arbeitet sie sukzessive ihre ganz persönliche Todesliste ab. Doch bevor "die Braut" ihren ehemaligen Boss und seine Truppe - O-Ren Ishi (Lucy Liu), Vernita Green (Vivica A. Fox), Budd (Michael Madsen) und Elle Driver (Daryl Hannah) - gegenübertritt, lässt sie sich von Hattori Hanzo (Sonny Chiba) ein Samurai-Schwert der Extraklasse fertigen und sich in die Samurai-Kriegskunst einführen.
Wie schon in "Pulp Fiction" erzählt Tarantino seine brutale Rachestory, in die er gekonnt die imponierendsten Elemente seiner Lieblingsgenres miteinander verschmilzt, in versetzten Zeitebenen. Dabei legt er von Beginn an ein extrem hohes Tempo und eine ebenso gewaltige Blutspritzorgie vor, die er stilsicher in brillanten Farben, verschiedenen Filmtechniken und -stilen und mit virtuoser Kamera inszeniert. Das Ganze ist dabei mit einem brillanten Soundtrack unterlegt, der wie der Film selbst eklektizistisch alle Genres umfasst - von pumpenden Electro-Rhythmen (RZA) und Gheorghe Zamfirs Pan-Flöten-Klassiker "The Lonely Shepherd" über die Spaghetti-Western-Kompositionen von Ennio Morricone und Luis E. Bacalov bis zu den cool-funkigen Klängen von Isaac Hayes und Quincy Jones. Vor allem der Showdown bietet furiose Samurai-Kampfkunst und ein unüberschaubares Blutbad, das fast schon groteske Züge annimmt, aber stets hohen Unterhaltungswert besitzt.
"Kill Bill: Vol. 2" weist längst nicht mehr so viel Action und Blut auf, bietet dafür mehr Präsenz von David Carradine als bösen Buben Bill und ausgefeiltere Dialoge. Nach zwei Streichungen auf ihrer Todesliste sinnt die Braut (Uma Thurman) nach wie vor auf Rache an ihren Peinigern. Verdita Green (Vivica A. Fox) und O-Ren Ishii (Lucy Liu) haben die Auseinandersetzung mit ihrer vier Jahre im Koma gelegenen Ex-Kollegin nach spektakulären Kämpfen bereits mit dem Leben bezahlen müssen. Nun stehen noch Elle Driver (Daryl Hannah), Budd (Michael Madsen) und vor allem dessen Bruder Bill (David Carradine) auf dem Racheplan. Denn Big Boss Bill hat vor vier Jahren seine Killer-Elite auf der Hochzeitsgesellschaft der Braut alles niedermetzeln lassen, was sich in der Kirche bewegte. Doch bereits der Besuch bei Budd in der Wüste, wo er als Rausschmeißer in einer Bar jobbt, endet für die Braut in einer Holzkiste unter der Erde. Einmal mehr muss sie ihre außerordentlichen Fähigkeiten abrufen, die sie bei ihrem Samurai-Lehrer erworben hat, um sich aus einer weiteren äußerst misslichen Lage befreien und ihre Mission beenden zu können. Wer nach dem ersten "Kill Bill"-Teil auf eine Fortsetzung der furios inszenierten Splatter-Action gehofft hat, dürfte enttäuscht sein. "Kill Bill: Vol. 2" setzt vielmehr darauf, den im ersten Teil nur vage skizzierten Charakter von Bill vorzustellen. Während Uma Thurman Teil 1 mit ihrer Präsenz nahezu ganz allein auf ihren Schultern trug, darf nun "Kung Fu"-Darsteller David Carradine zeigen, was für ein gerissener, gemeiner, aber charismatischer Typ er ist. Er füllt seine schillernde Figur mit einer Coolness aus, die seine Absichten zwar nicht gutheißen, aber doch verstehen lassen. Uma Thurman steckt im Vergleich dazu zwar etwas zurück, bleibt aber die treibende Kraft, die nichts an Entschlossenheit eingebüßt hat, allerdings auch zu verstehen versucht, warum Bill und seine Killer sie aus dem Weg haben räumen wollen.
Tarantino hat den zweiten Teil seines Rache-Action-Dramas mit weitaus ruhigerer Hand und weniger stilistischen Mitteln inszeniert.
2005 übernahm Tarantino für die symbolische Gage von einem Dollar die Gastregie bei Rodriguez' Comic-Verfilmung „Sin City“, nachdem Rodriguez – ebenfalls für einen Dollar – den Soundtrack zu „Kill Bill – Volume 2“ zusammengestellt hatte.
Zwei Jahre später realisierten die beiden Freunde ein aus Tarantinos „Death Proof“ und Rodriguez‘ „Planet Terror“ bestehendes Grindhouse-Double-Feature. Tarantino lässt in „Death Proof“ drei attraktive Frauen ein Wochenende ganz ohne Männer feiern – mit einer prickelnden Ausnahme: Radiomoderatorin Jungle Julia (Sydney Tamiia Poitier) verspricht in ihrer Sendung dem Mann einen Lapdance von ihrer Freundin Arlene (Vanessa Ferlito), wenn dieser ein bestimmtes Gedicht exakt vorzutragen versteht. Doch der Gewinner – der durch eine grässliche Narbe verunstaltete Stuntman Mike (Kurt Russell) - entpuppt sich als psychopathischer Killer. Erst 14 Monate später wird er durch eine weitere temperamentvolle Mädchengruppe in die Schranken gewiesen. Kim (Tracie Toms), Zoe (Zoe Bell), Abernathy (Rosario Dawson) und Lee (Mary Elizabeth Winstead) wissen nämlich, wie man sich der eigenen Haut erwehren kann …
„‚Grindhouse‘ ist B-Movie-Konzeptkunst, eine Hommage an das Trash- und Mitternachtskino vergangener Zeiten, und es ist, zumindest im Fall von ‚Death Proof‘, eine Hommage an die konkreten Seherfahrungen der 70er Jahre, an die schrammeligen Kopien mit den grünen und den schwarzen Fäden, den Kratzern, den Ton- und Bildsprüngen, den Filzstiftmarkierungen des Cutters auf dem Filmmaterial“, resümiert Cristina Nord auf taz.de. „Was Tarantino nun in ‚Death Proof‘ leistet, ist, dass er diese Seite der Exploitation - die der starken, sich selbst genügenden Frauen, die weder schnelle Autos noch einen Faustkampf fürchten und dabei eine verdammt gute Figur machen - mit großer Hingabe in Szene setzt.“ 
Nach dieser furiosen Grindhouse-Reminiszenz aus dem Jahre 2007 ließ Tarantino zwei Jahre später "Inglourious Basterds" folgen, der vage an den gleichnamigen italienischen Trash-Film aus dem Jahre 1978 angelehnt ist.
In dem ersten von insgesamt fünf Kapiteln stattet der gewissenhafte wie gefürchtete, mit dem Spitznamen "Judenjäger" belegte Col. Hans Landa (Christoph Waltz) Anfang der 40er Jahre dem französischen Milchbauern Perrier LaPedite (Denis Menochet) einen Besuch ab und lässt die dort unter den Bodendielen versteckte jüdische Dreyfus-Familie hinrichten. Nur einer der Töchter gelingt die Flucht. Im zweiten Kapitel macht die vom amerikanischen Lt. Aldo Raine (Brad Pitt) angeführte Truppe der "Basterds" mobil, um in Frankreich Jagd auf die verhassten Nazis zu machen und deren Skalps zu sammeln. Verweigern die deutschen Gefangenen die Kooperation sorgt der "Bärenjude" (Eli Roth) mit seinem Baseballschläger für abschreckende Wirkung bei den Gefolgsleuten des bedauernswerten Opfers. In Kapitel drei wirbt der deutsche Kriegsheld und Filmfan Fredrick Zoller (Daniel Brühl) hartnäckig um die französische Kinobetreiberin Shosanna (Mélanie Laurent), die als Jüdin aber nur im Kopf hat, sich an den Mördern ihrer Familie zu rächen. Da kommt es ihr nur recht, wenn in Kapitel vier der deutsche Propagandaminister Joseph Goebbels (Sylvester Groth) plant, die Uraufführung von "Der Stolz der Nation" vom berühmten Ritz in Shosannas Kino verlegen will, wo sich die gesamte deutsche Führungselite - einschließlich Hitler (Martin Wuttke) - treffen wird. Währenddessen planen aber auch die Basterds mit Unterstützung des für die Briten arbeitenden deutschen Filmstars Bridget von Hammersmark (Diane Kruger) einen Anschlag auf die versammelte Nazi-Prominenz.
War sein gigantisches Martial-Arts-Epos "Kill Bill" (2003/2004) eine Hommage an die Filme der Shaw Brothers und an die Italo-Western, ließ "Death Proof" das trashige Schmuddelkino der 70er Jahre wieder aufleben, so präsentiert Tarantino mit "Inglourious Basterds" seine Art von Kriegsfilm, der zugleich eine Verbeugung vor der Nouvelle Vague und eine Liebeserklärung an das Kino an sich darstellt. Das kommt zunächst in kleinen Szenen wie den ersten Dialogen zwischen Shosanna und ihrem deutschen Verehrer zum Tragen, um dann im fulminanten Finale mit dem von Schauspieler-Regisseur Eli Roth ("Cabin Fever", "Hostel") inszenierten Film-im-Film "Der Stolz der Nation" und dem Anschlag auf die Nazi-Elite zu gipfeln. Tarantino stellt die Nazi-Deutschen als völlig fehlgeleitete Soziopathen dar. Das kommt weniger in der Hitler-Karikatur zur Geltung als in der brillanten Darstellung von Christoph Waltz, der ebenso intelligent wie zynisch seine todbringende Aufgabe erledigt. Überhaupt schlagen sich die deutschen Darsteller hervorragend, Daniel Brühl als Nationalheld wider Willen ebenso wie August Diehl als wortgewandter und aufgeweckter Major Hellstrom oder selbst Til Schweiger als desertierter Deutscher, der sich den Basterds anschließt. Brad Pitt füllt seine Rolle als Basterds-Anführer mit dem ihm eigenen Charisma aus und bildet den interessanten Gegenpol zu Christoph Waltz' Figur. Was "Inglourious Basterds" aber besonders auszeichnet, ist einmal der Einfallsreichtum, mit dem Tarantino die scharfzüngigen Dialoge gestaltet hat. Dazu hat er eindrucksvolle Kampf- und Metzelszenen kreiert, die so einige blutige Überraschungsmomente liefern. Wieder einmal hat der Filmkenner Tarantino ganz großes Kino geschaffen, das sich nachhaltig ins Gedächtnis eingräbt. Auch bei den Academy Awards 2010 erhielt der Film "Inglourious Basterds", dank Waltz als bestem Nebendarsteller, einen Oscar. 2010 leitete er die Wettbewerbsjury der 67. Internationale Filmfestspiele von Venedig.
Mit seinem neuen Werk „Django Unchained“ erweist Tarantino dem Spaghetti-Western seine Ehrerbietung und spielt bereits mit dem Titel auf Sergio Corbuccis Genre-Klassiker „Django“ aus dem Jahre 1966 an. In Tarantinos Film ist Django (Jamie Foxx) allerdings ein Sklave, der von dem Kopfgeldjäger King Schultz (Christoph Waltz) befreit wird und diesem dabei helfen soll, die Verbrecher Big John (M.C. Gainey), Ellis (Tom Savini) und Roger Brittle (Cooper Huckabee) aufzuspüren. Dazu braucht Django keine weitere Motivation, denn die Brittles haben Django nicht nur gefoltert, sondern auch seine Frau Broomhilda (Kerry Washington) vergewaltigt. Als sie schließlich Broomhilda suchen, landen die beiden Verbrecherjäger auf der Farm des Plantagenbesitzers Calvin Candie (Leonardo DiCaprio), der sich einen Spaß daraus macht, mit Hilfe des hauseigenen Sklaven Stephen (Samuel L. Jackson) und dem sadistischen Billy Crash (Walton Goggins) seine Sklaven um Leben und Tod kämpfen zu lassen.
‘Django‘ - richtig, das war Franco Nero als schweigsamer Kopfgeldjäger in Sergio Corbuccis Italowestern-Klassiker aus dem Jahr 1966. Und das waren auch zwei Fortsetzungen sowie unzählige Abklatsche, die zumindest in der deutschen Übersetzung ebenfalls mit dem populären Namen hausierten. So ist dieser mittlerweile sozusagen zum Synonym für das Genre geworden, das Quentin Tarantino schon in diversen Filmen zitiert hat. ‚Django Unchained‘ ist nun so was wie die logische Weiterführung. Es ist aber nicht nur ein Italo-Western, sondern auch eine unverkennbare Hommage an die Blaxploitation-Movies der Siebziger. Doch in erster Linie ist es einfach ein Tarantino; ein Tarantino, der sich durch die Attribute auszeichnet, die die meisten seiner Filme prägen: starke Dialoge mit makabrem Humor, stimmig eingesetzte Musik, zahlreiche Referenzen, comichaft überzeichnete Brutalität und natürlich exzellente Schauspieler“, befindet outnow.ch
Einmal mehr gelingt es Tarantino, eine Vielzahl von Bezügen zu anderen Filmen mit eigenen Erinnerungen und Verweisen zu einem typischen Tarantino-Werk zu vereinen.
„Schon Tarantinos frühere Filme waren Feste für Filmfreaks, Fundgruben für Popkulturforscher und Paradebeispiele für postmodernes Zitatkino“, resümiert Robert Fischer in dem bereits zitierten „Quentin Tarantino“-Werk aus dem Verlag Bertz+Fischer. „Das macht Tarantino zum wahrhaft totalen Filmemacher: Seine Erfahrung ist nicht Lebens-, sondern Kinoerfahrung, zwischen dem von der Leinwand Absorbierten und dem auf die Leinwand Gebrachten gibt es keinen Umweg über banale Realität.“ (S. 216)

Filmographie: 
1987: My Best Friend’s Birthday
1992: Reservoir Dogs – Wilde Hunde
1994: Pulp Fiction
1997: Jackie Brown
2003: Kill Bill – Volume 1
2004: Kill Bill – Volume 2
2007: Death Proof – Todsicher
2009: Inglourious Basterds
2012: Django Unchained

Playlist:
1 Luis Bacalov - Django (Django Unchained) - 02:55
2 Stealers Wheel - Stuck In The Middle With You (Reservoir Dogs) - 03:23
3 Al Green - Let's Stay Together (Pulp Fiction) - 03:15
4 Randy Crawford - Street Life (Jackie Brown) - 04:18
5 Urge Overkill - Girl, You'll Be A Woman Soon (Pulp Fiction) - 03:09
6 The Vampire Sound Inc. - The Lions And The Cucumber (Jackie Brown) - 05:07
7 Chuck Berry - You Never Can Tell (Pulp Fiction) - 03:12
8 Bobby Womack - Across 110th Street (Jackie Brown) - 03:48
9 The Tornadoes - Bustin' Surfboards (Pulp Fiction) - 02:26
10 Elliot Easton's Tiki Gods - Monte Carlo Nights (Jackie Brown) - 03:25
11 Nancy Sinatra - Bang Bang (Kill Bill Vol. 1) - 02:40
12 Malcolm McLaren - About Her (Kill Bill Vol. 2) - 03:33
13 Tomoyasu Hotei - Battle Without Honor Or Humantiy (Kill Bill Vol. 1) - 02:28
14 Ennio Morricone - A Fistful Of Dollars (Kill Bill Vol. 2) - 01:49
15 Frank Mills - Music Box Dancer (Kill Bill Vol. 1) - 03:19
16 Isaac Hayes - Three Tough Guys (Kill Bill Vol. 2) - 02:35
17 Bernard Herrmann - Twisted Nerve (Kill Bill Vol. 1) - 01:27
18 Ennio Morricone - From Man To Man (Kill Bill Vol. 1) - 03:22
19 Vince Tempera - Seven Notes In Black (Kill Bill Vol. 1) - 02:49
20 Robert Rodriguez - Invincible Pole Fighter (Kill Bill Vol. 2) - 01:36
21 Luis Bacalov - The Grand Duel, Parte Prima (Kill Bill Vol. 1) - 03:25
22 Ennio Morricone - L'Arena (Kill Bill Vol. 2) - 04:47
23 Gheorghe Zamfir - The Lonely Shepherd (Kill Bill Vol. 1) - 04:20
24 Luis Bacalov - Summertime Killer (Kill Bill Vol. 2) - 03:37
25 Jack Nitzsche - The Last Race (Death Proof) - 02:39
26 Nick Perito - The Green Leaves Of Summer (Inglourious Basterds) - 01:55
27 The Coasters - Down In Mexico (Death Proof) - 03:23
28 Ennio Morricone - The Verdict (Inglourious Basterds) - 01:13
29 Ennio Morricone - The Braying Mule (Django Unchained) - 02:33
30 Charles Bernstein - White Lightning (Inglourious Basterds) - 02:53
31 Riz Ortolani - I Giorni Dell'ira (Django Unchained) - 03:05
32 Ennio Morricone - The Surrender (Inglourious Basterds) - 02:47
33 Jerry Goldsmith - Nicaragua (Django Unchained) - 03:29
34 The Film Studio Orchestra - One Silver Dollar (Inglourious Basterds) - 02:02
35 Annibale e i Cantori Moderni - Trinity (Django Unchained) - 03:03
36 Ennio Morricone - Un Amico (Inglourious Basterds) - 02:35
37 Santa Esmeralda - Don't Let Me Be Misunderstood (Kill Bill Vol. 1) - 10:30

Soundtrack Adventures with QUENTIN TARANTINO at Radio ZuSa by Dirk Hoffmann on Mixcloud

Sonntag, 8. Mai 2011

Playlist # 58 vom 08.05.11 - WES CRAVEN Special

Wes Craven – am 2. August 1939 in Cleveland, Ohio, unter dem Namen Wesley Earl Craven geboren – zählt neben John Carpenter und George Romero zu den bekanntesten Filmemachern des Horror-Genres, der bereits mit seinen Frühwerken „Das letzte Haus links“ (1971) und „Hügel der blutigen Augen“ (1977) neue Maßstäbe gesetzt hat, vor allem aber mit „A Nightmare On Elm Street“ 1984 eine der erfolgreichsten Horror-Serien in Gang setzte. Dieses Kunststück gelang Craven 1996 auf eindrucksvolle Weise ein weiteres Mal, als er mit „Scream“ für eine neue Art des Schreckens auf der Leinwand sorgte. Anfang Mai startet Teil 4 der erfolgreichen Reihe auch in den deutschen Kinos.
Wes Craven wuchs in einer strenggläubigen Baptisten-Familie auf, doch seine Eltern ließen sich scheiden, als der junge Wes gerade mal sechs Jahre alt war, was tiefe Wunden in der Seele des kleinen Jungen hinterließ und erklärt, warum die kleinbürgerliche amerikanische Durchschnittsfamilie oft eine so große Rolle in Cravens Filmen spielt. Nach seinem Studium der Literatur und Psychologie am Wheaton College in Illinois, seinen erfolgreichen Abschlüssen in Philosophie und „Writing“ an der John Hopkins Universität und seiner anschließenden Lehrertätigkeit am Clarkson College in Potsdam, New York, stellte er nämlich in seinem Debütfilm „Das letzte Haus links“ eine intakte Familie in den Mittelpunkt, die von einem gesuchten Mörder heimgesucht wird, der bereits die vermisste Tochter auf dem Gewissen hat. Doch bis zu seinem ersten Film war es ein langer Weg. Als Kind strenggläubiger Eltern waren ihm Ablenkungen, die die Populärkultur bot, verboten. Er heiratete jung und trug schnell die Verantwortung für eine Familie, die er ernähren musste.
Als er während seiner Lehrtätigkeit 1968 mit seinen Studenten den 45-minütigen Kurzfilm „The Searchers“ fertigstellte, merkte Craven, dass er seine Profession wechseln möchte. Er verließ das College, nachdem er in den Semesterferien eine Filmschule in Manhattan besucht hatte. Mit Filmschnitt-Jobs bei Sex-Produktionen und als Taxi-Fahrer hielt sich Craven leidlich über Wasser, musste dann die Trennung von seiner Frau verkraften. Doch das Schicksal wendete sich zum Besseren, als Wes Craven den jungen Filmemacher Sean S. Cunningham kennenlernte, für dessen Sex-Drama „Together“ er 1971 zunächst den Schnitt, dann auch die Co-Regie übernahm. Der Film wurde so erfolgreich, dass das Studio Cunningham 90000 Dollar für einen Film seiner Wahl zur Verfügung stellte. Da dieser aber mit anderen Projekten beschäftigt war, trug er Wes Craven den Job an, der an einem Wochenende das Skript zu „Das letzte Haus links“ verfasste. Inspiriert von Ingmar Bergmans Klassiker „Die Jungfrauenquelle“ wollte Craven allerdings nicht wie Bergman über die Existenz Gottes diskutieren und keine philosophische Auseinandersetzung mit Schuld und Sühne inszenieren, sondern den Akt der Gewalt und seine moralischen Implikationen beleuchten. Für Cunningham fiel der Film allerdings zu hart aus. Entsetzt musste er feststellen, dass Craven nicht wie die meisten seiner Kollegen über eine Schere im Kopf verfügte. Für Craven bedeutete der Film allerdings auch die Verarbeitung all der Enttäuschungen und Entbehrungen der letzten Jahre. Obwohl der Film in oft um 15 bis 20 Minuten gekürzten Versionen in den Kinos zu sehen war, wurde „Das letzte Haus links“ zu einem großen Erfolg und stempelte Wes Craven als Horrorfilmregisseur ab.
So sehr er sich das auch wünschte, andere Möglichkeiten, als im Horror-Genre zu arbeiten, ergaben sich für Craven nicht. So nahm er 1977 etwas widerstrebend das Angebot an, für seinen Freund, den B-Movie-Produzenten Peter Locke „Hügel der blutigen Augen“ zu inszenieren. Der Film handelt von einer Familie, die mit ihrem Wohnmobil in der Wüste eine Panne hat und von einer Kannibalenfamilie, die durch Atomtests in den 50er Jahren degeneriert ist, konsequent dezimiert wird.
„Ein großer Teil des Horrors steckt in den rauen Bildern, einer Mischung aus cinéma verité und Exploitation, und in der musique concrete der Wüste, einer seltsamen Geräuschsymphonie. (…) Zudem haben Cravens Monster Überzeugungskraft. Man hat Angst vor ihnen, und man hat Mitleid. Sie sind eine tatsächlich schreckliche, grausame Addams-Familie der Wüste, Punks eines nuklear verseuchten Wasteland, Techno-Kannibalen mit Walkie-Talkies, verwildert auf dem Müllplatz der Zivilisation“, urteilt Hans Schefferle in seinem Buch „Die 100 besten Horror-Filme“ (Heyne, S. 78).
Bei der Auftragsarbeit „Eine tödliche Bedrohung“ fürs Fernsehen musste sich Wes Craven ein Jahr später allerdings in Sachen Gewaltdarstellung stark zurücknehmen. 1981 durfte er mit „Tödlicher Segen“ erstmals einen Film für ein Major Studio realisieren. Der Film handelt von einer religiösen Sekte, deren Anführer seine Jünger mit fanatischem Eifer zu einem gottgefälligen Leben anhält.
Als zwei hübsche Mädchen vom College in der texanischen Stadt auftauchen, wird die Gemeinde durch eine Reihe offenbar religiöser Morde erschüttert. Wie seine Vorgänger erwies sich auch „Tödlicher Segen“ als gewinnträchtig, aber Craven musste feststellen, dass er im Studiosystem von Hollywood nur bestehen konnte, wenn er sich auf Änderungswünsche der Produzenten einließ.
Für seinen nächsten Film, eine Verfilmung des erfolgreichen DC-Comics „Das Ding aus dem Sumpf“, konnte der Regisseur mit dem höchsten Budget seiner bisherigen Karriere arbeiten, immerhin drei Millionen Dollar. Der Film erzählt die Geschichte des Arztes Alec Holland, der im Kampf gegen den Hunger ein Pflanzenwachstumsmittel herstellen wollte, aber einem Anschlag des Milliardärs Arcane mit dem Mittel infiziert wurde und zu einer grässlichen Kreatur - halb Mensch, halb Pflanze - mutierte. Cravens in den Sümpfen angesiedelte Version von „Das Schöne und das Biest“ scheiterte allerdings kläglich an den Kinokassen.
Als eine ebenso unglücklich erwies sich Cravens Entscheidung, mit „Im Todestal der Wölfe“ 1983 eine Fortsetzung von „Hügel der blutigen Augen“ zu drehen.
Erst mit „Nightmare – Mörderische Träume“ gelang Craven der große Coup, mit dem er zu einem Meister des Genres avancierte. Im Gegensatz zu den humorfreien Teenie-Slashern „Halloween“ und „Freitag, der 13.“ wollte Craven mit „A Nightmare On Elm Street“ ein breites Publikum ansprechen und seine Hauptfigur Freddy Krueger als verunstaltete Kreatur die Träume seiner Opfer heimsuchen lassen. Zu den Erfolgsfaktoren des Films zählen nicht nur die gelungene Inszenierung und die starken Schockmomente. Craven bewies ein gutes Gespür für die Befindlichkeiten des jugendlichen Publikums. Statt sie zu verklären oder zu verharmlosen, setzte er sich ernsthaft mit ihren Problemen und Ängsten auseinander und bereitete damit gewissermaßen den Weg für die populären Teenager-Dramen „The Breakfast Club“, „Pretty In Pink“ oder „Ist sie nicht wunderbar?“.
„Freddy ist der Geist eines Kinderschänders, den die Eltern in der Elm Street bei lebendigem Leib verbrannt haben. Der Dämon also spricht nicht nur von seiner eigenen Schuld (von einer furchtbaren Drohung, die uns in die Welt der Kindheit schien), sondern auch von der lange verdrängten Gegenschuld der Eltern. Die Gestalt von Freddy Krueger, sein zynischer, böser Humor, seine Mischung aus Schrecken und Groteske wurde zu einem ungemein verbreiteten Ikon in der Teenager-Kultur. (…) Die primäre Erfahrung der jugendlichen Heldinnen und Helden in den ‚Nightmare‘-Filmen ist Einsamkeit und Verlassenheit, die Unfähigkeit der Erwachsenen, der Gesellschaft, der Religion, der Wissenschaft, sie gegen das selbst erzeugte Böse zu beschützen. So können die jugendlichen Zuschauer Freddy gar nicht wirklich hassen; der eigentliche Zorn der Filme richtet sich gegen die Ignoranz der Erwachsenen, gegen ihre Weigerung, Schuld und Gegen-Schuld zu verarbeiten“, fassen Georg Seeßlen und Fernand Jung in „Horror – Grundlagen des populären Films“ (Schüren, S. 653) zusammen.
Trotz des riesigen Erfolgs von „A Nightmare On Elm Street“ gab es erhebliche Differenzen zwischen Craven und dem Studio New Line Cinema, die zwar eine Fortsetzung planten, aber Craven gar nicht erst fragten, ob er daran irgendwie beteiligt sein wollte. Stattdessen inszenierte Craven für CBS zunächst mit „Chiller – Kalt wie Eis“ (1985) seine eigene Frankenstein-Variante und dann einige Folgen für die Neuauflage der erfolgreichen Horror-Serie „Twilight Zone“, die zwischen 1959 und 1965 große Erfolge in den USA feierte. Mit „Die Superdetektive“ entstand 1986 ein familienfreundlicher Fernsehfilm über zwei Kinder und ihren Großvater, die gemeinsam eine Geldfälscherbande auffliegen lassen. Noch im selben Jahr griff Craven das Frankenstein-Motiv für seinen nächsten Kinofilm auf.
In „Der Tödliche Freund“ wird die Frankenstein-Figur von einem 14-jährigen Computergenie verkörpert, der zunächst einen Roboter kreiert und dessen Hauptchip schließlich in den Körper seiner getöteten Freundin implantiert.
Nachdem er mit „Tödlicher Segen“ bereits einen Film mit religiöser Thematik abgeliefert hatte, wandte Craven sich mit „Die Schlange im Regenbogen“ dem Voodoo-Phänomen zu und formte den gleichnamigen Sachbuch-Bestseller des Ethnobotanikers Wade Davis zu einem atmosphärisch dichten Horror-Thriller vor dem Hintergrund der haitianischen Diktatur um. „Terminator“-Komponist Brad Fiedel trug mit seinem großartigen rhythmischen Score sehr zum Gelingen des auf Tatsachen beruhenden Thrillers bei, der vor allem in Japan, aber auch in Frankreich und Großbritannien wie eine Bombe einschlug.
Sehr radikal ging Craven bei seinem nächsten, programmatisch „Shocker“ betitelten Film vor, in dem ein Mörder aus dem Reich der Toten zurückkehrt und sich auf einen niemand verschonenden Rachefeldzug begibt. „Shocker“ ist darüber hinaus aber auch eine kritische Auseinandersetzung mit den Medien, wenn Cravens Protagonisten ins Innere eines Fernsehgeräts geschickt werden und dabei meist bei Sendern landen, die Gewaltfilme zeigen.
„Die entscheidende Gefahr des Fernsehens ist, dass es passiv macht. Ich habe mich in meinem Shocker mit der Vorherrschaft des Fernsehens in unserer Kultur befasst und den düsteren Ausblicken, die diese Tatsache mit sich bringt“, wird Wes Craven in „Teen Scream – Titten & Terror im neuen amerikanischen Kino“ von Rüdiger Dirk und Claudius Sowa (Europa, S. 50) zitiert.
1989 kehrte Craven wieder zum Fernsehen zurück, fungierte zunächst erfolglos als Executive Producer für die Serie „The People Next Door“ und scheiterte auch drei Jahre später mit der Anthologie-Serie „Nightmare Café“, in der Freddy-Krueger-Darsteller Robert Englund Menschen die Möglichkeit eröffnete, sich ihren düstersten Albträumen zu stellen.
Mit „Night Vision“ entstand 1990 eine Art Vorläufer zu Serien wie „Millennium“ und „Profiler“. Doch NBC wollte die Geschichte um eine Polizeipsychologin, die in Trancezuständen fähig ist, sich in die Psyche von Mördern hineinzuversetzen, nicht in Serie gehen lassen.
1991 kehrte Craven mit „Das Haus der Vergessenen“ auf die Kinoleinwand zurück, und zwar auf die kompromisslose Weise seiner Frühwerke. Er erzählt die Geschichte eines namenlosen weißen Hausbesitzer-Paars in einem Ghetto, aus dem die Schwarzen vertrieben werden sollen.
Als der schwarze Fool und seine Mutter aus ihrer Wohnung geschmissen werden, bricht der Junge mit seiner Schwester und zwei Freunden aus Verzweiflung in das Haus seiner Peiniger ein, um Geld für die Operation seiner krebskranken Mutter zu besorgen. Doch die Hausbesitzer entpuppen sich als Psychopathen, die verstümmelte Kinder im Keller gefangen halten und alles töten, was sich ihnen in den Weg stellt. Einzig die hübsche Alice lebt wie ein halbwegs normales Mädchen in dem Haus, darf aber keinen Kontakt zur Außenwelt unterhalten.
Craven verband in diesem Film gleich mehrere Märchenmotive – z.B. aus „Hänsel und Gretel“, „Frau Holle“ und „Aschenputtel“ – und lässt in diesem durchaus mit schaurigen Effekten garnierten Sozialmärchen am Ende die Guten über die Bösen siegen.
„Der Film ist ein Sinnbild dafür, wie sich viele Kinder zuhause fühlen – als Gefangene“, erklärte der Regisseur dazu.
Die Musik zu dem schauderhaften Horror-Märchen lieferten gleich zwei Komponisten, zum einen Don Peake, der für Craven bereits „Hügel der blutigen Augen“ vertont hatte, und Graeme Revell, der seine ersten Credits für Horrorfilme wie Tobe Hoopers „Fire Syndrome“ und „Chucky 2“ verdient hatte.
1991 fand auch die erfolgreiche „Nightmare“-Reihe ihr vorläufiges Ende. Doch der sechste Teil „Freddy’s Dead: The Final Nightmare“ bescherte Freddy Krueger einen mehr als enttäuschenden Abgang. Rechtzeitig zum zehnten Jubiläum des ersten „Nightmare“-Films wollte Wes Craven 1994 etwas Neues zur Serie beisteuern und entschied sich für eine Parodie auf sich selbst. Er ließ in „Freddy’s New Nightmare“ die drei Hauptdarsteller des originalen Films – Robert Englund, John Saxon und Heather Langenkamp – sich selbst spielen und entwickelte eine intelligente Film-im-Film-Thematik, in der die Dreharbeiten zu einem siebten „Nightmare“-Teil von Albträumen, Freddys Rückkehr und entsetzlichen Todesfällen überschattet werden.
Seeßlen/Jung resümieren in „Horror – Grundlagen des populären Films“:
„Während das Slasher Movie der Familie ein Zerrbild der eigenen Widersprüche zwischen Sexualität, Familie und Wahn entgegenhält, drehen sich die Filme der Nightmare-Art förmlich in den Familienroman. Als Zustandsbeschreibung werden sie zugleich genauer und milder, und so wie das Slasher Movie eine furchtbare Art der fundamentalen Moralisierung betreibt, erzeugt der Horrorfilm der Nightmare-Art eine Art der negativen Ideologie. Den Slasher kann man, allenfalls, überleben, Freddy Krueger muss bezwungen werden, indem man soziale und psychische Kompetent mobilisiert, er ist ein sehr schräger Pädagoge, der das seine tut, die amerikanische, bürgerliche Person zu formen. Das Mainstreaming dieser Horror-Figur beschreibt Robert Englund: ‚Die frühen Fans waren Punk-Rocker und Heavy-Metal-Freaks. Heute kommen sie aus allen Schichten: Rechtsanwälte, Star-Trek-Fans, Hardcore-Horror-Fans und Eltern, die 1984 ihr erstes Date im Autokino hatten und vor lauter Angst ein Baby produzierten.‘“ (Schüren, S. 660)
Zwar fuhr „Freddy’s New Nightmare“ einen Gewinn ein, enttäuschte aber alle Erwartungen der Beteiligten. Offensichtlich war das Zielpublikum mit der selbstreflexiven wie selbstironischen Geschichte noch überfordert. Zwei Jahre später ging ein ganz ähnliches Konzept mit „Scream“ allerdings wunderbar auf.
Zuvor sollte tat sich Craven keinen großen Gefallen, die Regie der Eddie-Murphy-Vampirkomödie „Vampire in Brooklyn“ zu übernehmen.
Als Wes Craven das Angebot bekam, für das kleine Major-Studio Miramax einen Horrorfilm mit Drew Barrymore in der Hauptrolle und vielen weiteren Jungschauspielern zu drehen, war er mehr als interessiert. Schließlich unterzeichnete Craven einen Deal über drei Filme, der neben einem möglichen Sequel zu „Scream“ auch einen Film ohne Genrebegrenzung enthielt.
Nachdem die ersten beiden „Scream“-Filme fett an den Kinokassen abgeräumt hatten, wollte Miramax natürlich gern gleich den dritten „Scream“-Film produzieren, doch Craven bestand auf der Einhaltung der Vertragsklausel, einen Film ohne Genrebegrenzung drehen zu dürfen, und erfüllte sich mit „Music Of The Heart“ einen Traum, nämlich eine zu Herzen gehende Geschichte über eine engagierte Geigenlehrerin (Meryl Streep), die schwarzen Kindern im Elendsviertel East Harlem mit ihrem Musikunterricht half, eine Zukunftsperspektive zu entwickeln.
Zwar kehrte Wes Craven anschließend mit „Scream 3“ umgehend zu seinem Erfolgskind zurück, ließ sich anschließend aber Zeit, um den Werwolf-Flop „Verflucht“ (2005) zu inszenieren, der wie die komplette „Scream“-Reihe und alle weiteren Craven-Werke von Horror-Spezi Marco Beltrami („Mimic“, „The Faculty“) vertont wurde. In dem modernen Werwolf-Film spielen Christina Ricci und Jesse Eisenberg ein verwaistes Geschwisterpaar, das bei einer nächtlichen Heimfahrt in einen Autounfall gerät und von einem großen Tier angegriffen wird, das von dem Jungen gleich als Werwolf identifiziert wird. Tatsächlich verspürt das Mädchen bald Lust auf rohes Fleisch …
Das seit der „Scream“-Trilogie eingespielte Team Williamson/Craven kreierte mit „Verflucht“ einen ansehnlichen Schocker, bei dem auch der schwarze Humor nicht zu kurz kommt.
Mit „Red Eye“ drehte Craven zeitgleich einen Suspense-Thriller, in dem die aufstrebende Hotel-Managerin Lisa (Rachel McAdams) während der Wartezeit auf ihren Rückflug von Dallas nach Miami mit dem charismatischen Jackson (Cillian Murphy) flirtet. Doch während des Flugs lernt sie Jacksons dunkle Seite kennen, als ihr Sitznachbar sie nötigt, telefonisch ein einen Zimmertausch in ihrem Hotel anzuordnen, um so einen Anschlag auf einen Geschäftsmann zu ermöglichen – ansonsten löscht ein Killer das Leben ihres Vaters (Brian Cox) aus …
Mit seinem Beitrag „Père Lachaise“ zur Kurzfilm-Anthologie „Paris Je t’aime“ durfte sich Wes Craven anschließend von seiner romantischen Seite präsentieren. Ein Spaziergang über den berühmten Pariser Friedhof führt Frances (Emily Mortimer) vor Augen, dass ihr Verlobter William (Rufus Sewell) völlig humorlos ist. Als sie die Hochzeit platzen lassen will, lehrt der Geist von Oscar Wilde dem verschmähten Mann eine Lektion in Sachen Liebe und Poesie.
Mit dem in 3D gefilmten Teenie-Horror-Streifen „My Soul To Take“ kehrte Wes Craven im vergangenen Jahr zum Slasher-Genre zurück, indem er eine Gruppe 16-Jähriger an einem Seeufer niedermetzeln lässt. Bei der Kritik kam der Slasher nicht so gut weg:
Wes Craven ist seit den 70ern eine feste Größe im Slasher-Kino. ‚Das letzte Haus links‘ und ‚Hügel der blutigen Augen‘ haben sich tief ins Genre-Gedächtnis gebrannt, vor allem aber hat Craven mit Freddy Krueger (‚Nightmare - Mörderische Träume‘) eine Metzel-Ikone geschaffen, die neben haltlosen Sequels und Spin-Offs selbst das Platinum-Dunes-Remake ‚A Nightmare on Elm Street‘ überstanden und sich fest in der Popkultur etabliert hat. Wenn Wes Craven aber eines nicht ist, dann eine feste Größe im zeitgenössischen Horrorfilm. Die Themen heute, das sind die Vampir-Metapher (‚So finster die Nacht‘, ‚True Blood‘), der liebevolle Zombie-Ulk (‚Shaun of the Dead‘, ‚Zombieland‘), kontrovers diskutierter Torture Porn (‚Saw‘, ‚Hostel‘) und das neue Spiel mit Authentizität (‚Paranormal Activity‘, ‚Cloverfield‘). Es braucht schon eine zündende Idee, um dem überrumpelten Slasher-Genre in diesem Chor Gehör zu verschaffen. Seit 1994 (‚Freddy's New Nightmare‘) ist Craven nicht mehr als Regisseur und Autor zugleich aktiv gewesen. Mit dem 3D-Teenie-Horror ‚My Soul to Take‘ steigt er wieder ein und offenbart, dass er keinen Schimmer hat, wie er das Slasher-Motiv noch variieren oder zumindest engagiert inszenieren soll“, kanzelt Jan Hamm Wes Craven in seiner Kritik auf filmstarts.de ab.
Zum Glück hat Wes Craven mit „Scream 4“ wieder zu alten Tugenden zurück gefunden, aber dazu mehr in dem „Scream“-Special in der kommenden Stunde.

Filmographie:
1971: Together
1972: Das letzte Haus links (The Last House on the Left)
1975: Angela, the Fireworks Woman
1977: Hügel der blutigen Augen (The Hills Have Eyes)
1978: Night Kill - Eine tödliche Bedrohung (Stranger in Our House)
1981: Gesichter des Teufels/Tödlicher Segen (Deadly Blessing)
1982: Das Ding aus dem Sumpf (Swamp Thing)
1984: Exit - Ausgang ins Nichts (Invitation to Hell)
1984: Nightmare: Mörderische Träume (A Nightmare on Elmstreet)
1985: Chiller - Kalt wie Eis (Chiller)
1985: Im Todestal der Wölfe (The Hills Have Eyes Part II)
1985: The Twilight Zone (Unbekannte Dimensionen, Fernsehserie)
1986: Die Superdetektive/Eine Schnapsidee (Casebusters, Fernsehfilm)
1986: Der Tödliche Freund (Deadly Friend)
1988: Die Schlange im Regenbogen (The Serpent and the Rainbow)
1989: Shocker
1990: Das Grauen hat viele Gesichter (Night Visions, TV-Pilotfilm)
1991: Das Haus der Vergessenen (The People Under the Stairs)
1992: Nightmare Cafe (Fernsehserie)
1994: Freddy’s New Nightmare (Wes Craven’s New Nightmare)
1995: Vampire in Brooklyn
1996: Scream – Schrei! (Scream)
1997: Scream 2
1999: Music of the Heart
2000: Scream 3
2005: Verflucht (Cursed)
2005: Red Eye
2006: Paris, je t’aime (Segment „Père Lachaise“)
2010: My Soul to Take
2011: Scream 4

Playlist:
1 Charles Bernstein - Main Title (A Nightmare On Elm Street) - 03:29
2 Don Peake - M1-1 (The Hills Have Eyes) - 03:20
3 James Horner - Finale/End Credits (Deadly Blessing) - 04:05
4 Charles Bernstein - BB's Theme (Deadly Friend) - 02:05
5 Brad Fiedel - End Credits (The Serpent And The Rainbow) - 05:10
6 Graeme Revell - Suite Part One (The People Under The Stairs) - 02:42
7 Don Peake - Suite (The People Under The Stairs) - 05:29
8 J. Peter Robinson - Prologue/Theme From Nightmare Cafe (Nightmare Cafe) - 02:52
9 J. Peter Robinson - The Park (Freddy's New Nightmare) - 03:38
10 Marco Beltrami - Trouble In Woodsboro/Sidney's Lament (Scream) - 03:27
11 Marco Beltrami - Stage Fright Requiem (Scream 2) - 02:07
12 Marco Beltrami - Sid Wears A Dress (Scream 3) - 02:48
13 Marco Beltrami - Love Theme (Cursed) - 02:39
14 Marco Beltrami - Takeoff (Red Eye) - 02:52
15 Marco Beltrami - The Ripper Talks (My Soul To Take) - 04:03

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