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Sonntag, 27. Februar 2011

Playlist # 53 vom 27.02.11 - JOEL + ETHAN COEN Special

Neben dem eigenbrötlerischen Kino von Gus Van Sant („Gerry“, „The Elephant“), den introvertierten Filmen von Jim Jarmusch („Ghost Dog“, „Broken Flowers“), den abgründigen Trips von David Lynch („Mulholland Drive“, „Inland Empire“) und den skurrilen Ausstattungsfilmen von Wes Anderson („Die Royal Tenenbaums“, „Darjeeling Limited“) gehören die in Minneapolis, Minnesota, geborenen Brüder Joel (* 29.11.1954) und Ethan Coen (*21.09.1957) fraglos zu den eigenwilligsten Filmemacher in Hollywood, die mit ihren schrägen Geschichten immer wieder große Preise gewonnen haben und am 10. Februar mit ihrem neuen Werk, dem Remake des John-Wayne-Klassikers „True Grit“, die diesjährige Berlinale eröffnen durften.
Als Söhne des Wirtschaftsprofessors Edward und Rena Coen, einer Professorin für Kunstgeschichte, wuchsen die Brüder in einer jüdischen Umgebung auf. Joel Coen verdiente sich das Geld für seine Super-8-Kamera durch Rasenmähen und drehte mit seinem Bruder und einem Nachbarsjungen Filme aus dem Fernsehen nach, doch gingen sie in der Ausbildung getrennte Wege. Während Joel am öffentlichen Filmprogramm der New York University teilnahm und zum Abschluss den dreißigminütigen Film „Soundings“ präsentierte, studierte Ethan an der Princeton-Universität Philosophie. Erst danach widmeten sie sich gemeinsam ernsthaft dem Filmgeschäft und freundeten sich mit Sam Raimi an, der einen Assistenten für seinen Film „Tanz der Teufel“ (1982) suchte. Zwei Jahre später präsentierten die Coen-Brüder mit „Blood Simple – Eine mörderische Nacht“ ihren ersten Film, der nach eigenem Drehbuch entstand. Die bitterböse Homage an den film noir der 40er Jahre erzählt die Geschichte eines neurotischen Privatdetektivs (M. Emmet Walsh), der von eienm gehörnten Barbesitzer (Dan Hedaya) den Auftrag erhält, seine Ehefaru (Frances McDormand) und deren Liebhaber (John Getz) zu töten, stattdessen aber ein mörderisches Katz-und-Maus-Spiel inszeniert.

“Die Brüder Coen spielen dabei bereits mit ironischen Elementen, Genrezitaten und durchaus ernsten Suspense-Momenten. 'Blood Simple' ist gleichzeitig ihr erster Film, der doppelt kodiert funktioniert: Dem Genrekenner bietet er ein amüsantes und spannendes Verwirrspiel, das übrige Publikum unterhält er als Genrethriller“, befindet Marcus Stiglegger in „Filmregisseure“ (Reclam 2008, S. 144).
Auf eine ähnliche Weise funktioniert auch der nächste Coen-Film. In „Arizona Junior“ (1987) entführt ein kinderloses Paar (Nicolas Cage und Holly Hunter) eines der Fünflinge des Millionärs Nathan Arizona, der kurzerhand einen Killer auf die Kidnapper ansetzt. Auch hier geben sich Genrezitate, Slapstickeinlagen und eine aberwitzige Handlung mit allerlei skurrilen Nebenfiguren ein munteres Stelldichein.
„Der Film bietet vieles, was geradezu prototypisch coenesk daher¬kommt: schlichte Landei-Gemüter mit breitem Südstaatenakzent, penibel ausgefeilte Einstellungen und Dialoge, dazu diesen speziellen Humor, mal spröde, mal heiter, mal schier bizarr. Vergleicht man ‚Raising Arizona‘ mit ihren späteren Filmen, die doch einen deutlich kultivierteren, gemesseneren Eindruck machen, erscheint er wie eine Spielwiese, auf der Joel und Ethan versuchen, ihren Comedy-Stil zu finden. So grotesk, turbulent und over-the-top wie hier wird kein anderer Coen-Film mehr sein“, meint San Andreas in Der Umblätterer.
Eine weitere Genre-Fingerübung legten die Coen-Brüder mit ihrem Gangsterfilm „Miller’s Crossing“ (1990) vor, der vor dem Hintergrund der Prohibition einen blutigen Bandenkrieg inszeniert. Zwar glaubt der irische Gangsterboss Leo (Albert Finney), alles – vor allem den Bürgermeister und die Polizei - im Griff zu haben, doch ahnt er nicht, dass ausgerechnet sein persönlicher Berater Tom (Gabriel Byrne) mit seiner Freundin Verna (Marcia Gay Harden) ein Verhältnis hat. Dann verlangt der rivalisierende italienische Mafiaboss Johnny Casper den Kopf von Vernas Bruder, was Leo natürlich nicht zulassen kann …

Inspiriert von den Mafia-Epen der 80er Jahre („Es war einmal in Amerika“, „The Untouchables“) einerseits und den Werken Dashiell Hammetts („The Glass Key“) andererseits, die für die trockenhumorigen Dialoge verantwortlich zeichnen, stellt „Miller’s Crossing“ eine Art Quintessenz des Gangsterfilms dar und überzeugt vor allem durch seinen edlen Look.
In ihrem nächsten Film „Barton Fink“ (1991) spielt John Turturro einen aufstrebenden, aber unsicheren New Yorker Theaterautor, der sich in ein Hotel zurückzieht, um an einem Drehbuch für Hollywood zu arbeiten. Doch er hat nicht nur mit einer Schreibblockade zu kämpfen, sondern wird auch eines Mordes verdächtigt, für den sein Zimmernachbar Charlie Meadows (John Goodman) verantwortlich ist … Detailverliebt wie eh und je, mit viel schwarzem Humor und sagenhaften Kamerafahrten rechnen die Coen-Brüder gnadenlos mit den Mechanismen Hollywoods ab.
‘Barton Fink‘ ist die Geschichte einer Selbstfindung, die in einer Sackgasse endet. Einer, der auszog, um künstlerischen Erfolg mit finanzieller Stärkung zu sichern, lernt das Fürchten, als er den Test seines Talents nicht besteht und an seinem Selbstverständnis zugrundegeht. Aber nicht nur die Individualität der Hauptfigur ist hier bedroht, auch Autor Bill Mayhew, Sekretärin Audrey und Nachbar bzw. Massenmörder Charlie ringen um ihre Persönlichkeit und verlieren. Die einzige Erkenntnis der Figuren besteht darin, dass sie nichts wissen. Daraus machen die Coen-Brüder aber kein schwerfälliges Kammerspiel, sondern eine herrlich makabre Komödie, mit satirischem Biss und aufrichtiger Tragik“, resümiert Stefan Rogall in „Das filmische Universum von Joel und Ethan Coen“ (Schüren 1998, S. 88).
Nicht ganz so gelungen fiel dagegen „Hudsucker – Der große Sprung“ aus. Auf den Spuren von Frank Capra erzählt der Film die Geschichte des einfachen Angestellten Norville Barnes (Tim Robbins), der nach dem Selbstmord von Waring Hudsucker (Charles Durning) der neue Präsident von Hudsucker Industries sein soll. Vorstandschef Sidney J. Mussburger (Paul Newman) hofft mit diesem Manöver, die Aktien seines Vorgängers günstig aufkaufen zu können, rechnet aber nicht damit, dass Barnes mit der Erfindung des Hula-Hoop-Reifens das Unternehmen rettet und bei der anschließenden Intrige gegen ihn unerwartete Hilfe von Hudsucker als Schutzengel erhält.
„Hinter all der Fingerfertigkeit aber verschwindet der lieb gewonnene, verwegene Coen-Charme fast vollständig. Was gar nicht so schlimm wäre, wenn an seiner Stelle der Charme eines Frank Capra oder eines Howard Hawks den Film erfüllen würde. Als Hommage funktioniert der Film nur auf dem Papier; die Screwball-Anleihen und die Slapstick-Schablonen sind sehr wohl vorhanden und stilecht umgesetzt, auch der Wilder’sche Stakkato-Wortwitz weiß zu überzeugen – doch vermag der Film die Ahnung, dass er am Reißbrett konstruiert wurde, nie ganz abzuschütteln.
Um als Komödie durchzugehen, fehlt es dem Film einfach an echter Fröhlichkeit; und tatsächlich funktioniert er viel besser als Fabel über den amerikanischen Kapitalismus. Die Tretmühlen der schuftenden Arbeiter, die Batterien von Buchhaltern, die bräsigen Chefetagen, die nach Sensationen geifernden Medien – hier entwickelt ‚Hudsucker‘durchaus satirische Schlagkraft.
So rückt der Film eher in die Nähe der Werke Fritz Langs oder Terry Gilliams; sein großes Kapital ist nicht die Figur des Simpels und seiner Tellerwäscher-zum-Millionär-Geschichte, sondern die Darstellung seiner seelenlosen Umgebung. Die kapitalistische Maschinerie, ihre Hierarchien, ihre Bürokratie, ihre autistische Betriebsamkeit, ihr Profitwahnsinn und ihre nackte Gier: Hudsucker ist eine gut geölte Industrie, die nur um ihrer selbst Willen existiert“, urteilt San Andreas auf Der Umblätterer.
Dafür lieferten Joel und Ethan Coen mit „Fargo“ 1996 ein weiteres Meisterwerk ab. Darin plant der glücklose und abgewrackte Autoverkäufer Jerry Lundsgaard (William H.Macy) das perfekte Verbrechen. Zwei stümperhafte Ganoven (Steve Buscemi und Peter Stormare) sollen seine Ehefrau entführen und das Lösegeld vom reichen Schwiegervater erpressen. Doch der Plan geht fürchterlich schief und hinterlässt drei Leichen auf dem Highway. Die schwangere Polizistin Marge Gunderson (Frances McDormand) nimmt die Ermittlungen in der verschneiten Einöde Minnesotas auf. Die Coen-typische Mischung aus schwarzer Komödie, film noir und Gesellschaftssatire erhielt sowohl einen Oscar für die Hauptdarstellerin Frances McDormand, mit der Joel Coen seit 1984 verheiratet ist, als auch für das Drehbuch, das die Coen-Brüder wie gewohnt gemeinsam geschrieben haben, und kann durchaus als feministischer Western betrachtet werden.

„In vielen klassischen Filmen des Genres traten Frauen als, meist von der Ostküste stammende, Lehrerinnen auf, die versuchten, Gesetz und Bildung – kurzum Zivilisation – in den Westen zu bringen. In ‚Fargo‘ synthetisiert Marge gewissermaßen den zivilisatorischen Auftrag der Frau im Westen mit der herausragenden Tugend des männlichen Westerners: professionell seinen Job tun und ansonsten nicht viele Worte machen. Die Männer hingegen stolpern wie regressive, gewalttätige Trottel durch den Film. Ihnen fehlt es an jener fundamentalen Einsicht, ohne die das Leben – in Coen-Filmen – zum Scheitern verurteilt ist: Tue nie, was du nicht kannst“, findet Stefan Reinecke in dem von Peter Körte und Georg Seeßlen herausgegebenen „Joel & Ethan Coen“ (Bertz 1998, S. 187).
Das nächste Meisterwerk der Autorenfilmer ließ nur ein Jahr auf sich warten und machte Jeff Bridges als Alt-Hippie Jeff Lebowski, der nur „the Dude“ genannt werden möchte, zur Kultfigur. Als Opfer einer Verwechslung, nach der er die Schulden seiner Frau bei einem Porno-Produzenten begleichen soll, pinkelt einer der Schuldeneintreiber auf Lebowskis Teppich. Von seinen Bowling-Freunden Walter (John Goodman) und Donny (Steve Buscemi) wird Lebowski dazu gedrängt, sich den verunreinigten Teppich vom eigentlichen Adressaten der anrüchigen Botschaft ersetzen zu lassen. Das Anliegen wird vom richtigen, dem „Großen Lebowski“ (David Huddleston) zwar nicht erhört, doch soll der Dude den Entführern seiner Frau eine Million Lösegeld überbringen. Natürlich gerät das Unternehmen vollkommen außer Kontrolle und endet im tödlichen Chaos.

„Bei aller Demontage und Boshaftigkeit offenbaren die Coens jedoch auch wieder jene Qualität, die sie gegenüber dem blanken Zynismus manch ihrer Kollegen auszeichnet: ihre Menschlichkeit. Zwar trägt ‚The Big Lebowski‘ diese nicht so deutlich zur Schau wie ‚Fargo‘ (und ist auch nicht ein so sympathischer Film wie dieser), aber auch hier werden selbst die absurdesten Charaktere nie denunziert; schwingt in ihrer tiefen Lächerlichkeit stets ein Moment der Größe; findet sich anstelle von Verurteilung eine staunende Bewunderung und Neugier angesichts der Palette menschlicher Möglichkeiten.
Dazu gesellt sich, wie ebenfalls üblich, überbordender, spielerischer Einfallsreichtum; ein enorm genaues Ohr für den Jargon (weshalb von der Synchronfassung noch mehr als üblich abzuraten ist); Gespür für bizarre Details und diebische Freude über das Ausstreuen falscher Fährten für alle akademischen Interpreten.
Und vor allem ist 'The Big Lebowski', wie jeder Film der Gebrüder Coen, ein nicht nur vielschichtiges und intelligentes, sondern auch höchst unterhaltsames Vergnügen“, kommentiert Thomas Willmann auf Artechock.
Ein höchst amüsantes Filmvergnügen bescherten Joel und Ethan Coen ihrem Publikum auch mit ihrer eigenwilligen Adaption von Homers „Odyssee“, die sie als „O Brother, Where Art Thou?“ (2000) in die Südstaaten verlegten, wo in den 30er Jahren der Ganove Ulysses Everett McGill (George Clooney) mit seinen Kumpels (John Turturro und Tim Blake Nelson) aus dem Gefängnis ausbricht, um sich auf die Suche nach einem vergrabenen Schatz zu begeben, wobei sie allerlei Prüfungen zu absolvieren haben und natürlich von einer irrwitzigen Situation in die nächste Katastrophe stolpern. Mit den leuchtenden Bildern von Stammkameramann Roger Deakins und dem sämtliche Folkstile jener Zeit abdeckenden Soundtrack von T-Bone Burnett ist den Coen-Brüdern ein weiterer Beitrag zur Demontage amerikanischer Mythen gelungen.
„Durchmischt und endgültig ins Irreale entrückt wird ‚O Brother, Where Art Thou?‘ dann durch den immer wieder aufflackernden Bezug zu Homers ‚Odyssee‘ (der Seher, die Sirenen, die Namensgebung) und den Einsatz klassischer Märchenmotive wie dem Pakt mit dem Teufel oder der Verwandlung eines Menschen in einen Frosch – auch das ein Einblick in die Art und Weise, mit der die Coens sich bestimmte Motive und Mythen einverleiben. Dass hier auch ein Verweis auf die Bibel nicht ausbleibt, ist nur konsequent.
Das Faszinierende an ‚O Brother, Where Art Thou?‘ ist schließlich die große inszenatorische Meisterschaft, mit der alle diese Zutaten zusammengehen. Der gewissermaßen tatsächlich epische Film ist nicht nur doppelt, sondern gleich mehrfach codiert: Erscheint ‚O Brother, Where Art Thou?‘ auf den ersten Blick wie ein einziges Geplänkel, wird er bei genauerem Hinsehen zu einem beinahe unerschöpflichen Film, der permanent mehrere Dinge auf einmal verhandelt“, stellt Christian Horn in seiner Rezension auf Filmstarts.de fest.
Mit ihrem nächsten Film bewegte sich das brüderliche Gespann wieder in vertrautes Film-noir-Fahrgewässer und drehten „The Man Who Wasn’t There“ (2001) sogar in stimmungsvollem Schwarz-Weiß. Kettenraucher und Herrenfriseur Ed Crane (Billy Bob Thornton) will der Monotonie seines Lebens ein Ende bereiten und beginnt, den Liebhaber (James Gandolfini) seiner gerissenen Frau (Frances McDormand) zu erpressen, damit er
in die "Werden-Sie-über-Nacht-zum-Millionär"-Idee eines Handelsreisenden (Jon Polito) investieren kann. Wer auch einige wenige Coen-Filme gesehen hat, weiß, dass der Traum sehr bald zu einem Albtraum wird.
„In malerischen Schwarz/Weiss-Bildern zeichnen die Coens das Bild eines sehnsüchtigen Mannes auf der Suche nach Freiheit. Elegant und clever in Szene gesetzt besticht ‚The Man Who Wasn´t There‘ formal vor allem durch die elegante Ausleuchtung und die für die Brüder typische Brillanz im Bezug auf Drehbuch und Charakterzeichnung. Joel und Ethan Coen ist ein Drama gelungen, das ohne falsche Wertvorstellungen auskommt und dabei unbeschönigend und nüchtern den Niedergang eines innerlich völlig leeren Mannes schildert“, resümiert handle me down.de.
Nach diesem düsteren Werk bewegten sich die Coen-Brüder mit „Ein (un)möglicher Härtefall“ (2003) und dem Remake des Gauner-Klassikers „Ladykillers“ (2004) so nah wie nie zuvor in Richtung Mainstream-Komödie. In „Ein (un)möglicher Härtefall“ spielt George Clooney den erfolgreichen Anwalt mit dem Fachgebiet Eherecht, der seinen Mandanten selbst aus ausweglosesten Situationen zu ihren Millionen verhilft. So muss sich Fernsehproduzent Donovan Donaly (Geoffrey Rush) von seinem gesamten Vermögen verabschieden, obwohl er seine untreue Frau in flagranti mit dem hübschen wie dümmlichen Pool-Reiniger erwischt hat. Und der millionenschwere Rex Rexroth (Edward Herrmann) muss trotz einschlägiger Videobeweise keinen Cent an seine betrogene Ehefrau (Catherine Zeta-Jones) abgeben, worauf diese auf Rache sinnt und dem aalglatten Winkeladvokaten allmählich den Boden unter den Füßen wegzieht …
„Aus einer durchschnittlichen Komödie der Irrungen ist so eine klassische, pechschwarze Screwball-Comedy geworden, die streckenweise mit Howard Hawks' ‚Leoparden küsst man nicht‘ verglichen werden kann - freilich ‚modernisiert‘ mit dem für die Coens typischen, schrägen Look und scharfen, hintersinnigen Wortwitz. Ganz in der Tradition von Gary Grant und Katharine Hepburn liegen sich die beiden Streithähne in den Haaren, während man als Zuschauer nur darauf wartet, bis sie einander endlich in die Arme fallen“, urteilt Blickpunkt: Film.
Danach haben sich die Coen-Brüder des Alexander-Mackendrick-Klassikers „The Ladykillers“ aus dem Jahre 1955 angenommen und ließen Tom Hanks als Prof. Dr. Goldthwait Higgins Dorr in die Rolle von Alec Guiness treten. Zusammen mit fünf weiteren Ganoven sucht er sich ein unscheinbares Quartier, von dem aus der Überfall auf ein am Mississippi liegendes schwimmendes Casino geplant werden soll. Nachdem Dorr ein Zimmer bei einer gottesfürchtigen Witwe gemietet hat, nutzen die Gauner den Vorratskeller vordergründig als Proberaum für ihre Musik, graben sich aber tatsächlich zum Casino durch. Doch so manche Missgeschicke drohen den Plan zu vereiteln …
„Das Original von Ladykillers mit Alec Guinness und Peter Sellers spielt im nebligen London des Jahres 1952 und ist eine der schönsten Gangsterkomödien der Kinogeschichte. Ein Remake hat dieses liebevoll-makabre Werk so wenig nötig wie Witwe Munson einen neuen Beschützer. Tatsächlich ähnelt der Coen-Film einem dieser knautschigen Kaminsessel unter dem überdimensionierten Ölbild des verstorbenen Munson-Gatten. Eine luxuriös gepolsterte Verschwendung. Pefekt ausgestattet, mit ausgegrabenen Gospels untermalt und penibel ausgeleuchtet in den braunen warmen Tönen einer Apfelstrudelwerbung. Schon erstaunlich, dass das Brüderpaar aus der Reanimation des Stoffes und seiner Verlegung in eine diffuse Südstaaten-Gegenwart nicht einen einzigen Funken zu schlagen weiß. Letztlich gibt das Remake nämlich Anlass zu ebenjenem Kulturpessimismus, mit dem sich die Coens zu Beginn so lässig aus dem Fenster hängen“, urteilt Birgit Glombitza in der Zeit.
Nach den beiden eher enttäuschenden Mainstream-Komödien kehrten Joel und Ethan Coen drei Jahre später mit ihrem Oscar-prämierten Meisterwerk "No Country For Old Men" wieder zu ihren Wurzeln zurück. Der nach dem Roman von Pulitzer-Preisträger Cormac McCarthy („All die schönen Pferde“, „The Road“) entstandene Film erzählt eine Geschichte, die dem trostlosen Grenzland zwischen Texas und Mexiko entspricht. Vietnam-Veteran Llewelyn Moss (James Brolin) trifft während der Jagd zufällig auf den blutigen Schauplatz eines fürchterlich misslungenen Drogendeals. Bei näherer Betrachtung entdeckt er neben all den Toten auch einen Schwerverletzten und zwei Millionen Dollar. Er schnappt sich das Geld, kehrt aber zum Tatort zurück, um dem Schwerverletzten Wasser zu bringen. Doch die geprellten Drogendealer hetzen den stoischen wie effektiven Profikiller Anton Chigurh (Javier Bardem) auf Llewelyn, den Dorfsheriff Ed Tom Bell (Tommy Lee Jones) davor bewahren will, sich zu den unzähligen Leichen zu gesellen, den Chigurgh auf der Jagd nach dem Flüchtigen hinterlässt …

„Formal erinnert vieles an 'Blood Simple', den düsteren Erstlingsfilm der Coen-Brüder. Knappe Dialoge, der Verzicht auf einen unterstreichenden Soundtrack, die Verdichtung der Handlung auf das Wesentliche. Dazu die archaische Landschaft, die weit ab von Großstädten beinahe zwangsläufig existentielle Themen in den Mittelpunkt rückt. Die Romanvorlage hat großen Anteil daran. Neben Moss werden mit dem eiskalten Killer Chigurh (gespielt von einem umwerfenden Javier Bardem, der für seine Leistung auch mit dem Oscar ausgezeichnet wurde) und dem verwittert-desillusionierten Sheriff Bell (Tommy Lee Jones) zwei Figuren eingeführt, die den minimalistischen Plot über das Genre hinausheben (…) Am Ende verstört 'No Country for Old Men' durch seine dekonstruktivistische Kraft. Die immergleichen Bilder von staubigen Strassen, primitiven Tankstellen oder öden Motels im Nirgendwo erfahren eine Neubewertung. Sie haben nichts von der Vorhersehbarkeit der Geschichten mit denen man sie verbindet. Moralische Kategorien werden aufgehoben und im letzten großartigen Monolog von Sheriff Bell hat 'No Country for Old Men' endgültig die Fesseln des Genrekinos gesprengt“, schreibt Thomas Reuthebuch in seiner Rezension auf Amazon.de.
Nach diesem düsteren Meisterwerk feuerten die Coen-Brüder mit „Burn After Reading“ wieder ihr gewohnt schräges Humorfeuerwerk ab.
Der CIA-Balkanexperte Osborne Cox (John Malkovich) beschließt nach seiner Suspendierung, sich dem Schreiben seiner Memoiren zu widmen. Das passt seiner Frau
Katie (Tilda Swinton) gar nicht in den Kram, droht doch ihre Affäre mit dem langjährigen Hausfreund Harry Pfarrer (George Clooney) aufzufliegen. Als Versicherung im Falle einer Scheidung fertigt sie eine CD mit dem Inhalt des Computers ihres Mannes an, die ausgerechnet in ihrem Fitnessclub von den beiden Angestellten Chad Feldheimer (Brad Pitt) und Lina Litzke (Frances McDormand) gefunden wird. Ihr Versuch, die brisanten Daten an die Russen zu verkaufen, mündet in einem Chaos aus Betrug und Erpressung.
„Ganz wie zur Hochzeit des Genres in den siebziger Jahren sind die Brüder einer großen Verschwörung auf der Spur: Die der Idiotie, welche auch den amerikanischen Geheimdienst längst unterwandert hat.
Den kritischen Einspruch, in ziemlich schamloser Manier auf die Schadenfreude eines sich überlegen dünkenden Publikums zu spekulieren, federn die Coens in gewohnt eleganter Manier ab: Sie werfen ihren Zuschauern nicht nur selten trottelige Figuren zum Fraße vor, sondern auch deren Darsteller - und die sind allererste Wahl.
Wenn John Malkovich einen krankhaften Narziss spielt, Brad Pitt als dümmlicher Schönling über die Leinwand turnt und George Clooney sich als erbärmlicher Schürzenjäger freimütig der Lächerlichkeit preis gibt, wird damit auch Hollywoods moderner Götzenkult lustvoll bloßgestellt. Passend zur Anbetung des Oberflächlichen sucht man innere Wert bei fast allen Figuren des Films vergeblich“, urteilt Michael Kohler in der Frankfurter Rundschau.
Mit ihrem Film „A Serious Man“ haben sich Joel und Ethan Coen dann auf gewohnt ironische Weise mit ihrem jüdischen Background auseinandergesetzt. Im Gegensatz zum All-Star-Vehikel „Burning After Reading“ bewiesen die Brüder, dass ihre Filme auch große Namen wunderbar funktionieren. Der Anti-Held heißt diesmal Larry Gopniks (Michael Stuhlbarg) und muss innerhalb kürzester Zeit erleben, wie sein wohlgeordnetes Leben aus allen Fugen gerät. Zunächst eröffnet ihm seine Frau Judith (Sari Lennick), dass sie sich in den Witwer Sy Ableman (Fred Melamed) verliebt hat und daher eine rituelle Scheidung möchte. Dann wird das FBI auf die beim illegalen Glücksspiel eingesetzten Mathematikfähigkeiten seines hochbegabten Bruders Arthur (Richard Kind) aufmerksam. Während der pubertierende Sohn Danny (Aaron Wolff) sich mehr für Marihuana und Rockmusik als für die Schule interessiert, greift Töchterchen Sarah (Jessica McManus) ins väterliche Portemonnaie, um sich die Nase verschönern zu lassen. Schließlich gerät auch Larrys Uni-Karriere ins Strudeln, als ihm der südkoreanische Student Clive (David Kang) einen prallgefüllten Geldumschlag zusteckt, um eine bessere Note zu bekommen …
„Diese Aussage von der Unkontrollierbarkeit des Lebens wird von den Regisseuren und Drehbuchautoren Joel und Ethan Coen auf ihre unnachahmliche Weise in eine überwältigende Geschichte verpackt. In 'A Serious Man' mischen sie die düstere Verzweiflung aus ‚No Country for Old Men‘ mit dem absurden Humor aus ‚Burn After Reading‘. Aus dieser gewagten Kombination haben sie stilsicher ein geniales Meisterwerk entwickelt. Für die Figuren haben sie sich dieses Mal hauptsächlich ziemlich unbekannte Schauspieler ausgesucht, die überzeugend in ihre teilweise zurückhaltenden, teilweise aber auch leicht grotesken Rollen schlüpfen. In manchen Einstellungen von Kameramann Roger Deakins sorgt alleine schon die Mimik der Darsteller für Lacher. Was ist nun genau die Botschaft des Films? Die kann nicht einmal von den Rabbinern oder Jefferson Airplane ergündet werden, sondern muss vermutlich von jedem Betrachter selbst entschlüsselt werden. Vermittelt wird sie aber auf alle Fälle mit außerordentlich viel Humor. Wer allerdings die Aussage nicht versteht oder der Ansicht ist, dass sie der eigenen Lebenseinstellung wiederspricht, wird sich womöglich nicht besonders gut amüsieren. Aber das war bei den Filmen der Coens schon immer so“, findet Thomas Hunziker in seiner Rezension auf filmsprung.ch.
Ihr neuer Film „True Grit“ ist nach „Ladykillers“ das zweite Remake, das die Coen-Brüder inszeniert haben, gleichzeitig der zweite (Neo-)Western nach „No Country For Old Men“. Doch geht die Adaption von Henry Hathaways „Der Marshall“ aus dem Jahre 1969 einen gänzlich anderen Weg und stellt einen ganz klassischen Beitrag zum Genre dar, bei dem der versoffene Marshall Reuben Cogburn (Jeff Bridges) von der 14-jährigen Mattie Ross (Hailee Steinfeld) angeheuert wird, Tom Chaney (Josh Brolin), den Mörder ihres Vaters, seiner gerechten Strafe zuzuführen. Ebenso wie Cogburn ist auch Texasranger LaBoeuf (Matt Damon) vom hohen Kopfgeld angetrieben, Chaney zur Strecke zu bringen …

„Die Coens konzentrieren sich auf das Spannungsfeld zwischen den drei Charakteren, inszenieren ein beklemmendes Kammerspiel in der freien Natur. Der Kameramann Roger Deakins hat sein Auge für die Unerbittlichkeit der Landschaft bereits in Jim Jarmuschs Western 'Dead Man' bewiesen. In' True Grit' folgt er Mattie, Cogburn und LaBoeuf auf ihrer langwierigen, mühsamen Hatz durch die winterliche Einöde (…) Die Coen-Brüder haben die literarische Vorlage von 'True Grit' mit protestantischem Eifer von allen Schnörkeln befreit und deren Irrwitz noch zugespitzt. Ihr Western ist nun selbst zu einer Ikone geworden: Mit seinen religiösen Bezügen, den Anspielungen auf das Ende einer Ära und den skurrilen Charakteren ist er näher an der puritanischen Wild-West-Darstellung des erfolgreichen Computerspiels 'Red Dead Redemption' als an den Genre-Klassikern. Und damit moderner denn je“, meint Jessica Braun in der Zeit.
Auf jeden Fall zählen die Coens zu den wenigen Autorenfilmern in Hollywood, schreiben sie doch stets gemeinsam das Drehbuch, lassen ihre Filme auf wundervolle Weise von Roger Deakins fotografieren und zumeist von Carter Burwell musikalisch untermalen. Mittlerweile ist es für Schauspieler ebenso prestigeträchtig, in einem Film der Coen-Brüder mitzuwirken wie in einem von Woody Allen. Dabei sind Hochkaräter wie John Goodman, George Clooney, Frances McDormand, Steve Buscemi und Jeff Daniels immer mal wieder in einem dieser Coen-Filme zu sehen, deren einzigartige Charaktere und starke Dialoge ihr Markenzeichen sind. Die üblichen Konventionen des Genres, auch literarische Vorlagen werden gern aufgegriffen, aber stets auf Coen-typische Weise kunstvoll verfremdet, wobei sich Humor und Anspruch nicht in die Quere kommen müssen. Das beweisen Joen und Ethan Coen mit jedem Film aufs Neue.

Filmographie:
1984: Blood Simple
1987: Arizona Junior (Raising Arizona)
1990: Miller’s Crossing
1991: Barton Fink
1994: Hudsucker – Der große Sprung (The Hudsucker Proxy)
1996: Fargo
1998: The Big Lebowski
2000: O Brother, Where Art Thou?
2001: The Man Who Wasn’t There
2003: Ein (un)möglicher Härtefall (Intolerable Cruelty)
2004: Ladykillers
2006: Paris, je t’aime (Episode)
2007: No Country for Old Men
2008: Burn After Reading
2009: A Serious Man
2010: True Grit

Playlist:
1 Carter Burwell - A Turkey Shoot (True Grit) - 03:05
2 Carter Burwell - Chain Gang (Blood Simple) - 04:47
3 Carter Burwell - Delivery (Fargo) - 04:54
4 Carter Burwell - Raising Ukeleles (Raising Arizona) - 03:40
5 Carter Burwell - Fade Out – The End (Barton Fink) - 03:36
6 Carter Burwell - Norville Suite (The Hudsucker Proxy) -03:54
7 Carter Burwell - Blood Trail Edit (No Country For Old Men) - 03:55
8 Carter Burwell - Baroque Troubles (The Ladykillers) - 02:29
9 The Soggy Bottom Boys - I'm A Man Of Constant Sorrow (O' Brother Where Art Thou?) - 03:13
10 Kenny Rogers & The First Edition - Just Dropped In (The Big Lebowski) - 03:20
11 Elvis Presley - Suspicious Minds (Intolerable Cruelty) - 04:33
12 Carter Burwell - Breaking And Entering (Burn After Reading) - 03:41
13 Carter Burwell - The Trial Of Ed Crane (The Man Who Wasn't There) - 03:48
14 Carter Burwell - End Titles (Miller's Crossing) - 04:44

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