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Sonntag, 14. Februar 2010

Angelo Badalamenti (Teil 2) - Die Zusammenarbeit mit David Lynch

Mit der fruchtbaren Zusammenarbeit bei BLUE VELVET wurde schließlich eine magisch funktionierende Beziehung zwischen David Lynch und Angelo Badalamenti geknüpft, die bis heute für beide Parteien eine ganz besondere Bedeutung besitzt.
"David kennt sich mit Gefühlen sehr gut aus. Er beschreibt Stimmungen, die einen auf eine dunkle, wunderschöne Art und Weise berühren. Zunächst war es schwierig, mit David zusammenzuarbeiten, gar nicht mal so bei BLUE VELVET. Das war kein Problem. Aber danach z.B. bei TWIN PEAKS. Grundsätzlich kann ich das. Man muss mir nur einige Worte sagen, und aus irgendeinem Grunde bin ich in der Lage, sie in Musik zu übersetzen."

 David Lynch beschrieb die Zusammenarbeit mit seinem Hauskomponisten einmal so:
"Angelo Badalamenti hat mich mit der Welt der Musik vertraut gemacht. Er schreibt die Musik und ich die Texte. Wir unterhalten uns über die Atmosphäre, die Worte beeinflussen die Melodie und umgekehrt. Das zählt zu den glücklichsten Erfahrungen, die ich in meinem Leben gemacht habe. Es war, als bliebe die Zeit stehen. All diese Tätigkeiten - das Schreiben des Drehbuchs, die Regie, die Musik - hängen für mich zusammen, und jede davon liefert mir Ideen für die anderen. Aus der Arbeit an der Musik ziehe ich Inspiration für die Regie."*
Nach dem auch in musikalischer Hinsicht erfolgreichen Film BLUE VELVET hatte nicht nur David Lynch seinen Flop mit DUNE überwunden, auch Angelo Badalamenti musste sich einen Agenten nehmen, um dem steigenden Interesse an seiner Musik für zukünftige Filmprojekte gerecht werden zu können. Zunächst nahm Badalamenti alles an, was ihm an Angeboten offeriert wurde. Das erste Skript, das ihm nach BLUE VELVET auf den Schreibtisch kam, war das Sequel DREAM WARRIORS, das Chuck Russell 1987 in der NIGHTMARE ON ELM STREET-Reihe drehte. Im Nachhinein scheint Angelo Badalamenti mit der Entscheidung, diesen elektronischen Horror-Score produziert zu haben, nicht mehr ganz glücklich zu sein.
"Um ehrlich zu sein, fiel dieser Score in die Frühphase meiner Filmarbeiten. Es war ein völlig anderer Film als BLUE VELVET, und ich übernahm ihn, weil es nach dem großartigen Erfolg von BLUE VELVET unmittelbar danach der erste war, der mir von meinem Agenten angeboten wurde. Es war eine ganz andere Art von Film für mich, und ich nahm die Herausforderung an, um auch mehr Erfahrung im Komponieren zu bekommen. Die Herausforderung bestand für mich in der völlig anderen Musik, die ich schreiben musste, und sie funktionierte gut im Film. Jeder war damit glücklich."
Bis zur nächsten Zusammenarbeit mit David Lynch, der Fernsehserie TWIN PEAKS, - und danach - arbeitete Badalamenti mit unterschiedlichen Regisseuren zusammen, komponierte die Scores für John Hancocks WEEDS („Der stählerne Vorhang“, 1987), Norman Mailers TOUGH GUYS DON´T DANCE („Harte Männer tanzen nicht“, 1987), Joel Schumachers COUSINS („Seitensprünge“, 1989), Jeremiah Chechiks NATIONAL LAMPOON´S CHRISTMAS VACATION („Schöne Bescherung“, 1989), Dominique Derudderes WAIT UNTIL SPRING, BANDINI („Warte bis zum Frühling, Bandini“, 1990) und Paul Schraders THE COMFORT OF STRANGERS („Der Trost von Fremden“, 1990), wobei er fast immer die Erfahrung machte, dass die Regisseure auf sehr abstrakte Weise mit ihm über die Musik gesprochen haben.
"Ich habe noch keinen Regisseur getroffen, der mit mir in musikalischen Termini über die Musik sprach, bis auf John Hancock, mit dem ich WEEDS machte. Aber der hat auch einen Master Degree in Music. Die anderen Regisseure sprechen nicht über Musik, sondern über Emotionen. Und das ist das Problem, weil Musik eine sehr nebulöse Sache ist, der man mit seinem Instinkt begegnet. Man versucht zu verstehen, wonach der Regisseur Ausschau hält, was die Musik in dem Film leisten soll."
Mit der 1989 begonnenen Fernsehserie TWIN PEAKS kamen David Lynch und Angelo Badalamenti erneut zusammen, und der Komponist beschreibt, wie diesmal die Zusammenarbeit vor sich ging.
"David beschrieb die Stimmungen für TWIN PEAKS: `Wir sind in den dunklen Wäldern, der Wind weht sehr mild, und außerhalb des Waldes erscheint dem wunderschönen jungen Mädchen eine Vision, und die Dunkelheit wandelt sich zu einer betörenden Melodie um, die einen Höhepunkt erreicht, abschwillt und wieder in den dunklen Wäldern verschwindet.´ Allein mit dieser Beschreibung setzte ich mich ans Keyboard, während David neben mir saß, und spielte ihm die ganze Einführung und das LAURA PALMER THEME vor, Note für Note, allein auf seinen Worten basierend. Er sprach sehr langsam und weich, was eine Inspiration für mich war, und ich verstand, um was für eine Welt es sich handelte. Als David es hörte, meinte er, das wäre es. Ich hätte gerade eines der wichtigsten Themen für die ganze Serie komponiert. Das war der Grundstein für unsere wahre Beziehung, dass wir uns einander verstanden. Ich war in der Lage, die Musik zu schreiben, die seinen Visionen entsprach."

Einen wichtigen Beitrag zur erneut hypnotischen, überwiegend sphärisch-elektronischen Musik lieferte einmal mehr Julee Cruise, die die von Angelo Badalamenti (Musik) und David Lynch (Text) geschriebenen Songs THE NIGHTINGALE, INTO THE NIGHT, FALLING, THE WORLD SPINS und ROCKIN´BACK INSIDE MY HEART interpretierte, die in der Kultserie zum Einsatz kamen und vom Julee-Cruise-Album FLOATING INTO THE NIGHT stammten, das Badalamenti und Lynch für die Sängerin schrieben und produzierten. Doch im Gegensatz zu der häufigen Praxis, Songs im Film einzusetzen, um das Soundtrackalbum besser verkaufen zu können, das wiederum für den Film wirbt, haben Songs in David Lynchs Filmen eine ganz eindeutige dramaturgische Funktion.
"Die Musik hat immer einen Bezug zu der Unschuld in solchen Szenen. Sie arbeitet immer gegen das, was eigentlich tatsächlich passiert. Insofern spielt sie eine enorm wichtige Rolle. Ich denke, wir beide, David und ich, arbeiten musikalisch gern gegen das, was zu sehen ist. Das beste Beispiel dafür ist eine Szene in TWIN PEAKS, wo in einer ziemlich schäbigen Roadhouse-Bar, in der mit Whisky, Drogen und Prostitution gehandelt wird, ein Mädchen mit wundervoller, sanfter, langsamer Stimme den Song THE WORLD SPINS singt. Bei all den Konflikten, der Gewalt und Rohheit ist diese Musik der totale Gegensatz zu dem, was gerade vorgeht. Für mich ist das sehr aussagekräftig, weil es die Gegensätze, die Positionen deutlich macht."

Die Musik für TWIN PEAKS und auch für den anschließenden Kinofilm TWIN PEAKS: FIRE WALK WITH ME wurde fast so bekannt wie die Serie selbst und von Auszeichnungen und Nominierungen nur so überhäuft, nachdem Angelo Badalamenti zuvor gerade mal mit dem Anthony Asquith Award für THE COMFORT OF STRANGERS ausgezeichnet worden war.
Für das berühmte TWIN PEAKS THEME erhielt Badalamenti in der Kategorie "Pop Instrumental" den Grammy sowie eine Grammy Nominierung für den gesamten Score in der Kategorie "Instrumental Composition, Film or Television". Dagegen wurde TWIN PEAKS zwar in drei Sparten - Underscore, Theme, Music & Lyrics - für den Emmy nominiert, gewann aber keinen einzigen davon.
"Ich gewann einen Grammy für das Thema von TWIN PEAKS, was großartig war, aber es gab drei Emmy-Nominierungen im gleichen Jahr für TWIN PEAKS. Jeder in Amerika sprach über die Musik von TWIN PEAKS. Ich habe in einem Interview mit David Lynch gelesen, dass er auf die Frage, was TWIN PEAKS ausmache, antwortete: die Musik. Ich bekam also drei Nominierungen, und jeder dachte, TWIN PEAKS würde gewinnen. Was passierte, war, dass TWIN PEAKS nicht gewann. Ich sagte mir, dass die Dinge manchmal so laufen, fand aber später heraus, dass im Falle wie dem Emmy die Jury nur einer gewissen Sparte, nämlich dem Business, angehörte und nicht die gesamte Bevölkerung repräsentierte wie beim Grammy. Das war das einzige Mal, wo ich etwas enttäuscht wurde, weil es das einzige Mal war, wo die Entscheidung der Jury nicht der Meinung der breiten Bevölkerung entsprach. Ich weiß nicht, wie es beim Oscar funktioniert. Man versucht immer nur sein Bestes. Um ehrlich zu sein, hatte ich auch nie den kommerziellen Erfolg, den man benötigt, um eine solche Nominierung zu erhalten. Ich bin deshalb auch nicht besonders traurig, sondern fühle mich geehrt, dass ich mit einigen meiner Projekte meinen Anteil daran erhalten habe."
So wurde Badalamentis Musik für TWIN PEAKS: FIRE WALK WITH ME mit dem Saturn Award und dem Independent Spirit Award ausgezeichnet. Davor schrieb Badalamenti den Score zu David Lynchs WILD AT HEART (1990), wobei der Umstand, dass Lynch für den Soundtrack Songs wie BLUE SPANISH SKY, UP IN FLAMES und LOVE ME TENDER verwenden wollte, auch Badalamentis schwülen, spanisch kolorierten Kompositionen beeinflusste, während er sich bei reinen Score-Alben ziemlich frei entfalten kann.
"In den meisten Fällen habe ich nur das Scoring gemacht, und da war ich nicht durch irgendetwas beeinflusst. Wenn Musik einer bestimmten Zeit angehört, so wie in WILD AT HEART, wo die Musik einen 50er-Jahre-Flair hatte und verschiedene Platten benutzt wurden, dann habe ich einige Cues geschrieben, die einen ähnlichen Sound hatten, um die Integrität der Epoche zu bewahren. Das übte natürlich einen Einfluss auf die Musik aus. Aber ich denke da nicht an den Soundtrack. Das ist nur ein Nebenaspekt. Das, was man für den Film tun kann, ist das Wichtigste, woran man denkt. Gelegentlich nutze ich die Möglichkeit, wenn es die Zeit erlaubt und ich an den zu veröffentlichenden Soundtrack denke, bei einer Aufnahme-Session Cues von 50 Sekunden oder einminütiger Länge, die schwer aneinanderzureihen sind, zu einem Cue aus Themen zusammenzufassen.
Wenn ich am Ende der Film-Session also noch Zeit habe, nehme ich die vier- oder sechsminütigen Stücke auf, die nicht für den Film geschrieben wurden, aber von ihm stammen und für das Soundtrackalbum verwendet werden können. Das funktioniert auf einem Album sehr gut und ist besser als die Aneinanderreihung von kurzen Cues."
In der Regel ist Angelo Badalamenti allerdings nicht gut auf die Praxis zu sprechen, Filme mit Pop- und Rock-Songs musikalisch zu unterlegen, vor allem, weil es die Möglichkeit des Komponisten zu sehr einschränkt.
"Wenn ein Regisseur mit 15 Platten ankommt, die er in seinem Film benutzen will, fragt man sich natürlich, wozu er noch einen Komponisten benötigt. Wenn der Komponist nur noch für das Underscoring einiger weniger Szenen eingesetzt wird, ist er natürlich in seinen Möglichkeiten eingeschränkt, aber das passiert immer öfter, weil der Soundtrack hilft, den Film zu promoten. Regisseure schauen danach, was die Songs, die sie lieben, für ihre Filme tun können, wenn sie in die Zeit passen, in der der Film spielt, oder ein bestimmtes Gefühl wiedergeben, das sie suchen. Aber als Komponist sucht man immer nach Projekten, die einem erlauben, das zu tun, was man möchte."
Dass Badalamenti bei Daniel Algrants NAKED IN NEW YORK eine Ausnahme machte, hatte persönliche Gründe.
"Der einzige Grund, warum ich NAKED IN NEW YORK gemacht habe, war, weil Martin Scorsese mich gefragt hat, als wir uns auf einer Party getroffen haben. Martin produzierte den Film, den ein junger Regisseur drehte, von dem Martin viel hielt, und ich liebte das, was ich auf dem Video sah. Aber der Regisseur nutzte das Budget für eine Reihe von Songs aus einer bestimmten Zeit. Anstatt also beispielsweise 50 Minuten an Musik zu komponieren, schrieb ich nur 22 Minuten. Aber selbst bei 22 Minuten versucht man, seinen eigenen Sound zu kreieren, wie immer er auch für das jeweilige Projekt aussehen mag. Und das bedeutet an und für sich schon eine Herausforderung. Zum jetzigen Zeitpunkt meines Lebens und meiner Karriere suche ich nach aufregenden Projekten. CITY OF LOST CHILDREN war eine solche Möglichkeit. Ich liebe den Film, und ich liebe jede Minute des 55minütigen Scores. Er erlaubte mir, mich auf eine andere Weise auszudrücken. Er zeigt mich von einer anderen Seite. Ich möchte ja auch nicht auf einen bestimmten Stil festgelegt werden, sondern mag es, viele Gesichter zu haben. CITY OF LOST CHILDREN brachte mich zurück zu der Zeit, als ich als Songwriter anfing. Der Score brauchte eine Art von kontinentaler Melodie, aber nicht so geradlinig. Zum Beispiel gab es in CITY OF LOST CHILDREN einen Orgelspieler, der einen Flohzirkus unterhielt und eine kontinentale Melodie spielte, die besessen, repetitiv, off-center und dissonanter wurde, aufregender. Der Film war ideal für mich, weil er es mir ermöglichte, mich musikalisch voll zu entfalten."

Die mit " * " gekennzeichneten Zitate von David Lynch sind dem Buch "David Lynch - Die dunkle Seite der Seele" von Robert Fischer (Heyne Filmbibliothek, 1993) entnommen. Darin werden auch Angelo Badalamenti, Julee Cruise und die Performance "Industrial Symphony No. 1" vorgestellt, die Badalamenti, Lynch und Cruise 1989 im Rahmen des Festivals "New Music America" aufführten.

Angelo Badalamenti (Teil 3) - Das gewisse Etwas

Angelo Badalamenti ist wie viele seiner Kollegen auch dafür bekannt, Synthesizer mit Orchester zu verbinden. Das hat gar nicht mal mit Budgetbeschränkungen zu tun, sondern entspricht einer generellen Vorliebe des Komponisten.
"Ich mag den Sound von bestimmten Synthesizer-Sachen. Ich liebe es, Synthesizer-Streicher mit Orchester-Streichern zu verbinden, die ich auf die Synthi-Streicher lege. Ich liebe Streicher vor allem im unteren und mittleren Register, um mit ihnen eine gewisse Stimmung zu erzeugen, die in Verbindung mit den Synthesizern einfach wundervoll klingen. Wenn ich darüber ein Cello lege und es auf eine bestimmte Weise abmische, erhalte ich genau den Sound, nach dem ich Ausschau gehalten habe."

Nichtsdestotrotz spielt das Budget auch für Badalamenti generell eine Rolle bei dem, was er musikalisch für einen Film tun kann.
"Das Budget ist sehr wichtig und etwas, mit dem ich oft Probleme habe. Wenn man etwas für ein großes Studio macht - ich habe COUSINS für Paramount gemacht -, bekommst du, was immer du an Geld brauchst. Wenn jeder mit dem Film zufrieden ist und mit der Musik, kann man ein 70- oder 80köpfiges Orchester verlangen. Das gleiche passierte mit NATIONAL LAMPOON´S CHRISTMAS VACATION mit Chevy Chase für Warner Bros., einem 100-Millionen-Dollar-Film. Niemand möchte natürlich zu viel Geld ausgeben, aber wenn man um ein 80köpfiges Orchester bittet, wird man nicht Nein sagen, weil sie das Beste für den Film wollen. Wenn man also mit einem Major Studio arbeitet und die Dinge gut laufen, ist das Budget kein Problem. Wenn man auf der anderen Seite mit Independent-Firmen arbeitet, von denen es heutzutage so viele gibt, steht nicht das große Budget zur Verfügung. BLUE VELVET ist ein Beispiel dafür, THE COMFORT OF STRANGERS von Paul Schrader oder CITY OF LOST CHILDREN, eine französische Produktion, die das diesjährige Cannes-Festival eröffnet, und TOUGH GUYS DON´T DANCE für Cannon Films. Es waren zwar große Firmen, aber eben nicht Paramount, Warner oder Disney. Man bat mich um einen Synthesizer-Score, was ich auch machte, aber ich wollte gerne darum herum mit einem kleinen Orchester arbeiten, dass es besser klingen würde. Ich flog also nach Prag, um dort zu Preisen, die sich das Studio leisten konnte, den Score zu orchestrieren. So war ich in der Lage, den Luxus eines Orchesters in Verbindung mit Synthesizern zu genießen, weil ich es liebe, beide Welten zu benutzen. Es war eine Freude für mich, dort zu arbeiten. Ich kenne die Musiker, habe gerade mit 68 von ihnen CITY OF LOST CHILDREN dort eingespielt. Ich habe 55 Minuten Musik mit 48 Streichern eingespielt. Das ist wundervoll. Marianne Faithful singt den End Title."
Ein anderes Problem, mit dem heutzutage jeder Komponist konfrontiert wird, ist das Temptracken von Filmen, auch wenn sich Badalamenti bei seinem letzten Projekt, dem oben erwähnten neuen Film der DELICATESSEN-Regisseure Jean-Pierre Jeunet und Marc Caro, CITY OF LOST CHILDREN, ausnahmsweise nicht damit auseinandersetzen musste.
"Es ist die schlimmste Situation, mit der jeder Komponist umzugehen hat. Jeder Regissseur, Produzent und alle, die die Temp Tracks hören, selbst wenn es die schlechteste Musik ist, gewöhnen sich an sie, wenn man sie oft genug hört. Wenn man den Film zusammen mit den Temp Tracks hundertmal sieht, wird die menschliche Natur ihn lieben. Wenn man eine Lüge oft genug erzählt, glaubt man ihr. Wenn man als Komponist das erste Mal einen Film mit Temp Tracks sieht, denkt man, das ist ja schrecklich, aber die Regisseure und Produzenten lieben es. Das kann ein großes Problem werden. Du kannst großartige Musik schreiben, aber es kann eine Weile dauern, bis sie die Musik als etwas Neues akzeptieren. Das ist ein Problem, mit dem alle Komponisten konfrontiert werden, und man muss lernen, damit umzugehen, und hartnäckig sein, dass sie der neuen Musik eine Chance einräumen.
Es hängt von der Persönlichkeit des Komponisten ab, wie er mit den Regisseuren umgeht, und auch als Komponist muss man sich einen offenen Verstand bewahren. Es ist manchmal eine Geben-und-Nehmen-Situation. Manchmal ist man gezwungen, einen Cue in einem ähnlichen Stil wie den Temp Track zu schreiben, aber man hofft immer, dass es nur gelegentlich passiert. Bei CITY OF LOST CHILDREN haben mir die Regisseure gesagt, dass ich alles machen könne, was mir gefällt. Das tat ich auch. Ich komponierte den gesamten Score in Amerika, traf die Regisseure nur einmal und spielte ihnen einige Themen vor, die ich für sie geschrieben habe, und sie sagten, fein, ich solle es einfach machen. Ich komponierte also den Score und nahm ihn mit einem Orchester auf. Das ist die beste Arbeitsbedingung, aber eine sehr rare. Denn in diesen Tagen ist nicht nur der Regisseur in einen Film involviert, sondern die Produzenten, Verleger und Vertriebe, und jeder steckt seine Nase in die Musik und hat seine Meinung über das, wie sie aussehen sollte. Der Komponist muss eine ganz spezielle Persönlichkeit haben, um all diese Dinge zu überwinden.
Vor einigen Jahren war das noch anders. Da war ein großer Regisseur der Boss. Große Regisseure sind auch heute noch der Boss. David Lynch ist ein Boss. Was immer David Lynch sagt, wird auch gemacht. Niemand redet ihm da rein. Martin Scorsese ist auch so jemand. Es gibt eine Handvoll solcher Regisseure, die solche Macht haben, aber das ist nicht bei 95% aller der Fall."
Neben diesem französischen Fantasy-Abenteuer komponierte Badalamenti die Musik für die Fernsehproduktion WITCH HUNT, die sein Freund Paul Schrader inszenierte. Aber auch für interessante Aufgaben im Werbe-, Pop- und Rockbereich nimmt Badalamenti, der schon für Leute wie Dusty Springfield, Liza Minelli, The Pet Shop Boys und Paul Mc Cartney orchestriert und arrangiert hat, Zeit.
"Wenn mich jemand fragt, ob ich das oder das machen würde, mache ich es, wenn ich glaube, dass ich der Sache etwas hinzufügen kann, meinen Sound oder mein Statement dazu. Deshalb fragt man ja nach mir, nach Angelo Badalamenti und nicht nach jemandem, der wie ein anderer klingt.
Ich denke, da ist ein gewisses Etwas, das ich beisteuern soll, oder sie wissen von meiner Arbeit. Die Pet Shop Boys haben mich engagiert, weil sie meine Welt gesucht haben, mit der sie arbeiten konnten. Bei Paul Mc Cartney war es das gleiche. Island Records riefen mich an, um mit Marianne Faithful zu arbeiten, um sie in Angelo Badalamentis Welt zu bringen. Man versucht immer sein Bestes."
In den letzten Jahren hat Angelo Badalamenti vor allem an verschiedenen Psycho-Horror-Produktionen gearbeitet, an Paul Schraders THE EXORCIST-Prequel DOMINION, an THE WICKER MAN und DARK WATER, aber auch romantische Stoffe wie Jeunets A VERY LONG ENGAGEMENT und THE EDGE OF LOVE zählen zu den bekannteren Werken des Komponisten.
„Es gibt einige Skripts auf meinem Schreibtisch, die ich durchgehen werde. Ich werde mehr Künstler produzieren. Es gibt immer viele Dinge zu tun, aber ich liebe die Idee, an verschiedenen Arten von Projekten zu arbeiten."

Filmographie
1973 - Gordon's War
1974 - Law and Disorder
1986 - Blue Velvet
1987 - A Nightmare on Elm Street 3: Dream Warriors
1987 - Tough Guys Don't Dance
1987 - Weeds
1989 - Cousins
1989 - National Lampoon's Christmas Vacation
1989 - Wait Until Spring, Bandini
1990 - Industrial Symphony No. 1: The Dream of the Brokenhearted (TV)
1990 - The Comfort of Strangers
1990 - Wild at Heart
1990/91 - "Twin Peaks" (30 Episoden)
1992 - "On the Air" (2 Episoden)
1992 - Cerimònia d'inauguració jocs olímpics Barcelona '92 (TV)
1992 - Twin Peaks: Fire Walk with Me
1993 - "Hotel Room" (3 Episoden)
1993 - Naked in New York
1994 - Witch Hunt (TV)
1995 - The City of Lost Children
1996 - "Profiler" (2 Episoden)
1997 - "Cracker" (TV-Serie)
1997 - Lost Highway
1997 - The Blood Oranges
1999 - Arlington Road
1999 - Forever Mine
1999 - Holy Smoke
1999 - Story of a Bad Boy
1999 - The Straight Story
2000 - A Piece of Eden
2000 - The Beach
2001 - Cet amour-là
2001 - Julie Johnson
2001 - Mulholland Drive
2001 - Suspended Animation
2002 - Auto Focus
2002 - Cabin Fever
2002 - Darkened Room
2002 - L'adversaire
2002 - Lathe of Heaven (TV)
2002 - Rabbits
2002 - Secretary
2003 - "Les liaisons dangereuses" (TV Mini-Serie)
2003 - Indoor Fireworks
2003 - Murder in Scottsdale (Video)
2003 - Resistance
2004 - A Very Long Engagement
2004 - Evilenko
2004 - Napola
2004 - Push
2005 - Dark Water
2005 - Dominion: Prequel to the Exorcist
2005 - Fahrenheit (Videospiel)
2006 - The Wicker Man
2008 - The Edge of Love
2009 - 44 Inch Chest
2009 - The Wait
2010 - Secrets of Love

Playlist # 26 vom 14.02.10 - ANGELO BADALAMENTI Special

Mit seinem hypnotischen Hauptthema für David Lynchs Kult-Mystery-Serie „Twin Peaks“ wurde Angelo Badalamenti 1989 mit einem Schlag weltberühmt. Bereits 1986 hat er erstmals mit Regisseur David Lynch an „Blue Velvet“ zusammengearbeitet. Eigentlich sollte er mit Hauptdarstellerin Isabella Rossellini nur den von ihr interpretierten Titelsong von Roy Orbinson einspielen, doch Lynch gefiel das Arrangement so gut, dass er Badalamenti sogleich für den gesamten Score des Films verpflichtete.
Daraus resultierte eine bis heute andauernde Freundschaft und Zusammenarbeit, die über „Wild at Heart“ (1990), „Lost Highway“ (1996) und „The Straight Story“ (1999) bis zu „Mulholland Drive“ (2001) führte. Auch mit dem französischen Filmmagier Jean-Pierre Jeunet verbindet Badalamenti eine enge Beziehung, die in den außergewöhnlichen Soundtracks zu „Die Stadt der verlorenen Kinder“ und „Mathilde – Eine große Liebe“ resultierte.
Darüber hinaus arbeitete er mit dem jungen Komponisten Nathan Barr an Eli Roth‘ Regiedebüt „Cabin Fever“ und mit den progressiven Electro-Acts Orbital an „The Beach“ und Tomandandy an „Arlington Road“. Doch seine Stärke liegt in den elegischen Melodien, die er für Dramen wie Joel Schumachers „Seitensprünge“, Paul Schraders „Der Trost von Fremden“ oder Jane Campions „Holy Smoke“ komponiert hat. Auch wenn Badalamenti zwischenzeitlich an Horrorfilmen wie „Dark Water“ und „The Wicker Man“ gewirkt hat, liegen seine Schwerpunkte wieder in dramatischen Filmen wie zuletzt „The Edge Of Love“ und „44 Inch Chest“ beweisen.
1 Angelo Badalamenti - Twin Peaks Theme (Twin Peaks) - 05:01
2 Angelo Badalamenti & Julee Cruise - Mysteries Of Love (Blue Velvet) - 04:22
3 Angelo Badalamenti - Laurens Walking (The Straight Story) - 04:11
4 Angelo Badalamenti - The Pink Room (Twin Peaks - Fire Walk With Me) - 04:05
5 Angelo Badalamenti - Brain's Birthday (The City Of Lost Children) - 03:13
6 Angelo Badalamenti - First Love Touch (A Very Long Engagement) - 03:55
7 Angelo Badalamenti - The Truth Is Out There (Arlington Road) - 03:10
8 Angelo Badalamenti - Mulholland Drive/Love Theme (Mulholland Drive) - 05:40
9 Angelo Badalamenti - Dub Driving (Lost Highway) - 03:42
10 Angelo Badalamenti - Killing Fields (The Beach) - 05:41
11 Angelo Badalamenti - Fire To The Stars (The Edge Of Love) - 04:25
12 Angelo Badalamenti - 44 Inch Chest (44 Inch Chest) - 03:59
13 Julee Cruise - The Voice Of Love (The Voice Of Love) - 03:15

Sonntag, 31. Januar 2010

Playlist # 25 vom 31.01.10 - HANS ZIMMER Special

Zurzeit ist Hans Zimmer mit gleich zwei seiner Arbeiten im Kino zu hören, mit dem Score zur Liebeskomödie “Wenn Liebe so einfach wäre”, den er mit Heitor Pereira produziert hat, und mit seiner interessanten Musik zu Guy Ritchies “Sherlock Holmes”-Verfilmung. Highlights aus den beiden Soundtrack-Alben bilden den Auftakt und Schlusspunkt des längst überfälligen Specials bei „Soundtrack Adventures“.
Aus dem umfangreichen Oeuvre des erfolgreichsten deutschen Hollywood-Komponisten gibt es außerdem vor allem viele ethnische Klänge zu hören, für die Hans Zimmer gerade in seinen frühen Jahren engagiert worden ist. Sie brachten ihm für „Rain Man“ 1989 auch eine erste Oscar-Nominierung ein, den er dann schließlich 1995 für das Disney-Meisterwerk „The Lion King“ auch erst- und einmalig gewann. Weitere Oscar-Nominierungen erhielt er für „Rendezvous mit einem Engel“ (1997), „Besser geht’s nicht“ (1998), „Der Prinz von Ägypten“ und „Der schmale Grat“ (beide 1999) sowie zuletzt für „Gladiator“ (2001).
1 Hans Zimmer & Heitor Pereira - No Regrets (It's Complicated) - 04:33
2 Hans Zimmer - End Title (A World Apart) - 04:55
3 Hans Zimmer - An Ecology of Mind (Millennium) - 04:32
4 Hans Zimmer - Instinct (Green Card) - 03:32
5 Hans Zimmer - Charlie Meets Raymond (Rain Man) - 04:01
6 Hans Zimmer - Under The Stars/Simba Is Alive (The Lion King) - 03:15
7 Hans Zimmer - Pedro And Blanca (Das Geisterhaus) - 09:50
8 Hans Zimmer - The Lagoon (Thin Red Line) - 08:36
9 Hans Zimmer & Klaus Badelt - The Wizard (The Pledge) - 04:05
10 Hans Zimmer - Idyll's End (The Last Samurai) - 06:41
11 Hans Zimmer - My Mind Rebels At Stagnation (Sherlock Holmes) - 04:31

Sonntag, 17. Januar 2010

Playlist # 24 vom 17.01.10 - Best of 2009 (Teil 2)

Während der erste Teil meines Rückblicks auf das vergangene Soundtrackjahr vor allem interessante Newcomer präsentierte, sind heute weitgehend sehr vertraute Namen mit ihren besten Scores aus 2009 zu hören. Den Anfang macht Rupert Gregson-Williams, der jüngere Bruder von Harry Gregson-Williams, der in der letzten Sendung mit seinem Score zu Tony Scotts „The Taking Of Pelham 123“ zu hören war. Rupert kreierte für den Fernsehfilm „The Prisoner“ einen vielseitigen, mit interessanten Rhythmen und Sounds versehenen Score, der aber durch sehr melodische Elemente besticht. Melodisch geht es auch weiter mit Aaron Zigmans einfühlsamer Musik zu „My Sister’s Keeper“ und Carter Burwell, der nicht nur den neuen Film der Coen-Brüder („A Serious Man“) vertonte, sondern auch die Leinwandadaption des Kinderbuchklassikers „Wo die wilden Kerle wohnen“.
Thomas Newman, ein Meister der ruhigen, aber auch unorthodoxen Klänge, hat mit „Brothers“ das Remake von Susanne Biers Film großartig vertont, und der umtriebige Christopher Young, dessen neuer Score zu Jon Amiels Biopic über Charles Darwin („Creation“) in diesen Tagen veröffentlicht wird, komponierte nicht nur zur Liebeskomödie „Love Happens“ die Musik, sondern auch zu „The Informers“ und zu den Horror-Thrillern „The Univited“ und Sam Raimis „Drag Me To Hell“.
Jim Dooley, der vor allem durch die Fernsehserie „Pushing Daisies“ bekannt geworden ist, sammelte bereits bei „When A Stranger Calls“ Thriller-Erfahrung, die ihm bei „Obsessed“ zugutekam. Sein Lehrer, Hans Zimmer, war auch wieder fleißig. Zusammen mit Heitor Pereira komponierte er die leichtfüßige Musik zu „It’s Complicated“, gemeinsam mit Omar Rodriguez schuf er den Score zum Drama „The Burning Plain“. In Eigenregie entstand die wuchtige Musik zu Ron Howards Verfilmung von Dan Browns Bestseller „Illuminati“ sowie jüngst die erneute Verfilmung von „Sherlock Holmes“, diesmal unter der Regie von Madonnas Ex-Ehemann Guy Ritchie.
Fleißig war im vergangenen Jahr auch Mark Isham. Er komponierte nicht nur die Musik zu Werner Herzogs neuem Film „Bad Lieutenant“, sondern u.a. auch zum Cop-Thriller „Crossing Over“. Der ehemalige Red-Hot-Chili-Peppers-Musiker Cliff Martinez überzeugte mit seinem wieder sehr elektronischen Score zum Thriller „Espion(s)“. Den Abschluss der heutigen Sendung bildet Michael Giacchino, der zunächst durch die Fernsehserien „Lost“ und „Alias“ bekannt geworden ist und deren Schöpfer J.J. Abrams Giacchino auch für den dritten „Mission: Impossible“-Film einsetzte. Im letzten Jahr ist Giacchino nicht nur mit der vierten Staffel von „Lost“ beschäftigt gewesen, sondern auch mit Disneys/Pixars Animationskomödie „Up“, dem Doku-Drama „Earth Days“ und der Neuverfilmung des Sci-Fi-Klassikers „Star Trek“.

1 Rupert Gregson-Williams - Lucy (The Prisoner) - 06:20
2 Aaron Zigman- Visiting Relatives (My Sister's Keeper) - 03:58
3 Carter Burwell - We Love You So (Where The Wild Things Are) - 04:40
4 Thomas Newman - What Happened (Brothers) - 04:43
5 Christopher Young - What was it is. What is, it's not. (The Informers) - 04:20
6 Christopher Young - The Screaming Bell (The Uninvited) - 04:44
7 Jim Dooley - A Present For Kyle (Obsessed) -04:18
8 Hans Zimmer - Black Smoke (Angels & Demons) - 05:45
9 Mark Isham - Naturalization (Crossing Over) - 05:42
10 Cliff Martinez - He's A Real Talker (Espion(s)) - 03:45
11 Michael Giacchino - Nice To Meld You (Star Trek) - 03:13
12 Michael Giacchino - Carl Goes Up (Up) - 03:33

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