Radio ZuSa

Sonntag, 10. April 2011

Playlist # 56 vom 10.04.11 (1) - CLIFF MARTINEZ Special

Cliff Martinez zählt zu den nicht wenigen Komponisten in Hollywood, deren musikalischer Hintergrund nicht unbedingt prädestiniert für eine Karriere in der Traumfabrik gewesen ist. Aber wie manche schicksalhafte Begegnungen es oft nach sich ziehen, gehört der am 5. Februar 1954 in der New Yorker Bronx geborene und in Ohio aufgewachsene Musiker mittlerweile zu den interessanteren Stimmen im Filmmusikzirkus.

© by Robert Mann
Momentan ist Martinez mit seinem elektronisch-groovenden Score zur Verfilmung des Michael-Connelly-Bestsellers „Der Mandant“ nicht nur im Kino zu erleben, sondern auch auf dem bei Lakeshore Records veröffentlichten Soundtrack ("The Lincoln Lawyer") zu hören.
Seine musikalische Karriere nahm 1976 ihren Anfang, als Martinez nach Kalifornien zog und den Höhepunkt der Punk-Bewegung aktiv miterlebte, indem er für die Weirdos, Lydia Lunch und Jim Thirlwell (Foetus) ebenso die Trommelstöcke schwang wie bei Dixies und den Red Hot Chili Peppers. Während er auf deren ersten beiden Alben mitwirkte, verbrachte er viel Zeit im Studio, um ausgiebig mit einer Sampling Drum Machine zu üben – einem Gerät, das nach Martinez‘ Verständnis das Potenzial einer ganzen Band in einer Box vereint.
Teilweise ist es seiner Nachforschung in den Vorteilen der Musiktechnologie zu verdanken, dass er das Leben eines Rock-Drummers für eine Karriere in der Filmmusik aufgab. Mit einer Tape-Collage von aggressiv-merkwürdigen Geräuschen, die einige seiner Freunde kreierten und die Martinez mit einem MIDI Percussion Controller bearbeitete, erhielt der Musiker die Möglichkeit, eine Episode von Paul Reubens TV-Serie „Pee-Wee’s Playhouse“ zu vertonen, was wiederum die Aufmerksamkeit von Steven Soderbergh fesselte. Er engagierte Martinez für den Soundtrack zu seinem 89er Debütfilm „Sex, Lügen und Video“, der eine neue Ära des Independent-Kinos einleitete.
„Steven mag generell keine Melodien zum Mitsingen. Er mag Wiederholung, klangliche Signaturen, die mit seinen Figuren verknüpft sind. Es kann eine Herausforderung sein, das hinzubekommen“, beschreibt Martinez die Zusammenarbeit mit Steven Soderbergh in Variety. Für das Episoden-Drama „Traffic“ schuf er gerade für die Szenen in Mexico auffallende Musik.
„Mexico verfügt über eine stärkere klangliche Identität als andere Orte in dem Film. Es ist vage exotisch, vage ethnisch. Und es gibt ein stärkeres rhythmisches Gespür. Steven gab den mexikanischen Szenen einen sehr auffallenden Look, was für mich der am meisten stilisierte Teil des Films war. Meine Musik verlieh den Szenen mehr Atmosphäre als Dramatik oder Emotion. Steven ermutigt sein Publikum nicht, indem er es füttert, sondern er lässt es seine eigenen Lösungen entwickeln. Zum Beispiel möchte er keine romantische Musik für romantische Szenen. Er möchte nicht, dass die Musik die emotionalen Aspekte eines Films auf traditionelle Weise erklärt.“
Und so entwickelte sich auch die Arbeit an dem Score zu „Traffic“ etwas unkonventioneller. Soderbergh wollte einen atmosphärischen Score und stattete den Film mit einem Temp Score von Brian Eno aus. Martinez war mit dieser Konstellation anfangs nicht sehr glücklich, aber sobald David Torn mit seiner Gitarre ein paar nützliche Texturen lieferte, war der Komponist begeistert. „Er produzierte einige erstaunliche Hintergründe, die irgendwo in der grauen Zone zwischen Musik und Sound Design lagen“, berichtete Martinez im Interview mit Film Score Monthly. „Jeff Rona trug auch etwas dazu bei, und ich denke, das Ergebnis war sehr erfolgreich. Die Musik klingt einfach, gab Steven aber das, was er als auffallende Abwesenheit der üblichen Komponenten von Musik beschreibt – Rhythmus, Harmonie und Melodie.“
Martinez hat etliche von Soderberghs Filmen musikalisch versorgt und dabei oft unkonventionelle Klänge kreiert, so das hämmernde Dulcimer bei „Kafka“, das verstörende Piano bei „The Limey“, die Symbiose aus Steel Drums und Ambient-Strukturen im Weltraum-Abenteuer „Solaris“, dessen Soundtrack gerade von La-La Land erneut veröffentlicht worden ist.
„Ich habe keine Ahnung, warum sich die Leute den Soundtrack noch immer anhören. Wahrscheinlich ist ‚Solaris‘ für mich das, was ‚Proud Mary‘ für John Fogerty ist. Es hört nicht auf, an unerwarteten Stellen wie Volkswagen- und Schuh-Werbespots aufzutauchen. Es war auf jeden Fall ein künstlerisches Wasserzeichen. Ich habe ein paar kleinere Orchester-Scores zuvor gemacht, aber ‚Solaris‘ war mein erster gigantischer Orchester-Score für ein Major Studio, 20th Century Fox. Ich weiß, dass er einer meiner besten Bemühungen ist, und ich frage mich noch immer, warum. Ich will damit nicht sagen, dass der Film problematisch war … jeder Film besitzt seine Herausforderungen, und ich denke, die Kunst des Musikschreibens, gerade für den Film, ist eine Art des Problemlösens“, erläutert Martinez im Interview mit Daniel Schweiger auf filmmusicmag.com. „‘Solaris‘ hatte viele Grundlagen abzudecken, Gott, Existenz, das Unendliche, Liebe, Tod, George Clooney etc. Viele Filme lassen nicht viel ungesagt, zu dem der Komponist einen Kommentar abgeben kann, und ich nehme an, dass ‚Solaris‘ einer der seltenen Filme gewesen ist, der der Musik recht viel Spielraum überließ.“
Kürzlich hat Cliff Martinez sogar zu zwei französischen Filmen die Musik beigesteuert, zu „Espion(s)“ und „À l’origine“.
„Beide Filme waren erstklassige Erfahrungen für mich, ohne dass ich nach Frankreich, französisch sprechen oder auch nur die Regisseure (Nicolas Saada und Xavier Giannoli) sprechen musste, als ich die Scores produzierte! Jedoch haben beide meinen Luftraum via Skype (in der Regel um 1 Uhr morgens) jede einzelne Nacht betreten, und es waren die intensivsten kreativen Zusammenarbeiten, die ich je mit Filmemachern hatte“, bekannte Cliff Martinez ebd.
„Beide waren sehr fordernd, artikulierend, einfallsreich und knapp in ihrer Kommunikation über Musik und es war mehr als eindrucksvoll, dass English ihre zweite Sprache gewesen ist. Ich kann natürlich nach meinen Erfahrungen mit diesen beiden Filmen kein generelles Urteil über das französische Kino fällen, aber beide Regisseure hatten einen enormen Respekt, großes Wissen und Verstehen der Hollywood-Tradition, aber sie verfügen auch über eine eigene Tradition, auf die sie sehr stolz sind und die ebenso einzigartig und tief ist wie alles, was wir hier haben.“
Mit seinem neuen Score zum Justiz-Thriller „Der Mandant“ vereint Martinez seine besten Fertigkeiten, verbindet ausgefeilte elektronische Arrangements mit ausgefallenen Percussion-Rhythmen.
„Meine Verwendung von Percussions hat sich lange vor ‚Lincoln Lawyer‘ herausgebildet, aber ich versuche stets, meinen Sound für jeden Film zu entwickeln und anzupassen. Die Verfeinerung zu meinem Ansatz für ‚Lincoln Lawyer‘ fiel vielleicht nicht so subtil aus, dass es mich in Aufregung versetzt hätte, aber ich begann die Metallophones wie die Steel Drums erstmals zu einem Stück aufeinanderzuschichten und zu kombinieren. Bei ‚Narc‘ begann ich eine Idee zu erforschen, bei der ich ‚rhythmi-tizing‘ Ambient-Texturen kreierte. Für ‚Lincoln Lawyer‘ fing ich damit an, Percussion-Performances zu triggern und die rhythmischen und tonalen Eigenschaften dieser Ambient-Texturen zu formen.“
Die Filmmusik zu „Der Mandant“ dokumentiert einmal mehr, dass Cliff Martinez zu den eigenwilligsten Komponisten in Hollywood zählt. Er wird sicher nicht für die großen Blockbuster engagiert, aber mit seinen zumeist sehr zurückhaltend eingesetzten, ruhigen Ambient-Scores leistet er wichtige Beiträge zu den dazugehörigen Filmen und seiner persönlichen Karriere.
„Natürlich will ich auch im Geschäft überleben, also versuche ich stets, mich anzupassen und normal zu sein. Ich denke, diese Einstellung und die musikalische Identität gehen Hand in Hand. Ich verfügte über ein Set an musikalischen Einflüssen, mit denen ich aufgewachsen bin. Ich habe Entscheidungen darüber getroffen, was ich für großartig und was ich für abscheulich hielt. Aber wenn du einmal den Fuß in die Tür bekommen hast, wirst du als Filmkomponist auch darüber definiert, mit welchen Leuten und an welchen Projekten du arbeitest. Bei meinen ersten Filmen war ich glücklich genug, mit Steven Soderbergh zu arbeiten, der ebenfalls eine eigensinnige Einstellung und Identität besitzt. Deshalb habe ich ihm viele meiner Scoring-Instinkte zu verdanken. Aber ich arbeite auch weiterhin an traditionellen Sachen. Ich versuche nur, mir hier einige Freunde zu machen.“

Diskographie:
1989: Sex, Lügen und Video (Sex, Lies, and Videotape)
1990: Hart auf Sendung (Pump up the Volume)
1991: Kafka
1992: Eine verhexte Affäre (Black Magic, TV)
1993: König der Murmelspieler (King of the Hill)
1995: Die Kehrseite der Medaille (Underneath)
1996: Gray's Anatomy
1996: Schizopolis
1998: Bad Girl – Mord ist keine Lösung (Wicked)
1999: The Limey
2000: Traffic – Macht des Kartells
2002: Narc
2002: Solaris
2003: Wonderland
2004: Sehnsüchtig (Wicker Park)
2005: Havoc
2006: First Snow
2008: Vice
2008: Stiletto
2009: Espion(s)
2009: Severe Clear
2009: À l’origine
2011: Der Mandant (The Lincoln Lawyer)
2011: Drive
2011: Contagion

Playlist:
1 Cliff Martinez - Track Him (The Lincoln Lawyer) - 03:05
2 Cliff Martinez - I'm Gonna Drawl (Sex, Lies, and Videotape) - 04:37
3 Cliff Martinez - The Green Head (The Underneath) - 02:55
4 Cliff Martinez - Mister and Mrs. Cliff (King Of The Hill) - 02:55
5 Cliff Martinez - Ajar (Wonderland) - 02:23
6 Cliff Martinez - The Intersection (Havoc) - 03:49
7 Cliff Martinez - Main Title (Wicked) - 02:59
8 Cliff Martinez - Eddie's Dead (Kafka) - 03:26
9 Cliff Martinez - La Cagaste (Traffic) - 02:56
10 Cliff Martinez - Girl In The Closet (Narc) - 03:28
11 Cliff Martinez - Don't Blow It (Solaris) - 03:35
12 Cliff Martinez - Canary Wharf (Espion(s)) - 03:27
13 Cliff Martinez - Lie Down & Die (First Snow) - 04:41
14 Cliff Martinez - Il Est Déjà Loin (A L'Origine) - 04:38
15 Cliff Martinez - How Does Reggie Tell It? (The Lincoln Lawyer) - 04:49

Soundtrack Adventures with CLIFF MARTINEZ by Dirk Hoffmann on Mixcloud

Playlist # 56 vom 10.04.11 (2) - SPAGHETTI WESTERN Special

Der Western ist so alt wie das Kino selbst und lebendig erzählte amerikanische Geschichte. In seiner Blütezeit zwischen 1910 und 1960 spielten die Western in der Zeit nach der Gründung der USA im Jahre 1776, meist in der Phase zwischen 1865 und 1890, als die Natur erobert, Siedlungen und Städte gebaut und Krieg gegen die Urbevölkerung, die Indianer, geführt wurden.

Doch mit der traumatischen Katastrophe des Vietnam-Kriegs neigte sich das nach wie vor bedeutendste Filmgenre seinem Ende zu. Als alle Geschichten erzählt zu sein schienen, lebte der Western allerdings in Europa und vor allem in Italien Anfang der 60er Jahre neu auf. Auch wenn hier schon vorher Western produziert wurden, legte schließlich Sergio Leone 1964 mit „Für eine Handvoll Dollar“ den Grundstein für den Erfolg des sogenannten Italo- bzw. „Spaghetti“-Western.
„Erst dieser Film ermöglichte und bestärkte eine Generation von Filmemachern, ihre Visionen von einem neuartigen Filmstil und einen erneuerten Western umzusetzen. Sie hatten den Mut, die klassischen Konventionen des Hollywood-Kinos hinter sich zu lassen und den größtenteils verklärenden und in erster Linie einseitig glorifizierenden, amerikanischen Filmen, ein künstlerisches, eigenständiges Subgenre entgegenzusetzen.
Somit stellte ‚Für eine Handvoll Dollar‘ den Anfang einer Reihe von Meisterwerken audio-visueller Kompositionskunst dar, zu dessen besten Vertretern u.a. ‚Zwei Glorreiche Halunken‘, ‚Navajo Joe‘, ‚Die Rechnung wird mit Blei bezahlt‘, ‚Blindman‘, ‚Spiel mir das Lied vom Tod‘ und ‚Adios Sabata‘ zählen, um nur einige der beeindruckendsten Werke zu nennen. Diese Filme zeichnen sich dadurch aus, dass sie die visuelle Erzählkunst, mittels außergewöhnlicher Bildkomposition und Kamera-Arbeit, wieder in den Mittelpunkt des Films rückten“, beschreibt Felix Hess auf seiner Website Italowestern.net die Anfänge des Genres. „Denkt man heute an Westernfilme, fallen fast jedem die typischen Szenen eines Duells ein: Leinwand-füllende Extreme-Close-ups von den eiskalten Augen der Protagonisten, deren stechende Blicke bedrohlicher erscheinen als ihre Colts, Over-Shoulder-Shots der Kontrahenten, Close-ups der sich langsam bewegenden Finger der Revolver-Hand über dem Halfter und eine dramatische, unvergessliche Musik.
Doch all diese Elemente stammen aus dem Italowestern und nicht aus dem Urgenre des amerikanischen Films, wie viele fälschlicherweise annehmen.“
Im Gegensatz zu den meist moralisierenden amerikanischen Western ging es bei den oft exzessiv gewalttätigen Italo-Western nicht mehr um soziale Konflikte, Kultivierung der Natur und Auseinandersetzung zwischen Indianern und Siedlern. In Sergio Leones wegweisender „Dollar“-Trilogie („Für eine Handvoll Dollar“ – 1964, „Für ein paar Dollar mehr“ – 1965, „Zwei glorreiche Halunken“ – 1966) geht es wie in vielen anderen Werken des Spaghetti-Westerns ums schnöde Geld oder Rache. Vor allem mit seinem Meisterwerk „Spiel mir das Lied vom Tod“ (1968) hat Sergio Leone gründlich mit den amerikanischen Western-Mythen aufgeräumt. Das beginnt mit der Besetzung der Hauptrolle mit Henry Fonda, der entgegen seinen amerikanischen Rollen als Bösewicht agiert, und dem frühzeitigen Ableben der amerikanischen Nebendarsteller – und geht weiter über die Handlung, die deutlich machen soll, auf welch schmutzige Weise die Zivilisation des Wilden Westens erfolgt ist.

Unmittelbar mit dem Erfolg des Films ist die berühmte Filmmusik von Ennio Morricone verbunden, der sich die Mühe machte, für jede Hauptfigur eine eigene Melodie zu komponieren. Mit diesem Soundtrack wurde Ennio Morricone nicht nur weltberühmt, sein Name war – sehr zu seinem Leidwesen – für immer mit dem Spaghetti-Western verknüpft, obwohl er gerade mal weniger als ein Zehntel seiner über vierhundert Filmmusiken für dieses Genre komponierte.
Ohnehin hat die Filmmusik im Italo-Western neue Wege eingeschlagen. Was Ennio Morricone mit seinen Werken für Leones „Dollar“-Trilogie eingeführt hat, sollte bald zum Erkennungsmerkmal von Soundtracks zu Spaghetti-Western werden. Im Gegensatz zu den oft pompösen Orchester-Arrangements amerikanischer Produktionen wurde hier das filmmusikalische Spektrum um experimentelle Arrangements und ungewöhnliche Instrumente wie E-Gitarre, Mundharmonika, Blockflöte, Peitschenschläge und menschliche Geräusche wie Pfeifen, ungewöhnliche Stimmen und Schreie ergänzt. Ennio Morricone schuf darüber hinaus – teilweise unter dem Pseudonym Leo Nichols - bemerkenswerte Filmmusiken für „Eine Pistole für Ringo“ (1965), „An seinen Stiefeln klebte Blut“ („Navajo Joe“, 1966), „Die Rechnung wird mit Blei bezahlt“ ("Da uomo a uomo", 1967), „Von Angesicht zu Angesicht“ ("Faccia a faccia", 1967), „Die gefürchteten Zwei“ ("Il mercenario", 1968), „Todesmelodie“ ("Giù la testa", 1971) und „Mein Name ist Nobody“ ("Il mio nome è Nessuno", 1973).
Zu den weiteren bekannten italienischen Komponisten, denen man immer wieder auch auf Spaghetti-Western-Compilations findet, zählen Ennio Morricones langjähriger Mitarbeiter Bruno Nicolai („100.000 Dollar für Ringo“ – 1965, „Sartana kommt“ – 1970), Luis Bacalov („Django“ und „Töte Amigo!“ – 1966, „Zwei Särge auf Bestellung“ – 1967), Carlo Savina („Django kennt kein Erbarmen“ – 1966, „Der Tod reitet mit“ – 1967, „Fünf blutige Stricke“ – 1968) und Riz Ortolani („Der Tod ritt dienstags“ – 1967, „An den Galgen, Bastardo“ - 1968).

Playlist: 
1 Ennio Morricone - L'Uomo Dell' Armonica (C'era Una Volta Il West - Spiel mir das Lied vom Tod) - 03:30
2 Ennio Morricone - Titoli (Per Un Pugno Di Dollari - Für eine Handvoll Dollar) - 02:58
3 Ennio Morricone - L'Estasi Dell' Oro (The Good, The Bad And The Ugly - Zwei glorreiche Halunken) - 03:25
4 Ennio Morricone - Main Titles (Una Pistola Per Ringo - Eine Pistole für Ringo) - 02:19
5 Bruno Nicolai - Ringo Come To Fight (100.000 Dollari Per Ringo - 100.000 Dollar für Ringo) - 02:30
6 Riz Ortolani - I Giorni Dell'Ira #3 (I Giorni Dell'Ira - Der Tod ritt dienstags) - 03:06
7 Luis Bacalov - Django (Django) - 02:54
8 Luis Bacalov - Titoli (Sugar Colt) - 02:25
9 Ennio Morricone - Main Title (Navajo Joe) - 02:48
10 Ennio Morricone - Mucchio Selvaggio (Il Mio Nome E' Nessumo - Mein Name ist Nobody) - 02:38
11 Ennio Morricone - Il Pinguino (Vamos A Matar, Companeros - Lasst uns töten, Campoaneros) - 02:59
12 Ennio Morricone - A Gringo Like Me (Gunfight At Red Sands) - 02:23
13 Luis Bacalov - Memories (Gold Of The Proud Ones) - 04:02
14 Ennio Morricone - From Man To Man (Death Rides A Horse) - 03:19
15 Luis Bacalov - Suite (A Man Called King) - 04:50
16 Ennio Morricone - I Figli Morti (Giu' La Testa - Todesmelodie) - 06:08
17 Ennio Morricone - Finale (C'era Una Volta Il West - Spiel mir das Lied vom Tod) - 04:08 

Soundtrack Adventures with SPAGHETTI WESTERNS at Radio ZuSa by Dirk Hoffmann on Mixcloud

Montag, 4. April 2011

Soundtrack Adventures - ab 10.04.2011 von 15 bis 17 Uhr!

Im Februar 2011 feierte meine Filmmusiksendung das zweijährige Jubiläum erstmals mit einer achtstündigen Sondersendung - nun geht es einen Schritt weiter: Da das Feuerwehrmagazin "Florian ZuSa" ab April nur noch zwei Stunden lang Sendung macht, darf ich fröhlich vermelden, dass es ab kommenden Sonntag, 10.04., immer zwei Stunden lang die "Soundtrack Adventures" auf Radio ZuSa zu hören gibt, und zwar auf den Frequenzen 95,5 für Lüneburg, 88,0 für Uelzen und 89,7 fürs Wendlang bzw. als Online-Stream auf www.zusa.de.

Mein besonderer Dank gilt meinem Musikredakteur Jürgen Engelhardt, herzliche Grüße gehen auch an Jürgen Kramer und meine beiden "Rauschzeit"-Kollegen Thedi und AtheB!

Sonntag, 27. März 2011

Playlist # 55 vom 27.03.11 - THOMAS NEWMAN Special

Seit seinem Score zu Sam Mendes‘ „Zeiten des Aufruhrs“ ist es etwas ruhig um Thomas Newman geworden, den am 20. Oktober 1955 in Los Angeles geborenen jüngsten Sohn des großen Hollywood-Komponisten Alfred Newman. Nun meldet er sich mit dem neuen Matt-Damon-Action-Drama „Der Plan“ zurück. Vor allem in den 90er Jahren hat Thomas Newman mit seinen gefühlvollen, einzigartig instrumentierten Scores zu Dramen wie „Grüne Tomaten“, „Der Pferdeflüsterer“, „The Green Mile“ oder „American Beauty“ auf sich aufmerksam und diverse Oscar®-Nominierungen einfahren können.

Nach zwei Jahren Studium an der University of Southern California, wo er unter anderem bei David Raksin in die Lehre ging, schloss er sein Studium in Yale mit einem Master in Music ab und spielte in Bands und am Theater. Er verbrachte einige Jahre als Keyboarder in der Rock-Band The Innocents und in der Avantgarde-Formation Tokyo 77. Da sein Onkel Lionel Newman dem Music Department von 20th Century Fox vorstand, als Thomas Newman die High School und das College besuchte, hatte er die Möglichkeit, John Williams zuzusehen, wie er die Soundtracks zu den Katastrophen-Filmen „The Towering Inferno“ und „The Poseidon Adventure“ dirigierte.
Seinen ersten eigenen Score produzierte Thomas Newman 1984 zu dem Film „Reckless“. Schon mit seinem nächsten Soundtrack, dem ethnisch groovenden Score zum Madonna-Film „Susan … verzweifelt gesucht“, gelang Newman ein Jahr später der Durchbruch als Filmkomponist. Nach diesen noch rein elektronisch geprägten Arbeiten ging Newman dazu über, elektronische Instrumente mit orchestralen Elementen zu verbinden, was in den beiden Projekten „The Lost Boys“ und „Unter Null“ (beide 1987) besonders gut zur Geltung kam.
„Ich interessiere mich für beide musikalische Welten und ich habe nie die eine über die andere gestellt. Ich hasse die Behauptung, elektronische Arrangements wären nur eine billige Art, Musik zu kreieren, und dass das Orchester der einzig wahre Ansatz sei, Filmmusik zu kreieren. Aber man kann diese Kritiker verstehen, weil Electronics dir erlauben, einfache Entscheidungen zu treffen. Jeder kann das. Aber während Synthesizer Dinge sind, die du hinter Sounds verstecken kannst, können sie auch an Stellen verwendet werden, an denen man sie nie erwarten würde“, meint Newman.
Nach weiteren kleineren Filmen wie „Getäuscht“, „Ferien zu dritt“ und „Cookie“ begann 1991 die Karriere für Thomas Newman so richtig anzulaufen, als er die Fanny Flagg-Verfilmung „Grüne Tomaten“ , Robert Altmans „The Player“ und den Al-Pacino-Film „Der Duft der Frauen“ mit außergewöhnlichen Scores vertonte. Mit seiner Fähigkeit, außergewöhnliche akustische Akzente mit einzigartigen elektronischen Klängen und orchestralen Arrangements zu verbinden, sicherte er sich die mehrjährige Zusammenarbeit mit Regisseuren wie Jon Avnet („Grüne Tomaten“, „Red Corner“, „Das Baumhaus“, „Aus nächster Nähe“), Gillian Armstrong („Betty und ihre Schwestern“, „Oscar and Lucinda“), Frank Darabont („Die Verurteilten“, „The Green Mile“), Martin Brest („Der Duft der Frauen“, „Meet Joe Black“) und Sam Mendes („Road To Perdition“, „American Beauty“, „Zeiten des Aufruhrs“).
„Mein Ansatz besteht in der Regel darin, vom Standpunkt einer Farbe zu beginnen, d.h. höre ich Woodwinds-Klänge oder höre ich reißende oder klingende Sounds, und dann versuche ich etwas aufzubauen. Ich beginne normalerweise mit Farben statt mit einer Melodie, und zwar weil ich an irgendeinem Punkt realisiere, dass ich ohnehin eine Melodie schreiben muss, also ist das eine Art Notwendigkeit, während Farben einfach eine Art Spaß sind, über die man nachdenken kann.. Was würde passieren, wenn ich dieses oder jenes mache, und was würde geschehen, wenn ich diese Art von Instrument benutze?“, beschreibt Thomas Newman seine Arbeitsweise im Newsletter der Editors Guild fest.
Neben seinen bemerkenswerten Arbeiten fürs Kino komponierte Thomas Newman auch Fernsehfilme („Those Secrets“, „Citizen Cohn“), steuerte Beiträge für Steven Spielbergs „Amazing Stories“ (die Weihnachtsfolge „Santa ´85“) und „Alfred Hitchcock Presents“ (die Episoden „A Human Interest Story“ und „The Creeper“) bei und komponierte die Themen für die TV-Serien „Boston Public“ und „Six Feet Under“.
Die meisten seiner Arbeiten sind zum Glück als Soundtrack-Alben erhältlich, oftmals allerdings auch nur als Song-Compilations, auf denen ein oder zwei Cues von Thomas Newman zu hören sind, der dieser Praxis mit gemischten Gefühlen gegenübersteht:
„Die Idee, zehn Sekunden eines Songs zu hören, so dass man ihn auf das Album packen kann, ruft bei mir echtes Augenrollen hervor. Ich fühle mich dann so, als sei ich manipuliert worden und ich verstehe die Marketing-Idee dahinter, und das macht nie Freude. Die andere Seite ist: wenn es gut ist, wirkt es großartig. Es gibt einige tolle Songs und sie funktionieren sicher gut in Filmen. Woody Allen hat immer sehr gut Source Music eingesetzt, und man bekommt ein Gespür dafür, dass es eine komfortable Art des musikalischen Hintergrunds des Territoriums abbildet, das er besetzen möchte.
Im Falle des Hank-Williams-Songs in ‚Die Verurteilten‘ – einer der Gefangenen liebt Hank Williams – ist es beispielsweise so, dass du den Song hörst und dir ein Lächeln ins Gesicht zaubert. Es ist wirklich wunderbar, und es sind Momente wie diese, bei denen ich denke, dass die Source Music in ‚Die Verurteilten‘ wunderschön ist. Ich dachte, es war absolut passend, und ich hatte kein Problem damit.“ (ebd.)
Thomas Newman wurde 1994 gleich für zwei Oscars® (zu „Betty und ihre Schwestern“ und „Die Verurteilten“) nominiert, im darauffolgenden Jahr noch einmal für „Entfesselte Helden“,1999 für seine Musik zu „American Beauty“, die ihm immerhin einen Grammy Award einbrachte, 2002 für „Road To Perdition“ und 2008 schließlich für das Disney-Abenteuer „Wall-E“. Auch wenn seine Hochzeit, die durch Meisterwerke wie „Road To Perdition“, „American Beauty“, „Engel in Amerika“, „Little Children“ und „Der Pferdeflüsterer“ gekennzeichnet ist, vorbei zu sein scheint, ist Thomas Newman immer wieder für eine berauschend schöne Filmmusik gut.
„Was ist eine Melodie? Es ist eine sehr abstrakte Sache geworden. Was versuche ich gerade hier? Was macht manches schön, was macht manches traurig? Ich erinnere mich, dass mich ein Lehrer mal gefragt hat, was Musik traurig macht. Was für eine brillante Frage. Seine Antwort lautete, dass es die physikalischen Qualitäten von etwas Traurigem annimmt. D.h. wenn sie traurig ist, dann bewegt sich die Melodie schrittweise. Sie tendiert dazu, langsamer zu werden, so wie man es ist, wenn man traurig ist; sie nimmt die körperlichen Charakteristika eines emotionalen Zustandes an. Etwas in der Musik klingelt und bringt dich zurück zu einer Erinnerung, die dir ein Gefühl entlockt. Ich denke, was so wundervoll an Musik ist, ist der Umstand, dass sie absolut abstrakt ist und so eine große biegsame, subjektive emotionale Reaktion hervorruft.“ (ebd.)
Filmographie:
1978: The Paper Chase (TV-Serie)
1984: Jung und rücksichtslos (Reckless)
1984: The Seduction of Gina (TV)
1984: Die Rache der Eierköpfe (Revenge of the Nerds)
1984: Speedway Trio (Grandview, U.S.A.)
1985: Der Verrückte mit dem Geigenkasten (The Man with One Red Shoe)
1985: Susan... verzweifelt gesucht (Desperately Seeking Susan)
1985: Mit Lippenstift und Eiscreme (Lipstick & Ice Cream)
1985: Was für ein Genie (Real Genius)
1985: Summer’s End
1986: Jumpin' Jack Flash
1986: Gung-Ho
1987: Unter Null (Less Than Zero)
1987: The Lost Boys
1987: Light of Day
1988: Great Outdoors – Ferien zu dritt (The Great Outdoors)
1988: Der Prinz von Pennsylvania (The Prince of Pennsylvania)
1989: Cookie
1990: Ein Mädchen namens Dinky (Welcome Home, Roxy Carmichael)
1990: Against the Law (TV)
1990: Verrückte Zeiten (Men Don’t Leave)
1990: Heatwave (TV)
1990: Rhythm Nation 1814
1990: Nackter Tango (Naked Tango)
1991: Kevins Cousin allein im Supermarkt (Career Opportunities)
1991: Grüne Tomaten (Fried Green Tomatoes)
1991: Houdini & Company - Der Geist des Magiers (The Linguini Incident)
1991: Getäuscht (Deceived)
1991: Dunkle Erleuchtung (The Rapture)
1992: Those Secrets (TV)
1992: The Player
1992: Der Duft der Frauen (Scent of a Woman)
1992: Stimmen im Dunkel (Whispers In The Dark)
1992: Citizen Cohn - Handlanger des Todes (TV)
1993: Josh and S.A.M.
1993: Flesh and Bone
1994: Die Verurteilten (The Shawshank Redemption)
1994: Betty und ihre Schwestern (Little Women)
1994: Einsam Zweisam Dreisam (Threesome)
1994: Das Baumhaus (The War)
1994: The Favor – Hilfe, meine Frau ist verliebt! (The Favor)
1995: Entfesselte Helden (Unstrung Heroes)
1995: Ein amerikanischer Quilt (How to Make an American Quilt)
1996: Larry Flynt – Die nackte Wahrheit (The People vs. Larry Flynt)
1996: Aus nächster Nähe (Up Close & Personal)
1996: Phenomenon – Das Unmögliche wird wahr
1996: American Buffalo – Das Glück liegt auf der Straße (American Buffalo)
1997: Oscar und Lucinda (Oscar and Lucinda)
1997: Red Corner – Labyrinth ohne Ausweg (Red Corner)
1997: Mad City
1998: Der Pferdeflüsterer (The Horse Whisperer)
1998: Rendezvous mit Joe Black (Meet Joe Black)
1999: American Beauty
1999: The Green Mile
2000: Erin Brockovich
2000: Das Glücksprinzip (Pay It Forward)
2000: Boston Public (TV)
2000: My Khmer Heart
2001: Six Feet Under – Gestorben wird immer (Six Feet Under) (TV-Serie)
2001: In the Bedroom
2002: Road to Perdition
2002: Weißer Oleander (White Oleander)
2002: The Salton Sea – Die Zeit der Rache
2002: The Execution of Wanda Jean
2003: Findet Nemo (Finding Nemo)
2003: Angels in America (TV)
2004: Lemony Snicket – Rätselhafte Ereignisse (Lemony Snicket's – A Series of Unfortunate Events)
2005: Das Comeback (Cinderella Man)
2005: La femme dans la chambre
2005: Jarhead – Willkommen im Dreck (Jarhead)
2006: The Good German – In den Ruinen von Berlin (The Good German)
2006: Little Children
2007: Nothing Is Private
2008: Wall-E
2008: Zeiten des Aufruhrs (Revolutionary Road)
2009: Autumn of Youth
2009: Brothers
2010: The Debt
2010: La siesta de Jacinto
2011: Der Plan (The Adjustment Bureau)

Playlist:
1 Thomas Newman - Elise (The Adjustment Bureau) - 03:27
2 Thomas Newman - Leave Atlantic City (Desperately Seeking Susan) - 02:33
3 Thomas Newman - Refrigerator Shrine (Welcome Home, Roxy Carmichael) - 02:36
4 Thomas Newman - Wallpaper (Fried Green Potatoes) - 01:30
5 Thomas Newman - Sisters (The Shawshank Redemption) - 01:18
6 Thomas Newman - Spring (Little Women) - 00:57
7 Thomas Newman - The High Downs and the Sea (Oscar and Lucinda) - 01:52
8 Thomas Newman - Black (Red Corner) - 04:50
9 Thomas Newman - The Rhythm of the Horse (The Horse Whisperer) - 03:14
10 Thomas Newman - Whisper of a Thrill (Meet Joe Black) - 05:43
11 Thomas Newman - Still Dead (American Beauty) - 02:46
12 Thomas Newman - Coffey On The Mile (The Green Mile) - 05:10
13 Thomas Newman - Rain Hammers (Road To Perdition) - 02:51
14 Thomas Newman - Unrealistic (Revolutionary Road) - 02:49
15 Thomas Newman - Mauve Antarctica (Angels In America) - 04:47
16 Thomas Newman - End Title (Little Children) - 07:40

Sonntag, 13. März 2011

Playlist # 54 vom 13.03.11 - TRENT REZNOR + ATTICUS ROSS Special

Zu den großen Überraschungen der jüngsten Oscar®-Verleihung zählte sicher der Academy Award® in der Kategorie „Music Score“: Dass Neulinge im Filmgeschäft wie Trent Reznor und Atticus Ross mit ihrem Soundtrack, den sie für David Finchers Portrait des Facebook-Gründers Mark Zuckerberg, „The Social Network“, kreierten, sogar preisgekrönte Veteranen wie Alexandre Desplat, John Powell und Hans Zimmer hinter sich ließen, war so bestimmt nicht vorauszusehen.
Atticus Ross und Trent Reznor
So ganz unbekannt sind die beiden Oscar®-Gewinner in der Filmbranche allerdings auch nicht. Atticus Ross machte erst kürzlich mit seinem ethnisch angehauchten, rhythmisch-eindringlichen Score zum Endzeit-Drama „The Book Of Eli“ auf sich aufmerksam, und Trent Reznor ist mit seinem Projekt Nine Inch Nails seit 1993 immer wieder auf Soundtracks von Filmen renommierter Regisseure wie Oliver Stone („Natural Born Killers“), David Fincher („Sieben“), Alex Proyas („The Crow“) oder David Lynch („Lost Highway“) zu finden. Diesen Umstand hat Reznor vor allem der Tatsache zu verdanken, dass Nine Inch Nails seit ihrer Gründung im Jahre 1988 schnell zu einer festen Größe der alternativen Musikszene avancierten.
Dabei sah zunächst alles danach aus, als würde Trent Reznor eine Karriere als Konzertpianist einschlagen. Doch als er in Teenagerjahren mit der Rockmusik in Berührung kam, fand er in ihr eine adäquatere Möglichkeit, sich auszudrücken, also brachte er sich selbst das Spielen einiger Instrumente bei und faszinierte sich für die unendlichen Möglichkeiten, die sich durch die technischen Entwicklungen boten. In welche musikalischen Richtungen vor allem die ersten erschwinglichen Synthesizer führen konnten, beobachtete Reznor bei europäischen Vertretern der (Post-)Industrial-Szene wie Cabaret Voltaire, Throbbing Gristle und Einstürzende Neubauten, aber auch die amerikanischen Pendants wie Ministry und Skinny Puppy sagten ihm sehr zu. Nach diversen eher unbefriedigenden Engagements bei lokalen Acts begann Trent Reznor 1988 seine eigenen Ideen unter dem Namen Nine Inch Nails konsequent weiterzuentwickeln.
Das 89er Debütalbum „Pretty Hate Machine“ spielte er zwar im Alleingang ein, ließ die spektakuläre Mixtur aus harten Industrial-Gitarren, coolen Synthi-Sounds und extrem eingängigen Melodien aber von Profis wie Flood (U2, Cabaret Voltaire, Soft Cell, New Order), Keith LeBlanc (Mark Stewart And The Maffia, Sugarhill Gang Band, Tackhead) und John Fryer (Depeche Mode, Fad Gadget, Die Krupps) veredeln.
Lucas Hilbert schreibt in seiner Rezension auf amazon.de:
„Mit dem Album ‚Pretty Hate Machine‘ wurde für ein kommerziell interessantes Publikum der Durchbruch zu einer genießbaren Variante der Industrial Music geschafft und in der Popkultur die entsprechende Schmuddel-Duftmarke gesetzt. Die aggressive Herrschaft der Klänge in diesem Album wurde zuerst von depressiv veranlagten Klubbesuchern verinnerlicht, die zu den Rhythmen umherwirbelten und sich die von Angst besessenen Überzeugungen aneigneten. Seit ihrem Erscheinen stehen die hart gesottenen Ansichten dieses Albums für eine ästhetische Träumerei von den Leidenswegen, auf die uns die Maschinen treiben. Die Tracks von zischenden Maschinen und dissonanten Überlastungen fallen über einen her - außerhalb aller Wege von moderner, gefälliger Vermittlung. Hits wie ‚Head Like a Hole‘ und ‚Down in It‘ sind an ihren sarkastischen Beats und an ihren durchdringenden Riffs zu erkennen, ebenso an den feindseligen Aussagen ihrer Texte, die den Hörer mit ihrer Flut von respektloser Kritik einfangen. ‚Pretty Hate Machine‘ ist keine leichte Kost und trifft in unserem Innersten einen empfindlichen Nerv.“
Doch drei Jahre später hat sich der Sound von Nine Inch Nails grundlegend geändert. Die 1992 veröffentlichte EP „Broken“ wartete kaum noch mit den ausgedehnten elektronischen Klanglandschaften auf, sondern präsentierte harten Industrial-Metal, wobei der Track „Gave Up“ – im Remix von Coil - erstmals den Sprung auf einen Soundtrack („The Young Americans“) schaffte. Der brachiale Gift-und-Galle-Industrial-Mix wurde zum Glück mit dem 1994er Album „The Downward Spiral“ in komplexere, aber auch eingängigere Gefilde überführt, wie die grandiose Single „Closer“ meisterhaft demonstriert. „Closer“ fand den Weg gleich auf drei Soundtracks.
Dass David Fincher das Stück in seinem düsteren Thriller „Sieben“ einsetzte (im Precursor-Remix von Coil), bedeutete quasi seine erste „Zusammenarbeit“ mit Trent Reznor. Darüber hinaus wurde das Stück in Tony Scotts Thriller „The Fan“ und im 2007er Remake von „The Hitcher“ verwendet. Das Jahr 1994 ist insofern bemerkenswert, weil Trent Reznor nicht nur eigens für den Gothic-lastigen Soundtrack der Comic-Verfilmung von James O’Barrs „The Crow“ den Joy-Division-Klassiker „Dead Souls“ eingespielt hat, sondern auch den Soundtrack zu Oliver Stones moderne Bonny-&-Clyde-Variante „Natural Born Killers“ produzierte und dabei die drei NIN-Stücke „Burn“, „Something I Can Never Have“ und „A Warm Place“ einfließen ließ.
Weitere Soundtrack-Aufträge beinhalteten den Score zum Computerspiel „Quake“ (1996) und die Produktion des Soundtracks zu David Lynchs „Lost Highway“ (1997), der neben dem Score von Angelo Badalamenti auch „The Perfect Drug“ von Nine Inch Nails und die beiden Trent-Reznor-Cues „Videodrones; Questions“ und „Driver Down“ enthielt.
Mit Nine Inch Nails ging es nur noch sporadisch im regulären Kontext weiter. Bis zum nächsten regulären Album-Release „The Fragile“ sollten fünf Jahre vergehen, doch dafür war das Doppel-Album vollgepackt mit starken Singles und hitverdächtigen Songs („The Day The World Went Away“ wurde sogar im Trailer zum vierten „Terminator“-Film „Die Erlösung“ verwendet).
‘The Fragile‘ ist sogar noch düsterer als das 1994 erschienene Album ‚The Downward Spiral‘ da es ständig mit finsterer Visage daherkommt. Trent Reznors heftige Sammlung von Kettensägen-Popmusik ist ein bedrückendes Werk, das sich durch die beiden CDs mit der Intensität einer Schrotflinte auf und ab bewegt. Es ist einen Augenblick lang gedämpft und im nächsten darauf explosiv, es mischen sich manchmal im Laufe eines Songs Trotz und Wut mit herzzerbrechender Resignation. Dennoch ist Reznors grimmiger und kompromissloser Stil ansprechend und unbestritten unterhaltsam, selbst wenn er Gesang total vermeidet. Unverändert sind die langen Passagen, die er wie besessen einsetzt, um den Hörer auf eine dynamische, aufregende Fahrt mitzunehmen. Die ruhigen Töne, die das Instrumentalstück ‚Just Like You Imagined‘ einleiten, explodieren plötzlich in ein Sperrfeuer von Rhythmen ohne jedes Taktmaß und in schlingernde Keyboard-Riffs, die alle zu einem vehementen Abschluss anschwellen. Allein die hier präsentierten Klangerfindungen sind schon erstaunlich. Reznors Produktion kommt der von Brian Eno nahe, was die Dynamik anbetrifft, obwohl sie aus einer völlig anderen Sensibilität heraus erwächst. ‚Starfuckers Inc.‘ benutzt zerhackte Stimmen als Verse und eine schreiende Meute als antreibenden Refrain im Stil von Ministry, um einige von NIN's Nachahmer (am deutlichsten Marilyn Manson) gnadenlos herunterzumachen. Obwohl es hier nichts für das Tanzparkett so richtig geeignetes gibt wie z.B. ‚Closer‘ auf dem Album ‚Downward Spiral‘, kommt ‚Where Is Everybody‘ dem doch sehr nahe, da es hier langsame, erschöpfende Drehungen und Adrian Belews dahingleitendes Gitarrenspiel gibt. Die Songs von ‚The Fragile‘ sind letztlich einfache Erkundungen einer tiefgehenden Desillusionierung. Sobald Reznor allerdings aufhört, sie zu verzerren, sind sie hervorragende Klanglandschaften voller Wut, die gleichermaßen erschreckend und schön sind“, urteilt Matthew Cooke in seiner Rezension auf amazon.de.
Weitere sechs Jahre gingen bis zum nächsten Album „With Teeth“ (2005) ins Land, das Reznor zusammen mit Alan Moulder (Depeche Mode, The Smashing Pumpkins) produzierte und sich etwas gefälliger und elektronischer präsentierte als das epische „The Fragile“-Werk.
Mit dem 2007 veröffentlichten Album „Year Zero“ unternahm Reznor eine Zeitreise ins Jahr 2022 und verarbeitete seine düsteren Zukunftsvisionen in einem stark elektronisch geprägten Konzeptalbum, das voller außergewöhnlicher Klänge und Improvisationen steckt, sporadisch aber auch von großer Schönheit durchzogen wird.
„Mit ‚Year Zero‘ setzt der Meister der Endzeitstimmung seinem Werk die Dornenkrone auf - und sich selbst an die Spitze der Verschwörungstheoretiker. Reznor schreibt die Idee vom totalen Überwachsungsstaat, die Orwell in ‚1984‘ meisterhaft skizziert hat, mit dieser Platte fort. Die USA im Jahr 2022: In God's Own Country ist der Teufel los. Das Land der Freien wird von einer fundamental religiösen Diktatur regiert, der nur ein paar viral vernetzte Guerrilleros die Stirn bieten. Dieser Plot ist der Ausgangspunkt für Reznors ambitioniertestes Projekt. Parallel zu diesem jüngsten macht seit Wochen das letzte Gerücht die Runde. Das neue Album der Nine Inch Nails wird von einer Kampagne begleitet, wie sie die Musikindustrie noch nicht erlebt hat. Reznor überzieht die reale wie die virtuelle Welt mit einer Flut von kryptischen Fingerzeigen auf das Jahr Null. Band-Shirts, auf Listening Sessions verteilte Buttons, zufällig gefundene USB-Sticks - immer wieder tauchen Hinweise und Links auf. Sie führten tiefer und tiefer in die labyrinthische Welt einer vielleicht gar nicht so fernen Zukunft. ‚Year Zero‘ verwischt auf diese Art Grenzen, um sie konsequent neu zu definieren - und gibt dem Begriff Gesamtkunstwerk so eine ganz neue Bedeutung. Um den Malstrom dieser mäandernden Fantasie in Songs zu kanalisieren, haben Reznor und seine alten Spießgesellen Atticus Ross und Alan Moulder wieder ein ganzes Heer von unerbittlich tickenden Sequenzern, kreischenden Gitarren, hämmernden Beats und suggestiver Sounds in Stellung gebracht. ‚Year Zero‘ ist nicht nur ein neuer Höhepunkt in Reznors künstlerischem Denken. Mit dieser Platte hat er seine Musik noch weiter ausdifferenziert - und auf den Punkt gebracht. Den Berserker lässt er zwar immer noch gern von der Leine. Doch auf das kontrolliert infernalische Klanggewitter folgte heute die Ruhe nach dem Sturm. Und in der liegt ja bekanntlich die Kraft. Der passionierte Nihilist hat damit die Quadratur des Kreises geschafft: Schließlich kommt es nicht oft vor, dass eine Platte, die vom Armageddon erzählt, Anlass zu uneingeschränktem Optimismus gibt“, urteilt Pure.de.
Das nachfolgende Doppel-Album „Ghosts I-IV“ (2008) erwies sich wiederum als ganz anderes Konzeptalbum, als eine Sammlung von 36 namenlosen Instrumentalstücken, die recht düster und ruhig Exkursionen durch psychedelische, aber auch sperrige Ambient-, Dub- und Electronica-Gefilde unternahmen.
Zumindest in filmmusikalischer Hinsicht stellte das von Trent Reznor und Atticus Ross produzierte Album eine elaborierte Fingerübung dar, fiel aber letztlich zu experimentell aus, um als Höhepunkt in der NIN-Diskographie betrachtet werden zu können.
Mit dem ebenfalls 2008 auf seinem eigenen Null-Label veröffentlichten letzten Album „The Slip“ kehrte Reznor wieder zu den großartigen Songstrukturen früherer Meisterwerke zurück.
2009 kündigte Trent Reznor an, mit Nine Inch Nails eine Pause einzulegen. Vielleicht gibt ihm der Erfolg mit dem Soundtrack zu „The Social Network“ den nötigen Antrieb, auf diesem Terrain seine Meisterschaft weiter auszubauen. Für „The Social Network“ war Trent Reznor auf jeden Fall Finchers erste Wahl:
„Ich finde, dass Trent einzigartig ist, sowohl als Technik-Freak als auch als Kommunikationsexperte. Er verfügt über eine ganz spezielle Beziehung zu seinem breit gefächerten Publikum, die er sehr ernst nimmt. Und wer kann in musikalischer Hinsicht besser über Innovation und Technologie und Kommunikation und Verbindungsmöglichkeiten reden als Trent?“, erzählte der Regisseur dem Online-Magazin Pitchfork.com.
David Fincher, der übrigens auch das Musikvideo zu NIN’s „Only“ drehte, hat Reznor und Ross bereits mit dem Soundtrack zum Remake des schwedischen „Millennium“-Auftakts „The Girl With The Dragon Tatoo“ beauftragt.
Atticus Ross arbeitet mit Trent Reznor seit dem NIN-Album „With Teeth“ eng zusammen. Mitte der 90er fing er als Programmierer für Bomb the Bass an, arbeitete dann mit Barry Adamson zusammen, ehe er mit Claudia Sarne und Adam Holden seine eigene Band 12 Rounds gründete.
 How To Destroy Angels
Zusammen mit Trent Reznor und dessen Frau Mariqueen Maandig rief Ross 2010 auch das Projekt How To Destroy Angels ins Leben, dessen Name von einem Frühwerk der britischen Avantgarde-Band Coil inspiriert wurde. Seine ersten Filmerfahrungen sammelte Ross, als er zusammen mit seiner Frau Claudia Sarne und seinem Bruder Leopold für die Hughes-Brüder 2004 die Fernsehserie „Touching Evil“ vertonte und dann deren Part in der Film-Anthologie „New York, I Love You“, bevor er mit „The Book Of Eli“ seinen ersten Soundtrack für einen kompletten Kinofilm produzierte.
Statt einer kompletten Diskografie, die Ihr z.B. hier findet, gibt es an dieser Stelle nur eine Auflistung der Filmmusik-Beiträge von Trent Reznor und Atticus Ross.

1993: "The Young Americans” (Gave Up)
1994: “The Crow – Die Krähe” (Dead Souls)
1994: “Natural Born Killers” (Burn, Something I Can Never Have, A Warm Place)
1995: „Sieben“ (Closer [Precursor])
1996: „Quake“ (Videogame-Soundtrack)
1996: “Der Fan“ (Closer to God - uncredited)
1997: “Lost Highway“ (The Perfect Drug, Videodrones; Questions, Driver Down)
2000: “Final Destination“ (Into the Void)
2001: “Tomb Raider” (Deep)
2004: „Mann unter Feuer“ (The Mark Has Been Made, The Wretched, The Art of Self Destruction - Part One, The Downward Spiral [The Bottom], Self Destruction - Part Two, The Great Below - jeweils nur im Film)
2004: “Touching Evil” (TV-Serien-Filmmusik von Atticus Ross, Leopold Ross, Claudia Sarne)
2005: “Doom“ (You Know What You Are [Remix von Clint Mansell])
2007: “The Hitcher“ (Closer)
2007: “300” (Just Like You Imagined - nur im Trailer)
2008: “Wanted” (Every Day Is Exactly the Same – nur im Film)
2009: “Terminator: Die Erlösung“ (The Day the World Went Away - nur im Trailer)
2009: “The Book Of Eli” (Film-Soundtrack von Atticus Ross)
2010: “The Social Network” (Film-Soundtrack von Trent Reznor und Atticus Ross)

Playlist:
1 Trent Reznor & Atticus Ross - Pieces From The Whole (The Social Network) - 04:18
2 Nine Inch Nails - Dead Souls (The Crow) - 04:52
3 Nine Inch Nails - Something I Can Never Have (Natural Born Killers) - 04:04
4 Nine Inch Nails - Closer (The Downward Spiral) - 06:13
5 Nine Inch Nails - Intermission (Quake) - 02:28
6 Trent Reznor - Driver Down (Lost Highway) - 05:18
7 Nine Inch Nails - The Downward Spiral [The Bottom Remix by Coil] (Further Down The Spiral) - 07:28
8 Nine Inch Nails - Deep (Lara Croft: Tomb Raider) - 04:07
9 Nine Inch Nails - The Great Below (The Fragile) - 05:16
10 Nine Inch Nails - The Mark Has Been Made (The Fragile) - 05:15
11 Atticus Ross - Movement (The Book Of Eli) - 03:07

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