Playlist #327 vom 12.09.2021 - NEUHEITEN 2021 (6)
In der sechsten Neuheiten-Sendung präsentiere ich wie gewohnt einen bunten Querschnitt durch die interessantesten Neuveröffentlichungen sowohl im Soundtrack- als auch artverwandten Bereich. Neben neuen Scores von Hollywood-Größen wie Hans Zimmer und James Newton Howard gibt es auch neue Arbeiten von prominenten Filmkomponisten wie Mychael Danna, Zbigniew Preisner, Christophe Beck und Trevor Jones sowie Konzeptalben von Max Richter, Marcel Barsotti und Craig Armstrong. Abgerundet wird die heutige Sendung durch eine Vielzahl von internationalen Newcomern, die auf dem schwedischen Label MovieScore Media ihre Heimat gefunden haben.
Mit „Exiles“ legt Max Richter („The Blue Notebooks“, „Voices“) ein Album vor, das als Auftragsarbeit für die Haus-Choreografen des Nederlands Dans Theater, Paul Lightfoot und Sol Leon, entstanden ist und die im Zuge des „Arabischen Frühlings“ resultierende humanitäre Krise der vor allem aus Syrien, aber auch aus Afghanistan und Irak flüchtenden Menschen thematisiert. Dabei hat Richter mit dem Orchester Baltic Sea Philharmonic nicht nur einzelne Stücke aus seinen Alben „Infra“, „The Blue Notebooks“, „Waltz With Bashir“, „Woolf Works“ und „Songs From Before“ neu einspielen lassen, sondern mit dem Titelstück auch ein etwas mehr als halbstündiges neues Werk kreiert.
„Es ist dieses eine Muster, das sich ständig wiederholt, während es durch verschiedene Landschafen zieht“, wird Richter im Booklet des von der Deutschen Grammophon veröffentlichten Albums zitiert. „Es ist ein sehr einfacher Gedanke, aber ich wollte diese Vorstellung des Exils, des Gehens, der Bewegung ins Herz der Musik einbetten, sowohl im technischen als auch im metaphorischen Sinn.“
In Mar Targaronas Thriller „Dos“ wachen ein Mann und eine Frau nackt und an ihren Bäuchen zusammengebunden in einem Raum auf. Der spanische Komponist Diego Navarro („Passage to Dawn“, „Capture the Flag“) schuf für dazu Musik, die ganz auf das Konzept der Zahl Zwei ausgerichtet ist.
„Ausgehend vom ursprünglichen Konzept des Films entschied ich mich, die Partitur nach der Prämisse Zwei zu erstellen“, erklärt der Komponist. „Die ganze Musik ist um diese Zahl herum entstanden, von dem Duo aus Cello und Marimba, das zusammen mit dem Orchester und dem Einsatz von Elektronik eine Hauptrolle in der Partitur spielt, über die Struktur aller Stücke bis zu den verwendeten Taktarten, Hauptintervallen des Themas, Rhythmen, harmonischen Übergängen zwischen den Stücken, Orchestrierungen etc. Alles wurde unter Berücksichtigung der Zahl zwei, seiner Vielfachen und seiner mathematischen Beziehungen geschaffen. Die Partitur endet mit einem transzendenten Stück, in dem die Cellosolistin eine Hauptrolle spielt, und geht darüber hinaus: Sie haben sich getroffen und werden sich unabhängig von den Umständen für immer wiedererkennen…“
In „The Pact“, dem neuen Film von Bille August („Das Geisterhaus“, „Les Misérables“), wird die intensive Freundschaft zwischen der berühmten dänischen Schriftstellerin Karen Blixen („Out of Africa“) und dem jungen, vielversprechenden Dichter Thorkild Bjørnvig thematisiert.
Der belgische Komponist Frédéric Vercheval kreierte dazu einen vor allem von Streichern getragenen, sehr gefühlvollen Score.
„Es war eine große Freude, die Musik für diesen sehr schönen Film des großartigen Regisseurs Bille August zu komponieren“, bekennt Vercheval. „Er wünschte sich eine Musik, die Elemente von Schatten und Magie enthielt und zur selben Zeit dunkel, subtil und fesselnd ausfiel, indem orchestrale akustische Elemente und Sounddesign miteinander verwoben wurden. Ich arbeitete an den musikalischen Texturen, um diese unterschiedlichen Farben zu finden, benutzte das Orchester und synthetische Quellen. Ich habe verschiedene musikalische Motive verwendet, die von einer Altflöte, einer Harfe und einem Fagott gespielt werden, die mit einer melodischen Hin- und Her-Bewegung auf die Streicher reagieren. Manche Musik wirkt wie Wellen, in denen eine Ambivalenz entsteht, die mit den narrativen Aspekten des Films verbunden ist. Das Gefühl ist unangenehm, aufgeladen von Verlangen, Manipulation und Schicksal.“
Mit ihrem bereits 2019 veröffentlichten Thriller-Drama „Zana“ erzählt die Filmemacherin Antoneta Kastrati die Geschichte einer kosovarischen Frau, die von ihrer Familie unter Druck gesetzt wird, sich wegen ihrer Unfruchtbarkeit von mystischen Heilern behandeln zu lassen, wobei sie auch noch die Erinnerungen an die Brutalität des Bürgerkrieges zu verarbeiten hat.
„Dieser Film bedurfte einer ausgiebigen Suche nach Klängen, um eine passende akustische Beschreibung und eine authentische emotionale Wirkung zu erzielen, die dem Gewicht von Zanas Erzählung entspricht. Dies hatte meinen Ansatz beeinflusst, unorthodoxere Techniken zu verwenden, um den Klang zu erzeugen, der das innere Geräusch unterdrückter Traumata repräsentiert, aber auch das menschliche Streben nach Normalität und die seltsame Art und Weise, wie es sich dabei bewegt“, beschreibt Dritero Nikqi seinen Ansatz zur musikalischen Vertonung des Films. „Also verlangt nicht nur der Film eine Darstellung all dieser extremen Gefühlsbereiche, sondern es gibt auch ,das Objekt‘, das dort als Geheimtür involviert ist, die VHS-Kassette von Zana. Dieses Element wird deutlich hervorgehoben – durch Bandmanipulation am Nagra-Recorder, Bandeffekte, die Aufnahme und das Spleißen auf VHS-Band sowie dem Verzerren der Field Recordings vom Filmset – bei fast dem kompletten Sounddesign und der Musik. Im Kontrast dazu stehen am Ende das Streichquartettstück und das Lied mit den Vocals von Fatime Kosumi – ANDRRA – die als Befreiung von all der Spannung wirken, die im ganzen Film vorherrscht.“
In Ameen Nayfehs Drama „200 Meters“ kämpft ein palästinensischer Vater, der auf der anderen Seite der Mauer gefangen ist, ein Krankenhaus für seinen Sohn zu erreichen.
„Am Anfang dachte ich, es wäre einfach, mit dieser Geschichte umzugehen und Musik für den Film zu schreiben, aber dann wurde mir klar, dass es nicht wie jeder andere Film über Palästina oder über die Besatzung ist“, beschreibt der palästinensische Komponist Faraj Suleiman die Arbeit an dem Score zu „200 Meters“. „Ameen hat es sehr sensibel gemacht, fernab von Klischees, so dass ich das Gefühl hatte, dass die Musik ziemlich minimal sein muss. Die Idee begann mit Solo-Klaviermusik für eine Szene, und dann entwickelten wir das Klavier als Hauptinstrument für die ganze Partitur. In diesem Film sehe ich Ali und seine Geschichte durch das Klavier repräsentiert. Das zweite Hauptthema, das für mich ,die Straße‘ ist, wird durch das Oud repräsentiert, eines unserer wichtigsten traditionellen Instrumente. Während die Partitur größtenteils aus kürzeren Stichwörtern besteht, lässt die letzte Szene für das klimatische Finale ein Tour-de-Force-Stück zu, das neuneinhalb Minuten dauert.“
Besonders lange Stücke präsentiert auch Hans Zimmer bei seiner zweiten Zusammenarbeit mit Denis Villeneuve nach „Blade Runner 2049“. Auf „The Dune Sketchbook“ sind ausgedehnte Versionen des am 17. September erscheinenden Soundtracks zur neuen Verfilmung von Frank Herberts Science-Fiction-Klassikers „Dune“.
„Ich liebe es, mit Denis zu arbeiten. Er verfügt über eine unglaubliche Vorstellungskraft und offenbart so viel Seele in der Komplexität, einen Film dieser Größenordnung zu inszenieren“, schwärmt der Star-Komponist. „Dabei ist unsere Ästhetik sehr ähnlich. ,Dune‘ ist stets in unser beiden Herzen verankert gewesen. Die Herausforderung bestand darin herauszufinden, wie wir etwas interpretieren, das wir wirklich so lieben und bewundern, und das Publikum einzuladen, seine ganz eigenen Erfahrungen zu machen. Das war für uns der Grund, diesen Film zu machen.“
Zimmer kreierte für „Dune“ einen durchaus spirituell anmutenden Score, der auch von weiblichen Stimmen getragen wird. „Denis und ich waren uns einig, dass die weiblichen Charaktere im Film die Geschichte bestimmen“, erklärt der Komponist. „Die Partitur basiert also hauptsächlich auf Frauenstimmen. Wir haben unsere eigene Sprache entwickelt.“
Als zweite Single aus seinem kommenden Album „Americana“ nach „Deep Wild West“ veröffentlicht Marcel Barsotti („Die Päpstin“, „Wo ist Fred?“) die thematisch von der Eroberung Amerikas durch Christoph Columbus, die Spanier und die Engländer geprägte Single „Kings of Glory“. Musikalisch orientiert sich der in der Schweiz geborene und in Süddeutschland lebende Barsotti am klassischen Hollywood-Orchester-Sound, vereint in seiner heroisch klingenden Komposition wuchtige Percussions mit akzentuierten Streichern, aus denen ein markantes Solo-Cello hervorsticht, voluminösen Bläsern und einem männlichen Chor, der „Kings of Glory“ eine feierliche Note verleiht.
Auch der polnische Komponist Zbigniew Preisner, bekannt durch seine Zusammenarbeit mit Regisseuren wie Krzysztof Kieslowski, Louis Malle, Agnieszka Holland und Hector Babenco, vertonte das von Yelena Popovic inszenierte Biopic „Man of God“ über Saint Nektarios nicht nur mit einer Vielzahl griechischer Instrumente, sondern auch mit dem byzantinischen Chor The Maestros of the Psaltic Art und Lisa Gerrard (mit der Preisner bereits an „Valley of Shadows“ zusammenarbeitete) als Gast-Sängerin.
1. Dominik Scherrer - Julien Baptiste (Baptiste) - 03:35
2. Max Richter - Exiles [Short Edit] (Exiles) - 03:23
3. Dritero Nikqi - Midnight (Zana) - 03:33
4. Marcel Barsotti - Kings of Glory (Americana) - 04:35
5. Eloi Ragot - Repression (The Red Orchestra) - 03:56
6. F.S.Blumm & Nils Frahm - Neckrub (2x1=4) - 05:32
7. Craig Armstrong - Nocturne 6 (Nocturnes: Music for 2 Pianos) - 03:13
8. John Murphy - Ratcatcher's Story (Suicide Squad) - 03:10
9. Atticus Ross, Leopold Ross & Nick Chuba - Throughline (Dr. Death) - 03:39
10. Nico Muhly - Each Claim Individually (Worth) - 05:13
11. Panu Aaltio - Invention (The Potato Venture) - 02:30
12. Panu Aaltio - Homemade Flight (Finders of the Lost Yacht) - 03:34
13. Diego Navarro - Dos: Main Theme (Dos) - 03:35
14. Frédéric Vercheval - Pourquoi pas? (The Pact) - 04:55
15. Christophe Beck - Reunited (Free Guy) - 03:23
16. Matthew Herbert - An Ending (Port Authority) - 03:45
17. Sherri Chung - Lost and Found Family (Kung Fu - Season 1) - 04:51
18. Hans Zimmer - Paul's Dream (The Dune Sketchbook) - 07:03
19. James Newton Howard - Petal Negotiations (Jungle Cruise) - 03:44
20. Trevor Jones - Coming to Tokyo (To Tokyo) - 04:42
21. Steven Price - Memories That Shape Us (Sweet Girl) - 04:18
22. Zbigniew Preisner - End Credits (Man of God) - 04:54
23. Dwight Gustafson - The Clinic is Closed (Beyond the Night) - 04:07
24. Dwight Gustafson - Title Music (The Printing) - 04:39
25. Alex Heffes - Family In Paradise (The Arctic: Our Last Great Wilderness) - 03:28
26. Mychael Danna - Akim (Stillwater) - 02:48
27. Mychael Danna & Jessica Rose Weiss - Score Suite (Cinderella) - 06:37