Playlist #408 vom 20.10.2024 - JOHN GIELGUD (1904-2000) Special
Sir Arthur John Gielgud zählte nicht nur zu den ganz großen Mimen der britischen Theaterszene, dier im 20. Jahrhundert zusammen mit seinen Kollegen Ralph Richardson und Laurence Olivier dominierte, sondern trat zwischen „Becket“ (1964), der ihm die erste Oscar-Nominierung einbrachte, und „Elizabeth“ (1998) in über sechzig Filmen auf, gewann für seine Darstellung des spitzzüngigen Hobson in „Arthur“ (1981) den Oscar als bester Nebendarsteller und heimste im Verlauf seiner Karriere auch einen Golden Globe Award und zwei BAFTAs ein. Damit kam Gielgud die seltene Ehre zuteil, einen Oscar, einen Emmy, einen Grammy und einen Tony zu gewinnen.
John Gielgud wurde am 14. April 1904 in South Kensington, London, als drittes von vier Kindern von Frank Henry Gielgud und dessen zweiter Frau Kate Terry-Gielgud geboren. Als Mitglied der Terry family, einer bedeutenden Theaterdynastie, war sein Weg in die Schauspielerei bereits vorgezeichnet.
Seine Großmutter Kate Terry und mehr noch seine Großtante Ellen Terry waren prominente Bühnenschauspielerinnen des 19. Jahrhunderts.
Erste Erfahrungen sammelte er ab 1922 bei der Schauspieltruppe von Phyllis Neilson-Terry, seiner Cousine.
Nach seinem Abschluss an der Royal Academy of Dramatic Art in London arbeitete er in den folgenden Jahrzehnten am West End, am Old Vic Theatre und gelegentlich auch am Broadway in New York. Parallel dazu begann er eine Karriere als Regisseur und gründete seine eigene Truppe am Queen‘s Theatre in London. Er wurde von vielen als der beste Hamlet seiner Zeit angesehen und war auch für seine komödiantischen Rollen bekannt, beispielsweise die des John Worthing in „The Importance of Being Earnest“.
In den 1950er Jahren befürchtete Gielgud, seine Karriere sei in Gefahr, als er wegen eines homosexuellen Vergehens und zu einer Geldstrafe verurteilt wurde, aber seine Kollegen und das Publikum unterstützten ihn loyal. Als in den späten 1950er Jahren avantgardistische Stücke die traditionellen West-End-Produktionen zu verdrängen begannen, fand er keine neuen geeigneten Bühnenrollen und war im Theater mehrere Jahre lang vor allem für sein Shakespeare-Ein-Mann-Stück „The Ages of Man“ bekannt.
Ab den späten 1960er Jahren fand er neue Stücke, die zu ihm passten, von Autoren wie Alan Bennett, David Storey und Harold Pinter.
Gielgud gab sein Filmdebüt bereits 1924, stand in den nächsten Jahrzehnten trotz vieler Angebote aber nur sehr ausgewählt vor der Kamera. Einer seiner wenigen Filme war die Hauptrolle in Alfred Hitchcocks „Geheimagent“ von 1935.
1953 war er der Cassius in Joseph L. Mankiewicz’ Verfilmung von Shakespeares „Julius Caesar.“
Nachdem er sich lange eher abfällig über die Filmschauspielerei geäußert hatte, stand er ab den 1950er-Jahren vermehrt vor der Kamera. Eine Oscar-Nominierung erhielt Gielgud 1964 für die Rolle König Ludwigs VII. in der Verfilmung des Theaterstücks „Becket“ von Jean Anouilh.
Mitte der 1960er Jahre war Gielgud zudem in Tony Richardsons „Tod in Hollywood“ (1965) und Orson Welles‘ „Falstaff – Glocken um Mitternacht“ (1966) zu sehen.
In der ersten Hälfte der 1970er Jahre drehte Gielgud sieben Filme und sechs Fernsehdramen. Er verkörperte einen alten Kardinal in Joseph Loseys „Galileo“ und den Diener Beddoes in Sidney Lumets „Mord im Orient-Express“ (1974). In einer BBC-Präsentation von James Elroy Fleckers „Hassan“ im Jahr 1971 spielte Gielgud den Kalifen neben Ralph Richardsons Hassan. Im Theater inszenierte Gielgud Cowards „Private Lives“ und Somerset Maughams „The Constant Wife“.
Seine letzte Produktion als Regisseur verwirklichte Gielgud 1975 mit Pineros „The Gay Lord Quex“.
Gielgud setzte seine langjährige Bühnenzusammenarbeit mit Richardson in Harold Pinters „No Man's Land“ (1975) fort, bei dem Hall am National Regie führte. Die Produktion war ein Erfolg bei Kritikern und an den Kinokassen und wurde über einen Zeitraum von drei Jahren am Old Vic, im West End, im Lyttelton Theatre im neuen National Theatre-Komplex, am Broadway und im Fernsehen gespielt.
In der zweiten Hälfte des Jahrzehnts arbeitete Gielgud mehr für Kino und Fernsehen als auf der Bühne. Zu seinen Filmarbeiten gehörten Gore Vidals „Caligula“ (1979) und Alain Resnais’ „Providence“ (1977). Gielgud hielt es für „den mit Abstand aufregendsten Film, den ich je gemacht habe“, und gewann einen Preis des New York Film Critics Circle für seine Darstellung eines sterbenden Autors, „der die Hälfte der Zeit betrunken ist … Flaschen herumwirft und eine Menge sehr grober Dialoge brüllt“. Zu seinen weiteren Filmrollen gehörten die des Head Masters von Eton in Jack Golds „Aces High“ (1976) und die des Tomlinson in Otto Premingers „Der menschliche Faktor“ (1979).
Im Fernsehen spielte er unter anderem Lord Henry Wotton in „Das Bildnis des Dorian Gray“ (1976), John of Gaunt in „Richard II.“ (1978) und den Chor in „Romeo und Julia“ (1978).
In den 1980er Jahren trat Gielgud in mehr als zwanzig Filmen auf, darunter als Vorsitzender des Royal London Hospital in David Lynchs „Der Elefantenmensch“ (1980), als Rektor des Trinity College in Cambridge in „Die Stunde des Siegers“ (1981), als Lord Irwin in Richard Attenboroughs „Gandhi“ (1982), „Die letzte Jagd“ (1984) und Fred Schepisis „Eine demanzipierte Frau“ (1985).
Tony Palmers „Wagner“ (1983) war der einzige Film, in dem Gielgud, Richardson und Olivier gemeinsam in Szenen mitspielten. Gielgud hatte Cameo-Auftritte in Filmen von geringer Bedeutung, in denen er sich einen Namen machte, ohne seinem eigenen Ruf zu schaden. In einem Interview sagte er: „Sie bezahlen mich sehr gut für zwei oder drei Arbeitstage im Monat, also warum nicht? Es ist schön, in meinem Alter auf Kosten anderer Leute um die ganze Welt reisen zu können.“
Gielguds erfolgreichste Filmrolle des Jahrzehnts war Steve Gordons Komödie „Arthur“ (1981), in der Dudley Moore einen selbstgefälligen Playboy spielte. Gielgud spielte Hobson, Moores Butler. Er lehnte die Rolle zweimal ab, bevor er sie schließlich annahm, da er nach dem „Caligula“-Debakel wegen der starken Sprache des bissigen Hobson nervös war. Für seine Darstellung gewann er einen Oscar als bester Nebendarsteller und weitere Auszeichnungen. Er legte wenig Wert auf Auszeichnungen und vermied Preisverleihungen, wann immer er konnte: „Ich verabscheue wirklich den ganzen Quatsch über gegenseitige Gratulationen und die gehässigen Vergleiche, die sie hervorrufen.“
Für das Fernsehen spielte Gielgud in den 1980er Jahren neunzehn Rollen; darunter Edward Ryder in einer elfteiligen Adaption von Waughs „Wiedersehen mit Brideshead“ (1982). Gegen Ende des Jahrzehnts wurde Gielgud für seine Rolle als Aaron Jastrow, ein im Holocaust ermordeter jüdischer Professor, in der Miniserie „War and Remembrance“ für einen Primetime Emmy Award nominiert. Am Ende des Jahrzehnts spielte er den verwegenen Journalisten Haverford Downs in John Mortimers „Summer‘s Lease“, für den er nach der US-Ausstrahlung 1991 einen Emmy Award gewann.
Gielguds letztes West-End-Stück war Hugh Whitemores „The Best of Friends“ (1988).
1990 hatte Gielgud seinen letzten Filmauftritt in einer Hauptrolle: er spielte Prospero in „Prosperos Bücher“, Peter Greenaways Adaption von „Der Sturm“. Er arbeitete weiterhin für das Radio, wie er es während seiner gesamten Karriere getan hatte.
Anlässlich seines neunzigsten Geburtstags spielte er zum letzten Mal Lear; für die BBC versammelte Kenneth Branagh eine Besetzung, zu der Judi Dench, Eileen Atkins und Emma Thompson als Lears Töchter gehörten, mit Schauspielern wie Bob Hoskins, Derek Jacobi und Simon Russell Beale in Nebenrollen. Er trat bis 1998 weiterhin im Fernsehen auf; seine letzte große Rolle in diesem Medium spielte er 1994 in einer BBC-Produktion von J. B. Priestleys selten wiederaufgeführtem „Sommertagestraum“. Anschließend hatte er weitere Cameo-Auftritte in Filmen wie Branaghs „Hamlet“ (als König Priamos, 1996), „Dragonheart“ (als Stimme von König Artus, 1996) und „Shine“. Seinen letzten Spielfilmauftritt hatte er als Papst Pius V. in Shekhar Kapurs „Elizabeth“ (1998).
Im Jahr 2000 hatte er eine stumme Rolle neben Pinter in einem Film von Becketts Kurzstück „Catastrophe“ unter der Regie von David Mamet.
Als Gielguds Partner, Martin Hensler, 1999 starb, erlitt Gielgud einen körperlichen und psychischen Verfall und starb am 21. Mai 2000 im Alter von 96 Jahren zu Hause.
Filmographie:
1924: Who is the Man?
1929: The Clue of the New Pin
1932: Insult
1933: The Good Companions
1936: Geheimagent (Secret Agent)
1941: Der Premierminister (The Prime Minister)
1941: An Airman’s Letter to His Mother (Kurzfilm)
1948: Hamlet
1953: Julius Caesar
1954: Romeo und Julia
1955: Richard III.
1956: In 80 Tagen um die Welt (Around the World in Eighty Days)
1956: Nude with Violin (Fernsehfilm)
1957: The Barretts of Wimpole Street
1957: Die heilige Johanna (Saint Joan)
1962: The Cherry Orchard (Fernsehfilm)
1964: Becket
1964: Hamlet (auch Regie)
1965: Tod in Hollywood (The Loved One)
1965: Falstaff – Glocken um Mitternacht (Campanadas a medianoche)
1966: Alice in Wonderland (Fernsehfilm)
1968: Angriff der leichten Brigade (The Charge of the Light Brigade)
1968: In den Schuhen des Fischers (The Shoes of the Fisherman)
1968: Der mysteriöse Mr. Sebastian (Sebastian)
1968: Sein gefährlichster Auftrag (Assignment to Kill)
1969: Oh! What a Lovely War
1970: Julius Caesar
1970: Hassan (Fernsehfilm)
1972: Ein gewisser General Bonaparte (Eagle in a Cage)
1972: Probe (Fernsehfilm)
1973: Frankenstein, wie er wirklich war (Frankenstein: The True Story, Fernsehfilm)
1973: Der verlorene Horizont (Lost Horizon)
1974: Gold
1974: QB VII (Miniserie)
1974: Brillanten und Kakerlaken (11 Harrowhouse)
1974: Mord im Orient-Express (Murder on the Orient Express)
1975: Galileo
1975: Edward VII (Miniserie)
1976: Peter Pan (Fernsehfilm)
1976: Schlacht in den Wolken (Aces High)
1976: Das Bildnis des Dorian Gray (The Picture of Dorian Gray)
1977: Providence
1977: Die Abenteuer des Joseph Andrews (Joseph Andrews)
1977: Ein Porträt des Künstlers als junger Mann (A Portrait of the Artist as a Young Man)
1977: The Grand Inquisitor (Fernsehfilm)
1978: King Richard the Second
1978: No Man’s Land (Fernsehfilm)
1978: Die Elenden (Les Miserables, Fernsehfilm)
1979: Der menschliche Faktor (The Human Factor)
1979: Mord an der Themse (Murder by Decree)
1979: Caligula (Caligola)
1980: Der Dirigent (Dyrygent)
1980: Der Elefantenmensch (The Elephant Man)
1980: Warum haben Sie nicht Evans gefragt? (Why Didn't They Ask Evans?, Fernsehfilm)
1980: Die Formel (The Formula)
1980: Omar Mukhtar – Löwe der Wüste (The Lion of the Desert)
1981: Die Stunde des Siegers (Chariots of Fire)
1981: Arthur – Kein Kind von Traurigkeit (Arthur)
1981: Der Fluch der Sphinx (Sphinx)
1981: Priest of Love
1981: Wiedersehen mit Brideshead (Brideshead Revisited) (Fernseh-Miniserie)
1981: Das Geheimnis der sieben Ziffernblätter (Seven Dials Mystery, Fernsehfilm)
1982: Der Glöckner von Notre Dame (The Hunchback of Notre Dame, Fernsehfilm)
1982: Gandhi
1982: Inside the Third Reich (Fernsehfilm)
1982: Marco Polo (Fernseh-Miniserie)
1983: Im Wendekreis des Kreuzes (The Scarlet and the Black)
1983: Wagner – Das Leben und Werk Richard Wagners (Wagner)
1983: Die verruchte Lady (The Wicked Lady)
1983: Einladung zur Hochzeit (Invitation to the Wedding)
1984: Palast der Winde (The Far Pavilions, Miniserie)
1984: Seelenlos – Ein Mann spielt Gott (Frankenstein) (Fernsehfilm)
1984: Scandalous
1984: Camille (Fernsehfilm)
1984: The Master of Ballantrae (Fernsehfilm)
1985: Eine demanzipierte Frau (Plenty)
1985: Time After Time
1985: Eine Ehe in Briefen (Leave All Fair)
1985: Die letzte Jagd (The Shooting Party)
1985: Romance on the Orient Express (Fernsehfilm)
1986: Das Gespenst von Canterville (The Ghost of Canterville)
1986: Kreuzfeuer der Agenten (The Whistle Blower)
1987: Wale im August (The Whales of August)
1987: Blaubart und seine Kinder (Barbablu, barbablu)
1988: Feuersturm und Asche (War and Remembrance) (Fernseh-Miniserie)
1988: Rendezvous mit einer Leiche (Appointment with Death) Pino Donaggio
1988: Arthur 2 – On the Rocks
1988: A Man for All Seasons (Fernsehfilm)
1989: Das verflixte erste Mal (Getting It Right)
1989: Summer’s Lease (Miniserie)
1990: Liebesroulette (Strike It Rich)
1991: The Best of Friends (Fernsehfilm)
1991: Prosperos Bücher (Prospero’s Books)
1991: Die Strauß-Dynastie (The Strauss Dynasty)
1992: Wie ein Licht in dunkler Nacht (Shining Through)
1992: Swan Song (Kurzfilm)
1992: Im Glanz der Sonne (The Power of One)
1993: Inspektor Morse, Mordkommission Oxford (Inspector Morse) (Fernsehserie, 1 Folge)
1995: Der 1. Ritter (First Knight)
1995: Stick with Me, Kid (Fernsehserie, 14 Folgen)
1995: Haunted – Haus der Geister (Haunted)
1996: Hamlet
1996: Shine – Der Weg ins Licht (Shine)
1996: Dragonheart (Sprechrolle)
1996: Portrait of a Lady
1996: Gullivers Reisen (Gulliver’s Travels) (Fernsehfilm)
1998: Das magische Schwert – Die Legende von Camelot (Quest for Camelot)
1998: Merlin (Miniserie)
1998: The Tichborne Claimant
1998: Elizabeth
2000: Catastrophe (Kurzfilm)
Playlist:
01. Miklós Rózsa - Valse Crepusculaire (Providence) - 03:49
02. Miklós Rózsa - Overture (Julius Caesar) - 03:04
03. Michael J. Lewis - Main Title (11 Harrowhouse) - 03:50
04. Laurence Rosenthal - The Journey Home (Strauss Dynasty) - 02:43
05. Angelo F. Lavagnino - Corale Mystico (Falstaff) - 03:16
06. Jerry Goldsmith - Carol's Apartment (Sebastian) - 03:01
07. Alex North - Overture (The Shoes of the Fisherman) - 04:03
08. Elmer Bernstein - The Lovers (Gold) - 04:20
09. Bruno Nicolai - Isis' Pool (Caligula) - 04:12
10. John Morris - The Elephant Man Theme (The Elephant Man) - 03:48
11. Bill Conti - Please Stay (The Formula) - 03:27
12. Michael J. Lewis - Pyramids & Sphinx at Giza (Sphinx) - 04:39
13. Jerry Goldsmith - I Cannot See My Love (QB VII) - 03:51
14. Vangelis - End Credits (Chariots of Fire) - 03:31
15. Ennio Morricone - Monica (Marco Polo) - 06:07
16. Burt Bacharach - Touch (Arthur) - 03:19
17. Bruce Smeaton - Plenty (Plenty) - 03:59
18. Michael Kamen - The Boathouse (Shining Through) - 05:08
19. George Fenton & Ravi Shankar - Salt (Gandhi) - 03:56
20. Hans Zimmer - Mother Africa [Reprise] (The Power of One) - 08:09
21. Trevor Jones - The Flight From Lilliput (Gulliver's Travels) - 03:42
22. Trevor Jones - In Search of teh Grail (Merlin) - 04:04
23. Jerry Goldsmith - Never Surrender (First Knight) - 05:43
24. Wojciech Kilar - Phantasms of Love (The Portrait of a Lady) - 03:54
25. David Hirschfelder - With the Help of God, Shine (Shine) - 03:21
26. Michael Nyman - Miranda (Prospero's Books) - 03:54
27. Richard Rodney Bennett - The Orient Express (Murder on the Orient Express) - 11:20