Playlist # 57 vom 24.04.11 - IN THE NURSERY Special (2)
Mit „Lingua“ präsentieren ITN 1998 ein außergewöhnliches Konzeptalbum, das einmal mehr von unwiderstehlichen Melodien und visuell anregenden Klang-Atmosphären geprägt ist. Doch obwohl die wundervoll leicht schwebenden Tracks überwiegend rein instrumentaler Natur sind, haben Klive und Nigel die Sprache in den thematischen Mittelpunkt des Werkes gestellt.
„Als ich die Entscheidung verfolgte, ein Album zusammenzustellen, das sich um die Sprache dreht, begann ich eine Menge Bücher zu lesen und zu studieren, die die Geschichte, Entwicklung, Phonetik und Semantik der Sprache behandelten. Eine der interessantesten theoretischen Debatten dreht sich dabei um die Ursprünge der Sprache an sich und ihrer Fähigkeit, Gedanken zu kommunizieren.“
„Die Leute fragen uns oft, warum wir nicht öfter auf unseren Platten singen, wie wir es bei unseren früheren Aufnahmen gemacht haben, aber wir haben realisiert, dass wir keine Texter sind und unsere Stärke in der Musik liegt “, wirft Nigel ein. „Wir schreiben, produzieren, arrangieren und mischen nun schon all unsere Musik, da wollen wir unsere Fähigkeiten nicht überstrapazieren.“
„Wir setzen uns nie hin und wollen melancholische Musik schreiben, aber ich denke, um emotionale Musik zu kreieren, benötigt man herzfühlende Elemente“, erklärt Nigel. „Emotionen können Tränen hervorrufen, aber nicht immer Tränen der Traurigkeit, und ich denke, unsere Musik als traurig zu bezeichnen, wäre irreführend. Sie soll aufbauend und positiv sein - reflexiv, ja, aber auch auf realistische Weise optimistisch.“
“Musik für Stummfilme zu komponieren, ist eine spezielle Disziplin und erfordert deshalb einen anderen Ansatz als Filme, die Erzählstrukturen, Stimmungen und Soundeffekte besitzen. Wir bevorzugen es, an Projekten zu arbeiten, bei denen wir das Gefühl haben, dass wir ihnen unseren Charakter aufdrücken können, statt Scores zu komponieren, die im Prinzip zu jedem oder tatsächlich zu niemandem passen.”
“Wir arbeiten ja nie nur mit elektronischen Sounds, selbst unsere Streicher-Sounds sind immer Samples von richtigen Instrumenten, zusammen mit Blechbläsern und orchestralen Percussions. Aber in Ergänzung zu diesem Score haben wir auch andere Quellen wie die Balalaika, Maschinengeräusche und verschiedene Filmkameraarbeiten gesamplet. Die Flöte ist für uns immer ein sehr emotionales Instrument gewesen und wir sind froh, mit Henrik Linnemann einen ausgezeichneten Spieler hier zu haben, den wir als Session-Musiker eingeladen haben. Sein Spiel ist so intuitiv und expressiv, dass wir von früh an wussten, dass wir ihn bei diesem Projekt dabeihaben wollten. Einige Teile wurden schon von uns geschrieben, aber viele wurden vollkommen improvisiert.”
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Man merkt dem vor Spielfreude, fetten Arrangements und gefühlvollen Atmosphären platzenden Werk hörbar an, dass ITN viel Spaß an dem Projekt hatten. Lag das eher an dem inspirierenden Hintergrund oder an der Möglichkeit, sich nicht mehr ganz so eng an visuelle Vorgaben halten zu müssen?
„‘Engel‘ war ein spezielles Projekt, das konzipiert worden ist, um in die Erzählung des Rollenspiels ‚Engel‘ integriert zu werden und ihre Wirkung zu verstärken. Auch wenn es bestimmte Merkmale in der Art gibt, wie sich unsere Musik in den letzten paar Jahren entwickelt hat, sind die letzten beiden Alben sehr unterschiedlich“, meint Nigel. „‘Praxis‘ ist ein neues Studio-Album, das verstärkt auf Gesang basiert.“
Es ist dabei schon bemerkenswert, mit welcher Kontinuität die beiden Zwillingsbrüder fast im Jahrestakt eine Veröffentlichung auf die andere präsentieren, ohne qualitative Einbußen hinnehmen zu müssen. Offensichtlich scheint es für die Kreativität der Band von enormem Vorteil zu sein, dass man immer mal die Spielebenen wechseln kann, von der Filmmusik zum Rollenspiel-Soundtrack zu ganz eigenen Ideen und zurück zu funktionaler Musik.
Mit diesem Album verhält es sich eigentlich wie mit allen Veröffentlichungen von In The Nursery. Man bekommt die vertrauten Elemente wie wuchtige Percussions, ausgefeilte Elektronik-Arrangements, sanfte Streicherklänge und intime Oboen- und Flöten zu hören, doch der Cocktail fällt jedes Mal anders aus, mal energischer, mal entspannter, mal mit mehr Vocal-Einsätzen, dann wieder mit weniger.„Es ist nie einfach, Musik zu machen. Ich denke, wir arbeiten gleichermaßen gut mit bildbezogenen Projekten wie mit unseren eigenen Studioalben. Aber wie du vermutest, ist es sehr erfrischend und hilfreich, zwischen verschiedenen Projekten hin- und herzuwechseln“, stimmt Nigel meiner Überlegung zu. „Das hilft uns, konzentriert, inspiriert und interessiert zu bleiben. Um ehrlich zu sein, ich denke, dass die Unterschiedlichkeit unserer Arbeiten in verschiedenen Gefilden uns überhaupt erst ermöglicht hat, in den letzten zwanzig Jahren so kontinuierlich kreativ gewesen zu sein.“
Der instrumentale Opener und Titeltrack von „Praxis“ bietet die schon obligatorischen schweren Percussion-Beats, düstere Elektronik-Soundscapes, Stakkato-mäßige und warme Streicher, Military Drums und verführerische Oboen-Harmonien. Doch schon mit dem nächsten Track, dem von Dolores gesungenen „Vocopolis“ ändert sich die Szenerie mit ganz ruhigen Piano-Tönen, die dann aber auch von mächtigen Bläsern und pulsierenden elektronischen Grooves dynamischer gestaltet wird. In The Nursery haben mit vielen Arten von Beats und mit ebenso vielen Stimmungen und Gesangs-Einsätzen auf „Praxis“ gearbeitet.
„Auf dem Album geht es darum, wie man eine kreative Identität definiert, wie man sich selbst durch die Arbeit, die man macht, zum Ausdruck bringt. Es ist auch ein Lernprozess, bei dem man Perioden von intensiver Action und Produktivität erlebt, die von Zeiten der Reflexion und Betrachtung gefolgt werden“, erläutert Nigel die stilistische wie atmosphärische Vielfalt des Albums. „In vielerlei Hinsicht spiegelt dieser Prozess unsere Arbeitsweise im Studio wider, und daraus entwickelten wir schließlich das Konzept.“
Ähnlich wie bei „Lingua“ haben In The Nursery mit vielen Vocals gearbeitet. Dolores verlieh nicht nur „Vocopolis“, sondern auch „Memento“, „Amer“ und „Argent“ ihre eindringliche Stimme. Bei „Concept“ und „Ethics Of Belief“, deren Rhythmik jeweils bemerkenswert elektronisch ausfällt, greifen Klive und Nigel sogar selbst zum Mikrophon. „Eigentlich wollten wir es einfach nur noch mal wieder ausprobieren“, meint Nigel lapidar. „Ich habe auf unserer Version von ‚Love Will Tear Us Apart‘ gesungen und es sehr genossen, also war es nur eine logische Weiterentwicklung.“
Mit Katz Kiely taucht beim balladesken „Outburn“ schließlich eine ganz neue Stimme auf, die dem melancholischen Track die nötige emotionale Tiefe verleiht.
„Katz ist eine gute Freundin von uns und wir wollten schon immer mal mit ihr zusammenarbeiten. Sie verfügt über eine erstaunliche Stimme mit unglaublicher Kraft und Kontrolle. Nachdem wir entschieden hatten, welchen Track sie singen sollte, schrieben Klive und ich ein paar Gesangsideen auf, quasi eine Auswahl an Phrasen und Worten. Katz kam dann ins Studio und nahm den Song in zwei Takes auf, ohne vorher der Track gehört zu haben. Das geschah also sehr plötzlich und spontan.“
Überhaupt schien die Produktion von „Praxis“ eher ein Ergebnis von Zufällen gewesen zu sein. Selbst der verstärkte Vocal-Einsatz war nicht wirklich vorher geplant.
„Alle Songs auf ‚Praxis‘ haben ihr Leben als Instrumentals begonnen“, ergänzt Klive. „Das ist die Art und Weise, in der wir arbeiten. Es gibt ganz verschiedene Ausdrucksformen in den Songs des Albums, aber es gibt auch eine Einfachheit in ihrer Präsentation. Das bedeutet nicht, dass wir nicht Stunden damit verbringen, die Komposition zu verfeinern. Wir haben letztlich Soundscapes kreiert, die den Raum für den Gebrauch von Vocals hatten und sie rechtfertigten.“„Da wir so sehr mit der Komposition der Musik beschäftigt sind, fällt es uns immer schwer, Gesangs-Melodien zu schreiben – was ein Grund dafür sein mag, warum wir seit so langer Zeit nicht mehr auf unseren Alben gesungen haben“, meint Nigel. „Aber irgendwie schien es diesmal wieder an der Zeit zu sein. Es gibt eigentlich keinen bestimmten Grund, warum es jetzt wieder mehr Vocals auf dem Album gibt. Es passierte einfach, die Musik schien es zu brauchen. Wir haben ein ziemlich gutes Gespür dafür, wenn ein Track fertig ist.“
Nachdem In The Nursery „The Cabinet Of Dr Caligari“ (1919) und „Asphalt“ (1929) sowie den russischen Film „Man With A Movie Camera“ (1929) und die britische Arbeit von Maurice Elvey, „Hindle Wakes“ (1927), vertont haben, bewegten sie sich mit ihrem 2004er Album in den fernen Osten, als sie sich nämlich des japanischen, 1927 von Teinosuke Kinugasa inszenierten Films „A Page Of Madness“ angenommen haben.
„Als wir für unseren fünften Optical Music Score recherchierten, haben wir viel über ‚A Page Of Madness‘ gelesen und viel davon gehört, und als expressionistischer japanischer Avantgarde-Film ist er sicherlich einzigartig, vor allem, wenn man bedenkt, dass er 1927 gemacht wurde“, erklärt Nigel die ungewöhnliche Wahl. „Als wir den Film gesehen haben, war es offensichtlich, dass dies ein Film ist, mit dem wir arbeiten müssen – die Bilder und der Stil waren einfach so inspirierend. Es war einfach auch interessant, an einem Film von einem anderen Kontinent zu arbeiten.“
Der Film handelt von einem pensionierten Seemann, der einen Job als Hausmeister in einer Irrenanstalt annimmt, um dort nach seiner verrückten Frau zu schauen, die versucht hatte, ihr Kind zu ertränken.
“Aber die Synopsis des Plots kann nicht die Kraft des Films erklären, der bahnbrechende Schnitttechniken verwendet, die auch heute noch bemerkenswert sind“, merkt Nigel dazu an.
Bemerkenswert an der Musik dabei ist, dass In The Nursery entsprechend der Herkunft des Films natürlich japanische Instrumente in ihrer ruhigen, synthetischen Musik eingearbeitet und so ihrem umfangreichen Oeuvre eine neue Farbpalette hinzugefügt haben.
„Wie bei den früheren Optical Music Scores haben wir den Film gesehen und bestimmte Punkte für die Musiksequenzen gesetzt. Dann haben wir eine Sammlung oder eine Palette von Sounds zusammengetragen, mit der wir die Musik geschrieben haben. Es ist oft hilfreich, wenn wir uns selbst auf ein spezifisches Soundspektrum limitieren, aber die Typen von Sounds, Samples und Stimmungen sind gewöhnlich durch den Film diktiert. Für ‚A Page Of Madness‘ haben wir Samples von traditionellen japanischen Instrumenten benutzt wie das Koto und die ausdrucksvolle Shakuhachi-Flöte. Wir haben diese Sounds editiert und übereinander gelegt, um ihnen eine eigene Identität innerhalb der Kompositionen zu verleihen, und kombinierten sie mit anderen elektronischen und perkussiven Elementen. Gewisse Sounds funktionierten ganz offensichtlich nicht mit der Atmosphäre, die wir für den Film zu kreieren versuchten, zum Beispiel sinfonische Streicher. Stattdessen verwendeten wir eine sehr dünn klingende Solo-Streicher-Harmonie“, erläutert Nigel den musikalischen Prozess.
Vom British Film Institute wurden In The Nursery beauftragt, die Musik zu einer Sammlung von Filmen aus der Jahrhundertwende zu komponieren.„Viele der Szenen spielen sich im oder um die Irrenanstalt herum ab, also musste die Musik die Klaustrophobie des Eingesperrtseins einfangen. Einige der schwierigsten Szenen, zu denen die Musik geschrieben werden musste, waren jene, die die häufigen Sprünge in die Realität und aus ihr heraus beschreiben. Manchmal sind diese Bilder sehr zwiespältig, so dass man fast einen Traum innerhalb eines Traums zu sehen glaubt.“
Mit „Electric Edwardians“ erschien 2005 bereits sechste Album im Rahmen ihrer „Optical Music Series“.
In The Nursery produzierten unter Mithilfe von Studiomusikern eine Reihe von sehr intim klingenden Soundtracks zu Kurzfilmen, die das Leben im England zu Beginn des 20. Jahrhunderts auf der Straße, in den Straßenbahnen, in den Häfen, auf den Bahnhöfen und auf der Arbeit zeigen. 833 Filme liegen in dieser Form in der „Mitchell & Kenyon Collection“ vor, 35 davon sind vom British Film Institute restauriert und bereits auf DVD veröffentlicht worden und erfolgreich als TV-Serie auf BBC gelaufen.
Mit sehr warmen akustischen Klängen von verschiedenen Flöten, Klarinetten, Oboe und Cello entstanden sehr eindringliche Kompositionen, die wunderbar auch ohne visuellen Background funktionieren.
„Die Filme sind jeweils nur zwischen zwei und drei Minuten lang. Die über 800 Filme wurden für ‚Showmänner‘ gedreht, die Arbeiter dabei beobachten, wie sie die Fabriken und Arbeitsplätze verlassen, Familien in der Freizeit, geschäftiges Treiben auf den Straßen“, beschreibt Klive den Charakter der Filme. „Das wurde nicht gemacht, um den Alltag der Leute zu dokumentieren, die im Nordengland der Edward-Ära lebten, sondern aus reiner Profitgier. Die ‚Showmänner‘ bewarben die Filme, zeigten sie in Hallen und Theatern und verlangten Geld von den Leuten, damit sie sich selbst auf der ‚großen Leinwand‘ sehen konnten. Kino gab es in den 1910er-Jahren noch nicht.“
Mit dem British Film Institute verbindet In The Nursery eine lange Beziehung, und so wurde die Band vom BFI vor zwei Jahren angefragt, ob sie die Sammlung von Filmen mit Musik untermalen würden. Aus einem geplanten zwei- bis sechsjährigen Engagement wurde ein Unterfangen, das bis heute andauert.
Insofern überraschen die melancholischen Züge des Albums kaum. Erstaunlich ist eher, dass In The Nursery nach all den Jahren ihrer mehr als produktiven Tätigkeit einmal mehr ihren musikalischen Ausdruck erweitert haben.„Was einzigartig an diesen Filmen ist, ist die Tatsache, dass es kaum bewegte Bilder von normalen Leuten - keinen Schauspielern – aus dieser Zeit gibt. Wir alle haben Bilder und Drucke gesehen, aber diese Menschen atmen und leben zu sehen ist etwas ganz spezielles. Als Dokument unserer Geschichte sind sie unbezahlbar, eine wertvolle Erinnerung“, meint Nigel. „Die Edward-Ära war eine Zeit großen ökonomischen und sozialen Wandels, teilweise durch die Elektrifizierung begründet. Der Erste Weltkrieg lag nur um die Ecke, und man muss sich schmerzlich daran erinnern, dass die Mehrheit der Leute, die man auf der Leinwand sieht, innerhalb weniger Jahre in den Krieg ziehen musste.“
„Mit diesem Projekt haben wir eine Art musikalischen ‚Leitfaden‘ initiiert, dass wir festgelegt haben, mit welchen Instrumenten wir die Stücke einspielen. Wir haben eine ‚Palette an Sounds‘ auch in früheren Optical Music Scores verwendet, aber diesmal war es klarer, dass bestimmte Instrumente und Sounds besonders gut passen und eine Menge anderer auf keinen Fall Verwendung finden würden“, erläutert Klive die Herangehensweise an „Electric Edwardians“. „Wir wollten eine emotionale Verbindung mit den hunderten Gesichtern schaffen, die wie Geister auf diesen bemerkenswerten Filmen wandeln“, ergänzt Nigel. „Wir waren uns aber auch bewusst, die Musik nicht allzu melancholisch werden zu lassen, sondern vielmehr das Vibrieren auf den Straßen damals zu reflektieren.“
Im Jahre 2007 feierten In The Nursery ihr 25-jähriges Jubiläum mit einem neuen Album namens „Era“.„In den Filmen liegt eine gewisse schmerzliche Traurigkeit. Weil sich die Bilder bewegen, ist die emotionale Bindung weit stärker als bei Fotografien aus derselben Periode“, versucht Klive das besondere Element bei den Filmen nochmals herauszuarbeiten. „Und weil sich die Leute in ihrem alltäglichen Leben bewegen und nicht als Schauspieler in einem Stück oder Film agieren, ist mein Mitgefühl viel stärker ausgeprägt als normal. Ich bin mir mehr bewusst, dass diese Gesichter existiert, ihr Leben gelebt, gearbeitet und geliebt haben und gestorben sind.“
„ ‚Era‘ entwickelte sich aus dem Arbeitstitel ‚Material & Form‘ und war von Anfang dazu bestimmt, sich mit dem Konzept der Architektur auseinanderzusetzen. Die Beziehung zwischen Architektur und Musik ist schon immer etwas gewesen, das ich erforschen wollte“, erklärt Nigel das Album-Konzept.
„ Wir wollten ‚Era‘ wie ein klassisches ITN-Album klingen lassen, mit all den Markenzeichen-Elementen - schrille Orchester/Percussion-Kompositionen, aber auch liebliche und warme Momente schierer Schönheit“, ergänzt Klive. „Wir waren uns bewusst, Material zu schreiben, das sowohl live dargeboten werden könnte als auch Tracks zu komponieren, die mehr emotional und zurückhaltend ausfallen. Das ursprüngliche Konzept des Albums bestand darin, Musik zu kreieren, die direkt von Architektur beeinflusst ist. Musik und Architektur sind durch den Geist der Kreativität, den menschlichen Geist und eine persönliche kreative Entwicklung miteinander verbunden. Also erforschten wir dieses Thema mit verschiedenen architektonischen Gebäuden im Kopf, machten Bilder von Tempeln und Altären, als wir im August 2005 Japan besuchten. Wir schauten uns Statuen und Monumente an, besannen uns unserer Besuche in Mexiko und der wundervollen alten und neuen Architektur, die wir dort sahen.“
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„Sarahs Name ist in Unterhaltungen gefallen, dann traf ich sie einige Male und wir diskutierten die Möglichkeit, ob sie ins Studio kommen möchte, um einige Tracks auszuprobieren. Ich habe ihre Arbeit mit Massive Attack gehört, zusammen mit einigen ihrer neuen Tracks, und war sehr beeindruckt“, blickt Nigel zurück. „Mit ihr zu arbeiten war ein wirklich simpler und produktiver Prozess. Sie kam herein, ohne die Tracks gehört zu haben, und dann präsentierten wir ihr Worte, Phrasen, Teile der Lyrics und Themen, während sie die Songs anhörte. Daraufhin schrieb sie weitere Lyrics, arbeitete Melodien aus, und alles, was wir tun mussten, war die Ergebnisse aufzunehmen.“
Nach diesem Studioalbum folgte 2008 ein weiterer Stummfilm-Soundtrack, diesmal zu Carl Theodore Dreyers fast dokumentarisch anmutenden Film „The Passion of Joan of Arc“ aus dem Jahre 1928, der jahrzehntelang verschollen war und erst 1981 wieder aufgetaucht ist. In The Nursery reflektierten mit ihrem Score die dramatischen Hoch- und Tiefpunkte, vor allem die eindringlichen Close-ups der Hauptdarstellerin Rene Falconetti und die fieberhaften Szenen rund um Joans Todeskampf.
Nach der im vergangenen Jahr veröffentlichten Compilation „Aubade“, die die frühe Schaffensphase der Band aus den Jahren 1983 bis 1985 repräsentierte, erscheint nun mit „Blind Sound“ ein neues Studioalbum, mit dem die Sheffielder Zwillinge nicht nur ihren 50. Geburtstag, sondern auch ihr 30-jähriges Bandjubiläum feiern, nachdem sie im Juni 1981 ihr Live-Debüt am Sheffielder Art College gegeben haben.
Mit ihrem neuen Album fassen In The Nursery quasi die Qualitäten zusammen, die sich die Band über die Jahrzehnte angeeignet und perfektioniert hat.„Ich bin wirklich stolz darauf, dass wir uns treu in dem geblieben sind, woran wir glauben. Musik zu machen ist immer auf fundamentale Weise etwas gewesen, das wir mit Freude getan haben, und der Schaffensprozess geschieht allein zu unserem Vergnügen und Befriedigung. Die Tatsache, dass andere an dieser Kreation teilhaben können, ist ein zusätzlicher Bonus“, fasst Klive die Essenz der vergangenen 30 Jahre Bandgeschichte zusammen. „Ich bin jetzt genauso aufgeregt, die erste Box der ‚Blind Sound‘-CDs zu öffnen, frisch vom Presswerk, wie damals im Jahr 1983, als wir per Hand die Covers zu unserer Debüt-Mini-LP ‚When Cherished Dreams Come True‘ fertigten. Das ist etwas, worauf ich auf einem künstlerischen Level immens stolz bin“.
„‘Blind Sound‘ hat sehr viel damit zu tun, zurück zur Essenz dessen zu gehen, was uns angetrieben hat, Musik zu machen. Natürlich haben wir in all den Jahren viel darüber gelernt, wie man einen Song komponiert und fertigt. Aber ich denke, wir haben uns bewusst dazu entschieden, uns zu versichern, dass das Übergewicht der Technologie in der heutigen Musikproduktion nicht das kontrolliert, was wir kreieren wollen“, betont Klive. „Manchmal können Computer die künstlerische Herrschaft über das Komponieren übernehmen und leblose Musik ohne Seele kreieren. Wenn man sich nicht der technologischen Macht bewusst ist, kann sie die einfachsten Ideen verzehren. Wir wussten, dass wir ein Album machen wollten, das man live aufführen kann, das frisch klingt und all die verschiedenen Elemente unseres charakteristischen Sounds vereint, und ich glaube, mit ‚Blind Sound‘ haben wir das auch erreicht.“
„Anders als Alben wie ‚Anatomy of a Poet‘ und ‚Deco‘ gibt es allerdings kein ausgeprägtes Konzept hinter ‚Blind Sound‘. Nichtsdestotrotz ist die Sammlung der Tracks miteinander verbunden und erforscht als Ganzes unsere künstlerischen Erfahrungen und Auffassung von der Musik“, ergänzt Nigel.
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„Um ehrlich zu sein, hat es sich nicht so angefühlt, als hätten wir mit mehr zusätzlichen Musikern als sonst gearbeitet, vielleicht einer oder zwei, aber vielleicht lag es an der Art, wie wir sie eingesetzt haben und die Tracks um ihren Input herum aufgebaut haben, dass sich das ganze Projekt so lebendig anfühlte“, fügt Nigel hinzu.„Es war großartig, mit Matt Howden von Sieben zusammenzuarbeiten. Wir sind schon seit einiger Zeit gute Freunde gewesen und haben bei einigen Optical Music Events zusammengespielt. Wir haben ihn eingeladen, eines Abends mal ins Studio zu kommen und zu einigen Tracks die Violine beizusteuern. Wir gaben ihm dann einen Freibrief, dass er, wo immer er mochte, etwas zu den Tracks spielen konnte. Das ist eine witzige Art zu arbeiten. So machten wir es auch mit Liz Hanks und Rob Skeet. Sie alle sind Musiker/Freunde, die in Sheffield leben und mit denen wir über die Jahre gearbeitet haben und deren Fähigkeiten wir sehr schätzen“, erläutert Klive.
Auch nach 30 Jahren werden In The Nursery nicht müde, ihre ganz eigene künstlerische Vision immer wieder neu zu verwirklichen, demnächst auch wieder für einen Stummfilm-Soundtrack.
„Eine Idee für einen zukünftigen Score ist, einen Stummfilm-Projekt zu finden, bei dem wir Live-Drumming mit unserer üblichen Keyboard- und Controller-Präsentation verbinden können. Wir haben schon einen Titel im Kopf, aber leider können wir dazu noch nichts erzählen“, gibt sich Nigel zum Abschluss des Interviews kryptisch. Aber zu gegebener Zeit gibt es an dieser Stelle dazu mehr zu berichten.
Diskographie:
1983: When Cherished Dreams Come True (EP)
1986: Twins
1987: Stormhorse
1988: Köda
1989: Counterpoint (Compilation)
1989: Prelude (Compilation)
1990: L'Esprit
1991: Sense
1992: Duality
1993: An Ambush of Ghosts (Soundtrack)
1994: Anatomy of a Poet
1995: Scatter (Compilation)
1996: Praha 1 (Live)
1996: Deco
1996: Feathercut (Les Jumeaux)
1996: The Cabinet of Dr. Caligari (Soundtrack)
1997: Composite (Compilation)
1997: Asphalt (Soundtrack)
1997: Cobalt (Les Jumeaux)
1998: Lingua
1999: Man With a Movie Camera (Soundtrack)
2000: Groundloop
2000: Exhibit (Compilation)
2001: Hindle Wakes (Soundtrack)
2001: Engel (Game-Soundtrack)
2002: Cause + Effect (Remix-Album)
2003: Praxis
2003: A Page of Madness (Soundtrack)
2005: Electric Edwardians (Soundtrack)
2006: ERA
2008: The Passion of Joan of Arc (Soundtrack)
2010: Aubade (Compilation)
2011: Blind Sound
Playlist:
1 In The Nursery - Coloured Silence (Blind Sound) - 03:03
2 In The Nursery - Police Station (The Cabinet of Doctor Caligari) - 05:58
3 In The Nursery - Bergen's (Asphalt) - 04:49
4 Les Jumeaux - Strange (Cobalt) - 06:06
5 In The Nursery - Salient (Lingua) - 06:25
6 In The Nursery - Paralysed Time (Man With A Movie Camera) - 04:28
7 In The Nursery - Displaced (Groundloop) - 04:43
8 In The Nursery - Hindle Theme 1 (Hindle Wakes) - 03:59
9 In The Nursery - Pandoramicum (Engel) - 04:24
10 In The Nursery - Futurebuild (Era) - 06:05
11 In The Nursery - Resonate (Blind Sound) - 03:58
12 In The Nursery - I Have Lied (The Passion Of Joan Arc) - 05:41