Radio ZuSa

Sonntag, 6. Dezember 2009

John Carpenter (Teil 4) - Der künstlerische und kommerzielle Niedergang

Da John Carpenter von der Realität in Amerika der Spätachtziger wenig angetan war,  präsentierte er mit seinem nächsten Projekt für Alive Films seine satirische Abrechnung mit der Reagan-Ära.
„Wir stehen am Ende einer Dekade. Die 80er Jahre haben die Erfolge einer kleinen Gruppe der menschlichen Gesellschaft verbessert. Ein halbes Prozent der Bevölkerung Amerikas verfügt über 50% des Wohlstands des ganzen Landes - es ist nur zu sichtbar, dass das soziale Gefälle immer größer wird. Global betrachtet wird das Gefälle noch viel größer.
Die Nationen der zivilisierten 'ersten' Welt beuten die Menschen der dritten Welt aus, kaufen ihnen die Rohstoffe weg, um ihnen die Produkte daraus später teuer zu verkaufen“, bilanzierte Carpenter die Lage der Nation.

Für „They Live!“ (1988) ließ er sich vom Comic „Alien Encouters“ inspirieren, das Bill Wray nach der 1960 im Magazine of Fantasy and Science Fiction veröffentlichten Geschichte „Eight o’ Clock“ von Ray Faraday Nelson gezeichnet hat.
Darin wird ein Mann von einem Bühnenmagier hypnotisiert und erkennt daraufhin außerirdische Invasoren, die er nur bis zum nächsten Morgen zu bekämpfen Gelegenheit hat.
John Carpenter schuf aus dieser Idee ein nicht in allzu weiter Zukunft liegendes Szenario, in der der amerikanische Traum von jedem Bürger verwirklicht werden kann. Im Prinzip kann jeder Arbeit finden und so am Leben im Luxus teilhaben. John Nada muss allerdings eine andere Erfahrung machen. Nachdem sein Arbeitgeber in Detroit dichtgemacht hat, versucht er sein Glück in Los Angeles, wo er gerade mal einen Job als Bauarbeiter auf einer Großbaustelle findet. Als er bemerkt, dass ein Piratensender des Öfteren das örtliche Programm überlagert und dass von einer infamen Verschwörung die Rede ist, geht John Nada der Sache auf den Grund und stößt auf ein chemisches Labor, in dem Sonnenbrillen hergestellt werden. Als er eine dieser Brillen aufsetzt, verwandeln sich farbenfrohe Werbeplakate in Botschaften wie „Gehorche“, „Schlaf“, „Fernsehen“, „Kaufe“, „Denk nicht“. Aber mit der Brille lassen sich auch Außerirdische mit metallischen Totenschädeln identifizieren, die menschliche Formen angenommen haben und die Erdbewohner mit unterschwelligen Botschaften zu ihren willfährigen Dienern gemacht haben.
„Ich kam auf die Idee, dass die gesamt Ära Reagan in Wirklichkeit von Außerirdischen gelenkt wird, dass all die Dinge, die sich momentan in Amerika abspielen - die Reichen werden reicher, die Armen ärmer, die Mittelklasse löst sich in Luft auf -, in Wahrheit Teil dieser enormen außerirdischen Verschwörung sind. Mir schwebte ein Film gegen die achtziger Jahre vor, gegen die Yuppies, ein Plädoyer für den Verfolgungswahn“, berichtet Carpenter.
Die gesellschaftskritischen Ansätze, die Carpenter in frühen Filmen wie „Assault“ und „Escape from New York“ konstruiert hat, wurden in „They Live!“ etwas mehr auf den Punkt gebracht, ohne im besonderen Maße politisch ambitioniert zu wirken. Dennoch weiß der Film den alltäglichen Horror auf symbolische Weise zu thematisieren.
„Was mich am meisten ängstigt, ist die Realität, die Politik, die Einstellung der Menschen und ihre offensichtliche Bereitwilligkeit, sich selbst und andere zu zerstören“, resümiert Carpenter.
'They Live!' ist eine Art, auf die man Amerika heutzutage betrachten und portraitieren kann. Heimatlosigkeit und das Glück auf der Seite des Starken sind Dinge, die mich mehr ängstigen als jedes andere natürliche und übernatürliche Ereignis.“
Leider sollte „They Live!“ der letzte Erfolg für John Carpenter bleiben. Die nächsten drei Jahre verbrachte der überzeugte Independent-Filmer damit, Ideen zu entwickeln, um sie dann wieder zu verwerfen. So scheiterte das geplante Remake von Jack Arnolds Grusel-Klassiker „Der Schrecken vom Amazonas“ an finanziellen Schwierigkeiten; „The Mummy“ wurde zunächst an Clive Barker, dann an Mick Garris („The Stand“) weitergereicht und die Fortsetzung von „They Live!“ - „They Live II - Hypnowar“ blieb im Stadium einer bloßen Idee stecken.
Schließlich erlag Carpenter dann doch erneut der Versuchung, für ein großes Studio zu arbeiten, und landete mit der 45 Millionen teuren Fantasy-Komödie „Memoirs of an Invisible Man“ („Jagd auf einen Unsichtbaren“) den nächsten Flop.
Zwar erwies sich Carpenter bei der Umsetzung von H.F. Saints gleichnamigen Erzählung einmal mehr als hervorragender Handwerker, doch letztlich glänzten nur die auf Hauptdarsteller Chevy Chase zugeschnittenen Gags und das Special-Effects-Feuerwerk von Industrial Light & Magic.
Nach diesem Desaster wandte sich Carpenter zwangsläufig wieder kleineren Projekten zu. 1993 produzierte er fürs TV in Anlehnung an die erfolgreiche Grusel-Serie „Tales from the Crypt“ den Episodenfilm „Body Bags“, in der er als Leichenbeschauer zugleich sein Schauspiel-Debüt gab. Bei den beiden Episoden „The Gas Station“ und „Hair“ führte Carpenter auch selbst Regie (die dritte namens „Eye“ stammt von Tobe Hooper) und komponierte zusammen mit Jim Lang den kaum nennenswerten Soundtrack.
Trotzdem fanden sich die beiden Musiker auch bei Carpenters nächstem Film zusammen. Mit „In the Mouth of Madness“ („Mächte des Wahnsinns“), einer Hommage an H.P. Lovecraft, tauchte der Regisseur endlich wieder tief ins Horror-Genre. Sam Neill spielt darin den Versicherungsdetektiv John Trent, der bei der Suche nach dem Horror-Schriftsteller Sutter Cane in eine magische Zwischenwelt gelangt, in der der Wahnsinn regiert.
Carpenter ließ seiner Phantasie freien Lauf und kreierte einen Batzen Horroreffekte, doch wirkt die Story alles andere als logisch. „Luis Buñuel trifft H.P. Lovecraft. Ein entfernter Verwandter des 'Fürsten der Dunkelheit', aber weitaus humorvoller und radikaler“, fasst Carpenter das wirr inszenierte Konzept zusammen und ging damit ein weiteres Mal an der Kinokasse baden - ebenso wie mit dem 95er ideenlosen Remake von Wolf Rillas 1960 inszenierten Gruselschocker „Village of the Damned“, in dem die Frauen einer englischen Kleinstadt im bewußtlosen Zustand von Aliens geschwängert werden, worauf die wasserstoffblonden Zöglinge mit ausdruckslosen Gesichtszügen ihren Eltern den Krieg erklären. Das einzig Positive an dem Film, der hierzulande nicht mal in die Kinos kam, war das gut siebenminütige, hymnische und rhythmische „March of the Children“ vom Soundtrack, den Carpenter mit dem Kinks-Gitarristen Dave Davies komponiert hat.
1986 war es dann endlich wieder Zeit, Snake Plissken auf die Leinwand zurückzubringen. Obwohl Carpenter schon immer mit einem Sequel geliebäugelt hatte, schien die Realisierung überhaupt nicht mehr hinzuhauen. Für den Regisseur bestand das Problem vor allem darin, eine interessante Story für die Fortsetzung zu finden.
„Ich wollte einfach nicht den gleichen Film noch einmal drehen. Mit Kurt Russell habe ich mich oft darüber unterhalten, aber wir hatten keine Story, wussten nur, dass dann Los Angeles zum Schauplatz werden sollte“, erklärt Carpenter die lange Entstehungsgeschichte von „Escape from L.A.“. „In den 90ern löste L.A. New York als schrecklichste Stadt der Welt ab. Es gab Erdbeben, viele Leute zogen weg. Die Kriminalität ist gestiegen. Eine Stadt der Angst, genau das brauchten wir. Ich wollte einen Film wie Stanley Kubricks 'Dr. Seltsam'. Je ernster der Hintergrund, desto absurder kann die Story sein.“
Tatsächlich war es das Erdbeben, das 1994 Los Angeles erschütterte, das zur Wiederbelebung von Snake Plissken führte.
„Nach dem Erdbeben in L.A. kam Kurt Russell zu mir und sagte: 'Ich glaube, es wird Zeit für uns, mit L.A. das anzustellen, was wir mit New York gemacht haben'“, blickt Carpenter zurück. „Er sagte mir, dass Snake Plissken die einzige Rolle ist, die er wieder spielen würde. Snake ist ein klassischer Charakter, den man nicht ändern muss. Niemand weiß so ganz genau, wie er wirklich ist und wo er eigentlich herkommt, aber man ist sich im klaren darüber, dass er der schlimmste Mensch in einer schlimmen Welt ist und er sich um die Bösen kümmert. Dieser Film ist eigentlich das, was ich einen 'cowboy noir' nenne, einen schwarzen Western, der in der Zukunft spielt.“
Das Szenario von „Escape from L.A.“ beginnt mit einer Rückblende auf die Erdbeben, die ins Jahr 2000 verlegt werden und die Los Angeles vom Rest der USA isoliert haben. Hierhin werden seitdem alle 'Unmoralischen' verbannt, während die christlich-fundamentalistische Regierung eine erzkonservative Diktatur errichtet hat, die von einem auf Lebenszeit ernannten, puritanisch-religiösen Präsidenten geführt wird. Ausgerechnet seine Tochter Utopia schlägt sich mit den Plänen für eine neue Vernichtungswaffe auf die Seite der vom anarchistischen Guerilla Cuervo Jones angeführten Rebellen. Diesmal hat Snake Plissken, dem ein tödlicher Designer-Virus injiziert wird, nur zehn Stunden Zeit, um Utopia zu eliminieren und die Diskette mit den Plänen zurückzubringen. Carpenter folgt dabei minutiös der Dramaturgie von „Die Klapperschlange“, so dass man eine wirklich originelle Story schmerzlich vermisst.
„Wir haben uns für eine déjà-vu-Situation entschieden, weil die Mehrheit des Publikums nicht den ersten Film gesehen hat. Obwohl der Film auf Video und Laserdisc erschienen ist, gibt es ein ganz neues Publikum. Deshalb haben wir die Geschichte noch einmal neu erzählt. Auf der anderen Seite wollten wir den Fans des ersten Films auch etwas Neues bieten, so dass eine gewisse Balance stattfand.“
Allerdings schlug der Versuch, mit dieser Strategie ein neues Publikum zu erschließen und die alten Fans ebenfalls zu begeistern, auf klägliche Weise fehl. In den USA spielte der Film gerade mal die Hälfte der 50 Millionen Dollar Produktionskosten ein und dürfte damit die Pläne für ein abschließendes dritte Sequel, in dem Snake von der Erde fliehen sollte, frühzeitig begraben haben.
Mit einer Neuerung konnte der Film immerhin aufwarten und die bezog sich einmal mehr auf die Filmmusik. Zum ersten Mal verschmelzen Carpenters kargen Synthi-Klänge mit orchestralen Arrangements, für die Shirley Walker verantwortlich zeichnete, nachdem sie zuvor schon Carpenters „Jagd auf einen Unsichtbaren“ mit einem großorchestralen Score versehen hatte.
„Es gibt einen Hollywood-Stil, von dem ich mich immer ferngehalten habe. Shirley bezeichnet mich als Minimalisten, was meine Musik angeht. Aber wenn man einen großen Film wie 'Escape From L.A.' macht, muss man das Publikum mit einem orchestralen Gefühl erreichen. Da diese Art von Musik nicht meine Stärke ist, wollte ich mit einem Komponisten zusammenarbeiten, der die symphonische Erfahrung besitzt.
Shirley war die erste Person, an die ich dachte, und sie sagte: 'Warum nicht? Lass es uns machen!'“, erklärt John Carpenter die Zusammenarbeit mit Shirley Walker. „Wir haben uns zu Beginn zusammengesetzt und den Film in zwei Teile aufgeteilt, wobei der eine der Score-, der andere der Synthesizer-Part war. Ich kümmerte mich um all das Synthesizer-Material, während sie sich des Orchesters annahm. Aber Shirley orchestrierte und arrangierte letztlich die ganze Musik, auch meinen Part.“
Nicht nur die Story von „Escape from L.A.“ rekapitulierte den 15 Jahre alten Vorläufer, auch die Musik musste sich am Original orientieren.
„Die Musik entstand 1981, als Alan und ich noch Prophets und andere alte Synthesizer verwendeten“, erinnert sich Carpenter. „Ich wollte den Sound auf den letzten Stand der Technik bringen. Tom Milano, der Musikregisseur, mischte die ursprüngliche Melodie an den Anfang von 'Escape from L.A.'. Die Melodie erschien uns etwas langsam, deshalb sequentierten wir sie neu und erhöhten das Tempo.“
Tatsächlich gehört das so weiterentwickelte prägnante Hauptthema des ursprünglichen „Klapperschlange“-Films zu den Höhepunkten des durchwachsenen Scores, dessen Faszination vor allem in den düsteren Electro-Sequenzen als in den konventionell arrangierten Orchester-Passagen liegt.
„Der Film hat viel Humor. 'Escape from L.A.' ist ein Abenteuerfilm, der dich an die Leinwand fesselt, sich aber selbst nicht zu ernst nimmt. Es ist ein sehr, sehr schwarzer Film, in dem es aber durchaus Lacher gibt. Shirley und ich haben keine `Friede-Freude-Eierkuchen´-Musik geschrieben. Snake geht in eine sehr dunkle, sehr seltsame Stadt und wir mussten das Publikum mit einer dunklen, seltsamen Musik darauf einstimmen.“
Für die Filmmusiken Carpenters gilt aber letztlich das gleiche wie für seine Filme. Je geringer das Budget und die Restriktionen, die sich in künstlerischer Hinsicht daraus ergeben, desto unbefriedigender fällt das Resultat aus. Mit dem 88er Film „Sie leben“ hat Carpenter seinen letzten wirklich gelungenen Film präsentiert. Gleiches lässt sich bezüglich seiner Filmmusik sagen. Man sieht es dem nun 50jährigen Allround-Talent nur zu deutlich an, dass die Reibereien mit den großen Studios ihre Spuren in dem eingefallenen Gesicht des Kult-Regisseurs, der mit seinen schlohweißen Haaren wie ein 70jähriger aussieht, hinterlassen haben. Doch sobald John Carpenter wieder eine Chance angeboten bekommt, wird er sie ergreifen, denn als Regisseur verfolgt er unbeirrt seine Vision: „In meiner Persönlichkeit gab es immer viele verschiedene Aspekte. Ich denke, ich bin ein Langzeit-Pessimist und ein Kurzzeit-Optimist.
Ich fühle, dass eine große Dunkelheit über die Menschheit hereinbricht. Gleichzeitig und im Widerspruch dazu fühle ich, dass das Leben wunderschön sein kann. Und das möchte ich natürlich auch in meinem Werk ausdrücken. Ich möchte als Filmemacher auf keinen Fall auf ein Genre beschränkt sein. Filme müssen eine bestimmte Stimmung schaffen und einen emotional aufrütteln.“
Allerdings ist das John Carpenter in den letzten Jahren immer weniger gelungen.

Filmographie/Diskographie:
(wenn nicht anders angegeben, hat John Carpenter jeweils auch die Musik komponiert)
1974 - Dark Star
1976 - Assault on Precinct 13 (Assault – Anschlag bei Nacht)
1978 - Someone’s Watching Me (Das unsichtbare Auge) – M: Harry Sukman
1978 - Halloween
1978 - Elvis – M: Elvis Presley
1980 - The Fog
1981 - Escape From New York (Die Klapperschlange) – M: mit Alan Howarth
1981 - Halloween II – M: mit Alan Howarth
1982 - The Thing (Das Ding aus einer anderen Welt) - M: Ennio Morricone
1982 - Halloween III – Season of the Witch – M: mit Alan Howarth
1983 - Christine – M: mit Alan Howarth
1984 - Starman – M: Jack Nitzsche
1986 - Big Trouble In Little China – M: mit Alan Howarth
1987 - Prince of Darkness (Die Fürsten der Dunkelheit) – M: mit Alan Howarth
1988 - The Live! (Sie leben!) – M: mit Alan Howarth
1992 - Memoirs of an Invisible Man (Jagd auf einen Unsichtbaren) – M: Shirley Walker
1993 - Body Bags – M: mit Jim Lang
1995 - In The Mouth of Madness (Mächte des Wahnsinns) – M: mit Jim Lang
1995 - Village oft he Damned (Dorf der Verdammten) – M: mit Dave Davies
1996 - Escape from L.A. (Flucht aus L.A.) – M: mit Shirley Walker
1998 – Vampires
2001 – Ghosts of Mars
2006 – Masters of Horror: Cigarette Burns – M: Cody Carpenter

Playlist # 21 vom 06.12.09 – JOHN CARPENTER Special


1 John Carpenter - Theme from „The Fog“(The Fog) - 05:10
2 John Carpenter & Alan Howarth - Suite B (Halloween II)- 05:04
3 John Carpenter & Alan Howarth - Moochie's Death (Christine) - 02:26
4 John Carpenter & Alan Howarth - Main Title (Escape From New York) - 03:53
5 John Carpenter - Main Theme (Assault on Precinct 13) - 02:52
6 John Carpenter & Alan Howarth - Abduction at Airport (Big Trouble In Little China) - 04:21
7 John Carpenter & Alan Howarth - Hell Breaks Loose (Prince of Darkness) - 09:57
8 John Carpenter & Alan Howarth - Coming To L.A. (They Live) - 04:00
9 John Carpenter & Shirley Walker - History of L.A. (Escape from L.A.) - 03:12
10 John Carpenter - Ghost of Mars (Ghost of Mars) - 03:42
11 John Carpenter & Jim Lang - Long Beautiful Hair (Body Bags) - 05:40
12 John Carpenter & Dave Davies - March of the Children (Village of the Damned) - 08:03

Soundtrack Adventures #21 with JOHN CARPENTER at Radio ZuSa by Dirk Hoffmann on Mixcloud

Sonntag, 22. November 2009

Playlist # 20 vom 22.11.09 – JEFF RONA Special

Jeff Rona ist zwar noch kein ganz Großer in der Filmmusikszene, hat aber schon mit einigen der bekanntesten Hollywood-Stars zusammengearbeitet – vor allem mit Hans Zimmer und Mark Isham. Der am 13. März 1957 in Culver City geborene Rona komponierte zunächst für Tanz und Theater, studierte World Music, Konzert- und Orchesterkomposition, spielte in jungen Jahren noch bevorzugt Flöte, ehe er sich mittlerweile zu einem gefragten Synthesizer-Spezialisten entwickelt hat. So programmierte er beispielsweise für Philip Glass‘ Score zu „Powaqqatsi“ die Synthesizer, spielte am Keyboard und war für das Sound Design zuständig.

Vor allem mit Hans Zimmer hat Jeff Rona viel zusammengearbeitet und zusätzliche Musik für die Scores zu „Toys“, „Black Hawk Down“, „Mission: Impossible 2“, „The Fan“ und „Gladiator“ kreiert. Seinen ersten eigenen großen Filmscore komponierte er für Ridley Scotts Segeldrama „White Squall“. Vor allem machte sich Jeff Rona aber im Fernsehen einen Namen. „The Dead Zone“, „Profiler“, „Traffic“, „L.A. Doctors“, „Chicago Hope“, „The Critic“, “High Incident”, “Homicide” und “Tom Clancy’s Netforce” sind die bekanntesten Serien, für die Rona die Musik komponiert hat.
1 Jeff Rona - Journey (Traffic: The Miniseries) - 03:46
2 Jeff Rona - Still Waters (White Squall) - 05:05
3 Jeff Rona - Overnight (Brotherhood) - 02:20
4 Jeff Rona - Good Form (The In Crowd) - 03:26
5 Patrick Doyle - My Father's Favourite (Sense & Sensibility) - 05:27
6 Yann Tiersen - Soir de Fête (Die fabelhafte Welt der Amelie) - 02:55
7 Craig Armstrong - Your Song (Moulin Rouge) - 03:35
8 Jeff Rona - Who Are Your Enemies (Slow Burn) - 03:24
9 Jeff Rona - JR Sketch4 (Black Hawk Down) - 03:15
10 Jeff Rona - It's How I Ended Up Here (The Mothman Prophecies) - 04:33
11 Jeff Rona - The Perfect Flaw (Dead Zone) - 06:05
12 Jeff Rona - Kate's Comfort (Chicago Hope) - 03:14
13 Jeff Rona - Light Over Earthsea (Earthsea) - 03:48

Sonntag, 8. November 2009

Playlist # 19 vom 08.11.09 – ENNIO MORRICONE Special

Ennio Morricone darf man ohne Zweifel den größten noch lebenden Filmkomponisten nennen. Anlässlich seines 81. Geburtstages am 10. November 2009 scheint es also mehr als angemessen, dem Maestro, der es bislang über sagenhafte 500 Soundtrack-Aufnahmen gebracht hat, ein eigenes „Soundtrack Adventures“- Special zu widmen. Der 1928 in Rom geborene Morricone begann bereits im zarten Alter von sechs Jahren mit dem Komponieren von Musik, studierte mit zwölf an der Accademia di Santa Cecilia und ab 1942 zunächst Trompete am Konservatorium und dann Komposition. Seinen Lebensunterhalt verdiente sich der begabte Komponist als Musiker in römischen Nachtclubs, komponierte und arrangierte Mitte der 50er dann Musik für RAI Televisione, anschließend für die Plattenfirma RCA, wo er für Sänger wie Mario Lanza, Renato Rascel und Rita Pavone Songs arrangierte.

1961 komponierte Morricone für Luciano Salce und seinen Film „Il Federale“ seine erste Filmmusik und wurde 1964 auf einen Schlag weltberühmt, als er 1964 Sergio Leones „Für eine Handvoll Dollar“ vertonte und sein Name bis heute mit dem Spaghetti-Western-Genre verbunden ist, obwohl die dreißig Filme, bei denen Morricone hier mitwirkte, einen fast verschwindend geringen Anteil in seinem Schaffen ausmachen. Dann griffen auch andere große italienische Regisseure auf Morricones Talente zurück, Bernardo Bertolucci, Pier Pasolini, Guiseppe Tornatore. Und schließlich ließ auch Hollywood nicht lange auf sich warten. Roman Polanski („Frantic“), Brian de Palma („Die Verdammten des Krieges“, “Mission To Mars”, “Die Unbestechlichen”), John Carpenter („The Thing“), Wolfgang Petersen („In The Line of Fire“), Warren Beatty („Bugsy“, „Bulworth“), Adrian Lyne (“Lolita”), Mike Nichols (“Wolf”), Roland Joffe (“City of Joy”, “The Mission”, “Vatel”), Barry Levinson (“Enthüllung”) und Oliver Stone (“U-Turn”) ließen ihre Filme von Morricones betörenden Klängen veredeln, aber auch seine italienischen Freunde beglückte er immer wieder mit großen Kompositionen. Für seinen Schulfreund Sergio Leone schuf er noch die berühmten Musiken zu „Für ein paar Dollar mehr“, „Zwei glorreiche Halunken“, „Spiel mir das Lied vom Tod“ und „Es war einmal in Amerika“.
Eine besonders lange und fruchtbare Zusammenarbeit verbindet Morricone und den Regisseur Guiseppe Tornatore bis heute. Gerade erst haben die beiden zusammen den Film „Baaria“ realisiert. Zuvor wirkten die beiden gemeinsam an Filmen wie „Cinema Paradiso“, „Malena“ und „Die Legende vom Ozeanpianisten“.
Neben seinem Engagement als Filmkomponist hat sich Morricone aber auch immer mal wieder dem Konzertsaal zugewandt, schloss sich 1965 beispielsweise der „Gruppo Improvisazione Nuova Consonanza“ an, um neue Klänge und Kompositionsformen zu erforschen, gründete 1984 in Rom das I.R.T.E.M, eine Forschungsanstalt für musikalisches Theater, und schrieb immer mal wieder Kammermusiken für Solisten und verschiedene Formationen.
Es mutet wie ein Skandal an, dass Morricone gerade mal fünf Nominierungen für den Academy Award erhalten hat – und zwar 1979 für „In der Glut des Südens“, 1987 für „The Mission“, 1988 für „Die Unbestechlichen“, 1992 für „Bugsy“ und 2001 für „Der Zauber von Malèna“, die begehrte Trophäe aber nie gewann. Erst im Jahre 2007 erhielt er den Ehren-Oscar für sein Lebenswerk – aus der Hand von Clint Eastwood.

1 Ennio Morricone - Ouverture (Für eine Handvoll Dollar) - 02:55
2 Ennio Morricone - Main Title (The Good, The Bad & The Ugly) - 02:43
3 Ennio Morricone - L'Homme a L'Harmonica (Spiel mir das Lied vom Tod) - 03:24
4 Ennio Morricone & Joan Baez - La Ballade de Sacco & Vanzetti (Sacco & Vanzetti) - 05:20
5 Ennio Morricone - Addio A Palermo (Corleone) - 03:51
6 Ennio Morricone - Trio Infernal (Trio Infernal)- 04:10
7 Ennio Morricone - Days Of Heaven (Days Of Heaven) - 03:16
8 Ennio Morricone - Chi Mai (Der Profi) 05:05
9 Ennio Morricone - La Lucertola (A Lizard In The Skin Of A Woman) 05:26
10 Ennio Morricone - Cockeye's Song (Once Upon A Time In America) - 04:21
11 Ennio Morricone - On Earth As It Is In Heaven (The Mission) - 03:49
12 Ennio Morricone - End Titles (Malena) - 04:24
13 Ennio Morricone - Racconto di una vita (Baaria) - 03:30

Soundtrack Adventures #19 with ENNIO MORRICONE at Radio ZuSa by Dirk Hoffmann on Mixcloud

Sonntag, 11. Oktober 2009

James Newton Howard (Teil 1) - Den Ideen der Regisseure verpflichtet

Fraglos zählt James Newton Howard momentan nicht nur zu den meistbeschäftigten, sondern auch musikalisch interessanteren Hollywood-Komponisten. Mit seinen geschätzten Scores zu so unterschiedlichen Filmen wie "Flatliners", "Herr der Gezeiten", "Dave", "Falling Down", "Auf der Flucht", "Wyatt Earp" und "Waterworld" bis zu seinen letzten Blockbuster-Arbeiten zu Peter Jacksons „King Kong“ und Christopher Nolans „Batman“-Reaktivierungen „Batman Begins“ und „The Dark Knight“ (jeweils in Zusammenarbeit mit Hans Zimmer) bewies er ein sicheres Gespür für sowohl packend-dramatische und actionreiche als auch romantische, herzergreifende und komödiantische Kompositionen, die sich fast allesamt durch sehr einprägsames Themenmaterial auszeichnen.

Ebenso schillernd wie seine Karriere als Filmkomponist ist dabei seine musikalische Vergangenheit als Studiomusiker, Plattenproduzent und Orchestrator. Nachdem James Newton Howard die USC School of Music und Santa Barbara's Music Academy of the West absolviert hatte, fühlte er sich zunächst zur Popmusik hingezogen, schloss sich Anfang der 70er der in Los Angeles beheimateten Band Mama Lion an, veröffentlichte ein Soloalbum namens "James Newton Howard & Friends" und machte die Bekanntschaft mit Plattenproduzent Richard Perry, woraufhin sich der junge Musiker schnell als Programmierer, Piano- und Keyboardspieler für Künstler wie Carly Simon, Leo Sayer, Diana Ross und Ringo Starr einen Namen machte. Zwischen 1974 und 1975 wurde James Newton Howard von Elton John für seine Band engagiert, spielte mit ihm das 75er Album "Rock of The Westies" ein und 1980/81 das Album "Blue Moon", um ihm 1986 erneut, diesmal als Orchestrator für seine Australien-Tournee beiseite zu stehen. Zwischenzeitlich produzierte James Newton Howard Alben von Leuten wie Valerie Carter und Cher und co-komponierte/produzierte Künstler wie Randy Newman, Chaka Khan und Rickie Lee Jones, arrangierte die Musik von Earth, Wind & Fire, Kenny Loggins, Olivia Newton-John, Bob Seger, Diana Ross, Barbra Streisand und Toto.
Nachdem der von Bernard Herrmann, Jerry Goldsmith und Erich Wolfgang Korngold beeinflusste Komponist 1985 seinen ersten Film, "Head Office", gemacht hatte, begann eine beispiellose Karriere in Hollywood, die sicher längst noch nicht ihren Höhepunkt erreicht hat. 1996 hatte ich die schöne Gelegenheit, James Newton Howard zu interviewen.

Sie verfügen über einen wirklich bemerkenswerten musikalischen Background. Wann und wie haben Sie Interesse und Zugang zur Filmmusik gefunden?
Bevor ich angefangen habe, als Studiomusiker und Arrangeur zu arbeiten, hatte ich eine klassische Ausbildung. 1973/74 machte ich ein Soloalbum mit instrumentaler Musik. Ich schrieb immer eine Menge instrumentaler Musik, spielte mit Elton John in den 70ern. Schließlich haben 1985 die Leute, die mich zu jener Zeit managten, mir vorgeschlagen, Filme zu machen. Ich war deswegen sehr nervös, weil ich so etwas vorher nie gemacht habe. Die Technik war eine Sache, über die ich z.B. überhaupt nichts wusste. Deshalb war ich von dieser Idee sehr eingeschüchtert. Aber schließlich wurde mir ein Film angeboten, und ich entschied mich, ihn zu machen. Es war eine phantastische Erfahrung und ich habe seitdem immer damit weitergemacht.

Obwohl Sie eine klassische Ausbildung genossen haben, wird Ihr Name oft mit Komponisten wie Hans Zimmer, Danny Elfman oder Graeme Revell in Zusammenhang gebracht, die aus der Pop- und Rockmusik-Szene kommen und über keine akademische Ausbildung verfügen. Was halten Sie von den Kritiken, die behaupten, dass diese Leute ihren Job schlechter machen als klassisch ausgebildete Komponisten?
Die Leute bringen mich mit einem nicht akademischen Hintergrund in Zusammenhang, weil die erste Sache ist, die sie hören, dass ich mit Elton John gespielt habe. Ich finde aber auch, dass es kein sehr zutreffendes Statement ist zu behaupten, dass nicht klassisch ausgebildete Komponisten ihren Job schlechter machen als diejenigen mit einer akademischen Ausbildung. Ich denke, der einzige Weg, den Wert eines Scores zu beurteilen, ist zu sehen, wie gut er dem Film dient. Gerade im Fall von Hans Zimmer kann man anhand vieler seiner Scores ganz genau festmachen, dass sie sehr gut im Film funktionieren und die ganzheitliche Erfahrung, einen Film zu erleben, unterstützen.

Auf welche Weise arbeiten Sie gewöhnlich für einen Film? Wie sprechen die Regisseure über die Musik, die sie für ihre Filme haben möchten?
Für die meisten Regisseure ist es sehr schwierig, über Musik zu reden, weil es eine Sprache ist, die sie nicht verstehen. Wenn es schließlich darum geht, sich mit ihnen über die Musik für ihren Film zu unterhalten, reden sie nicht in musikalischen Termini, sondern auf eher abstrakte Weise. Sie sprechen über Gefühle, manchmal auch über Klangfarben und Texturen. Was ich mache, ist, dem zuzuhören, was sie denken, haben zu wollen. Und was ich versuche, ist, ihnen zu geben, was ich denke, dass sie wirklich brauchen. Da gibt es große Differenzen.
Vor Jahren arbeitete ich mit einigen Regisseuren zusammen, die sich wirklich musikalischer Begriffe bedienten, aber für mich macht das eigentlich keinen großen Unterschied. Die einzige Sache, worauf ich bei den meisten Regisseuren achte, ist, mich ihren Ideen zu verpflichten. Solange ein Regisseur sich dessen sehr sicher ist, was er mag und was nicht, und wenn er in der Lage ist zu erkennen, wenn die Musik funktioniert, habe ich keine Probleme mit ihm oder ihr zu arbeiten, ganz unabhängig davon, ob sie in musikalischen Dingen bewandert sind oder nicht.

Viele Ihrer Scores zeichnen sich durch die Verbindung von elektronischen Instrumenten und orchestralen Arrangements aus. Haben Sie eine spezielle Vorliebe dafür, mit Synthesizern zu arbeiten?
Nun, es ist ein großer Teil meines Backgrounds als Plattenproduzent. Das, was ich jetzt mache, sehe ich als quintessentielle Mixtur meiner zwei Backgrounds, des klassischen und orchestralen einerseits - wobei ich gerade den orchestralen Aspekt bei den Platten in den 70ern und 80ern benutzte - und des elektronischen andererseits, der aus meiner Zeit als Studiomusiker und Plattenproduzent resultiert. Ich betrachte elektronische und zeitgenössische Musik als eine sehr wertvolle Stimme in der Filmmusik, aber ich glaube nicht, dass die eine oder andere Seite allein der beste Weg wäre. Ich habe herausgefunden - gerade in den meisten großen Action-Filmen -, dass die elektronischen Instrumente etwas leisten können, wozu das Orchester nicht in der Lage wäre, und ich glaube, dass es die beste Art ist, die Synthesizer als eine Stimme im Orchester einzusetzen.

Die Karriere von Filmkomponisten hängt oft eng mit den Regisseuren zusammen, mit denen sie ständig zusammenarbeiten - so wie bei Danny Elfman und Tim Burton, Howard Shore und David Cronenberg oder Patrick Doyle und Kenneth Branagh. Obwohl Sie bislang mit einer ganzen Reihe von Regisseuren zusammengearbeitet haben, scheinen mir Ihre Kollaborationen mit Joel Schumacher ("Flatliners", "Dying Young", "Falling Down") und Lawrence Kasdan ("Grand Canyon", "Wyatt Earp", "French Kiss") besonders wichtige Stationen Ihrer bisherigen Karriere gewesen zu sein. Wie kamen Sie mit diesen Regisseuren zusammen und was mögen Sie an der Zusammenarbeit mit ihnen?
Ich habe zuerst Joel Schumacher kennengelernt. Vorher hatte ich auch zwei Filme mit Michael Hoffman gemacht, der verschiedene kleinere Filme gedreht hat, von denen du vielleicht "Soapdish" kennst, den er vor einigen Jahren gemacht hat und den ich leider nicht machen konnte, weil ich gerade mit einem anderen Projekt sehr beschäftigt gewesen war.
Jedenfalls arbeitete ich mit ihm vorher an zwei kleineren Filmen zusammen, "Promised Land" und "Some Girls". Joel Schumacher hat im Kino "Some Girls" gesehen und liebte den Score wirklich, also rief er mich an und wir trafen uns, bevor er anfing, "Flatliners" zu drehen. Er bot mir die Gelegenheit, eine Art Messe-orientierte, religiös-verbundene Musik zu schreiben, die nur begrenzte Parameter hatte, so dass ich fast schreiben konnte, was ich wollte. Das war ein großartiger Moment für mich und wir hatten eine unglaublich erfolgreiche Zeit zusammen.
Lawrence Kasdan traf ich ungefähr 1989/90, lernte ihn aber bereits 1985 auf dem Set von "Silverado" kennen, wo ich meine ex-Frau Rosanna Arquette besuchte. Er rief mich dann etwa fünf Jahre später an, um sich mit mir wegen "Grand Canyon" zu treffen. Das Treffen war offensichtlich sehr erfolgreich, denn er engagierte mich für diesen Film und zwei weitere bis jetzt.
Was ich an beiden Regisseuren schätze, ist ein wahrer und dankbarer Respekt vor dem, was ich mache, weil sie es als sehr wichtig für ihren Film betrachten und jede Änderung, die sie vornehmen, zusammen mit mir durchgehen. Sie geben mir unglaublich viel Freiraum und zu beiden entwickelte ich gute Freundschaften.

Gerade "Flatliners" scheint ja eine Art Durchbruch für Sie gewesen zu sein. Können Sie mir etwas über Ihre Ideen erzählen, für diesen Score sakrale Chöre mit modernen Synthi-Sounds und rockigen Gitarren zu verbinden?
Als Joel mich erstmals kontaktierte, bat er mich, eine Messe zu schreiben. Natürlich ist diese Messe eine Messe, wie man sie sich in Hollywood vorstellt. Was mir zunächst in den Sinn kam, war eine Art katholische Liturgie zu verwenden und eben alle Dinge, die man benutzt, wenn es um eine Messe geht. Ich fand, "Flatliners" beschäftigte sich mit dem Tod auf unterschiedlichen Ebenen. Zum einen spielt er sich auf einer Abenteuer-Ebene ab, wobei ich dachte, dass die Musik eine gewisse Erregung portraitieren sollte. Dafür setzte ich zeitgenössische Instrumente wie Gitarren, Percussions und Synthesizer ein. Außerdem spielte Angst eine große Rolle, die ich damit zu verbinden versuchte.
Aber es ging auch um die Schönheit darin. Es ist ja eine Geschichte über Erlösung, Entschlossenheit, dass der von Kiefer Sutherland verkörperte Charakter in der Lage ist, zurückzugehen und seinen Frieden mit dem Jungen zu machen, den er als Kind gequält und verspottet hat. Schließlich war auch ein pointierter emotionaler Gehalt darin.
Ich fand, dass die choralen Aspekte am besten in der Lage waren, die mystischen Dimensionen der Geschichte zu erfassen. Für mich war es das erste Mal bei einem Score, den ich gemacht habe, dass ich alles benutzen konnte, wofür ich schon immer eine große Leidenschaft empfand.

Abgesehen von "Flatliners" benutzten Sie Chöre auch in "Grand Canyon", "Intersection", "Outbreak" und "Waterworld". Als ich mit Chris Young und Elliot Goldenthal sprach, fand ich heraus, dass sie Chöre auf sehr elaborierte Weise in ihrer Musik einsetzen. Wie gehen Sie mit Chören bei Ihren Scores um?
Ich liebe es, für Chöre zu schreiben. Im Falle von "Outbreak" und "Waterworld" waren keine wirklichen Lyrics vorhanden. Es handelte sich eher um Texturen und Ergänzungen, um den Filmen eine magische, mystische Aura zu verleihen. Bei "Outbreak" ging es um eine spannungsvolle Struktur von Menschenwesen. Ich fand, dass die damit verbundene Angst und Tragödie am besten durch menschliche Stimmen ausgedrückt werden konnte. In "Waterworld" ging es eher um eine magische Dimension, eine Art "Wizard Of Oz"-Gefühl zu kreieren, um die Wirkung des Scores allgemein zu intensivieren.
"Grand Canyon" war ganz interessant, weil ich den Chorus als griechischen Chor angefangen habe zu schreiben, in der Tradition eines Bewusstseins, das die Handlungen der Hauptdarsteller kommentiert. In "Grand Canyon" herrschte so ein Gefühl, das von unbeabsichtigten Wellen des Schicksals geprägt wurde. da ging man seiner alltäglichen Arbeit nach und es konnten einem plötzlich die schrecklichsten, aber auch die schönsten Dinge geschehen, ohne Vorwarnung. Der Chor diente dazu, ein Gefühl dafür zu vermitteln, wie man unter Kontrolle steht. Für mich schien es der beste Weg zu sein, dies zu erreichen. Wieder waren keine Texte vorhanden, es ging nur um den Sound und ein Gefühl.
In "Intersection" war der Chor weniger signifikant, und um ehrlich zu sein, bin ich damit nicht sehr zufrieden, einen Chor eingesetzt zu haben. Ich denke, ich bin damit nur meiner Tradition gefolgt. Es war eines dieser Experimente, das manchmal gut funktioniert, manchmal weniger gut. Das ist aber nur meine eigene Meinung. Für mich bestand die Schwierigkeit, glaube ich, darin, den Kern der Musik zu bewahren. Es war einerseits eine Liebesgeschichte, andererseits die mystische Dimension eines Mannes während seines Todes. Ich weiß nicht, ob es funktioniert hat oder nicht.

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