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Samstag, 3. März 2012

DIE 2. LANGE NACHT DER FILMMUSIK 02./03.03.2012 - KLASSIK IN DER FILMMUSIK

Seit die Bilder 1895 laufen lernten, sind sie von Musik begleitet gewesen. Bereits die ersten Stummfilmvorführungen vor einem größeren Publikum wurden von Klaviermusik begleitet, größere Kinos konnten sich sogar ein Orchester leisten. Durch die Musik wurde nicht nur der hohe Geräuschpegel der Projektoren übertönt, sondern sie erfüllte auch einen erzählerischen Zweck, indem die Grundstimmung der jeweiligen Szene durch Musik verstärkt und typische Handlungselemente mit passenden Standardstücken wie den „Hochzeitsmarsch“ von Felix Mendelssohn Bartholdy, den „Trauermarsch“ von Frédéric Chopin oder den „Liebestraum“ von Franz Liszt.

„Klassiker und Salonmusik des 19. und frühen 20. Jahrhunderts, für die es regelmäßig Klavierbearbeitungen gab, wenn es nicht von vornherein Klavierkompositionen waren, bilden das Hauptrepertoire. Im Druck erschienen Kompendien, die Musikstücke (‚Cue-Sheets‘) für die Filmillustration enthielten. Eigens für einzelne Filme geschriebene Musik findet sich selten“, heißt es in „Reclams Sachlexikon des Films“ (Reclam, 2007, S. 218). „Spätestens in den 20er Jahren ließen sich also zwei Arten von Filmmusik unterscheiden – diese Differenzierung gilt im Wesentlichen bis heute: die Werkkompilation, die Zusammenstellung unabhängig von der Produktion existierender Kompositionen, die passend zum Filmgeschehen ausgewählt werden, und die originale Filmkomposition, die eigens für einen bestimmten Film geschaffen wird.“
Lange Zeit orientierte sich die Stilistik der meisten Filmkompositionen an die Klassik, Romantik und frühe Moderne an, so dass es wenig verwundert, dass Zitate in der Filmmusik überwiegend auf Werke großer Meister verweisen, wie Gustav Mahlers Satz aus der Fünften Sinfonie in Luchino Viscontis „Tod in Venedig“ (1971) oder Mozarts Klarinettenkonzert in Sydney Pollacks „Jenseits von Afrika“ (1985).
Der 2. Satz aus Mozarts „A-Dur-Klarinettenkonzert“ (KV622) spielt in dem Film insofern eine tragende Rolle, da es das Lieblingsstück der Ich-Erzählerin, der von Meryl Streep dargestellten dänischen Schriftstellerin Tania Blixen ist.
„Musikalisch fungiert Mozarts Musik nicht nur als klingende Liebeserklärung, sondern ebenso als klingende Metapher für eine Art Traumzustand, in den sich die Erzählerin immer wieder selbst hineinversetzt, wenn ihr die raue afrikanische Realität über den Kopf zu wachsen droht“, fasst Simon Büttgenbach in „Einsatz und Verarbeitung klassischer Musik in Filmen“ (Grin, S. 5).
Ähnlich wirkungsvoll setzt Peter Weir klassische Musik in „Der Club der toten Dichter“ ein. Als der neue Lehrer John Keating mit den Internatsjungs ausgelassen Fußball spielt, unterstreicht Beethovens 5. Satz seiner beliebten 9. Symphonie die Atmosphäre der Freude und Ausgelassenheit auf dem Spielfeld, wo die Jungen die straffen Regeln des Internats ausblenden können.
Berühmt ist der Einsatz klassischer Musik vor allem in Stanley Kubricks Meisterwerk „2001 – Odyssee im Weltraum“ mit Richard Strauss‘ „Also sprach Zarathustra“ oder Johann Strauss II mit dem Wiener Walzer „An der schönen blauen Donau“.
Playlist:
1 Wolfgang Amadeus Mozart - Symphony No.25, S.1, KV 183 (Amadeus) - 07:52
2 Dimitri Shostakovich - Waltz No.2 from Jazz Suite (Eyes Wide Shut) - 03:41
3 Giacomo Puccini - Finalmente Mia! (James Bond – Quantum Of Solace) - 05:08
4 Paul Dukas - The Sorcerer's Apprentice (Fantasia) - 09:19
5 Ludwig v. Beethoven - Symphony No.7, S.2 (King's Speech) - 05:03
6 Claude Debussy - Suite Bergmanesque „Claire de Lune“ (Darjeeling Limited) - 04:11
7 J.S. Bach - Cello Suite No.1, Prelude (Master and Commander) - 05:18
8 Richard Wagner - Proloque aus Tristan und Isolde (Melancholia) - 08:08
9 Frédéric Chopin - Nocturne in E minor, Op. 72, No. 1 (Der Pianist) - 06:28
10 Gaetano Donizetti - Una Furtiva Lagrima (Match Point) - 05:22
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Freitag, 10. Februar 2012

Playlist # 78 vom 12.02.12 - UNDERWORLD Special

Seit das Horror-Genre vor einigen Jahren durch Wes Cravens „Scream“ revitalisiert worden ist, wurde der Fantasie der Filmemacher keine Grenzen gesetzt. Nachdem „Dracula“ ins 20. Jahrhundert katapultiert worden ist, Geisterhäuser eine schöne Renaissance feiern durften und alle Spielarten des Slasher-Horrors die Leinwand bevölkerten, schickt man nun die Ikonen und Gattungen des Genres aufeinander los. Nach „Freddy vs. Jason“ standen sich 2004 in „Underworld“ nun erstmals Vampire und Werwölfe gegenüber, die zu Klängen von Skinny Puppy, A Perfect Circle, David Bowie und The Damning Well ihren finalen Kampf ausgefochten haben.

Der Gothic-Look, den zuvor Ridley Scott in „Blade Runner“, Tim Burton in „Edward mit den Scherenhänden“, Alex Proyas in „The Crow“ und die Wachowski-Brüder in der „Matrix“-Trilogie salonfähig gemacht haben, erobert mit „Underworld: Awakening“ nun bereits zum vierten Mal die Kinoleinwand. Regiedebütant Len Wiseman inszenierte mit „Underworld“ das Finale eines seit Jahrhunderten tobenden Kampfes zwischen Vampiren und Werwölfen, die ihre Gegner nicht mit Holzpflöcken oder Kreuzen angreifen, sondern sich modernster Waffen bedienen. Auf der Seite der Vampire steht die gefährlich schöne Kriegerin Selene (Kate Beckinsale) unter der Führung des machthungrigen Kraven. Sie werden von einer Horde brutaler Werwölfe gejagt, wobei mit Michael auch ein unschuldiger Mensch aus Fleisch und Blut involviert wird. Die visuell beeindruckende Schlacht der mythischen Horror-Geschöpfe mit Romeo-und-Julia-Touch wartet dabei mit einem exzellenten Soundtrack auf. Während der ehemalige Tangerine-Dream-Musiker Paul Haslinger, der zuvor noch eng mit Hollywood-Kollege Graeme Revell an Filmen wie "Verhandlungssache" und "Blow" zusammenarbeitete, den atmosphärischen und pulsierenden Score komponierte, wurde niemand Geringerer als Danny Lohner (Nine Inch Nails) mit der Produktion des Soundtrack-Samplers beauftragt.
Zwar hat es sich mittlerweile eingebürgert, dass Soundtracks zu Horror Movies mit einer Alternative-Rock-Auswahl gerade das Musik-interessierte junge Kinopublikum zu ködern versuchen, aber selten genug beauftragt man dabei einen Musiker aus der Szene, um den Soundtrack zusammenzustellen. „Unser Soundtrack ist ein wenig anders als die üblichen Song-Kopplungen zu anderen Filmen“, betont Danny dann auch gleich, „weil fast alle Stücke auf 'Underworld' eben nur auf diesem Soundtrack zu finden sind. Wir haben keine Songs von bereits veröffentlichten Alben aufgepickt, sondern wir wollten eine ganz besondere Stimmung für diesen Soundtrack kreieren. Es ist so ein richtiger Soundtrack für Halloween, von dem wir hoffen, dass man ihn gut in einem Stück anhören kann. Es sind viele melancholische Sachen drauf und nicht nur die modernen Nu-Metal-Geschichten.“
Besondere Aufmerksamkeit verdienen dabei gleich die ersten beiden Tracks von relativ neuen Projekten. The Damning Well ist nämlich die Fusion von Limp Bizkits Wes Borland, Filters Richard Patrick, Danny Lohner und Josh Freese, während bei Puscifer Danny Lohner und Maynard James Keenan (Tool, A Perfect Circle) zusammenfanden. Aber auch Skinny Puppy sind mit einem exklusiven Song namens „Optimissed“ vertreten, der nahtlos an „The Process“ anschließt, dazu gibt es Remixe von David Bowies „Bring Me The Disco King“ und zwei A-Perfect-Circle-Tracks. Unter dem Pseudonym Renholder (rückwärts für red. Lohner, sprich: regarding Lohner, ein Spitzname, den Danny von A Perfect Circle verpasst bekam) komponierte Danny auch noch ein paar atmosphärische Score-Cues.
„Was an dem Soundtrack interessant war, war der Umstand, dass wir ihn für eine Independent-Firma namens Lakeshore gemacht haben, die ihr eigenes Soundtrack-Department haben. Sie gaben mir alle Freiheiten zu tun, was ich für richtig hielt. Wir hatten natürlich nicht so viel Geld zur Verfügung, aber wir wollten vor allem einen coolen und nicht kommerziellen Soundtrack machen. Als ich den Leuten Teile des Films zeigte und ihnen erzählte, was mir vorschwebte, waren alle gleich begeistert und unterstützten mich auf jede Art und Weise. Die meisten Songs nahmen wir bei mir zuhause und in einigen anderen Home Studios auf, was die Kosten erheblich reduzierte. Maynard und ich haben seit einiger Zeit das Projekt Puscifer am Laufen, und der Film gab uns die Möglichkeit, endlich unseren ersten Song einzuspielen“, meint Danny. „Am meisten beeindruckt hat mich die Tatsache, wie einfach das Arbeiten mit den Künstlern gewesen ist. Obwohl das alles sehr bekannte Namen sind, die viel Geld verdienen, war es für sie kein Problem, in mein Studio zu kommen, etliche Entbehrungen in Kauf zu nehmen, um coole Musik für einen coolen Film zu machen.“
Von der Kritik wurde „Underworld“ allerdings gespalten aufgenommen. Einig war man sich einzig über den coolen Look des apokalyptischen Gemetzels.
„So schwelgt ‚Underworld‘ von der ersten Minute an in einer martialischen, rasant geschnittenen und visuell in makelloser Videoclip-Ästhetik, die völlig vergessen lässt, mit was für einem für Hollywoodverhältnisse geradezu minimalistischen Budget der Streifen realisiert wurde. Zur entsprechenden Visualisierung entschied sich Wiseman für hyperkinetische Kamera- und Schnittarbeit, was es manchmal schwer macht, die in stimmigstem Schwarzblau aufgenommen Bilder in ihrer vollen Pracht wahrzunehmen. Die zeitweise eingesetzte schwindelerregende Beschleunigung, wenn beispielsweise die Kamera aus den Augen eines laufenden Werwolfs blickt, oder die Zeitlupe der Schusswechsel unterstreichen den offensichtlich gewünschten Videogame-Effekt. Dem Diktat des Markts passt sich auch der hämmernde Soundtrack von Rap, Metal und Industrial an, der den aggressiven Horroractioner auch auf akustischer Ebene mit einer kompromisslosen Dosis an Adrenalin anreichert“, urteilt Johannes Pietsch auf filmstarts.de. „Die Britin Kate Beckinsale bildet den attraktiven Mittelpunkt des dynamischen Geschehens. Als Vampirin Selene, die in lasziv hautenger Latex- und Lederkluft und bewaffnet mit zwei großkalibrigen Kanonen Jagd auf die verhassten Lycaner macht, die einst ihre Familie ermordeten, stellt sie die idealtypische weibliche Variante all jener schwarz gewandeter Rächer der Nacht von ‚Batman‘ bis zu ‚Blade‘ dar, die seit einem traumatisierenden Verlust die dafür Verantwortlichen zur Strecke bringen.“ 
Nachdem „Underworld“ das Fünffache seines Produktionsbudgets eingespielt hatte, war das Sequel natürlich vorprogrammiert. Mit den bekannten Charakteren aus dem ersten Teil, aber etwas anderem Look und mehr Action durfte Kate Beckinsale wieder auf Werwolf-Jagd gehen. Bis vor kurzem war die Todeshändlerin Selene (Kate Beckinsale) davon überzeugt, dass Werwölfe ihre Familie ausgerottet haben und sie selbst von Viktor, einem der drei Vampir-Ältesten, gerettet wurde. Daraufhin konvertierte sie zu den Blutsaugern und verschrieb ihr Leben dem Abschlachten von Lykanern.
Am Ende von „Underworld“ kam sie hinter das Geheimnis, dass Viktor ihre Familie abgeschlachtet hatte, wofür er schließlich mit einem sauber gespaltenen Schädel bezahlen musste. Sie wandte sich von ihrem Orden ab, als sie den Hybriden Michael rettete, der von den Lykanern auf ihre Seite gezogen werden sollte. Zusammen mit Michael, der mittlerweile die Kräfte des Werwolfs und des Vampirs in sich vereint, will Selene die ganze Geschichte der Blutfehde zwischen den Vampiren und Lykanern enträtseln und sucht dazu den offiziellen Chronisten des Vampirordens, Adrian Tanis, auf. Dort erfährt sie, dass nicht Marcus oder Viktor die obersten Herrscher ihres Clans sind, sondern Alexander Corvinus (Derek Jacobi), Vater der beiden Zwillingsbrüder Marcus und William. Corvinus ließ den Werwolf William für den Rest seines Lebens einkerkern und vertraute darauf, dass die Blutlust von Marcus ausreichen würde, seine Weltherrschaft zu sichern. Marcus befreit seinen Bruder schließlich und löst damit eine Kette weiterer blutiger Schrecken aus, in deren Wirren sich Selene und Michael endlich näher kommen …
„Zu Beginn des Films ist Selene sehr verwirrt“, rekapituliert Kate Beckinsale ihre Rolle. „Alles, was sie dachte, dass seit Jahrhunderten wahr sei, ist falsch gewesen. Sie tötete unzählige Werwölfe aus Rache, die komplett unangebracht war. Und nun, nachdem sie Viktor getötet hat und sich selbst von den Vampiren lossagte, ist Michael ihr einziger Verbündeter, der selbst mit der Tatsache zu kämpfen hat, dass er ein Hybrid geworden ist.“
Während gewöhnliche Sequels meist nicht mehr als einen wenig originellen Abklatsch des Originals darstellen, versuchten die Filmemacher, allen voran Regisseur und Beckinsale-Ehemann Len Wiseman, die Geschichte von „Underworld“ weiterzuerzählen. Dazu zählt vor allem die sich weiter entwickelnde Beziehung zwischen Selene und Michael. „Ich habe den ersten Film mit Absicht mit dem Anfang der Beziehung beendet“, enthüllt Len Wiseman seinen Masterplan. „Es gab diesen Romeo-und-Julia-Aspekt in der Geschichte von Lucian und seiner Vampir-Liebe Sonja, und dann mit Selene und Michael. Selene hasst die Menschen, so dass der Beziehung keine echte Chance gegeben wurde, bis der Film endete. Am Ende des Films haben die Leute dann spekuliert: Wird es eine Beziehung geben? Wie würde sie dann aussehen?“
Interessanterweise inszenierte Wiseman das Horror-Spektakel nicht als mythisch verwurzeltes Drama, sondern als modernes, eher wissenschaftlich ausgerichtetes Action-Drama mit Figuren aus der Typologie des Grauens. „Ich bin kein großer Fan der alten Filme und Legenden“, gibt Wiseman zu. Statt sich an den Klassikern der amerikanischen Universal-Ära in den 30ern und 40ern bzw. der Hammer-Produktionen aus den 60ern und 70ern zu orientieren, ließ der junge Regisseur allen religiösen Hokuspokus beiseite und stellt die Herrschaftslinie der Vampire als Resultat eines genetischen Defekts dar.
„Ich halte nichts von den religiösen Vampiren, denen man ein Kreuz vors Gesicht hält und die dann zu Staub zerfallen. Ich betrachte sie als Fantasy-Vampire, während in meiner Welt wirkliche Vampire existieren. Es geht dabei mehr um eine seltene Blutkrankheit, eine Seuche, statt um etwas allzu Fantastisches. Ich wollte etwas anderes sehen, also entwickelte ich ‚Underworld’ als geradlinigen Actionfilm mit diesen Horror-Charakteren. Es ist ja so: Wenn du dich an die Regeln hältst, erreichst du irgendwann den Punkt, wo jeder sagt, dein Film ist langweilig, das hat man alles schon gesehen. Natürlich haben sie das, weil die Leute angepisst sind, wenn die Regeln geändert werden. Aber ich ändere gern die Regeln. Und es gibt gewisse Dinge, gegen die ich nichts habe. Wenn Vampire nicht davon leben würden, Blut zu trinken, warum sollte ich dann Vampire nehmen? Werwölfe haben etwas mit dem Mond zu tun. Aber ich wollte keine religiösen Elemente in ‚Underworld’. Vampire haben keinen Bezug zu irgendeiner Religion, sie sind keine Dämonen. Es gibt nur dieses Virus, das sich verbreitet und eine Blutkrankheit darstellt. Ich wollte einen Weg finden, etwas anderes zu machen. Manche Leute mögen das, andere nicht.“ 
Das eigensinnige Konzept funktionierte. Nachdem „Underworld“ bereits vor DVD-Veröffentlichung das Fünffache seines Budgets eingespielt hatte, plante man schnell das Sequel, das sich etwas vom blau-monochromen Underground-Look des Vorgängers abheben sollte. Zwar ist auch der Look von „Underworld: Evolution“ in meist blauen Tönen gehalten, wirkt aber schon dadurch etwas farbenfroher und heller, weil das Geschehen nicht mehr in der Stadt und seinen verborgenen Winkeln spielt, sondern nach draußen in die Natur verlegt worden ist.
„Der Film verfügt über etwas mehr Farbe, aber in verschiedenen Umgebungen“, erzählt Wiseman. „’Underworld’ war noch sehr urban und klaustrophobisch, während dieser Film sich öffnet. Er ist auf der Flucht. Er spielt draußen, in den Bergen. Ich wollte nicht den gleichen Film noch einmal drehen.“ Und der Schluss von „Underworld: Evolution“ ist zum Glück so gestaltet, dass die Option für ein weiteres Sequel natürlich offen bleibt … „Natürlich machen wir uns schon Gedanken darüber, es gibt eine Menge Fragen. Wir sind in der gleichen Situation wie beim ersten Film, als wir uns fragten, ob es einen zweiten geben wird. Ob es genügend Interesse an einer Fortsetzung gibt und ob die Fans begeistert sind … Ich denke, viele Leute mögen die Geschichte, die wir entwickelt haben, da es nicht mehr viele Filme gibt, die so einen Hintergrund bieten“, meint Wiseman.

Im Prequel „Underworld: Aufstand der Lykaner“ (2009) kehrte die Geschichte zurück zu den Anfängen der jahrhundertealten Blutfehde zwischen den aristokratischen Vampiren (Death Dealer) und ihren einstigen Sklaven, den barbarischen Lykan-Werwölfen. In diesen finsteren Zeiten erhebt sich der junge Lykaner Lucian (Michael Sheen) zum Revolutionsführer im Kampf gegen den grausamen Vampirkönig Viktor (Bill Nighy), der die Lykaner seit hunderten von Jahren verfolgt. In seinem Kampf wird Lucian von seiner heimlichen Liebe, der schönen Vampirfrau Sonja (Rhona Mitra), unterstützt. Der renommierte Special Effects- und Creature-Designer Patrick Tatopoulos („Underworld“, Underworld: Evolution“, „I, Robot“, „I am Legend“), der in den ersten beiden Filmen von 2003 und 2006 bereits die Kreaturen schuf, übernahm die Regie der neuesten Folge dieser stylischen Horror-Reihe. Bei der Kritik fiel das Prequel aber komplett durch:
‘Underworld‘ wusste seinerzeit als konsequenter Action-Comic-Gothic-Horror-Hybrid zu überzeugen, der gewohnte Seh- und Umgangsformen mit Werwölfen und Vampiren auf den Kopf stellte. Kate Beckinsale, eskortiert von Scott Speedman, gab im Latexkostüm die Amazone, perfekt abgestimmt auf eine wirklich düstere blaustichige Nacht- und Unterwelt. Ein Sequel wärmte all das auf und nun befinden wir uns im per se düsteren Mittelalter, wo Obervampir Viktor (Bill Nighy) sich Lykaner zur Abwehr der Werwölfe züchtet. Da wir seit Spartakus wissen, dass Sklaven rebellieren und seit Shakespeare, dass sich die Töchter meist die falschen Liebhaber suchen, kommt es, wie es kommen musste. Im Gegensatz zu den überkomplexen Vorgängern ist ‚Aufstand der Lykaner‘ eher unterkomplex. Die Plot-Reduktion lässt sich schon daran erkennen, dass überhaupt nur eine Handvoll Sprechrollen auszumachen ist. Die Geschichte läuft in äußerst geraden und vorhersehbaren Bahnen, ohne dabei zu langweilen“, befindet Sascha Keilholz auf critic.de „Trotz des Schauplatz- und Zeitwechsels bleibt sich die Reihe optisch treu. ‚Aufstand der Lykaner‘ spielt ausschließlich in der naturgemäß düsteren Vampirburg und im nächtlichen Wald, beider Orts kommt es zu Auseinandersetzungen, die wie gewohnt mit gepflegter Brutalität ausgetragen werden. ‚Aufstand der Lykaner‘ ist ganz seinem Look und seiner Mittelalter-Monster-Comic-Action verschrieben.
“ Für das vierte „Underworld“-Abenteuer schlüpfte Kate Beckinsale wieder in das Lack-und-Leder-Kostüm, die Regie übernahmen bei "Underworld: Awakening" die Schweden Björn Stein und Måns Mårlind („Storm“, „Shelter“).
Nachdem sie zwölf Jahre lang in einem komatösen Zustand gehalten wurde, erfährt die Vampirin Selene (Kate Beckinsale), dass sie Mutter einer ebenso alten Tochter namens Eve (India Eisley) ist. Diese ist halb Vampir und halb Lykaner. Als Selene versucht den Mensch-Lykaner und vermeintlichen Vater Michael (Scott Speedman) zu finden, muss sie feststellen, dass die Welt nicht die ist, die sie einmal war. Denn nun sind es die Menschen, die die größten Feinde der Vampire sind. Seitdem die Menschheit von der Existenz der Vampire und Lykaner weiss, versucht sie beide auszurotten. Um dies zu verhindern, ziehen Selene und ihre neue Familie alle Register und wollen zu diesem Zweck ihrem größten Gegner, der Organisation Antigen, das Handwerk legen, die mit dem Erschaffen von Super-Lykanern den Tod aller bedeuten würden. Den Regisseuren war bewusst, wie viel Arbeit darin steckte, diese Saga erschaffen und über drei Filme hinweg konsequent weitererzählt zu haben. Sie haben großen Respekt vor dem Franchise.
„Die Filme basieren auf einer starken, interessanten und durchdachten Mythologie, weshalb wir von Anfang an Fans waren“, sagt Mårlind. „Hier geht es um universale Themen wie Liebe, Überleben und Tod. Wir nehmen das sehr ernst, aber gleichzeitig passieren unentwegt so viele coole Dinge, dass es nie aufgesetzt wirkt. Die Serie zeichnet sich aus durch eine gute Mischung aus Darstellungen und visuellem Stil. Das gefällt uns. Wir sehen uns weder nur als visuelle Regisseure oder nur als Schauspielerregisseure. Wir mögen beides.“ 
Das Hauptanliegen des Duos war es, so Stein, neue, spannende Elemente auf die Leinwand zu zaubern, während man das Beste aus der Vergangenheit beibehalten wollte. „Wir wollten dabei sein, weil das Drehbuch so gut war“, sagt Stein. „Das Konzept des Films weicht tatsächlich etwas von den früheren Teilen ab, also ist es ein Balanceakt. ‚Underworld Awakening‘ spielt nicht heute, er ist nicht in unserer Welt angesiedelt. Das war eine Herausforderung, weil wir eine völlig neue Welt erschaffen mussten, während man gleichzeitig immer sofort erkennen sollte, dass es sich um einen ‚Underworld‘-Film handelt, der sich der Reihe absolut verpflichtet fühlt.“
"Und auch wenn Mårlind und Stein sich hin und wieder dem Waffen-, Lack- und Lederfetischismus ergeben, der zum Markenzeichen des Franchises geworden ist, so präsentieren sie doch mehr Schauwerte als nur phallisch in den Zuschauerraum ragende Pistolenläufe", findet Tim Slagman auf gamona.de. "Wilde, blutige Action-Choreographien in dunkelster Nacht haben die Filmemacher entworfen, und sie beweisen dabei ein erstaunliches Gefühl für Rhythmus und Bewegung, Montage und Raum."
Wie in den vorangegangenen „Underworld“-Filmen spielt auch in Teil 4 die Musik eine tragende Rolle. Für den Score zeichnet wieder Paul Haslinger verantwortlich, der mit seiner Musik zum ersten „Underworld“-Film den Durchbruch als Filmkomponist in Hollywood erzielte. Ergänzt wird die Score-Veröffentlichung erneut durch eine Song-Compilation mit Beiträgen von Hochkarätern wie The Cure, Evanescence, Linkin Park, Lacuna Coil, Ministry und Combichrist.
Playlist:
1 The Cure - Apart (Renholder Remix) (Underworld: Awakening - Soundtrack) - 06:39
2 Paul Haslinger - Deathdealers Deploy (Underworld - Score) - 02:16
3 Milla - Rocket Collecting (Underworld - Soundtrack) - 05:44
4 Slipknot - Vermillion Pt 2 (Bloodstone Mix) (Underworld: Evolution - Soundtrack) - 03:39
5 Puscifer - REV 22:20 (Underworld - Soundtrack) - 04:41
6 Paul Haslinger - Bloodlines (Underworld - Score) - 05:11
7 Renholder - Down In The Lab (Underworld - Soundtrack) - 01:48
8 Paul Haslinger - Eternity And A Day (Underworld - Score) - 04:07
9 David Bowie - Bring Me The Disco King (Loner Mix) (Underworld - Soundtrack) - 06:08
10 Paul Haslinger - Keep Watch Over The Night (Underworld - Score) - 05:37
11 Marco Beltrami - Corvin's Crusin' Crypt (Underworld: Evolution - Score) - 03:13
12 Paul Haslinger - Sonja's Trial And Execution (Underworld: Rise of the Lycans - Score) - 05:26
13 Hole In The Earth - Deftones (Renholder Remix) (Underworld: Rise of the Lycans - Soundtrack) - 03:47
14 The Naked And The Famous - Young Blood (Renholder Remix) (Underworld: Awakening - Soundtrack) - 04:09
15 Genghis Tron - Board Up The House (Renholder Remix) (Underworld: Rise of the Lycans - Soundtrack) - 04:19
16 William Control - The Posthumous Letter (Underworld: Awakening - Soundtrack) - 04:06
17 Thrice - Broken Lungs (Legion of Doom Remix) (Underworld: Rise of the Lycans - Soundtrack) - 04:48
18 Civil Twilight - How'm I Supposed to Die (Underworld: Awakening - Soundtrack) - 03:21
19 Paul Haslinger - The Purge (Underworld: Awakening - Score) - 03:02
20 Paul Haslinger - The Rise of the Lycans (Precious Cargo Remix) (Underworld: Rise of the Lycans - Score) - 03:54
21 Paul Haslinger - This Is Not One of Us (Underworld: Awakening - Score) - 03:20
22 Alkaline Trio - Over and Out (Renholder Remix) (Underworld: Rise of the Lycans - Soundtrack) - 03:29
23 Paul Haslinger - A New Dawn (Underworld: Awakening - Soundtrack) - 03:36
24 Sarah Bettens - All of this Past (Underworld - Soundtrack) - 04:28
25 The Cure - Underneath The Stars (Renholder Remix) (Underworld: Rise of the Lycans - Soundtrack) - 03:36
26 Puscifer - The Undertaker (Renholder Remix) (Underworld: Evolution – Soundtrack) - 03:57
27 Paul Haslinger - If You Knew Him As I Did (Underworld: Awakening - Score) - 03:47

Donnerstag, 6. Oktober 2011

Playlist # 69 vom 09.10.11 - GUS VAN SANT Special

„Restless“ – der Name des neuen Gus-Van-Sant-Films, der am 13. Oktober startet, ist Programm, denn der eigenwillige Autor und Regisseur ist ein echtes Multitalent. Der am 24. Juli 1952 in Louisville, Kentucky, geborene Filmemacher wuchs in einer bürgerlich-christlichen Familie auf, die vor allem seine Begeisterung für die Malerei unterstützte. Nach seinem Abschluss an der Rhode Island School of Design hielt er sich zunächst mit Assistentenjobs und als Cutter über Wasser, dann verfilmte er 1982 die William-S.-Burroughs-Erzählung „The Discipline of D. E.“, die in einer Freundschaft mit dem bekannten Beat-Poeten mündete.

Sein erster Spielfilm „Alice in Hollywood“ blieb zwar unveröffentlicht, doch nach seinem Umzug von Portland nach Oregon realisierte er 1985 sein selbstfinanziertes Spielfilmdebüt „Mala Noche“. Van Sant schrieb nicht nur Drehbücher und drehte Musikvideos für Künstler wie David Bowie, Elton John und die Red Hot Chili Peppers, sondern betätigte sich auch immer wieder als Fotograf, Maler, Musiker und sogar Schriftsteller.
In seinen ersten Filmen widmete sich Van Sant vor allem Außenseitern in schwierigen Milieus. Während in „Mala Noche“ die unerwiderte Liebe eines Amerikaners zu einem mexikanischen Einwanderer thematisiert wird, sucht Matt Dillon in „Drugstore Cowboy“ (1989) sein Glück im Drogenrausch. Mit „My Private Idaho“ realisierte der Filmemacher 1991 erstmals sein eigenes Drehbuch, in dem die Freundschaft zwischen zwei Strichern (River Phoenix und Keanu Reeves) auf eine harte Probe gestellt wird.
Ähnlich ergeht es einem Cowgirl (Rain Phoenix) mit der Tramperin Sissy (Uma Thurman) in „Even Cowgirls Get The Blues“ (1993). Nach den beiden Indie-Erfolgen „Drugstore Cowboy“ und „My Private Idaho“ wurden auch die Major-Studios auf Gus Van Sant aufmerksam.
In „To Die For“ (1995) geht die Wetterfee Suzanne Stone (Nicole Kidman) für ihre Karriere auch über Leichen und überredet drei Teenager, ihren Ehemann zu beseitigen. Thematisch ähnlich sind auch Van Sants Meisterwerk „Good Will Hunting“ (1997) und „Forrester – Gefunden!“ (2000) ausgelegt, wenn es um die Suche nach Anerkennung, Liebe und Auflösung psychischer Blockaden geht.
„In Van Sants Œuvre wollen alle Helden den Sinn ihres Daseins erschließen. Bei ihrer fortwährenden Lebensreise, die einem Abenteuer der Selbstfindung gleichkommt, erfahren sie Wandlungsprozesse, die aber nur bei wenigen Protagonisten zu innerer Reife führen. Das Leiden an einer Welt, die den Wünschen und dem Streben des Menschen indifferent gegenüberzustehen scheint, erweist sich in Gus Van Sants Werk als Konstante. Dabei verleiht der Regisseur selbst den unscheinbarsten Figuren Würde, indem er ihren existentiellen Kampf um Identität und Befreiung betont und als Wunsch nach Erlösung ernst nimmt“, resümiert Manuel Koch in „Filmregisseure“ (Reclam, 3. Auflage, 2008, S. 778). 
Mit „Psycho“ lieferte Van Sant 1997 nicht nur ein Remake des Hitchcock-Klassikers aus dem Jahre 1960, sondern nahezu eine originalgetreue Kopie, die noch deutlicher beim Soundtrack deutlich wird, da Danny Elfman den originalen Score von Bernard Herrmann Note für Note übernommen hat. Nach diesen Major-Produktionen kehrte Van Sant mit der sogenannten „Todes-Trilogie“ wieder seinen Wurzeln zurück. 
„Gerry“ (2001), „Elephant“ (2002) und „Last Days“ (2005) variieren Fragen über Leben und Tod. In „Gerry“ wandeln zwei Freunde orientierungslos bis zum erschütternden in der Wüste herum, „Elephant“ arbeitet auf fast dokumentarische Weise das Highschool-Massaker von Colombine auf, und „Last Days“ thematisiert die letzten Tage eines an Kurt Cobain angelehnten Rockstars.

„Inhaltlich rührt der homosexuelle Filmemacher Gus Van Sant immer wieder an Tabuthemen wie Tod und Sexualität, die er mit Unbefangenheit behandelt. Durch seine Beschreibung ambivalenter Figuren und Milieus verweigert er sich einer formelhaften Vereinfachung menschlichen Daseins. Formal erweist sich Gus Van Sant als Bildpoet: Er betont die Allgegenwart von Schönheit in der Welt durch Stilisierung seiner Filmbilder, die einem Gemälde gleich die Beseeltheit aller Dinge hervorkehren sollen.“ (ebd., S. 779) 
In „Paranoid Park“ findet der stille Alex als leidenschaftlicher Skater seinen Lebensmittelpunkt im Paranoid Park in Portland. Um den Kitzel zu steigern, springt er auch mal auf Frachtzüge auf, doch kommt durch seine Schuld bei einem dieser Ausflüge ein Sicherheitsbeamter ums Leben.
Van Sant geht es weder um eine herkömmliche Psychologisierung Heranwachsender, noch interessieren ihn die Kategorien konventioneller Jugenddramen. So fällt der Film auch kein Urteil über Alex, sondern bewahrt eine respektvolle, aber nie kühle Distanz zu seinem Protagonisten und den anderen, ebenfalls von Laien verkörperten Teenagern. Im Gegensatz zur berückenden Klarheit, mit der Wong-Kar-Weis Hauskameramann Christopher Doyle die Jugendlichen porträtiert, bleiben die Erwachsenen mitsamt ihrer zweifelhaften Moral im wahrsten Sinne gesichtslos und außerhalb des Fokus“, meint David Kleingers in Der Spiegel.
Mit seinem Biopic „Milk“ schuf Van Sant ein Jahr später dem 1978 ermordeten US-Politiker Harvey Milk ein Oscar®-prämiertes Denkmal, war Milk doch der erste Homosexuelle, der in ein wichtiges Polit-Amt gewählt und zu einem wichtigen Aushängeschild für die Schwulenbewegung wurde.
„Mit seiner filmischen Biografie des ersten offen homosexuellen Stadtrats von San Francisco erzählt Gus Van Sant zumindest in Teilen eine Erfolgsgeschichte. Mag die Schwulenbewegung auch noch lange nicht in der Mitte der amerikanischen Gesellschaft angekommen sein, so hat sie doch Hollywood für sich gewonnen. In seiner Machart gleicht 'Milk' den filmischen Denkmälern aufs Haar, mit denen die Traumfabrik traditionell verdiente Helden ehrt. Die Inszenierung steht ganz im Dienst der Sache: Lediglich den Tod seines Helden stilisiert Van Sant zur großen Oper, ansonsten bleibt er auf dem Boden der erzählerischen Konvention. Dabei unterscheidet sich 'Milk' thematisch gar nicht so sehr von seinen letzten Filmen: Wie in 'Elephant' oder 'Last Days' erzählt er die Geschichte eines angekündigten Todes, nur dass dieses Mal der Glauben an die Heilkräfte des klassischen Erzählkinos schwerer wiegt als die Lust am formalen Experiment“, urteilt Michael Kohler in der Frankfurter Rundschau.
Die Liebe und der Tod stehen auch im Zentrum seines neuen Films „Restless“, der am 13. Oktober in den deutschen Kinos startet. Ein todessehnsüchtiger Teenie verliebt sich auf einer der Beerdigungen, die er regelmäßig besucht, in ein todkrankes Mädchen. "Aus dem, was man für ein sentimentales Konstrukt halten könnte, entspinnt Gus Van Sant eine tragikomische Romanze mit klugen Dialogen und - wie stets bei ihm - höchst einfühlsamer Filmmusik: Danny Elfman komponierte mit seltener Zurückhaltung und überlässt die entscheidenden Momente dann doch der Plattensammlung des Regisseurs. Das letzte Wort gehört Nico von The Velvet Underground“, findet Daniel Kothenschulte in der Berliner Zeitung (zitiert auf Film-Zeit).
Gus Van Sant ist aber auch selbst als Musiker aktiv, hat mit „Gus Van Sant“ (1985) und „18 Songs About Golf“ (1997) bereits zwei Alben veröffentlicht.

Filmographie: 
1985: Mala Noche
1989: Drugstore Cowboy
1991: My Private Idaho (My Own Private Idaho)
1993: Even Cowgirls Get the Blues
1995: To Die For
1997: Good Will Hunting
1998: Psycho
2000: Forrester – Gefunden! (Finding Forrester)
2002: Gerry
2003: Elephant
2005: Last Days
2006: Le Marais (in Paris, je t’aime)
2007: Paranoid Park
2008: Milk
2011: Restless
2011: Portlandia (Fernsehserie)

Playlist:
1 Elliot Goldenthal - Bob's New Life (Drugstore Cowboy) - 02:48
2 Aleka's Attic - Too Many Colours (My Own Private Idaho) - 05:52
3 Lynyrd Skynyrd - Sweet Home Alabama (To Die For) - 03:37
4 The Pogues - The Old Main Drag (My Own Private Idaho) - 03:23
5 Strawpeople - Wings Of Desire (To Die For) - 04:48
6 Jeb Loy Nichols - As The Rain (Good Will Hunting) - 04:51
7 Danny Elfman - Main Titles (Good Will Hunting) - 03:36
8 Lusciuos Jackson - Why Do I Lie? (Good Will Hunting) - 03:37
9 Bernard Herrmann - The Rainstorm (Psycho) - 03:18
10 Danny Elfman - Main Titles (To Die For) - 04:09
11 Bernard Herrmann - The Peephole (Psycho) - 03:10
12 Miles Davis - Black Satin (Finding Forrester) - 05:15
13 Gerry Rafferty - Baker Street (Good Will Hunting) - 04:07
14 Bill Frisell, Ron Miles, Curtis Fowlkes & Eyvind Kang - Coffaro's Theme (Finding Forrester) - 04:26
15 Elliott Smith - Miss Misery (Good Will Hunting) - 03:11
16 Danny Elfman - Finale (To Die For) - 03:47
17 Danny Elfman - Weepy Donuts (Good Will Hunting) - 03:49
18 Ethan Rose - Song One (Paranoid Park) - 04:05
19 Miles Davis - In A Silent Way (DJ Cam Remix) (Finding Forrester) - 05:04
20 Pagoda - Death To Birth (The Last Days) - 04:38
21 Menomena - Strongest Man In The World (Paranoid Park) - 05:38
22 Sylvester - You Make Me Feel (Milk) - 06:34
23 Velvet Underground - Venus In Furs (The Last Days) - 05:12
24 Danny Elfman - Main Titles (Milk) - 03:06
25 Danny Elfman - Will's Reflection (Good Will Hunting) - 03:59
26 Danny Elfman - Give 'em Hope (Milk) - 04:42

Samstag, 13. August 2011

Playlist # 65 vom 14.08.11: DAVID LYNCH Special

Anlässlich der Uraufführung von „Wild at Heart“ bei den Internationalen Filmfestspielen in Cannes verkürzte David Lynch seine Biographie auf die Kurzformel „Eagle Scout, Missoula, Montana“ und unterstrich damit symptomatisch seine Weigerung, sich oder sein Werk zu erklären. Der am 20. Januar 1946 in Missoula, Montana, als Sohn eines Agrarwissenschaftlers und einer Sprachlehrerin geborene David Keith Lynch wuchs mit seinen jüngeren Geschwistern John und Martha in kleinen Orten in Washington, North Carolina und Idaho auf und erlebte nach eigenen Angaben wohl eine unbeschwerte Kindheit.

Der engagierte Pfadfinder liebte das Leben in der Kleinstadt, Filme wie „Glut unter der Asche“ (1957) und die Filmmusiken von Henry Mancini („The Pink Panther“, „Wait Until Dark“). Im Alter von vierzehn Jahren zog die Familie nach Alexandria, Virginia, 1964 schrieb sich David Lynch nach seinem Highschool-Abschluss an der Boston Museum School für ein Kunststudium ein. Es folgte ein Studium an der Pennsylvania Academy of Fine Arts (1965-1967), die Heirat mit seiner Kommilitonin Margret „Peggy“ Reavey (1967) und ein Jahr später die Geburt der Tochter Jennifer Chambers Lynch, die später selbst Filme drehen sollte („Boxing Helena“).
Bevor David Lynch zum Film kam, versuchte er sich als Maler, der von Pollock, Hopper und Bacon inspiriert wurde, dann folgte während seines Studiums mit „Six Figures Getting Sick“ (1967) ein einminütiger Filmstreifen, auf den 1968 das vierminütige „The Alphabet“ folgte, einer Kombination von Trick- und Realfilm, in der Lynchs Frau Peggy eine Frau spielt, die die Buchstaben des Alphabets verschluckt und schließlich einen Schwall von Blut auf ein jungfräulich weißes Bett erbricht.
Nachdem 1969 seine Bilder als Maler in der Paley Library Galerie in Philadelphia ausgestellt wurden, begann Lynch einen Kurs am Center for Advanced Film Studies und drehte dort seinen nächsten Kurzfilm "The Grandmother". In diesem 34-minütigen Kurzfilm von 1970 zieht ein kleiner Junge aus einem Samen ein stachliges Gewächs groß, dann eine „dark old lady“, die dem Jungen eine treue Begleiterin wird, aber nach ihrer Erkrankung schließlich stirbt, weil sie von den Eltern des Jungen missachtet wird. Alle drei Filme sind zusammen mit „The Amputee“ und „Lumiere“ auf der DVD „The Short Films of David Lynch“ enthalten, die Teil der von Capelight veröffentlichten David-Lynch-Box „5“ ist.
„Schon in den ersten Filmen David Lynchs sind mit zerbrochenen Familien und traumatisierten Menschen zwei wichtige Themen seines Gesamtwerks erkennbar. Die Melange aus kargem Realismus und ausufernden, surrealen Phantasien machen bereits seine Kurzfilme zu charakteristischen Werken. Beachtenswert sind auch die animatorischen Fähigkeiten, die der Filmemacher in seinen ersten Filmen unter Beweis stellt. Jegliche Tricks und Animationen wurden von ihm selbst erdacht und ausgeführt“, resümiert Hannes Wesselkämper in seiner Lynch-Biografie auf film-zeit.de
Zwischen 1972 und 1976 drehte er mit konstanten Unterbrechungen und Mikroetat seinen ersten abendfüllenden Spielfilm - "Eraserhead" hatte schließlich 1977 Premiere und es dauerte nicht lange, bevor sich die albtraumhafte Story mit Jack Nance in der Hauptrolle zum veritablen Kultfilm entwickelte. „Eraserhead“ wurde maßgeblich von seinem Lebensgefühl geprägt, in armen Wohngegenden und ständiger Angst leben zu müssen.
Der Film erzählt die Geschichte einer ungewollten Schwangerschaft und dadurch erzwungenen Beziehung, fasziniert aber vor allem durch seine grotesken bis ekelerregenden Szenen, in denen faustgroße Geschwüre wuchern, der Kopf von Henry Spencer (Jack Nance) durch einen phallusartigen Stumpf abgetrennt und zu einem Radiergummi verarbeitet wird. „Eraserhead“ beendete 1977 nicht nur Lynchs einer Traumlogik folgenden Frühphase, in der Bindungsängste, fehlende patriarchale Autoritäten und traumatische Verhältnisse zu Frauen und zum Körper im allgemeinen eine gewichtige Rolle spielten, der Film öffnete dem Regisseur die Tür der internationalen Filmwelt.
Mit „Der Elefantenmensch“ (1980) vollzog David Lynch den Schritt vom experimentellen zum professionellen Regisseur, arbeitete erstmals nach literarischer Vorlage - die auf dem tatsächlichen Schicksal des Briten Joseph Merrick (1862-1890) basierte -, einem Drehplan und mit Stars wie Anthony Hopkins, Anne Bancroft und John Hurt und erzählte in düsteren Schwarz-Weiß-Bildern die herzergreifende Tragödie eines durch das Proteus-Syndrom missgebildeten Mannes mit reinem Herzen, der als Monströsität und Missgeburt auf einem Jahrmarkt misshandelt und zur Schau gestellt wird. Erst der Arzt Dr. Frederick Treves (Anthony Hopkins) verschafft der gepeinigten Kreatur Linderung, indem er Merrick in seinem Hospital unterbringt und behandelt.
Der junge Regisseur inszenierte mit "Der Elefantenmensch" ein Meisterwerk über innere Schönheit und Humanität hinter vermeintlichem Horror, das 1980 zum Welterfolg wurde und acht Oscar-Nominierungen erhielt. Auch für die beste Regie und das beste Drehbuch, das wie bei fast allen seinen Arbeiten auch von Lynch stammte. Danach bekam er das Angebot, "The Return of the Jedi" zu inszenieren, lehnte jedoch ab, um sich zunächst an seinem nie verfilmten Originalstoff "Ronnie Rocket" und schließlich an der verkorksten Adaption von Frank Herberts "Dune" die Finger zu verbrennen, die nach diversen Nachbearbeitungen völlig baden ging und den Filmemacher davon überzeugte, wieder seinen eigenen Projekten nachzugehen und sie mit seiner persönlichen Handschrift zu versehen.
Den Anfang machte dabei 1986 „Blue Velvet“, in der „Dune“-Star Kyle MacLachlan den jungen Collegestudenten Jeffrey Beaumont spielt, der in der idyllischen Kleinstadt Lumberton ein abgetrenntes Ohr auf dem Rasen findet. Zusammen mit der adretten Polizistentochter Sandy (Laura Dern) begibt sich Jeffrey auf die Spurensuche und trifft auf die mysteriöse Nachtclubsängerin Dorothy (Isabella Rossellini) und den drogensüchtigen Sadisten Frank (Dennis Hopper).
"‘Blue Velvet‘ führt unter die Oberfläche einer amerikanischen Kleinstadt, aber es ist auch eine Reise ins Unterbewusstsein oder an einen Ort, wo man mit Dingen konfrontiert wird, denen man sich normalerweise nicht stellt. Einer der Tonleute meinte, der Film sei wie eine Mischung aus Norman Rockwell und Hieronymus Bosch. Die Reise führt so tief hinunter, wie es nur geht, und dann wieder hinauf an die Oberfläche", gibt Lynch nicht nur seine Interpretation von "Blue Velvet", sondern quasi von fast all seinen Filmen. 
"Blue Velvet" war zugleich der Beginn der äußerst fruchtbaren, weit über das normale Regisseur-Komponisten-Arbeitsverhältnis hinausgehenden Zusammenarbeit zwischen David Lynch und dem 1937 geborenen Angelo Badalamenti, der erst über einige Umwege zur Filmmusik kam.
Nachdem Badalamenti 1960 seinen Magister in Komposition, Horn und Klavier an der Manhattan School of Music gemacht hatte, nahm er eine Tätigkeit als Musiklehrer auf, komponierte in seiner Freizeit aber bereits einige Songs. Schließlich schrieb er für einen Musikverlag Jingles und Werbespots, konnte darüber hinaus seine Vorliebe für schwarze Musik umsetzen, indem er Songs für Leute wie Shirley Bassey und Mel Tillis komponierte. Bevor Badalamenti mit Lynch zusammentraf, hatte er nur zwei Filmmusiken geschrieben, nämlich unter dem Pseudonym Andy Badale für Ossie Davis‘ "Gordon´s War" (1973) und Ivan Passers "Law And Disorder" (1974), hielt sich anschließend mit Songwriting, Arrangements und Orchestrationen für Sänger und vielen Instrumentalarbeiten über Wasser. Aufgrund dieses vielschichtigen Talents wurde Badalamenti damit beauftragt, mit Isabella Rossellini, die in "Blue Velvet" ihr Debüt als Sängerin gab, den Bobby-Vinton-Song "Blue Velvet" einzustudieren.
Badalamenti schaffte es nicht nur, der angehenden Sängerin die Nervosität zu nehmen, sondern auch Lynch derart mit dem Resultat zu begeistern, dass er die gesamte Musik für den Film komponieren durfte. Mit Julee Cruise, mit der Badalamenti zuvor am Off-Broadway zusammengearbeitet hatte und deren ätherisch-überirdische Stimme auch die beiden "Twin Peaks"-Soundtracks prägen sollte, spielte der versierte Komponist mit seinem unnachahmlichen Sinn für herzerweichende Melodien schließlich auch den wunderschönen Song "Mysteries Of Love" ein, zu dem Lynch die Lyrics beisteuerte. Doch auch Badalamentis Instrumental-Titel waren von elegischer, traumhaft-verführerischer Schönheit und standen damit im Kontrast zu der vertrackten psychologischen Konstellation zwischen dem detektivisch-voyeuristischen Jeffrey Beaumont (Kyle MacLachlan), der Nachtclubsängerin Dorothy Vallens (Isabella Rossellini), der naiven Sheriff-Tochter Sandy (Laura Dern) und dem bösartigen Frank Booth (Dennis Hopper).
"Natürlich ist ‚Blue Velvet‘ eines der großen psychologischen Dramen unserer Zeit. Der Film ist brillant in der Studie von psychologischen Effekten von Leuten, die wir von außerhalb betrachtet so faszinierend finden", erzählt mir Badalamenti. "Ich denke, um die Verrücktheit und Tiefe eines so bösartigen Charakters wie Frank Booth und auf der anderen Seite die unglaubliche Reinheit und Unschuldigkeit des jungen Mannes und des jungen Mädchens musikalisch zu beschreiben, versuchte ich eine dunkle Schönheit auszudrücken. Dafür steht ‚Mysteries Of Love‘ in seiner Reinheit und Unschuld im Gegensatz zu der ganzen Welt außerhalb. Musikalisch gesehen konstruierten wir einen Konflikt, weil wir mit ihm beide Welten zusammenbrachten." 
Mit der fruchtbaren Zusammenarbeit bei "Blue Velvet" wurde schließlich eine magisch funktionierende Beziehung zwischen David Lynch und Angelo Badalamenti geknüpft, die bis heute für beide Parteien eine ganz besondere Bedeutung besitzt. "David kennt sich mit Gefühlen sehr gut aus. Er beschreibt Stimmungen, die einen auf eine dunkle, wunderschöne Art und Weise berühren", meint Badalamenti. David Lynch beschrieb die Zusammenarbeit mit seinem Hauskomponisten einmal so: "Angelo Badalamenti hat mich mit der Welt der Musik vertraut gemacht. Er schreibt die Musik und ich die Texte. Wir unterhalten uns über die Atmosphäre, die Worte beeinflussen die Melodie und umgekehrt. Das zählt zu den glücklichsten Erfahrungen, die ich in meinem Leben gemacht habe. Es war, als bliebe die Zeit stehen. All diese Tätigkeiten - das Schreiben des Drehbuchs, die Regie, die Musik - hängen für mich zusammen, und jede davon liefert mir Ideen für die anderen. Aus der Arbeit an der Musik ziehe ich Inspiration für die Regie."
1988 spielte Lynch eine Hauptrolle in dem Film "Zelly and Me", während er ein Jahr später die Video-Performance "Industrial Symphony #1" veröffentlichte. Mit der 1989 begonnenen Fernsehserie "Twin Peaks" kamen David Lynch und Angelo Badalamenti erneut zusammen. "David beschrieb die Stimmungen für ‚Twin Peaks‘: ‚Wir sind in den dunklen Wäldern, der Wind weht sehr mild, und außerhalb des Waldes hat das wunderschöne junge Mädchen eine Vision, und die Dunkelheit wandelt sich zu einer betörenden Melodie, die einen Höhepunkt erreicht, abschwillt und wieder in den dunklen Wäldern verschwindet.‘ Allein mit dieser Beschreibung setzte ich mich ans Keyboard, während David neben mir saß, und ich spielte ihm die ganze Einführung und das ‚Laura Palmer Theme‘ vor, Note für Note, allein auf seinen Worten basierend", erinnert sich Badalamenti, der seine Ausführungen stets mit einigen netten Anekdoten zu schmücken versteht. "Er sprach sehr langsam und weich, was eine Inspiration für mich war, und ich verstand, um was für eine Welt es sich handelte. Als David es hörte, meinte er, das wäre es. Ich hätte gerade eines der wichtigsten Themen für die ganze Serie komponiert. Das war der Grundstein für unsere Beziehung, dass wir uns einander verstanden. Ich war in der Lage, die Musik zu schreiben, die seinen Visionen entsprach."
Einen wichtigen Beitrag zur erneut hypnotischen, überwiegend sphärisch-elektronischen Musik lieferte einmal mehr Julee Cruise, die die von Badalamenti (Musik) und Lynch (Text) geschriebenen Songs "The Nightingale", "Into The Night", "Falling", "The World Spins" und "Rockin‘ Back Inside My Heart" interpretierte, die in der Kultserie zum Einsatz kamen und vom Julee-Cruise-Album "Floating Into The Night" stammten, das Badalamenti und Lynch für die Sängerin schrieben und produzierten. Doch im Gegensatz zur häufigen Praxis, Songs im Film einzusetzen, um das Soundtrackalbum besser verkaufen zu können, das wiederum für den Film wirbt, haben Songs in David Lynchs Filmen eine ganz eindeutige dramaturgische Funktion. "Die Musik hat immer einen Bezug zu der Unschuld in solchen Szenen. Sie arbeitet immer gegen das, was eigentlich tatsächlich passiert", erklärt Badalamenti. "Insofern spielt sie eine enorm wichtige Rolle. Ich denke, wir beide, David und ich, arbeiten musikalisch gern gegen das, was zu sehen ist. Das beste Beispiel dafür ist eine Szene in 'Twin Peaks', wo in einer ziemlich schäbigen Roadhouse-Bar, in der mit Whisky, Drogen und Prostitution gehandelt wird, ein Mädchen mit wundervoller, sanfter, langsamer Stimme den Song 'The World Spins' singt. Bei all den Konflikten, der Gewalt und der Rohheit ist diese Musik der totale Gegensatz zu dem, was gerade vorgeht. Für mich ist das sehr aussagekräftig, weil es die Gegensätze, die Positionen deutlich macht."
David Lynch verfilmte 1990 Barry Giffords Roman „Wild at Heart: Die Geschichte von Sailor und Lula” zwar als klassisches Roadmovie, aber auch als Hommage an die Rebellenfilme der 50er Jahre und eine Verbeugung vor dem Klassiker „Der Zauberer von Oz“. Die leidenschaftliche Beziehung, die ihre Tochter Lula (Laura Dern) mit dem gerade aus dem Knast entlassenen Sailor (Nicolas Cage) unterhält, ist der aufbrausenden Marietta (Diane Ladd) ein so großer Dorn im Auge, dass sie gleich zwei Killer auf Sailor ansetzt. Dieser flüchtet mit seiner Geliebten in ihrem 65er Thunderbird quer durch Amerikas hitzeflimmernden Süden, wobei sie sich immer wieder ihren sexuellen Begierden widmen und Sailor sich zu einem Banküberfall mit fatalen Folgen überreden lässt. Als sie schließlich in dem kleinen Kaff Big Tuna in Texas landen, führt sie Sailors ehemalige Geliebte Perdita (Isabella Rossellini) geradewegs in die Hände von Mariettas Killer. David Lynch surreal anmutendes Splatter-Fantasy-Roadmovie fesselt durch seine tollen Darsteller, ein radikales Sounddesign, grandiose Bilder und einen energiegeladenen Soundtrack. Die bis dato ausgefeilteste Reise nach „Lynchtown“ präsentierte David Lynch mit seiner bahnbrechenden Fernsehserie „Twin Peaks“. Zwar inszenierte der Meister nur die beiden Pilotfolgen der beiden, insgesamt 30 Folgen umfassenden Staffeln sowie fünf weitere und schrieb auch nur für die ersten drei Folgen das Drehbuch, doch trug die Serie überdeutlich die Handschrift ihres Schöpfers. „Twin Peaks“ beginnt als klassische Whodunit-Kriminalgeschichte und entwickelt sich zunehmend zu einer skurrilen Mixtur aus Familiendrama, Teenie-Romanze und Fantasy-Horror, bis die mysteriöse Auflösung mehr Fragen aufwirft als beantwortet. Dies trifft insbesondere auf das anschließende Prequel im Kinoformat zu, auf den längst nicht die Klasse der Serie erreichenden Film „Twin Peaks – Der Film“ (1992). Im selben Jahr misslangen Lynch zudem neuerliche TV-Experimente, als die Serie "On the Air" nach drei Folgen abgesetzt wurde und die faden Episodenfilme der HBO-Produktion "Hotel Room" von der Kritik vernichtet wurden. Nach einigen Jahren abseits des Kunst- oder Kinobetriebes gelang Lynch seine Rückkehr Ende der Neunziger mit zwei Filmen, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten - zunächst mit „Lost Highway“ (1997), mit dem der Ausnahmeregisseur „die Linearität der Zeit, die Eindeutigkeit des dreidimensionalen Raumes, die logischen Kategorien der Modalität, Kausalität und Identität“ (Jürgen Felix und Andreas Rauscher in „Filmregisseure“, Reclam, 3. Auflage, S. 468) auflöste. Der eifersüchtige Fred (Bill Pullman) verdächtigt seine Frau Renee (Patrica Arquette) des Ehebruchs, da wird er auch schon unter dem Verdacht verhaftet, sie bestialisch ermordet zu haben. Als er im Gefängnis auf die Vollstreckung des Todesurteils wartet, verwandelt er sich auf mysteriöse Weise in Pete Dayton …
„Man kann den Film als Entäußerung eines schizophrenen Bewusstseins lesen, als eine Entfremdungsphantasie, als Radikalisierung des Psychothrillers, als Diskurs über Formen der Wahrnehmung, als rückwärts erzähltes Märchen, als Revision des ödipalen Familienromans. Jeder Versuch einer konsistenten Rekonstruktion der dargestellten Geschichte(n) scheitert an der immanenten Un-Logik des Films. Der vertraute kinematographische Bedeutungshorizont wird durchlöchert, die symbolische Form des Erzählkinos vom Unfassbaren, Unbegreiflichen durchsetzt.“ (ebd.) 
Voller Gegensätze ist auch der Soundtrack zu David Lynchs nächstem Film "Lost Highway", der wie bei "Wild at Heart" (1990) speziell vom Regisseur ausgesuchte Songs und Teile des Instrumental-Scores von Angelo Badalamenti verbindet. Da gibt David Bowie zum Anfang und zum Ende zwei editierte Versionen von "I'm Deranged" zum besten, rocken Rammstein ("Rammstein", "Heirate mich"), Marilyn Manson ("Apple Of Sodom", "I Put A Spell On You") und Nine Inch Nails ("Perfect Drug") heftigst ab, während die Smashing Pumpkins mit dem säuselnden "Eye" einen ebenso sanften Gegenpol dazu bilden wie Barry Adamson mit seinen bluesigen Themen und eben Angelo Badalamenti mit seinen teils jazzigen ("Red Bats With Teeth"), teils sphärischen Synthi-Cues ("Police"). Dass der Soundtrack dennoch eine geschlossene Einheit bildet, liegt auch daran, dass die Stücke allesamt nahtlos ineinander übergehen, dass der Hörer/Zuschauer im Kino durch die verschiedenen emotionalen Dimensionen der erzählten Geschichte geführt wird.
David Lynch hat eine sehr enge Beziehung zur Musik und setzt die dementsprechend sehr bewusst in seinen Filmen ein. "Ich bin über die Malerei zum Film gekommen, und ich glaube, man kann sagen, dass ich über die Tongestaltung zur Musik gekommen bin. Als Maler hatte ich immer bestimmte Töne im Kopf, um mir die Stimmung für ein Bild vorzustellen", meint David Lynch, der viele der Musikstücke in seinen Filmen schon vor Drehbeginn aussucht. "Irgendwann möchte ich gerne so gut wie alle schon vorher ausgesucht haben, denn häufig schickt mir der Tonmann beim Drehen die Musik durch die Kopfhörer, und zwar so, dass ich als einziger gleichzeitig die Schauspieler ihre Dialoge sprechen hören und der Musik lauschen kann. Dann kann ich kontrollieren, ob die Stimmung der Dialoge mit der Musik übereinstimmt. Selbst bei Szenen, in denen nichts gesprochen wird, kann man sich, indem man der Musik zuhört, davon überzeugen, ob die Sache funktioniert oder nicht."
Was David Lynchs Filme bis dahin überwiegend auszeichnete, ist die unkonventionelle Erzählweise, das Spiel mit unbewussten Ängsten und nicht ausgelebten Wünschen, mit Visionen und Voyeurismus, mit fremden Welten und Metamorphosen, die seine oft gespaltenen, unbehausten Protagonisten durchmachen müssen.
Mit seinem nachfolgenden Film „The Straight Story“ (1999)überraschte Lynch einmal mehr, verzichtete auf vertrackte Bilderrätsel und präsentierte ein ruhig dahinfließendes Roadmovie, in dem der pensionierte Farmer Alvin Straight (Richard Farnsworth) sich mit seinem Sitzrasenmäher auf den langen Weg von Iowa nach Wisconsin macht, um sich mit seinem kranken Bruder Lyle auszusöhnen. Der störrische Mann verfügt nämlich nicht mehr über das beste Sehvermögen, und seine leicht zurückgebliebene Tochter (Sissy Spacek) kann ihn auch nicht fahren. Unterwegs hat er genügend Zeit, nette Menschen und skurrile Typen kennenzulernen und über das Leben zu sinnieren. „The Straight Story“ ist in vielerlei Hinsicht ein ungewöhnlicher Lynch-Film, mit einer kontinuierlichen Geschichte, klarer Aussage und freundlichen Gesten. Angelo Badalamenti komponierte zu diesem fast schon spirituellen Roadmovie einen wundervollen lyrischen Score, der die warmherzigen Emotionen, die Altersweisheit, die Landschaftspanoramen und die ruhige Inszenierung kongenial musikalisch untermalen.
In der Tradition seiner sensationell spannenden und seltsamen Klassiker "Blue Velvet" und "Twin Peaks" kehrte David Lynch mit „Mulholland Drive“ zur Atmosphäre von Wahnwitz und Geheimnissen unter der glatten Oberfläche des Alltags zurück. Der geheimnisvolle Thriller beginnt mit einer geheimnisvollen Schönheit, die sich Rita (Laura Elena Harring) nennt und nach einem grauenvollen Unfall das Gedächtnis verloren hat. Zufällig kommt ihr die freundliche wie naive Betty Elms (Naomi Watts) zu Hilfe, die gerade aus Kanada eingeflogen ist, um nichts weniger als ein Star zu werden. Doch während das Schicksal die beiden offenbar so ungleichen Frauen immer intimer zusammenschweißt und sie auf der Suche nach der Vergangenheit immer tiefer in den Untergrund der Gegenwart eintauchen, wird auch anderen der Boden der Realität unter den Füßen weggerissen. Ein fatalistischer Albträumer und ein mangelhaft begabter Auftragskiller werden ebenso den Weg der Frauen kreuzen wie ein Erfolgsregisseur (Justin Theroux), dessen fantastisches Leben von seinen bizarren Finanziers binnen Stunden zerstört wird. Die Antwort aller Rätsel mag ein bedrohlicher Mann im Hintergrund kennen, der sich nur "Cowboy" (Monty Montgomery) nennt - doch vielleicht laufen die Fäden des Netzes auch bei dem Auftraggeber im Rollstuhl zusammen, der als einziger Macht über schwarze Monstren und blaue Schlüssel zu verbotenen Räumen und Träumen zu besitzen scheint. Doch wo immer sich im Crescendo der Suspense die Wahrheit verbirgt - sie ist nicht von dieser Welt, möglicherweise... „Mulholland Drive“ war ursprünglich als Fernsehserie angelegt. Doch nachdem der in den USA von Imagine Television produzierte Pilotfilm den Auftrag gebenden Sender ABC aus der Disney-Familie nicht eben in Quotengier versetzte, brachte Lynch seine L. A. Story über Schein und Sein nach Frankreich. Dort wurde die Acht-Millionen- Dollar-Produktion durch Produzent Alain Sarde um ein Budget von sieben Mio. Dollar ergänzt, was zusätzliche Drehwochen und Postproduktion gewährleistete. Das Kurzfilmprojekt „Rabbits“(2002) bleibt nur den Besuchern der Homepage des Filmemachers vorbehalten. Wie schon in seinem vorhergehenden Film arbeitet er mit Naomi Watts zusammen. Der Soundtrack stammt von Angelo Badalamenti, der seit 1986 die Filme seines langjährigen Weggefährten vertont. Weitere Kurzfilme bringt er unter dem Namen „Dumbland“ (2005) heraus, die ebenfalls auf der Lynch-DVD-Box „5“ enthalten sind. Sein nächster Kinofilm „Inland Empire“ präsentierte sich als Lynch-typisches Mystery-Drama in der Tradition von „Lost Highway“ und „Mulholland Drive“. Laura Dern, die für Lynch schon in „Blue Velvet“ und „Wild at Heart“ vor der Kamera stand, spielt darin die Schauspielerin Nikki Grace, die für den Regisseur Kingsley Stewart endlich wieder eine Hauptrolle übernehmen kann. Allerdings handelt es sich bei dem geplanten Film „On High In Blue Tomorrows“ nicht um ein Originaldrehbuch, sondern um ein Remake eines nie fertig gestellten Films.
Das Liebesdrama mit dem Titel 47 konnte nämlich nicht beendet werden, weil beide Hauptdarsteller vorher ums Leben kamen. Offenbar war der Film, der auf einem polnischen Volksmärchen basiert, von einem Fluch belegt. Etwas unbehaglich macht sich die Crew an die Arbeit. Während der Dreharbeiten entwickelt sich nicht nur die Liebesgeschichte zwischen den Film-Figuren, sondern auch auf einer persönlichen Ebene zwischen den Darstellern, die mit zunehmend unheimlichen Ereignissen konfrontiert werden. Doch David Lynch belässt es nicht bei einer klassischen Film-im-Film-Handlung. Riesen-Kaninchen in einer Sitcom, Prostituierte und polnische Volkmotive werden immer wieder in die nicht-lineare Filmhandlung eingewoben und führen nicht nur Lynchs Figuren, sondern auch den Zuschauer in eine bedrückende Atmosphäre aus Angst und Verwirrung. Selbst David Lynch gab in Interviews zu dem Film zu, dass sein Film nicht leicht zu verstehen sei und er selbst nicht wisse, wovon „Inland Empire“ eigentlich handelt. Es sei ein Blick durch „verschwommene Scheiben des menschlichen Ichs auf dunkle Abgründe“. Dern spielt mehrere Charaktere, darunter eine Schauspielerin, die während der Dreharbeiten zu einem altmodischen Südstaaten-Melodram ihren Verstand zu verlieren droht. Prostituierte, unheimliche polnische Volksmotive und Riesen-Kaninchen bevölkern das Lynch-Universum. „Der Film ist eine Reflexion von Davids Liebe zum alten Hollywood und handelt auch vom Tod dessen, wofür Hollywood für ihn steht“, meint Laura Dern. „Es ist ein neuer Tag, für David, für den Film, für uns alle.” “Der Weg zu ‚Mulholland Drive‘ war wunderbar und unheimlich”, beschreibt Lynch den Entstehungsprozess, “aber der Weg zu ‚Inland Empire‘ war noch unheimlicher…” Wie der Film “Mulholland Drive”, der ursprünglich als TV-Serie geplant war und an ABCs Veto gegenüber dem Pilotfilm im Fernsehen scheiterte, war auch „Inland Empire“ nicht ursprünglich als Kinofilm gedacht. Am Anfang stand eine Serie von Experimenten, von Spielereien mit etwas, das Lynchs Leben veränderte: seiner “Spielzeugkamera”, wie er sagt, einem tragbaren Sony PD 150 Digital Videorekorder. Mit ihrer Hilfe konnte er vermeiden, was er beim Dreh auf Filmmaterial hasst: das Warten – auf die Ausleuchtung, das Bewegen der Kamera durch die Crew etc.
Alles begann damit, dass Lynch vor ungefähr drei Jahren mit Laura Dern eine Szene filmte, die er für sie geschrieben hatte. Das wiederholte sich noch einige Male. Das digitale Drehen brachte seine Fantasie auf Hochtouren. Zu Hause drehte er eine surrealistische Sitcom über eine Familie von Riesen-Kaninchen. Zur gleichen Zeit entdeckte er, inspiriert von einer Reise zum Filmfestival in Lodz, seine Liebe zu Polen. Beim Besuch des Festivals filmte er mit heimischen Darstellern in den alten Fabrikgebäuden vor Ort eine Szene, die er sich im Flugzeug ausgedacht hatte. Eigentlich wollte Lynch dieses Material für seine Website verwenden. Doch dann begann er, die Szenen mit Laura Dern zu einem Film auszubauen. Ihm gefiel die Unschärfe der Bilder, die ihn an alte Hollywood-Filme erinnerten: “Ich glaube, wenn etwas nicht so realistisch ist, das Bild dunkel oder unscharf, kriegt die Vorstellung einen Kick und man beginnt zu träumen.” Schließlich kam ihm die Idee, die Dern-Monologe, die Hasen-Sitcom und die Polen-Episoden zusammenzufügen, ergänzt durch neues Filmmaterial. Lynch vergleicht diesen Prozess mit dem kreativsten seiner Karriere, der Entstehung von „Eraserhead“, die fünf Jahre dauerte: “Ich kam von der Malerei. Da gibt es nur dich und die Leinwand. Digitales Arbeiten ist eine ähnliche Erfahrung, man kann tiefer eindringen.” Die Dreharbeiten fanden im polnischen Lodz und in Los Angeles statt. Auch die Musik spielt eine zentrale Rolle im Film. Lynch wollte eine ähnliche Wirkung erzielen wie bei Godfrey Reggios “Koyaanisqatsi”, eine treibende Verbindung zwischen Bild und Musik, die – nicht wie sonst Angelo BadalamentiDavid Lynch selbst komponierte. Es war quasi der Startschuss für sein eigenes Label David Lynch Music Company, die mittlerweile im Zentrum seiner Website steht. Dort sind mittlerweile u.a. auch der Soundtrack zur Ausstellung „The Air Is On Fire“ in Paris (2007), der Soundtrack zur zweiten Staffel von „Twin Peaks“ sowie „The Twin Peaks Archive“ mit einer Fülle von bislang unveröffentlichtem Material aus der Serie sowie David Lynchs aktuelles Album „Good Day“ zu erwerben. Kostenlos ist dagegen die Tribute-Compilation „Mashed In Plastic“ auf der Fan-Page Mashed In Plastic zu bekommen, für die eher unbekannte Acts wie Colatron, Wax Audio, The Reborn Identity, Phil Retrospector u.v.m. verschiedene Tracks aus David-Lynch-Soundtracks mit anderen, recht interessanten Songs mixten, die irgendwie im Klangkosmos von David Lynch wunderbar aufzugehen scheinen.
„Das Kino von David Lynch beginnt dort, wo der gesunde Menschenverstand endet. Aber es bleibt auf ihn angewiesen. Lynch inszeniert vernünftig und verrückt zugleich. Er stürzt den Zuschauer in eine Welt voller unlösbarer Rätsel und unkontrollierbarer Energie. Und doch rechnet er mit einem Betrachter, der sich auf diese Welt einen Reim zu machen versucht; der verstehen möchte; der dem Geheimnis auf die Spur kommen will. Womöglich wird dieser Betrachter nie an sein Ziel kommen. Er wird sich im Dunkel verlieren, er wird aus der Kurve getragen, er bleibt unvermittelt stehen, wie hypnotisiert, und kostet den Schwindel aus“, beschreibt M. Worthmann in der Zeit. „Irgendwann wird er merken, dass er an des Rätsels Lösung kaum heranreicht – und dass er dem Geheimnis trotzdem sehr nahe gekommen ist. Denn sein unstillbares Verlangen selbst ist der Treibstoff des Lynchschen Kinos. Dem unvergleichlichen Glühen der Bilder, der immer wieder langsam sich in die Szene hineinsaugenden Kamera entspricht der Wunsch des Zuschauers, einmal bis in die entscheidende, innerste Wunderkammer des Films vorstoßen zu können. Diese Wunderkammer aber ist sein eigener Kopf.“

Filmographie: 
1977 - Eraserhead
1980 - Der Elefantenmensch (The Elephant Man)
1984 - Der Wüstenplanet (Dune)
1986 - Blue Velvet
1989/90 - Twin Peaks (TV-Serie)
1990 - Wild At Heart - Die Geschichte von Sailor und Lula
1992 - Twin Peaks - Der Film (Twin Peaks: Fire Walk With Me)
1997 - Lost Highway
1999 - The Straight Story - Eine wahre Geschichte
2001 - Mulholland Drive – Straße der Finsternis
2007 – Inland Empire

Playlist:
1 John Morris - Recapitulation (The Elephant Man) - 05:35
2 Angelo Badalamenti feat. Julee Cruise - The Nightingale (Twin Peaks) - 04:50
3 Angelo Badalamenti - Dear Meadow Shuffle (The Twin Peaks Archive) - 05:20
4 Angelo Badalamenti - New Shoes (Twin Peaks - Season Two) - 03:48
5 Angelo Badalamenti - The Bookhouse Boys (Twin Peaks) - 03:30
6 Angelo Badalamenti - Freshly Squeezed (Bass Clarinet Version) (The Twin Peaks Archive) - 05:09
7 Angelo Badalamenti - The Pine Float (Twin Peaks - Fire Walk With Me) - 04:04
8 Angelo Badalamenti - Blue Frank (Twin Peaks - Season Two) - 05:10
9 Angelo Badalamenti - Montage From Twin Peaks (Twin Peaks - Fire Walk With Me) - 05:30 10 Angelo Badalamenti - Night Streets/Sandy And Jeffrey (Blue Velvet) - 03:42
11 Angelo Badalamenti - Cool Cat Walk (Wild At Heart) - 03:24
12 Barry Adamson - Hollywood Sunset (Lost Highway) - 02:00
13 Koko Taylor - Up In Flames (Wild At Heart) - 06:16
14 Smashing Pumpkins - Eye (Lost Highway) - 04:50
15 Chris Isaak - Wicked Game (Wild At Heart) - 04:05
16 Angelo Badalamenti - Montage (The Straight Story) - 07:24
17 Angelo Badalamenti - Diane and Camilla (Mulholland Drive) - 04:48
18 David Lynch - Ghost Of Love (Inland Empire) - 05:30
19 Neiltomo - Don't Go All Wicked On Me (Mashed In Plastic) - 04:00
20 David Lynch - Good Day Today (Good Day Today) - 04:40
21 Wax Audio - Blue Rigby (Mashed In Plastic) - 04:22
22 David Lynch - I Know (Good Day Today) - 04:06
23 Jocelyn Montgomery & David Lynch - O Tu Illustrata (Lux Vivens) - 08:24

Sonntag, 22. Mai 2011

Playlist # 59 vom 22.05.11 - "THE CROW"-Special

„Creatures kissing in the rain/Shapeless in the dark again/In a hanging garden/Wearing furs and masks.“ 
Diese Zeilen aus dem 82er Song „The Hanging Garden“ von The Cure zählten zu den unzähligen Einflüssen, die der Comic-Zeichner James O‘Barr zu seiner mittlerweile berühmten „The Crow“-Comic-Serie inspiriert haben, die dann mit Brandon Lee genauso erfolgreich wie unglücklich verfilmt wurde. Zu tragischem Ruhm gelangte der Film zunächst durch den mysteriösen Tod des Hauptdarstellers, der ironischer weise einen von den Toten auferstandenen Rockmusiker mimt, der den brutalen Mord an seiner Verlobten rächen muss.
Dass sowohl O‘Barrs Comic-Bücher als auch die ersten beiden „The Crow“-Filme wie bislang kaum ein anderes Kulturgut das Lebensgefühl der Indie-Szene bildlich wie musikalisch zu reflektieren verstanden, ist in erster Linie natürlich den Visionen des Comic-Autors zu verdanken, aber letztlich auch den Produzenten der beiden Filme, die die Comic-Vorlage dem Massenmarkt zugänglich gemacht und dafür gesorgt haben, dass das Lebensgefühl eines bestimmten Teils der Jugendlichen in den 90ern auf transparente Weise in adäquater Atmosphäre manifestiert wurde.
James O’Barr schuf das Konzept von „The Crow“ in den frühen 80er Jahren als Reaktion auf den gewaltsamen Tod seiner Verlobten. Der autodidaktische Künstler, der in der Umgebung von Detroit zum Teil in Heimen und bei Pflegeeltern aufwuchs, fing während seiner Zeit beim Militär an, seine persönliche Tragödie zeichnerisch zu verarbeiten. Zu jener Zeit war er gerade mit der Marineinfanterie in Berlin stationiert, wo er an die Heerestruppen „ausgeliehen“ wurde, um einige Nahkampf-Unterrichtsbücher zu illustrieren:
„Ich meldete mich zum Marineinfanterie-Corps, damit ich aufhören musste zu grübeln und um meinem Leben eine feste Struktur zu geben“, blickte James O’Barr zurück. „Aber ich hatte immer noch so viel Wut und Frustration in mir, die einfach heraus mussten. Also begann ich eines Tages, ‚The Crow‘ zu zeichnen. Als ich mit dem Buch begann, war das für mich eine Art von Therapie. Ich zog es vor, statt eines sinnlosen Aktes der Selbstzerstörung lieber meine Wut auf Papier zu bannen.“
Dabei verarbeitete O’Barr so vielschichtige, düster-atmosphärische Einflüsse von Dichtern wie Edgar Allan Poe, Arthur Rimbaud, George Bataille, Nathaniel Hawthorne und Antonin Artaud ebenso wie dem Film noir, einem zweijährigen Medizinstudium sowie dem Studium klassischer Renaissance-Skulpturen, aber vor allem der Musik, die er Anfang der 80er Jahre in Berlin kennenlernte, nämlich von Bands wie Joy Division, The Cure, Bauhaus, die mit ihrem Outfit auch die Gestalt von Eric Draven prägten, der in der mythischen Geschichte um Liebe, Tod und Rache in „The Crow“ eine Schlacht gegen das Böse führt.
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Die Körpersprache seines Protagonisten entlieh O’Barr der Punk-Ikone Iggy Pop, die Gesichtszüge dem damaligen Bauhaus-Sänger Peter Murphy, während das weiß geschminkte Gesicht mit den schwarzen Rändern um Mund und Augen auf den KISS-Masken basiert.
Das Comic erzählt die Geschichte von Eric, der in der Halloween-Nacht aus seinem Grab aufersteht, um von mysteriösen Kräften getrieben Rache für die vor genau einem Jahr begangenen brutalen Morde an seiner Verlobten Shelly und ihm selbst zu nehmen.
Bei seiner Mission wird er von einer geheimnisvollen Krähe geführt, die ihn als spiritueller Verbindungsbote zwischen der Welt der Lebenden und dem Reich der Toten zu den Mördern führt.
„Die Krähe, also der Vogel im Film, ist eine Art Begleiter, ein Teil von Erics eigener Persönlichkeit, der ihn in sein Leben zurückgeleitet und ihn daran erinnert, wer er war und was mit ihm geschah“, erklärte Eric-Draven-Darsteller Brandon Lee die Rolle der Krähe im Comic/Film. „Sie hilft ihm, das zu tun, was er tun muss, in einem sehr praktischen Sinn: Sie hilft ihm, Orte und Menschen zu finden, die er finden muss.“
Und deshalb müssen einer nach dem anderen von Top Dollars Gang, die gerade die Nacht des Teufels feiert und vor einem Jahr das brutale Verbrechen an Shelly und Eric begangen hat, für ihre Taten büßen. In einer Kirche kommt es schließlich zum Showdown zwischen Top Dollar, der mit seiner Geliebten Myca Shellys Erics kleine Freundin Sarah und die Krähe in der Gewalt hat, und Eric, der nun feststellen muss, dass auch er verwundbar ist, wenn die Krähe verletzt wird.
Zunächst schien sich kein Verleger für die düstere, von Liebe und Rache gespeiste Geschichte zu interessieren. Nach einigen Absagen verschwand das Manuskript für sieben Jahre in der Schublade, bis sich ein unabhängiger Verlag aus Detroit, Caliber Comics, O‘Barrs Werk annahm. Zwischen 1988 und 1989 erschienen dort vier Folgen von „The Crow“, bis finanzielle Probleme des Verlages ein weiteres Erscheinen der Serie beendeten. Doch O‘Barr, der in dieser Zeit auch für andere Bücher von Caliber Comics die Umschläge illustrierte, konnte „The Crow“ bei Kevin Eastmans Tundra Press unterbringen, wo man aus den Comic-Heften zwei Buchfolgen machte und mit einem dritten Buch mit völlig neuem Material die „Crow“-Saga zu Ende führte.
Ungefähr zu jener Zeit erwarb der Produzent Jeff Most eine Option auf die Verfilmungsrechte, als der Science-Fiction- und Fantasy-Autor John Shirley ihn auf „The Crow“ aufmerksam machte. Jeff Most war von dieser düsteren Großstadt-Allegorie, die sowohl in der Tradition der Gothic Novels als auch des Film noir stand, sofort begeistert.
„Was mich an dem Helden dieser Story so faszinierte, war, dass es sich hier nicht um den typischen Comic-Helden handelte. Hier haben wir einen Mann, der Gedichte rezitiert und der von Liebe und Zärtlichkeit motiviert ist“, meint Jeff Most. „Er erinnert mich sehr an das Frankenstein-Monster - dieselbe Humanität, die gepaart ist mit einem sehr starken Rachebedürfnis.“
Most fand sich schnell mit dem Produzenten Edward R. Pressman zusammen, der mit David J. Schow und John Shirley zwei erfahrene Fantasy- und Horror-Autoren für das Drehbuch verpflichtete.
Schow hat sich bislang vor allem als Splatterpunk-Autor einen Namen gemacht und die Drehbücher zu „Critters 3“, „Critters 4“, „Leatherface: The Texas Chainsaw Massacre III“ und „Nightmare on Elm Street V“ sowie einige Episoden für „Tales from the Crypt“ verfasst.
John Shirley ist vor allem Fantasy- und Science-Fiction-Lesern ein Begriff, vor allem durch seine Cyberpunk-Trilogie „Eclipse“.
Zunächst unternahmen Shirley und Schow einige Veränderungen an der Geschichte des Comics, um sie für die Leinwand adaptieren zu können.
So machte man aus Eric, dessen Background im Comic nicht explizit erwähnt wird, einen Rockmusiker, der aus der Arbeiterklasse kommt. Schließlich stellte die Musik eine entscheidende Inspirationsquelle für „The Crow“ dar, nachdem James O’Barr während seiner Highschool-Zeit in Detroit tief beeindruckt von KISS, den Stooges, den Ramones und der britischen Punk-Szene worden ist.
„Als ich das erste Mal Ian Curtis und Joy Division hörte, wusste ich sofort, dass ich endlich gefunden hatte, was ich suchte“, erinnert sich O'Barr. „Nichts war heilig; sie würden auf absolut ehrliche Weise über jede Art von Schmerz reden. Ich fühlte mich, als hätte ich einen Partner gefunden, der mich unterstützt. Ich habe endlos ihre Platten gehört, als ich an ‚The Crow‘ arbeitete. Später kamen The Cure hinzu, vor allem mit dem ‚Pornography‘-Album.“
Insofern verwundert es nicht, wenn Eric - dessen Nachname Draven im Film ein direkter Verweis auf Edgar Allan Poe ist, dessen Verse sowohl im Comic als auch im Film zitiert werden - nach Vorbildern aus dieser Szene modelliert wurde. Mit Brandon Lee, der für die Rolle des Eric Draven 15 Pfund abspeckte und Gitarre spielen lernte, hatte Edward Pressman auch bald den idealen Darsteller gefunden.
Der 1963 geborene Sohn des Kung-Fu-Action-Stars Bruce Lee sah in der Rolle des Eric Draven die größte Herausforderung innerhalb seiner Karriere und ging in der visuell überwältigenden Umsetzung der von Musik beseelten Erzählung von Liebe, Tod und Rache völlig auf.
„Es ist eine wunderbare Rolle, eine Rolle, bei der man Risiken eingehen muss“, erzählte Lee in seinem letzten Interview. „Man hat die seltene Gelegenheit, diese Risiken einzugehen, sie bis zum Äußersten auszuleben, weil niemand weiß, wie sich ein Mensch verhält, der von den Toten zurückkommt. Das ist mit das Schönste an der Rolle: Man kann mit vollem Einsatz spielen, weil es keine Regeln dafür gibt, wie sich eine Person verhalten wird, die von den Toten zurückkommt.“
Fasziniert war Brandon Lee vor allem von der Tiefe von Erics Emotionen. Der deutsche Film-Untertitel „Rückkehr aus Rache“ verweist zwar auf die vordergründige Antriebskraft, die Eric von den Toten zurückkehren lässt, und in dem einsamen Kampf gegen die brutale Verbrecher-Gang bleibt Erics Zorn allgegenwärtig, doch die in leuchtendem Rot gefilmten Erinnerungen an die glücklichen Tage mit Shelly demonstrieren auf der anderen Seite die aufrichtige Liebe, die Eric für sie empfand.
„Ein Teil von Eric ist voller Zorn, voller Hass auf das, was ihm angetan wurde. Ich finde es sehr schön, dass alle Wesenszüge der Hauptfigur gleichermaßen zum Tragen kommen“, meinte Lee.
„Eric ist ein emotional, körperlich und psychisch zerrissener Mensch. Ich glaube, Erics Mission ist rein und klar. Er ist zurückgekommen, um Gerechtigkeit zu finden.“
Dass ihm bei der Erfüllung dieser Aufgabe alle Mittel recht sind, auch die extrem gewalttätigen, war für Brandon Lee angesichts des qualvollen Todes, den gerade Shelly erleiden musste, nur allzu legitim: „In keinem Film, in dem ich gespielt habe, war, denke ich, Gewalt so gerechtfertigt wie in diesem. Es ist hier nicht notwendig, über Mitleid nachzudenken. Hier geht es um Gerechtigkeit, das sagt mir mein Gefühl, und ich weiß, ich würde in dieser Situation das Gleiche tun. Es gibt etwas, das Eric tun muss, und er ist gezwungen, seinen Schmerz so lange zu überwinden, bis er seine Aufgabe erfüllt hat. In diesem Film geht es um das Gleichgewicht zwischen Gut und Böse. Weil wir nicht wissen, wann wir sterben werden, sehen wir das Leben als unerschöpfliche Quelle“, philosophierte Brandon Lee kurz vor seinem eigenen Tod. „Aber die Dinge geschehen nur wenige Male und dann nie wieder. An wie viele Tage der Kindheit erinnert man sich, die das Leben so stark beeinflusst haben, dass es ohne sie nicht denkbar wäre? Vielleicht vier, fünf oder noch weniger? Wie viele Male sieht man den Vollmond aufgehen? Vielleicht zwanzigmal? Alles ist begrenzt. Das ist die Ansicht, die diese Figur den ganzen Film hindurch vertritt, weil ihr klar ist, wie wunderschön jeder Augenblick ihres Lebens ist.“

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Wie begrenzt die schönen Dinge des Lebens sind, musste Brandon Lee auf tragische Weise kurz darauf am eigenen Leib erfahren. Am 30. März 1993, acht Tage vor Aufnahmeschluss, sollte die Szene gedreht werden, in der Eric Funboy aufsucht, der sich gerade mit Sarahs drogenabhängigen Mutter Darla vergnügt. Als das „Action!“-Kommando von Alex Proyas am Set in den Carolco Studios ertönte, feuert Funboy-Darsteller Michael Massee wie geplant aus seiner Pistole, Kaliber 44, auf Brandon Lee, der daraufhin blutend zusammenbrach. Die Waffe, die nach der Benutzung in einer anderen Szene nicht überprüft wurde, war mit Patronenattrappen geladen, deren Pulverladung zu stark für die kurze Distanz zwischen Ziel und Schütze war und Brandon Lee tödlich verletzte. Zwar kämpften die Ärzte des New Hanover Regional Medical Center 13 Stunden lang um das Leben des 28-jährigen Schauspielers, doch verstarb dieser in den frühen Morgenstunden des 31. März.
Während die Crew schockiert vor der schweren Entscheidung stand, ob der Film beendet werden soll oder nicht, untersuchte der Staatsanwalt von North Carolina, ob die Crew oder die Produktionsfirma Crowvision Inc. Brandon Lees Tod zu verschulden hatte, fand aber keine Beweise dafür.
Derweil nahmen Brandon Lees Mutter Linda Lee Caldwell und seine Verlobte Eliza Hutton der Crew die Entscheidung über die Fortsetzung des Films ab. „Er sprach von der besten Rolle seiner Karriere und setzte große Hoffnungen auf den Film. Die Fertigstellung wäre in seinem Sinne gewesen“, meinte Eliza.
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Durch die Verzögerung waren die Produktionskosten zwar um acht auf 23 Millionen Dollar angestiegen, doch wollte man den Film nun von allen Seiten her unbedingt fertigstellen.
„Alle Beteiligten standen zu ‚The Crow‘ aufgrund der Arbeit, die Lee bereits vollbracht hatte“, meinte der ausführende Produzent Robert Rosen.
„Für uns war es gar keine Frage, dass wir hier eine komplette und bemerkenswert intensive darstellerische Leistung auf Film hatten. Wir wussten - wie schwierig es auch war, ohne ihn die Arbeit wiederaufzunehmen -, dass wir einen immens starken Film erhalten würden.“
Um den Film wie geplant beenden zu können, wurden nicht nur einige Szenen und Dialogpassagen neu geschrieben, um den psychologischen Aspekt, die der Todesfall in den Film brachte, herauszuheben, sondern es musste auch eine Lösung gefunden werden, wie die mit Brandon Lee noch geplanten Szenen realisiert werden konnten.
Die F/X-Firma Dreamquest Images, die ursprünglich insgesamt 44 digitale Effektszenen bearbeiten sollte, stand nun auch noch vor der Herausforderung, den verstorbenen Star wieder zum Leben zu erwecken.
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Da man keinen Darsteller mit einer Latex-Maske von Brandon Lee einsetzen wollte, konzipierte die F/X-Firma das Software-Programm „Image Stabilisation & Tracking“, mit dem Brandons Kopf aus bestimmten Szenen isoliert, im Computer zerlegt und auf dem Gesicht eines vor gleichem Hintergrund gefilmten Doubles wieder zusammengesetzt werden konnte. Außerdem ermöglichte das Programm die Herauslösung eines Schauspielers aus einem Bild, um ihn dann in ein anderes einzusetzen.
Auch die andere Hauptrolle des Films, die Krähe, benötigte einen Special-Effects-Experten. Da manche Szenen mit der Krähe unmöglich mit einer echten, wenn auch dressierten Krähe gedreht werden konnten, konstruierte man ein originalgetreues, batteriebetriebenes Vogel-Modell.
Über die Rolle der Krähe, deren mythologische Geschichte im Nachwort von A.A. Attanasio zum Comic rekapituliert wird, meinte Brandon Lee:
„Die Krähe, also der Vogel im Film, ist eine Art Begleiter, ein Teil von Erics eigener Persönlichkeit, der ihn in sein Leben zurückgeleitet und ihn daran erinnert, wer er war und was mit ihm geschah. Eric ist ein Mensch, der an die Grenzen seiner Fähigkeit der Realitätsbewältigung stößt. Manchmal dreht er gewissermaßen durch, ist er völlig krank. Beinahe schon so, wie man sich Verrückte vorstellt, die Stimmen hören - Stimmen der Vernunft, die ihn leiten, und eher irrationale Stimmen des Gefühls. Ich denke, dass die Krähe die Stimme der Vernunft ist, die ihn leitet. Sie hilft ihm, das zu tun, was er tun muss, in einem sehr praktischen Sinn: Sie hilft ihm, Orte und Menschen zu finden, die er finden muss.“
Mit Alex Proyas hatte man einen zwar noch Hollywood-unerfahrenen, aber für das ästhetische Programm des Films idealen Regisseur gefunden, der sowohl die düstere Atmosphäre als auch die tragende Rolle der Musik adäquat filmisch in Szene zu setzen verstand.
„Die Musik ist praktisch ein weiterer Darsteller im Film“, erklärt Jeff Most. „Uns war klar, dass die Musik zweierlei Aufgaben zu erfüllen hatte. Sie musste die Story vorantreiben und den Stil und die Stimmung des Comics transportieren, während er filmisch umgesetzt wurde.“
Alex Proyas schien deshalb der geeignete Mann für diese Aufgabe zu sein, weil der australische Musikvideo- und Werbefilmer bereits mit so hochkarätigen Künstlern wie INXS, Sting, Fleetwood Mac, Steve Winwood, Joe Jackson und Mike Oldfield zusammengearbeitet und Werbespots für Swatch, Nissan, Kleenex, American Express, Nike und Coca Cola gedreht hat.
1992 wurde er sowohl in Sydney als auch in London mit dem Best Commercial Director Award ausgezeichnet.
Er verstand es, sowohl die düstere, post-apokalyptische Großstadt-Atmosphäre des Comics als auch die ungewöhnlich herausragende Rolle der Musik auf eine einzigartige Weise zu visualisieren.
„Der Comic ist in schwarz-weiß und er spielt auch in einer schwarz-weißen Welt des Guten und des Bösen“, erklärt der Regisseur. „Wir haben dem Film diese Qualität durch die Art der Ausleuchtung gegeben und dadurch, dass wir nur sehr selektiv und spezifisch mit Farben gearbeitet haben. Wir verwenden keine Blau- oder Grüntöne, was dem Film einen dunklen und expressionistischen Look gibt. Das ist ein sehr aggressiver Stil, dem die Rockmusik Tempo verleiht. Ich wollte dieses rohe Gefühl frenetischer Energie, das aus der Rockmusik stammt, die wir auf unserem Soundtrack haben.“
Ein Film, dessen Inspiration größtenteils auf dem alternativen Düsterrock von Bands wie The Cure und Joy Division zurückzuführen sind und dessen visueller Stil eben darauf zugeschnitten sein soll, muss natürlich den musikalischen Aspekt auf besondere Weise hervorheben. Mit einem simplen Underscoring, als dem musikalischen Untermalen der filmischen Handlung, das oftmals kaum bewusst wahrgenommen wird, konnte es bei „The Crow“ nicht getan sein. Auch begnügte man sich nicht mit der üblichen Praxis, einen Sampler mit bekannten Titeln zusammenzustellen, um ihn im Zuge des Filmerfolgs gut verkaufen zu können.
Was den Part der instrumentalen Filmmusik angeht, engagierte man mit Graeme Revell einen Komponisten, der zum einen mit seiner früheren Post-Industrial-Band SPK in der alternativen Musikszene groß geworden ist, bis er mit der Filmmusik zu Phillip Noyce‘ 89er Psychothriller „Dead Calm“ die Aufmerksamkeit von Hollywoods Top-Agenten für Filmkomponisten, Richard Kraft, erweckte. Zum anderen zählt er in Hollywood zu der jüngeren Garde von Komponisten, die mit recht eigenwilligen, unkonventionellen Methoden für neue Töne in der Filmmusik sorgen. Revell komponierte für „The Crow“ einen ungewöhnlich ethnisch geprägten und percussionkräftigen Score, der auch viel mit dem Einsatz unterschiedlicher Stimmen arbeitet.
"Bevor der Unfall mit Brandon Lee passierte, sah ich die Zukunft nicht als post-apokalyptisches Desaster. Ich glaube nicht, dass wir uns das so vorgestellt haben, noch betrachtete ich es als modernes und sauberes japanisches Unternehmens-Ballungsgebiet, was die Kehrseite der Zukunftsvision zu sein scheint, die die meisten Science-Fiction-Filme propagieren. Ich sah die Zukunft als exotische Misch-Kultur, die die Informationsrevolution jedem ins Haus und in jedermanns Psyche bringt. Als ich erfuhr, dass der Film in Detroit spielen sollte, meinte ich, okay, aber das ist kein Grund, um nicht mit Hardcore-Rap anzukommen. Denn die Zukunft in Detroit ist wie die Zukunft vieler Orte auf dieser Welt und deshalb eine Mixtur aus vielen Einflüssen. Das ist meine musikalische Vision von dem, was die Zukunft bringen wird. Als ich dann anfing, mit Djivan Gasparyan zu arbeiten, der das armenische Duduk spielte, klang es ein wenig zu ethnisch, also verband ich das Duduk mit Stimmen, was ein neues Instrument ergab. Man konnte nicht mehr bestimmen, was man genau hörte und wo man sich geographisch befand. Danach spielte ich mit barocken Elementen, mit einem Kinderchor.
Ich glaube, dass dadurch nicht nur die ganze Welt zusammengekommen ist, sondern auch die Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft. Der Grund, warum wir so auf barocke Musik ansprechen, liegt auch am Erfolg der Chormusik, ganz unabhängig von Religion und Rasse, was die Leute immer noch gern hören.“
Wenn man nicht gerade Revells atemberaubende Musik im Film zu vernehmen ist, treiben die Songs von Nine Inch Nails (mit dem grandiosen Joy-Division-Cover „Dead Souls“), The Cure mit dem wütend pulsierenden „Burn“ oder die auch im Film präsenten Acts My Life With The Thrill Kill Kult („After The Flesh“) und Medicine („Time Baby III“) die Handlung voran und untermalen gleichzeitig Erics Emotionen im Kampf gegen das Böse, unterstreichen aber auch die Atmosphäre der großstädtischen Schauplätze des Films.
Schließlich hat Graeme Revell den balladesken End-Titles-Song „It Can’t Rain All The Time“ für Jane Siberry geschrieben, der das - wenn man es so nennen mag - Happy End musikalisch beschließt, als Eric nach erfolgreicher Mission auf den Friedhof zurückkehrt, um ein letztes Mal Abschied von Shelly zu nehmen, die ihm noch einmal als Vision erscheint.
Natürlich kann man auf der einen Seite über das filmische Endprodukt meinen, es sei nur „eine dünnblutige Grufti-Variante simpler ‚Ein Mann sieht rot‘-Vergeltungsplots“ (Cinema 8/94), denn in der Tat wirken die Figuren im Film stereotypisch und eindimensional, sind entweder eindeutig gut oder böse. Doch in visueller Hinsicht zählt die Verfilmung von James O‘Barrs Kult-Comic zu den besten Realumsetzungen solcher Vorlagen, verstand es Proyas doch vorzüglich, die trostlose, in Regen und Dunkelheit getauchte Atmosphäre des postapokalyptischen Detroit auf finstere Weise in Szene zu setzen und der Inspirationsquelle Musik die Bedeutung zukommen zu lassen, die die Geschichte so geprägt hat. Letztlich sind es die visuell überwältigenden dunklen Farbgebungen, die atemlose Schnittfolge und die brillante Musik sowohl von Graeme Revell als auch den Vertretern der Underground-Rock-Szene, die einem im Gedächtnis bleiben und weniger die kaum differenzierten schauspielerischen Leistungen und das eher schwache Drehbuch.
Dank der außergewöhnlichen Atmosphäre des Films - und wohl auch wegen Brandon Lees tragischen Tod - entwickelte sich der Gothic-Fantasy- und Action-Film zu einem Überraschungshit, der weltweit mehr als 100 Millionen Dollar einspielte.
Trotz Brandon Lees Tod stand es außer Frage, dass es eine Fortsetzung der ohnehin als Trilogie geplanten „Crow“-Saga geben würde. Obwohl die Geschichte von Eric Draven sowohl im Comic als auch im Film abgeschlossen war, ließ die Comic-Vorlage keinen Zweifel daran, dass der Geist der Krähe auch weiterhin ihren Einfluss auf ruhelose Seelen ausüben würde.
In vielerlei Hinsicht blieben die Produzenten Ed Pressman und Jeff Most dem Konzept des ersten „Crow“-Films treu: Mit Tim Pope engagierte man wieder einen Hollywood-Neuling als Regisseur, der aber aufgrund seiner langjährigen Zusammenarbeit mit The Cure (für die er 32 Clips und den Konzertfilm „Live In Orange“ drehte), aber auch mit Acts wie Soft Cell, The The, Iggy Pop, The Psychedelic Furs, Neil Young und Paul Mc Cartney noch besser dafür geeignet erschien, James O‘Barrs Visionen auf der Leinwand gerecht zu werden.
Alex Mc Dowell besorgte als Production Designer wieder eine abgrundtief düstere Gothic-Kulisse, während Graeme Revell einen noch mystischeren, kraftvolleren und größtenteils choralen und äußerst rhythmischen wie ethnischen Score komponierte, aber auch zusammen mit Jeff Most und seinem Freund, Real-World-Label-Chef George Acogny, den Rock-Sampler produzierte.
Mit Vincent Perez, der Regisseur Tim Pope durch seine Darstellung in „Die Bartholomäusnacht“ aufgefallen war, hatte man einen Schauspieler gefunden, der in der Rolle des neuen Helden Ashe Corven zwar Eric Draven verblüffend ähnlich sieht, aber einen ganz anderen Charakter darstellt. Für Vincent Perez bedeutete das nichtsdestotrotz, sich zunächst mit dem auseinanderzusetzen, was in Sachen „The Crow“ bislang produziert worden ist.
„Die Art, wie ich damit umgegangen bin, umfasste viele verschiedene Stufen. Am Ende war es so, dass ich mich glücklich schätzte, dass Brandon Lee und James O’Barr so etwas in Gang gesetzt haben“, verriet mir der Charakterdarsteller in Hamburg beim Interview. „James O‘Barr verlor seine Freundin und brauchte Jahre, um sich von diesem Verlust zu erholen. Man schlug ihm vor, das Comic zu verfilmen, und auch Brandon Lee, der ein guter Freund von ihm war, starb bei den Dreharbeiten, so dass die Tatsache, dass ein weiterer ‚Crow‘-Film gemacht werden sollte, für ihn sehr schwer zu verdauen war. Aber je länger wir an dem Film arbeiteten, um so mehr schienen sich die negativen Assoziationen aufzulösen, weil uns bewusst geworden ist, dass James O‘Barr und Brandon Lee etwas ganz besonderes geschaffen haben. Die ‚Crow‘-Filme bedeuten eine Art des Respekts für das, was James O‘Barr initiiert hat. Die Idee, die hinter seinen Comics steht, ist die, dass jeder die Krähe sein kann. Wenn man seine Comic-Bücher liest, kann man beobachten, dass jede Geschichte einen anderen Stil aufweist.“
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So wurde der Schauplatz der neuen Geschichte von Detroit nach Los Angeles verlegt, wo der Mechaniker Ashe und sein Sohn Danny zufällig Zeugen eines Mordes werden, worauf sie von den skrupellosen Killern des Drogenbarons Judah umgebracht und ins Wasser geworfen werden. Sarah, das kleine Mädchen aus dem ersten Film, ist nun eine erwachsene Frau und wird Zeuge von Ashes Wiederauferstehung. Wieder begleitet die Krähe eine ruhelose Seele bei ihrem Weg zurück zu den Lebenden. Durch sie realisiert Ashe, warum er zurückgekehrt ist.
„Ashe hat seinen Sohn verloren und war mit ihm im Limbus (Vorhölle als Aufenthaltsort u.a. ungetauft gestorbener Kinder, Anm. d. Verf.) gefangen. Beide starben und erlitten gewaltige Pein“, erklärte Vincent Perez. „Ashe musste den Limbus verlassen und die Reise antreten, um Rache zu üben, das Ritual durchzuführen, damit die ruhelosen Seelen um ihn herum Ruhe geben, die ebenso Opfer waren wie er und sein Sohn.
Ich denke, es geht um Reinheit und nicht darum, Leute umzubringen. Es geht darum, Dingen gegenüberzutreten, darum, sterben zu können. Man muss in gewisser Weise seinen Sünden entgegentreten. Ashe muss herausfinden, ob die Leute in der Welt, in die er eintritt, lebende Menschen sind oder Geister wie er selbst. Er hat Angst davor, den Tod zu akzeptieren ebenso wie der von Iggy Pop gespielte Curve Angst vor Gott hat. Deshalb hält Ashe eine Art Messe für ihn ab, als Curve stirbt, lebt ihm eine Münze in den Mund und erzählt ihm die Geschichte über den Fluss Styx. So etwas haben wir für jede Rolle gemacht, was ich sehr interessant fand.“
Letztlich führt Ashe das gleiche Ritual durch, das schon Eric Draven im ersten Film hinter sich bringen musste, um seine Seele zur Ruhe kommen lassen zu können. Er spürt mit Hilfe der Krähe Judahs Gang auf - darunter eben auch Iggy Pop, der bereits im ersten Film den Part von Funboy übernehmen sollte, wegen bevorstehender Plattenaufnahmen aber nicht konnte - und bringt einen nach dem anderen um, bis er sich inmitten der Feierlichkeiten zum „Tag der Toten“ dem sadistischen Drogenbaron stellen muss, in dessen Händen sich sowohl Sarah als auch die Krähe befinden.
Obwohl der Charakter von Ashe das gleiche Schicksal wie Eric Draven teilt und den gleichen Weg zu Erlösung beschreiten muss, ging Vincent Perez sehr ambitioniert an seine Rolle heran.
„Ich hatte die Idee, Ashe als eine Art Mischung zwischen Hamlet und Jim Morrisson darzustellen, und zwar wegen der Reflexionen über den Tod, über das Reale und Irreale. Ist das, wie ich lebe, real oder entspringt es meiner Imagination. Deshalb geht Ashe zurück in die Garage, um nachzusehen, ob sein Sohn wirklich tot ist. Aber selbst als er sich davon überzeugt hat, wirkt alles so unwirklich. Ich fand diesen Kampf, den Ashe mit sich selbst austrug, sehr interessant. Auf der anderen Seite lag Jim Morrisson wegen der Anziehungskraft des Todes, der Ruhe des Todes, dem Wunsch, den Tod zu küssen, nahe, wegen des Wunsches, die Zunge tief in den Mund des Todes zu stecken, was für die sexuelle Anziehungskraft des Todes steht“, erläuterte Vincent Perez im Interview. „Ich denke, der ganze Film handelt vom Leben nach dem Tod. Die ruhelosen Seelen versuchen einen Weg zu finden, zur Ruhe zu kommen. Ich denke, dass alle Rollen in dem Film Seelen sind. Die ganze Stadt ist voller Seelen. Das ist eine Idee, die ich sehr mag. Zunächst war Sarah die Führerin von Ashe, dann wurde Ashe der Führer all dieser Opfer und zum Schluss führt einer den anderen zu diesem Ort des Friedens. Am Ende geht Sarah zu Gott, vor dem sie zunächst Angst hatte, und er geht zu seinem Sohn zurück.“
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Den Vorwurf, dass „The Crow: City Of Angels“ nur die Geschichte des ersten Films auf andere Weise erzählt und keine eigentlich neuen Ideen zu präsentieren hat, ließ Perez nicht gelten.
„Ich kann wirklich nicht verstehen, wie die Leute auf die Idee kommen können, dass die Filme einander ähnlich sein sollen. Wenn man sich die Comic-Bücher anschaut, sind da zwanzig, dreißig verschiedene ‚Crow‘-Geschichten drin. Dabei geht es um ein Ritual. Und jeder Darsteller muss dieses Ritual durchführen. Aber jede Person erlebt dieses Ritual auf andere Weise, redet anders, bewegt sich in andere Richtungen und auch in einer anderen Welt. Die Welt des ersten Films war regnerisch und nass, diese ist gelblich und die meiste Zeit trocken.“
Auch Jeff Most beschwörte den eigenständigen Charakter des neuen Films: „Diesmal ist die Geschichte nicht in Detroit, sondern in einem düsteren, unheimlich anmutenden Teil von Downtown L.A. angesiedelt - einem fast schon ätherisch anmutenden Ort, der den perfekten Raum bildet für die Trauer und die Schwierigkeiten, die Ashe überwinden muss. Und er ist ein Held von geradezu klassischem Format; wir haben nicht einfach nur Eric durch eine andere Person ersetzt. Ashe besitzt eine weitaus größere emotionale Tiefe. Diese zu zeigen, dazu gibt ihm eine verbotene Liebe Gelegenheit - nämlich die Liebe zwischen einer Person aus Fleisch und Blut und einer, die definitiv nicht von dieser Welt ist.“
Schließlich lenkte auch Drehbuchautor David Goyer von den extrem gewalttätigen Elementen des Films ab. Eigentlich hatte er beabsichtigt, die Beziehung zwischen Ashe und Sarah in den Vordergrund zu stellen.
„Viele Leute befürchteten, dass wir eine Art ‚Ein Mann sieht rot‘-Version aus ‚The Crow‘ machen würden. Ich denke, sie werden angenehm überrascht sein, denn im Kern handelt es sich um eine tragische Liebesgeschichte“, meinte Goyer, der die Zitate von Edgar Allan Poe aus dem ersten Film durch Hinweise auf Motive aus der griechischen Mythologie, Dantes „Inferno“ und aus dem Symbolismus ersetzte. Die Essenz von O’Barrs Comic-Vorlage - wahre Liebe ist stärker als der Tod - wurde nicht nur durch die innige Beziehung zwischen Ashe und seinem Sohn, sondern auch zwischen ihm und Sarah mit in den zweiten Film transportiert.
„Ashe ist in gewissem Sinne ein Rächer wider Willen. Es erschien logisch, mit Sarah eine Frau zurückzubringen, die schon einmal mit der Krähe in Verbindung stand, um Ashe bei seinem spirituellen Übergang zu begleiten.“
Tim Pope oblag es nun, zum einen die Atmosphäre, die den ersten Film auszeichnete, nicht nur wieder herzustellen, sondern sogar noch zu intensivieren: zum anderen kam es darauf an, den neuen Film mit einer eigenständigen Handschrift zu versehen.
'The Crow: City Of Angels‘ ist aufgrund der Art und Geschichte des Films einer der am schwierigsten zu realisierenden Nachfolgefilme überhaupt“, gestand der erfahrene Musikvideo-Regisseur. „Als ich an Bord kam, jagte mir zunächst der Gedanke Angst ein, die Sache weiterzuspinnen. Schließlich war der erste Film ein großer Erfolg gewesen, der Hauptdarsteller aber nicht mehr am Leben.“
Deshalb bemühte sich Pope mehr darum, den neuen Protagonisten tiefer auszuloten und sein Tun transparenter zu machen. „Was ich mit dem Film vor allem versuchte zu erforschen, war das Paradoxon von Ashes Charakter. Er ist eigentlich tot, erwacht jedoch zu neuem Leben, um ein paar Leute zu killen und sich dann für immer schlafenzulegen. Ich würde den Job nicht wollen, aber Ashe hat keine Wahl - er muss irgendwie mit dieser Situation klarkommen, die ihm in seinem Innersten schwer zu schaffen macht. Außerdem fand ich es wichtig, die Idee, dass Liebe über den Tod hinaus existieren kann, noch genauer zu ergründen. Denn dies ist der entscheidende Weg, um die Hauptfigur und deren Handlungsweisen wirklich zu begreifen.“
Auch in visueller Hinsicht bemühten sich Tim Pope und Alex McDowell um eine Abgrenzung vom ersten „The Crow“-Film, tauchten die Filmszenerie in ein gelbliches Natrium-Licht, das speziell bei schwarzweißen Modeaufnahmen verwendet wird.
„Der erste Film roch nach Erde“, beschrieb der Regisseur, „was aus dem Umstand resultierte, dass Eric aus dem Grab gestiegen kam. Mein Film riecht nach Wasser und Nebel - tatsächlich ist Wasser im Film die entscheidende Metapher. Wir waren schwer angetan von der Idee, dass das, was unter der Oberfläche zu sehen ist, lediglich ein Reflex dessen ist, was sich über der Oberfläche befindet. Wir schufen eine Stadt, die eingeschlossen ist von einem Fluss und die man deshalb nur über eine Brücke erreicht. Der Fluss ist unser Styx, und Brücken sind die Verbindung zwischen Leben und Tod.“
Allerdings zählen weder die symbolischen Elemente noch die im Grunde genommen bereits in „The Crow“ erzählte Geschichte zu den Stärken des Films - es ist einmal mehr die mächtige visuelle, höchst intensiv und beklemmend wirkende Schaueratmosphäre in Verbindung mit einem krachenden Rock-Soundtrack, der durch Graeme Revells symphonischen, choralgewaltigen Score kongenial ergänzt wird.
Nachdem sich der Rock-Sampler zum ersten Film weltweit mehr als 2,7 millionenmal verkauft hatte, sollte das Song-Album zu „The Crow: City Of Angels“ ebenfalls eine „Background-Story zum Film“ (Tim Pope) liefern.
Jeff Most, George Acogny und Graeme Revell haben dafür wieder ein breites Spektrum an zumeist extra für den Film aufgenommene Songs zusammengestellt, die die Genres College Rock, Alternative Metal, Rap, Blues Rock und Techno Rock abdecken. Das britische Erfolgsquartett Bush spielte eine schleppende Coverversion von New Orders „In A Lonely Place“ ein, Hole verpassten dem Stevie-Nicks-Song „Gold Dust Woman“ eine aggressive Note, und die Metal/Funk-Formation White Zombie nahm sich KC & The Sunshine Bands Klassiker „I’m Your Boogie Man“ an. PJ Harvey, Pet, NY Loose, Iggy Pop, Filter, Korn, Deftones, Linda Perry und andere teilweise hierzulande noch unbekannte Acts komplettieren den 74-minütigen, aufwendig gestalteten Soundtrack, der wie Graeme Revells Score bei Hollywood Records erschienen ist.
Auf dem Score-Album befindet sich auch die schöne Ballade „Believe In Angels“, die Revell mit Heather Nova geschrieben hat.
"Der erste Soundtrack repräsentierte noch die 80er Gothic-Welt, der neue Sampler ist rauer, den 90ern angepasst“, erläuterte Revell mir das Konzept des Samplers. „Die einzigen beiden Gruppen, die ich erneut auf dem Soundtrack hätte haben wollen - obwohl die meisten der Gruppen des ersten Samplers auch auf den zweiten wollten, doch wir mussten anders an den zweiten Sampler herangehen, damit es nicht wie ein ausbeutendes Sequel wirkt -, waren The Cure, und ich habe Bush gefragt, ob sie den Joy-Division-Song ‚In A Lonely Place‘ covern wollten. Das haben sie auch gemacht, es ist einer meiner Lieblingssongs. The Cure sandten einen Song ein, aber der schien nicht recht zu passen. Wir haben eine Menge anderer Bands, die wirklich merkwürdig sind.
Als es darum ging zu überlegen, welche Musik zu dem Film passen würde, hatten wir nicht nur das Skript zu berücksichtigen, sondern den Film als kulturelles Phänomen zu betrachten, zum Teil wegen Brandon Lees Tod, aber auch wegen des Rock'n'Roll-Soundtracks. Die Erwartungen des Publikums sind an etwas gebunden, was man nur als den ‚Cool‘-Faktor des Films bezeichnen kann. Abgesehen von den dramatischen Erfordernissen, die die Musik zu erfüllen hat, muss man sie dem Publikum auf eine Weise präsentieren, dass es sie cool findet. 
Man muss bestimmte Entscheidungen treffen. Als wir damit begannen, den Rock'n'Roll-Soundtrack zusammenzustellen, den ich produziere, konnten die Anwälte und Produzenten nicht verstehen, dass wir mit einer Liste von Gruppen ankamen, von denen sie noch nie etwas gehört haben. Z.B. verkauft eine Gruppe wie Korn, was eine der neuen amerikanischen Bands ist, 400.000 Platten, aber niemand kennt sie, weil es eine neue Art von Independent-Band ist, die durchs College-Radio verbreitet wird.
Das ist großartig, etwas, das in Europa um 1980 herum passierte. Diese Wahl muss man ebenso treffen wie die, z.B. ein Action-Thema zu schreiben. Es gibt vielleicht zwanzig verschiedene Wege, ein Action-Thema zu komponieren, aber nur einen für einen Film wie ‚The Crow‘, weil man berücksichtigen muss, wie das Publikum aussieht und was es hören möchte. Es geht eben nicht nur darum, den Film als 90-minütiges Werk an sich zu betrachten, sondern man verbindet ihn mit allen anderen Filmen, die man bisher gesehen hat."
Ob die „Crow“-Saga tatsächlich noch in die dritte Runde geht, war lange Zeit fraglich, denn der zweite Film erfüllte kaum die Erwartungen seiner Produzenten. Vincent Perez stand jedenfalls nicht mehr für ein weiteres Sequel zur Verfügung. „Ich glaube jeder ‚Crow‘-Film benötigt einen neuen Darsteller. Man muss die Idee der Comic-Bücher respektieren, denn da spielt in jeder Geschichte eine andere Person“, meinte Vincent Perez. „Vielleicht sollte man für einen weiteren Film eine Frau nehmen.“
Zunächst ging „The Crow“ aber auf dem Fernsehbildschirm in Serie. In „The Crow – Stairway To Heaven“ versuchte Martial-Arts-Action-Star Mark Dacascos („Crying Freeman“) 1998 in 22 Folgen als Eric Draven ein Gleichgewicht zwischen Gut und Böse auf der Erde herzustellen.
Zwar erschien im Jahre 2000 mit „The Crow: Salvation“ ein weiteres Sequel im Spielfilmformat, wurde aber gleich direkt auf Video veröffentlicht, hierzulande unter dem Titel „The Crow III – Tödliche Erlösung“. Unter der Regie von Bharat Nalluri stand im dritten „Crow“-Films Alex Frederic Corvis (Eric Mabius), der irrtümlicherweise wegen Mordes an seiner Freundin Lauren auf dem elektrischen Stuhl schmoren muss. Wie aus den früheren „Crow“-Filmen bekannt, kehrt auch Alex aus dem Reich der Toten zurück, um den Mord aufzuklären und die wahren Schuldigen zu bestrafen, wobei er feststellen muss, dass es die Mörder mittlerweile auch auf Laurens Schwester Erin (Kirsten Dunst) abgesehen haben. Auch wenn der Film selbst in Videotheken ein Schattendasein fristete, gaben sich die Filmemacher bei den Soundtracks wieder große Mühe. Als Komponisten konnte man immerhin Marco Beltrami verpflichten, der später auch mit „The Crow“-Regisseur Alex Proyas an „I, Robot“ und „Knowing“ zusammenarbeitete. Und auf dem Rock-Sampler waren Top-Acts wie Filter, Stabbing Westward, Kid Rock, Danzig, Rob Zombie, Tricky, Monster Magnet, Hole und andere vereint.
Mit „The Crow: Wicked Prayer“ wurde 2005 ein weiterer Versuch gestartet, der düsteren Saga um Liebe, Tod und Rache neues Leben einzuhauchen.
Als während eines grausamen satanistischen Rituals Jimmy Cuervo (Edward Furlong) und seine Freundin Lily getötet werden, kehrt Jimmy noch vor Vollendung des Rituals mithilfe der Macht der Krähe aus dem Reich der Toten zurück und will Rache für den Tod seiner Geliebten und zudem verhindern, dass der Anführer der satanischen Biker-Bande nach dem Ritual unsterblich wird … Trotz prominenter Darsteller wie David „Angel“ Boreanaz, Tara Reid und Dennis Hopper bleibt „The Crow: Wicked Prayer“ durch seine platte Story und die holprige Inszenierung das mit Abstand schwächste Sequel in der „The Crow“-Reihe.
So hat man mittlerweile auch auf die Veröffentlichung eines Soundtracks verzichtet. Der Score von Video-Spiel-Komponist Jamie Christopherson („Spider-Man: Web Of Shadows“, „Lost Planet: Extreme Condition“, „The Golden Compass“) ist nur als Promo erhältlich.
Doch damit ist das „The Crow“-Kapitel längst nicht beendet. Wie zuvor bei „Halloween“, „Freitag, der 13.“, „Texas Chainsaw Massacre“, „The Hills Have Eyes“ oder „A Nightmare On Elm Street“ wird nun auch „The Crow“ wahrscheinlich 2013 als Remake auf der Leinwand zu sehen sein ...

Filmographie:
1994 – „The Crow“
1996 – „The Crow: City Of Angels“
1998 – “The Crow: Stairway To Heaven” (TV-Serie, 22 Folgen)
2000 – “The Crow: Salvation”
2005 - "The Crow: Wicked Prayer"
2013 (?) – “The Crow” (Remake)

Playlist:
 
1 Graeme Revell - Birth Of The Legend (The Crow - Score) - 06:16
2 The Cure - Burn (The Crow - Soundtrack) - 06:39
3 Bush - In A Lonely Place (The Crow: City Of Angels - Soundtrack) - 06:01
4 Linda Perry feat. Grace Slick - Knock Me Out (The Crow: City Of Angels - Soundtrack) - 06:51
5 Graeme Revell - The Campanile (The Crow: City Of Angels - Score) - 04:10
6 Graeme Revell - The Crow Descends (The Crow - Score) - 02:30
7 Marco Beltrami - Alex Corvis' Execution (The Crow: Salvation - Score) - 04:05
8 Tricky - Antihistamine (The Crow: Salvation - Soundtrack) - 04:39
9 Peter Manning - Telling A Story (The Crow: Stairway To Heaven) - 03:04
10 Michael Hoenig - Track 31 (The Crow: Stairway To Heaven) - 02:50
11 Jamie Christopherson - Wedding Chapel (The Crow: Wedding Chapel) - 03:05

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