Playlist #365 vom 26.02.2023 - DARIUS KHONDJI Special
Seit seiner Zusammenarbeit mit den französischen Filmemachern Jean-Pierre Jeunet & Caro an dem komödiantischen Drama „Delicatessen“ (1991) hat sich der in Teheran geborene Kameramann Darius Khondji zu einem der gefragtesten Spezialisten seiner Zunft gemausert. In den vergangenen dreißig Jahren arbeitete er – oft mehrfach – mit prominenten Regisseuren wie David Fincher („Sieben“, „Panic Room“), Woody Allen („Midnight in Paris“, „Irrational Man“), Alan Parker („Evita“), Neil Jordan („Jenseits der Träume“), Roman Polanski („Die neun Pforten“), Wong Kar-Wai („My Blueberry Nights“), Michael Haneke („Funny Games U.S.“), Sydney Pollack („Die Dolmetscherin“) und Bernardo Bertolucci („Gefühl und Verführung“) zusammen. Für seine Arbeit an Alejandro G. Iñárritus „Bardo, die erfundene Chronik einer Handvoll Wahrheiten“ erhielt Khondji nun seine zweite Oscar-Nominierung.
Darius Khondji wurde am 21. Oktober 1955 in Teheran, Iran, als Sohn eines iranischen Vaters und französischen Mutter geboren, verbrachte seine Kindheit in Paris und drehte dort schon kurze Filme.
Seinen Traum von einem Filmstudium konnte er allerdings nur über Umwege realisieren, da in Frankreich für ein Filmstudium ein naturwissenschaftlicher Schulabschluss notwendig war, er aber nur einen künstlerischen Abschluss besaß.
Eigentlich wollte er sich deshalb 1977 an der University of California einschreiben, doch als er sich bei einem Zwischenstopp in New York City in die Stadt verliebte, studierte er stattdessen an der New York University. Während des Studiums wich er auch von seinem ursprünglichen Vorhaben ab, Regisseur zu werden, da er herausfand, dass er „mehr daran interessiert war, eine Stimmung für eine Geschichte zu gestalten, als die Geschichte selbst zu erzählen“.
In den 80er Jahren arbeitete er für kleinere französische Produktionen als Kameraassistent und Kameramann. Sein erster größerer internationaler Erfolg gelang ihm 1991 mit seiner Arbeit an dem Film „Delicatessen“ von Marc Caro und Jean-Pierre Jeunet.
Die düstere Atmosphäre dieses Films sollte archetypisch für sein späteres Werk sein. 1995 arbeitete er nicht nur erneut erfolgreich mit Jeunet & Caro an dem Film „Die Stadt der verlorenen Kinder“ zusammen, sondern kehrte im gleichen Jahr kehrte in die USA zurück, um mit David Fincher den Film „Sieben“ zu drehen, was ihm 1996 von der Chicago Film Critics Association den Preis für die beste Kameraarbeit einbrachte.
Ebenfalls 1996 drehte er mit Alan Parker den Film „Evita“, für den er seine erste Oscarnominierung für die beste Kameraarbeit erhielt. 1997 kam es wieder zu einer Zusammenarbeit mit Jean-Pierre Jeunet für den Film „Alien – Die Wiedergeburt“. Khondji schuf die beeindruckenden Bilder zu „The Beach“ von Danny Boyle, „Panic Room“ von David Fincher und begann 2003 bei „Anything Else“ die langjährige Zusammenarbeit mit Woody Allen, die über „Midnight in Paris“ (2011) und
„To Rome with Love“ (2012) bis zu „Magic in the Moonlight“ (2014) und „Irrational Man“ (2015) führte.
Darius Khondji wirkt nicht nur an Kurz- und Spielfilmen mit, sondern auch an Musikvideos. So führte er die Kamera bei den Clips zu den Madonna-Songs „Fever“, „You Must Love Me“, „Don’t Cry for Me Argentina“, „Frozen“ und „Miles Away“ sowie „Africa Shox“ von Leftfield feat. Afrika Bambaataa. Zuletzt arbeitete er an den Musikvideos zu Lady Gagas „Marry the Night“, Neneh Cherrys „Everything“, Eminems „The Icon Project“ und Jay-Z’s „Marcy Me“.
Filmographie:
1989: Embrasse-moi – Regie: Michèle Rosier
1990: Le trésor des îles chiennes – Regie: François-Jacques Ossang
1991: Delicatessen – Regie: Jeunet & Caro
1992: Prag (Prague) – Regie: Ian Sellar
1993: Nur der Hauch eines Zweifels (L’ombre du doute) – Regie: Aline Issermann
1995: Die Stadt der verlorenen Kinder (La cité des enfants perdus) – Regie: Jeunet & Caro
1995: Sieben (Se7en) – Regie: David Fincher
1996: Gefühl und Verführung (Stealing Beauty) – Regie: Bernardo Bertolucci
1996: Evita – Regie: Alan Parker
1997: Alien – Die Wiedergeburt (Alien: Resurrection) – Regie: Jean-Pierre Jeunet
1999: Jenseits der Träume (In Dreams) – Regie: Neil Jordan
2000: The Beach – Regie: Danny Boyle
2002: Panic Room – Regie: David Fincher
2003: Anything Else – Regie: Woody Allen
2004: Wimbledon – Spiel, Satz und … Liebe (Wimbledon) – Regie: Richard Loncraine
2005: Die Dolmetscherin (The Interpreter) – Regie: Sydney Pollack
2006: Zidane (Dokumentation) – Regie: Douglas Gordon, Philippe Parreno
2007: My Blueberry Nights – Regie: Wong Kar-Wai
2007: Funny Games U.S. – Regie: Michael Haneke
2008: Ruinen (The Ruins) – Regie: Carter Smith
2009: Chéri – Eine Komödie der Eitelkeiten (Chéri) – Regie: Stephen Frears
2011: Midnight in Paris – Regie: Woody Allen
2012: To Rome with Love – Regie: Woody Allen
2012: Liebe (Amour) – Regie: Michael Haneke
2013: The Immigrant – Regie: James Gray
2014: Magic in the Moonlight – Regie: Woody Allen
2015: Irrational Man – Regie: Woody Allen
2016: Die versunkene Stadt Z (The Lost City of Z) – Regie: James Gray
2017: Okja – Regie: Bong Joon-ho
2019: Der schwarze Diamant (Uncut Gems) – Regie: Benny Safdie, Josh Safdie
2019: Too Old to Die Young (TV-Mini-Serie) – Regie: Nicolas Winding Refn
2021: Lisey’s Story – Regie: Pablo Larrain
2022: Zeiten des Umbruchs (Armageddon Time) – Regie: James Gray
2022: Bardo, die erfundene Chronik einer Handvoll Wahrheiten (Bardo, falsa crónica de unas cuantas verdades) – Regie: Alejandro G. Iñárritu
Playlist:
1. Cliff Martinez - Jesus and the Snake (Too Old to Die Young) - 03:17
2. Carlos D'Alessio - Generique fin (Delicatessen) - 05:09
3. Angelo Badalamenti - Finale (The City of Lost Children) - 05:13
4. John Frizzell - Ripley Meets Her Clones (Alien Resurrection) - 03:44
5. Elliot Goldenthal - Andante (In Dreams) - 03:39
6. Wojciech Kilar - Opening Titles (The Ninth Gate) - 03:31
7. James Newton Howard - End Credits (The Interpreter) - 04:11
8. Ry Cooder - Bus Ride (My Blueberry Nights) - 02:59
9. Gustavo Santaolalla - Pajaros (My Blueberry Nights) - 02:23
10. Alexandre Desplat - The Wedding (Cheri) - 06:52
11. Bryce Dessner & Alejandro G. Iñárritu - Mateo's Freedom (Bardo) - 04:30
12. Angelo Badalamenti - Waterfall Cascade (The Beach) - 03:56
13. Howard Shore - Help Me (Se7en) - 03:31
14. Howard Shore - Main Title (Panic Room) - 02:09
15. Alexandre Desplat - An Old Woman (Cheri) - 05:01
16. James Newton Howard - Did He Leave a Note? (The Interpreter) - 03:58
17. Lester Young & Oscar Peterson - I Can't Get Started (Anything Else) - 01:44
18. Portishead - Glory Box (Stealing Beauty) - 05:02
19. Axiom Funk - If 6 Was 9 (Stealing Beauty) - 05:59
20. Underworld - 8 Ball (The Beach) - 08:52
21. Cliff Martinez - Viggo and Diana (Too Old to Die Young) - 03:16
22. Christopher Spelman - Crossing the River (The Lost City of Z) - 03:18
23. Christopher Spelman - At the Fence (Armageddon Time) - 01:34
24. Wojciech Kilar - Vocalise (The Ninth Gate) - 03:54
25. Alexandre Tharaud - Schubert: Impromptus, Op. 90, D. 899, No. 3 in G-Flat Major (Amour) - 05:44
26. Carlos D'Alessio - Baiser Sous L'eau (Delicatessen) - 03:38
27. Sidney Bechet - Si Tu Vois Ma Mère (Midnight in Paris) - 03:15
Sonntag, 5. Februar 2023
Playlist #364 vom 12.02.2023 - Neuheiten 2023 (1)
Die erste Neuheiten-Sendung in diesem Jahr präsentiert auch gleich eine Vielzahl von neuen Namen, von denen sich einige in den nächsten Jahren noch von sich hören lassen werden. Davon abgesehen sind illustre Komponisten wie Alexandre Desplat, Thomas Newman, Howard Shore und Gabriel Yared mit neuen Arbeiten vertreten, Siddharta Khosla, Rupert Gregson-Williams, Trevor Rabin und Lorne Balfe sind mit neuer Musik zu Fernsehserien am Start, und mit Martin Todsharow und Volker Bertelmann haben wir auch wieder zwei deutsche namhafte Vertreter am Start.
Der ehemalige Yes-Musiker Trevor Rabin ist als Filmkomponist vor allem durch seine Arbeit an den Jerry-Bruckheimer-Blockbustern „Con Air“ und „Armageddon“ bekannt geworden, bevor er 2004 und 2007 die beiden „National Treasure“-Filme „Das Vermächtnis der Tempelritter“ und „Das Vermächtnis des geheimen Buches“ mit Nicolas Cage in der Hauptrolle vertonte.
In der neuen Disney+-Serie „National Treasure – Edge of History“ begibt sich die 20-jährige Jess auf die Suche nach dem Geheimnis ihrer Familiengeschichte und nach verlorenen historischen Schätzen, wobei sie und ihre Freunde musikalisch wie zuvor schon Nicolas Cage von Trevor Rabin musikalisch begleitet werden.
In seiner freien Adaption von Aleksandr Grins Roman „Das Purpursegel“ erzählt der italienische Regisseur Pietro Marcello die märchenhafte Geschichte der achtjährigen Juliette, deren Mutter während der Geburt ihres Kindes gestorben ist und die deshalb bei Adeline in einem kleinen Dorf in der Normandie aufwächst, wo auch ihr Vater nach seiner Rückkehr aus dem Ersten Weltkrieg unterkommt. Juliette wächst zu unabhängigen, schönen Frau heran, die sich ihrer Wirkung auf die Männer kaum bewusst ist und viel lieber ihre Zeit mit Musik, Gedichten und dem Traum vom Fliegen verbringt, den ihr die „Hexe“ des Dorfes eingegeben hat. Als ihr der prophezeite Prinz mit den Purpurflügeln, in Gestalt des Piloten Jean, begegnet, stürzt sie sich in eine leidenschaftliche Affäre mit ihm.
Die romantisch-einfühlsame Musik stammt von Gabriel Yared („Der englische Patient“, „Unterwegs nach Cold Mountain“).
„Ich traf Pietro Marcello im Dezember 2020, nachdem ich seinen bemerkenswerten Film ,Martin Eden‘ gesehen hatte. Pietro ist ein visionärer Künstler, den ich zutiefst bewundere. Die Partitur für ,L’Envol‘ basiert auf den Songs, die ich lange vor den Dreharbeiten komponiert habe. Diese lieferten die Inspiration und die thematischen Elemente für das, was folgte“, rekapituliert Yared. „Da der Film einen sehr intimen Stil hat, wollte ich dieses Gefühl auf die Musik übertragen, weshalb alle Stücke für ein kleines Ensemble orchestriert sind. In der Passacaglia, die das Album eröffnet, zolle ich J. S. Bach Tribut, dessen Musik sowohl Pietro als auch ich verehren.“
Mit seiner Musik zu Edward Bergers neunfach Oscar-nominierter Neuverfilmung von Erich Maria Remarques berühmtesten Roman „Im Westen nichts Neues“ ist Volker Bertelmann nach „Lion – Der lange Weg nach Hause“ (2016) erneut im Rennen um den Academy Award für die Beste Originalmusik. Ein weiteres Kriegsdrama hat Bertelmann mit „War Sailor“ des norwegischen Filmemachers Gunnar Vikene vertont. Der Film erzählt von einem frisch verheirateten Vater von drei drei Kindern, der sich beim Beginn des Zweiten Weltkriegs mit seinem Jugendfreund auf einem Handelsschiff mitten im Atlantik befindet. Als ihr Schiff für den Krieg instrumentalisiert wird, finden sie sich an der Front wieder, kämpfen in Zivilkleidung und ohne Waffen, bis ihr Schiff von deutschen U-Booten angegriffen wird.
Bertelmann komponierte dazu einen elegisch-melancholischen Score, der nicht nur die unvorhergesehene Teilnahme der beiden Männer am Kriegsgeschehen untermalt, sondern auch den schwierigen Kampf um das Zusammenhalten der Familie inmitten der Kriegswirren.
Gleich zwei neue Produktionen sind von dem dänischen Filmemacher Nicolas Winding Refn („Only God Forgives“, „Drive“) am Start. Mit der sechsteiligen Serie „Copenhagen Cowboy“ bewegt sich NWR in der Unterwelt von Kopenhagen, wo die geheimnisvolle Miu nach mehreren Jahren Gefangenschaft in einem Bordell der albanischen Mafia flieht, um in dieser Welt einen Neuanfang zu starten. Miu macht sich auf die Suche nach Gerechtigkeit und trifft bei ihrem Rachefeldzug auf ihre Erzfeindin, mit der sie sich auf eine Odyssee durch die reale und übernatürliche Welt begibt.
„Touch of Crude“ ist dagegen ein 23minütiger Kurzfilm, den NWR für die kommende Frauen-Sommerkollektion von Prada inszeniert hat.
Während Refns langjähriger musikalischer Begleiter Cliff Martinez alleinverantwortlich für die Musik des Modefilmchens gewesen ist, erhielt er beim Soundtrack zur Netflix-Serie Unterstützung u.a. von Peter Peter und Peter Kyed, die bereits an den NWR-Produktionen von „Valhalla Rising“, „Pusher II“ und „Pusher III“ beteiligt gewesen sind.
Mit „Lieber Kurt“ verfilmte Til Schweiger (natürlich wieder mit sich selbst in der Hauptrolle) den gleichnamigen Roman von Sarah Kuttner. In dem Drama teilen sich Jana und Kurt nach ihrer Trennung das Sorgerecht für ihren sechsjährigen Sohn. Als dieser bei einem Sturz vom Klettergerüst ums Leben kommt, wissen weder die beiden Eltern noch die neue Lebensgefährtin des Vaters, wie sie mit ihrer Trauer umgehen sollen. Martin Todsharow, der seit Til Schweigers Regiedebüt „1 ½ Ritter - Auf der Suche nach der hinreißenden Herzelinde“ (2008) regelmäßig für die musikalische Untermalung von Schweigers Regiearbeiten verantwortlich zeichnet, schuf für „Lieber Kurt“ eine bewegende, minimalistisch inszenierte Musik.
„Nach so vielen Jahren der Zusammenarbeit mit meinem Freund und Regisseur Til Schweiger war es wieder eine neue Reise – tief in emotionale Abgründe tauchen und die Gedanken fließen lassen! Einfach und klassisch habe ich versucht, einen traumhaften Mikrokosmos für diesen wundervollen Film über Verlust, Liebe und immer größer werdende Hoffnung zu erschaffen.“
Felix Herngren erzählt in seinem neuen Film „Day by Day“ von einem außergewöhnlichen Road-Trip, den fünf verschiedene Menschen in einem Wohnmobil von Schweden in die Schweiz unternehmen, um die Wünsche eines sterbenden alten Mannes zu erfüllen. Dabei werden Generationen übergreifende Freundschaften entwickelt, der Grundstein für eine Romanze im Herbst des Lebens zweier Menschen gelegt und lebensverändernde Entscheidungen getroffen.
„Da der Hintergrund des Films der letzte Wunsch eines sterbenden Mannes für einen Roadtrip von existenziellen Ausmaßen von Skandinavien durch Europa war, hatte ich das Gefühl, dass ich wirklich eine Partitur schaffen musste, die die äußeren und inneren Welten dieser Reise klanglich und melodisch miteinander verbinden kann“, beschreibt der schwedische Komponist Matti Bye die Arbeit an „Day by Day“. „Also entschied ich mich, eine hybride Partitur zu schaffen, die die melodischen Sensibilitäten im melancholischen Skandinavien erfasst und dennoch in eine Art südeuropäische Klangwelt eingebettet ist. Dadurch haben wir etwas sehr Authentisches und Dynamisches geschaffen, die Außenwelt spiegelt die Innenwelt wider und unterstreicht den sich ständig ändernden Horizont der Emotionen im Film, indem wir Humor, Liebe, Leben und Tod in einer Partitur finden.“
Die norwegische Geigerin Eldbjørg Hemsing präsentiert mit „Arctic“ ein Konzeptalbum, das sie zusammen mit dem Arctic Philharmonic eingespielt hat und eine musikalische Reise durch die vom Klimawandel stark bedrohte Arktis darstellt. Dabei verbindet sie in der Adaption von Werken so unterschiedlicher Komponisten wie Selim Palmgren, Edvard Grieg, Henning Sommerro und James Newton Howard. Im Zentrum des Albums steht allerdings die 20-minütige „The Arctic Suite“ von Jacob Shea.
„Ich wollte einmalige, einprägsame Melodien mit einem malerischen orchestralen Klang verbinden, der dem großen Panorama der Arktis entspricht, um diese emotionale Geschichte zu erzählen. Entstanden ist eine sehr abwechslungsreiche Art Filmmusik für den Konzertsaal oder ein Soundtrack für eine innere Reise“, erzählt Hemsing über die Arbeit an „Arctic“.
In Luis Tinocos Science-Fiction-Drama „The Antares Paradox“ muss sich Alexandra in einem Wettlauf gegen die Zeit entscheiden, ob sie sich in den nächsten Stunden lieber mit einem kritischen Familiendrama auseinandersetzt oder die Antwort auf eine der drängendsten Fragen der Menschheit finden will.
„Die Verwendung des Hauptthemas ist auch ein Paradoxon, weil es verwendet wird, um über Alex’ Gefühle gegenüber ihrer Familie zu sprechen, was eine sehr intime und persönliche Situation darstellt, aber es wird auch verwendet, um über außerirdisches Leben und unseren Platz als Menschen im Universum zu sprechen“, beschreibt der spanische Komponist Arnau Bataller seine Arbeit an diesem Film. „Obwohl der Film über eine große technologische Komponente verfügt, wurde in der Musik nur ein leichter Hauch von Elektronik verwendet, da die Klaviermelodien und die großen Orchestertuttis die Hauptelemente des Scores darstellen.
Playlist:
1. Trevor Rabin - Masonic Temple (National Treasure: Edge of History) - 03:08
2. Gabriel Yared - Suite (L'envol) - 04:46
3. Pinar Toprak - Bedroom Tango (Shotgun Wedding) - 02:16
4. Howard Shore - Edgar A. Poe (The Pale Blue Eye) - 03:56
5. Ruth Barrett - Niassa (The Terminal List) - 03:27
6. Rob Simonsen - God's Rays (The Whale) - 05:10
7. Bear McCreary - Tormented Lovers (The Witcher: Blood Origin) - 04:19
8. Alexandre Desplat - Bakary (Tirailleurs) - 05:26
9. Volker Bertelmann - Reunion (War Sailor) - 03:48
10. Alex Somers - You Miss Me (Mars) - 02:51
11. Lorne Balfe - Until the Day I Die (His Dark Materials - Series 3, Episodes 7 & 8) - 03:48
12. Dominic Lewis - Orange Peel (Kaleidoscope) - 04:05
13. Rob - Santa Monica (Run Sweetheart Run) - 02:50
14. Blanck Mass - Helideck (The Rig) - 04:09
15. Peter Peter - Sick Bed (Copenhagen Cowboy) - 03:11
16. Cliff Martinez - Red Pink and Blue Part 1 (Touch of Crude) - 08:16
17. Martin Todsharow - Three Steps (Lieber Kurt) - 04:12
18. Matti Bye - Day by Day (Day by Day) - 01:44
19. Rupert Gregson-Williams - A Flaw (Hunters - Season 2) - 02:22
20. Siddhartha Khosla - What About a Tour? (Welcome to Chickendales) - 02:04
21. Lachlan Anderson - Greenham Common (Mothers of the Revolution) - 03:37
22. Rob - Finale (Les Survivants) - 03:51
23. Eldbjørg Hemsing & Arctic Philharmonic - The Arctic Suite: II. Aurora (Arctic) - 03:12
24. John Paesano - Let's Go Home (Night at the Museum: Kahmunrah Rises Again) - 02:10
25. Jeff Beal - Make a Change (The Champions) - 05:09
26. Hildur Guðnadóttir - Speak-up (Women Talking) - 03:17
27. Isobel Waller-Bridge - Doing Nothing With Friends (The Boy, the Mole, the Fox and the Horse) - 02:42
28. Thomas Newman - Rock-A-Bye (A Man Called Otto) - 03:39
29. Tim Hecker - The Infinity Pool (The Infinity Pool) - 02:55
30. Arnau Bataller - The End (The Antares Paradox) - 10:08
Montag, 23. Januar 2023
Playlist #363 vom 29.01.2023 - TOM HANKS Special
Tom Hanks zählt nicht nur wegen seiner zwei Oscar-Trophäen für seine Hauptrollen in „Philadelphia“ (1993) und „Forrest Gump“ (1994) zu den besten Darstellern in Hollywood, sondern auch zu den vielseitigsten. In seiner langjährigen Hollywood-Karriere hat es der profilierte Schauspieler mittlerweile auch zum Produzenten, Drehbuchautor, Regisseur und Synchronsprecher gebracht und wurde 2002 als bisher jüngster Darsteller mit dem AFI Life Achievement Award für sein Lebenswerk geehrt. Im vergangenen Jahr war er nicht nur in Baz Luhrmanns „Elvis“-Biopic, sondern auch in Robert Zemeckis' Live-Action-Adaption von „Pinocchio“ als Geppetto und in Marc Forsters kömodiantischen Drama „Ein Mann namens Otto“ in der Titelrolle zu sehen.
Tom Hanks wurde am 9. Juli 1956 im kalifornischen Concord als Sohn des Kochs Amos Hanks und dessen portugiesisch stämmigen Frau Janet Marylyn Frager geboren und wuchs nach deren frühen Scheidung mit zwei seiner Geschwistern bei seinem Vater und wechselnden Stiefmüttern auf.
Während seiner High-School-Zeit entdeckte Hanks sein Interesse für die Schauspielerei und sammelte in Schauspielkursen erste Erfahrungen, bevor er nach dem High-School-Abschluss ein Schauspielstudium begann und nebenbei drei Jahre lang beim Great Lakes Theater Festival arbeitete. Hier sammelte er nicht nur Erfahrungen in Bereichen wie Bühnenbild und Licht- und Tontechnik, sondern spielte auch den Proteus in Shakespeares „Zwei Herren aus Verona“, was ihm den Cleveland Critics Circle Award als bester Hauptdarsteller einbrachte.
Als Hanks 1979 nach New York City zog, erhielt er erste Film- und Fernsehrollen, darunter in der Sitcom „Bosom Buddies“, in der Serie „Taxi“ und in „Happy Days“. Die Bekanntschaft mit Ron Howard sollte sich als wegweisend für Hanks Karriere erweisen, denn Howard besetzte den jungen Schauspieler in der Hauptrolle in der romantischen Komödie „Splash: Jungfrau am Haken“ (1984). Nach einigen Flops mit den Filmen „Der Verrückte mit dem Geigenkasten“ (1985) und „Liebe ist ein Spiel auf Zeit“ (1986) und moderaten Erfolgen mit den Komödien „Geschenkt ist noch zu teuer“ (1986) und „Schlappe Bullen beißen nicht“ (1987) nahm Hanks Karriere an Fahrt auf.
Die Fantasy-Komödie „Big“ (1988) brachte ihm seine erste Oscar-Nominierung ein. Es folgten zunächst weitere Komödien wie „Meine teuflischen Nachbarn“ und „Scott & Huutsch“ (beide 1989), aber mit Brian De Palmas Verfilmung von Tom Wolfes Bestseller „Fegefeuer der Eitelkeiten“ (1990) gelang Hanks auch der Sprung ins ernstere Fach.
1993 schaffte Hanks den endgültigen Durchbruch mit der romantischen Komödie „Schlaflos in Seattle“ und dem Drama „Philadelphia“ (beide 1993). Für seine Rolle des an Aids erkrankten Andrew Beckett in Philadelphia wurde er ebenso mit dem Oscar als bester Hauptdarsteller ausgezeichnet wie für die Darstellung des geistig zurückgebliebenen Forrest Gump in dem gleichnamigen Film, was vor ihm nur Spencer Tracy gelungen war.
Hanks Dankesrede bei der Verleihung des Oscars für „Philadelphia“, bei der er einem schwulen Lehrer dankte, gab den Anstoß für den Film „In & Out“.
Mit Ron Howard arbeitete Hanks erneut bei dem siebenfach Oscar-nominierten Weltraum-Drama „Apollo 13“ (1995) zusammen, wo er Teil eines prominenten Cast mit Kevin Bacon, Bill Paxton, Gary Sinise, Ed Harris und Kathleen Quinlan war.
Es folgten weitere Blockbuster-Produktionen wie Steven Spielbergs Kriegsdrama „Der Soldat James Ryan“ (1998), Frank Darabonts Verfilmung von Stephen Kings Gefängnis-Drama „The Green Mile“ (1999), Robert Zemeckis‘ Survival-Drama „Cast Away – Verschollen“ (2000), Sam Mendes‘ Rache-Drama „Road to Perdition“ (2002) und die beiden Steven-Spielberg-Filme „Catch Me If You Can“ (2002) und „Terminal“ (2004). Dazu übernahm er Sprechrollen in den Pixar-Animationsfilmen der „Toy Story“-Reihe und „Cars“ (2006).
Hanks war danach in Ron Howards Adaption von Dan Browns Thriller-Reihe um den Symbologen Robert Langdon – „The Da Vinci Code – Sakrileg“ (2006), „Illuminati“ (2006) und „Inferno“ (2016) – ebenso zu sehen wie in
„Extrem laut & unglaublich nah“ (2011), „Cloud Atlas“ (2012), „Captain Phillips“ (2013), „Bridge of Spies – Der Unterhändler“ (2015), „Sully“ (2016), „Die Verlegerin“ (2017) und „Neues aus der Welt“ (2020).
1996 wechselte Hanks erstmals hinter die Kamera. Er gründete zusammen mit dem Produzenten Gary Goetzman die Produktionsfirma Playtone, mit der er seitdem Filme produziert. Bei der ersten Playtone-Produktion, „That Thing You Do!“, zeichnete Hanks nicht nur als Drehbuchautor und als Regisseur verantwortlich, sondern übernahm auch eine Hauptrolle und wirkte an der Filmmusik mit. Zusammen mit seiner Frau Rita Wilson produzierte er die Komödie „My Big Fat Greek Wedding“ und trat bei den Fernsehserien „From the Earth to the Moon“ und „Band of Brothers – Wir waren wie Brüder“ als Produzent und Autor auf.
In seinem neuen Film „Ein Mann namens Otto“ spielt Tom Hanks einen mürrischen, isolierten Witwer mit festen Prinzipien, strengen Routinen und einer kurzen Zündschnur, der jedem in seiner Nachbarschaft das Leben schwer macht, da er sie wie ein Falke überwacht. Dabei dient seine launische Art vor allem einem Zweck: Zu kaschieren, dass er nach dem Tod seiner Frau keinen Sinn mehr im Leben sieht. Gerade als es scheint, als hätte er das Leben endgültig aufgegeben, entwickelt sich eine unwahrscheinliche und widerwillige Freundschaft mit seiner neuen Nachbarin Marisol (Mariana Trevino). In ihr scheint Otto eine ebenso ebenbürtige wie auch schlagfertige Sparringspartnerin gefunden zu haben. Marisol ermutigt ihn, das Leben aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten.
Filmographie:
1980: Panische Angst (He Knows You’re Alone)
1980: Love Boat (The Love Boat, Fernsehserie, Folge 4x01)
1980–1982: Bosom Buddies (Fernsehserie, 37 Folgen)
1982: Familienbande (Family Ties, Fernsehserie, 3 Folgen)
1982: Labyrinth der Monster (Rona Jaffe’s Mazes and Monsters)
1984: Splash – Eine Jungfrau am Haken (Splash)
1984: Bachelor Party
1985: Alles hört auf mein Kommando (Volunteers)
1985: Der Verrückte mit dem Geigenkasten (The Man with One Red Shoe)
1986: Nothing in Common – Sie haben nichts gemeinsam (Nothing In Common)
1986: Geschenkt ist noch zu teuer (The Money Pit)
1986: Liebe ist ein Spiel auf Zeit (Every Time You Say Goodbye)
1987: Schlappe Bullen beißen nicht (Dragnet)
1988: Big
1988: Punchline – Der Knalleffekt (Punchline)
1989: Scott & Huutsch (Turner & Hooch)
1990: Fegefeuer der Eitelkeiten (The Bonfire of the Vanities)
1990: Joe gegen den Vulkan (Joe Versus the Volcano)
1992: Eine Klasse für sich (A League of Their Own)
1992: Flug ins Abenteuer (Radio Flyer)
1993: Schlaflos in Seattle (Sleepless in Seattle)
1993: Philadelphia
1994: Forrest Gump
1995: Apollo 13
1995: Toy Story (Sprechrolle)
1996: That Thing You Do! (auch Regie)
1998: Der Soldat James Ryan (Saving Private Ryan)
1998: e-m@il für Dich (You’ve Got Mail)
1999: The Green Mile
1999: Toy Story 2 (Sprechrolle)
2000: Cast Away – Verschollen (Cast Away)
2001: Band of Brothers – Wir waren wie Brüder (Band of Brothers, Miniserie, Folge 1x05)
2002: Catch Me If You Can
2004: Elvis Has Left the Building
2004: Ladykillers (The Ladykillers)
2004: Terminal (The Terminal)
2004: Der Polarexpress (Polar Express)
2006: Cars (Sprechrolle)
2006: The Da Vinci Code – Sakrileg (The Da Vinci Code)
2007: Die Simpsons – Der Film (The Simpsons Movie, Sprechrolle)
2007: Der Krieg des Charlie Wilson (Charlie Wilson’s War)
2008: Der große Buck Howard (The Great Buck Howard)
2009: Illuminati (Angels & Demons)
2010: The Pacific (Miniserie, 6 Folgen, Sprechrolle)
2010: Toy Story 3 (Sprechrolle)
2011: Larry Crowne (auch Regie)
2011: Extrem laut & unglaublich nah (Extremely Loud & Incredibly Close)
2012: Cloud Atlas
2012: Partysaurus Rex (Kurzfilm, Sprechrolle)
2013: Captain Phillips
2013: Saving Mr. Banks
2015: Bridge of Spies – Der Unterhändler (Bridge of Spies)
2016: Ein Hologramm für den König (A Hologram for the King)
2016: Sully
2016: Inferno
2016: California Typewriter (Dokumentarfilm)
2017: The Circle
2017: Die Verlegerin (The Post)
2019: A Toy Story: Alles hört auf kein Kommando (Toy Story 4, Sprechrolle)
2019: Der wunderbare Mr. Rogers (A Beautiful Day in the Neighborhood)
2020: Greyhound – Schlacht im Atlantik (Greyhound)
2020: Borat Anschluss Moviefilm (Borat Subsequent Moviefilm)
2020: Neues aus der Welt (News of the World)
2021: Finch
2022: Elvis
2022: Pinocchio
2022: Ein Mann namens Otto (A Man Called Otto)
Playlist:
1. Thomas Newman - Hypertrophic (A Man Called Otto) - 05:27
2. Lee Holdridge - End Titles (Splash) - 03:08
3. Thomas Newman - Umbrellas (The Man With One Red Shoe) - 01:30
4. Howard Shore - Visiting Home (Big) - 03:18
5. James Horner - Master Alarm (Apollo 13) - 03:05
6. Jerry Goldsmith - Good Neighbors (The 'Burbs) - 02:08
7. Georges Delerue - Brain Cloud (Joe Versus the Volcano) - 03:05
8. Howard Shore - Senior Associate Andrew Beckett (Philadelphia) - 03:19
9. Hans Zimmer - Expeditioning / Mix the Potion / Four Discoveries (Radio Flyer) - 07:04
10. Alan Silvestri - Jenny Returns (Forrest Gump) - 02:44
11. Alexandre Desplat - Oskar's Monologue (Extremely Loud & Incredibly Close) - 02:54
12. Carter Burwell - To His Own Native Store (Ladykillers) - 01:43
13. Alan Silvestri - What the Tide Could Bring (Cast Away) - 03:34
14. John Williams - Revisiting Normandy (Saving Private Ryan) - 04:06
15. Thomas Newman - Red Over Green (The Green Mile) - 02:59
16. Thomas Newman - Road to Chicago (Road to Perdition) - 03:07
17. John Williams - Recollections [The Father's Theme] (Catch Me If You Can) - 05:17
18. George Fenton - Suite (You've Got Mail) - 05:35
19. James Newton Howard - Refugee Camp (Charlie Wilson's War) - 05:09
20. Henry Jackman - Maersk Alabama (Captain Phillips) - 02:44
21. Hans Zimmer - Chevaliers de Sangreal (The Da Vinci Code) - 04:05
22. Hans Zimmer - 160 BPM (Angels & Demons) - 06:44
23. Hans Zimmer - Elizabeth (Inferno) - 04:34
24. Thomas Newman - Ginty My Love (Saving Mr. Banks) - 03:13
25. James Newton Howard - French Toast (Larry Crowne) - 04:04
26. Danny Elfman - Finding Mercer (The Circle) - 03:03
27. John Williams - Mother and Daughter (The Post) - 03:23
28. James Newton Howard - There is No Time for Stories (News of the World) - 03:58
29. Alan Silvestri - I Have an Idea (Pinocchio) - 03:29
30. Thomas Newman - Homecoming (Bridge of Spies) - 07:47
Mittwoch, 4. Januar 2023
Playlist #362 vom 15.01.2023 - BEST OF 2022
In dem traditionellen Jahresrückblick der besten Scores findet sich auch für 2022 wieder eine Mischung aus Arbeiten, die sowohl für Blockbuster wie „The Batman“, „Phantastische Tierwesen: Dumbledores Geheimnisse“ und „Avatar: The Way of Water“ entstanden sind, als auch weniger bekannte Filme, die von jüngeren Talenten vertont worden sind. Neben prominenten Komponisten wie Alexandre Desplat, Thomas Newman, James Newton Howard, Carter Burwell, John Powell und Howard Shore finden sich so auch einige vielversprechende Newcomer und bereits namhafte Nachwuchstalente wie Nicholas Britell, Daniel Pemberton, Justin Hurwitz und Michael Abels in meiner diesjährigen Bestenliste.
Thomas Newman hat sich von Beginn seiner außergewöhnlichen Hollywood-Karriere – mit mittlerweile 15 (!) Oscar-Nominierungen – an als äußerst feinsinniger Komponist erwiesen, der avantgardistische Electronics und komplexe Rhythmen mit wunderbar einfühlsamen Melodien und Orchesterarrangements miteinander in Einklang bringt. Für Regisseur John Madden hat er seit 2010 – bis auf „Die Erfindung der Wahrheit“ – alle Filme vertont, von „Eine offene Rechnung“ über die beiden „Best Exotic Marigold Hotel“-Filme bis zum D-Day-Drama „Die Täuschung“, das die sogenannte „Operation Mincemeat“ thematisiert, mit denen die Alliierten 1943 den Nazis vortäuschen wollten, dass die alliierten Streitkräfte in Griechenland und nicht auf Sizilien landen. Newman gelingt es, seinen eindringlichen orchestralen Arrangements auch immer wieder humorvolle Töne zu entlocken.
Simon Franglen hat seine Karriere in Hollywood in den 1990er Jahren als Keyboarder und Synthi-Programmierer für Komponisten wie Alan Silvestri („Tod im Spiegel“, „Ricochet“, „Bodyguard“), James Newton Howard („Grand Canyon“, „Zwielicht“, „Space Jam“) und Howard Shore („Sieben“, „Crash“) begonnen, doch wirklich wegweisend für seine Karriere sollte sich die Zusammenarbeit mit James Horner herausstellen. Seit er posthum James Horners Arbeit an dem Remake von „The Magnificent Seven“ (2016) vollendete, setzte er nicht nur für seinen verstorbenen Mentor die Zusammenarbeit mit Jean-Jacques Annaud („Notre-Dame in Flammen“) fort, sondern auch mit James Cameron, der im vergangenen Jahr mit „Avatar: The Way of Water“ endlich die langersehnte Fortsetzung zu dem Blockbuster „Avatar: Aufbruch nach Pandora“ aus dem Jahr 2009 vorlegte. Franglen bewahrt in seinem Score zwar den Geist (und einige der Themen) von James Horners Arbeit, weiß aber durchaus, seinen eigenen Stil durchzusetzen. Der gelungene Mix aus ätherischen, spirituell angehauchten Electronics und vollen Orchester-Arrangements machen „Avatar: The Way of Water“ auch jenseits der Leinwand zu einem eindringlichen Hörerlebnis.
Seit die Isländerin Hildur Guðnadóttir 2020 verdientermaßen mit einem Oscar für ihre Musik zu „Joker“ ausgezeichnet worden ist, zählt die langjährige Kollaborateurin von Jóhann Jóhannsson („Sicario“, „Maria Magdalena“) zu den interessantesten Komponistinnen. 2022 vertonte Guðnadóttir nicht nur Todd Fields Drama „Tár“, sondern auch Sarah Polleys biographisches Drama „Women Talking“. Der Film arbeitet die schrecklichen Verbrechen einer Gruppe von sieben konservativen Mennoniten in Bolivien auf, die über 100 Frauen aus ihrer kleinen, strenggläubigen Gemeinde unter Drogen gesetzt und vergewaltigt hatten. Guðnadóttir komponierte dazu einen zwar kurzen, aber sehr ausdrucksvollen Score, der vor allem über die elegischen Streicher emotional berührt.
Seit seiner bemerkenswerten Musik für die Abenteuer-Serie „Lost“ und seinen Arbeiten für Pixar-Produktionen wie „Die Unglaublichen“, „Oben“ und „Ratatouille“ zählt Michael Giacchino zu den versiertesten und produktivsten Vertretern seiner Zunft. So komponierte er im vergangenen Jahr die Musik zu „Jurassic World Dominion“, „Werewolf by Night“, „Lightyear“ und zusammen mit Nami Melumad „Thor – Love and Thunder“, doch am beeindruckendsten fiel sein Score zu „The Batman“ aus. Nachdem Hans Zimmer bereits für Christopher Nolans „The Dark Knight“-Trilogie Großes geleistet hatte, vermag Giacchino mit seiner Musik die emotionalen Tiefen der Doppelrolle von Bruce Wayne/Batman mit vibrierenden Piano-Klängen, dunklen Bläsern und elegischen Streichern perfekt auszuloten.
Auch in seiner dritten Arbeit für das Harry-Potter-Spin-off „Phantastische Tierwesen“ zeigt sich Routinier James Newton Howard von seiner besten Seite, vereint auf „Fantastic Beasts: The Secrets of Dumbledore“ einschmeichelnde Melodien mit vielfarbigen Arrangements, die die magischen Welten mit feinsinnigen Electronics, zarten Chorstimmen und opulenten Streicher- und Bläser-Sektionen zum Klingen bringen.
„The Woman King“ erzählt die von wahren Begebenheiten inspirierte Geschichte von Nanisca (Viola Davis), der außergewöhnlichen Anführerin der Agojie, einer Elite-Einheit, die nur aus Frauen besteht und für ihre außergewöhnliche Brutalität bekannt ist. Im Konflikt zwischen dem Königreich Dahomey und seinen Besatzern sieht Nancisca im Jahr 1823 endlich ihre Chance gekommen, sich an dem Oyo-Krieger Oba Ade (Jimmy Odukoya) zu rächen, der sie einst vergewaltigte... Terence Blanchard gelingt es, das Leid und die Kraft der Kriegerinnen mit einem gefühlvollen Score einzufangen, der kraftvolle Bläser mit schmerzlichem Gesang, dynamischen Percussions und traditionellen Elementen miteinander verbindet.
Natürlich darf auch der französische Oscar-Gewinner Alexandre Desplat („The Grand Budapest Hotel“, „The Shape of Water“) in der diesjährigen Best-of-Liste nicht fehlen. Für Graham Moores Kriminaldrama „The Outfit“ komponierte er einen wunderbar chilligen, jazzig angehauchten und wunderbar melodischen Score, der perfekt die Geschichte eines englischen Schneiders untermalt, der einst in der weltberühmten Londoner Savile Row Maßanzüge gefertigt hat und nach einer persönlichen Tragödie 1956 in Chicago landet, wo er in einem rauen Stadtteil eine kleine Schneiderei betreibt, in der er schöne Kleidung für die einzigen Menschen herstellt, die es sich leisten können: eine Familie von kriminellen Gangstern. Dabei werden er und seine Assistentin jedoch tiefer in die Machenschaften der Gangster verstrickt, als ihnen lieb sein kann...
Dagegen setzt er in Guillermo del Toros „Pinocchio“-Version auf eine Symbiose von musikalischen Elementen, die einerseits auf melodisch fesselnde Weise mit wunderschönen Vocals, verspielten Rhythmen, sanften Streicher- und Pianoklängen die kindliche Unschuld einfangen, auf der anderen Seite aber auch die dunklen Aspekte der tragischen Geschichte abbilden.
In den 2000er Jahren zählte John Powell mit seinen Scores zur „Bourne“-Trilogie und so unterschiedlichen Filmen wie „I Am Sam“, „Robot“, „X-Men: The Last Stand“ und „How to Train Your Dragon“ zur ersten Liga in Hollywood, doch in den vergangenen Jahren ist es merklich ruhiger um den versierten Komponisten geworden. Dafür hat er im vergangenen Jahr mit seinem Score zu Olivia Wildes Drama „Don’t Worry Darling“ eine dramatische Komposition abgeliefert, die subtil die trügerische Idylle in der Firmenstadt Victory in den 1950er Jahren hinterfragt.
Mit nur zwei Filmen („Get Out“, „Us“) hat Jordan Peele bereits einen so einschlägigen Ruf aufgebaut, der sonst nur Filmemachern wie Martin Scorsese, John Carpenter, Quentin Tarantino, Steven Spielberg oder Wes Anderson vorbehalten ist. Und in Michael Abels hat Peele von Beginn an einen kongenialen Komponisten gefunden, der seine Geschichten musikalisch adäquat zu vertonen versteht.
Peeles neuer Film „Nope“ erzählt die Geschichte der beiden Geschwister OJ und Emerald Haywood, die im trockenen und weitläufigen Santa Clarita Valley eine Pferderanch betreiben, die sie von ihrem Vater, dem legendären Pferdetrainer Otis Haywood Sr., geerbt haben, der bei einem unerklärlichen „Metallregen“ ums Leben kam. Als sie überlegen, die Ranch und damit auch das Erbe ihres Vaters an den nahe gelegenen Vergnügungspark Jupiter's Claim zu verkaufen, beginnen sie auf ihrer riesigen Ranch unerklärliche Phänomene zu beobachten – unheimliche Geräusche, plötzliche Stromausfälle und mysteriöse Wetterphänomene. Doch als sie fachkundige Hilfe in Anspruch nehmen wollen, überschreiten OJ und Emerald einen Punkt, an dem es kein Zurück mehr gibt ...
Die außerweltliche Atmosphäre bringt Abels mit einem überraschend instrumentierten Score zum Ausdruck, der gleichermaßen die Faszination und Verstörung angesichts der unerklärlichen Ereignisse umfasst.
Playlist:
1. Thomas Newman - Personal and Most Secret (Operation Mincemeat) - 03:07
2. Simon Franglen - Into the Water (Avatar: The Way of Water) - 03:41
3. Hildur Guðnadóttir - Leaving (Women Talking) - 03:41
4. Howard Shore - Time to Try (Crimes of the Future) - 03:18
5. Michael Giacchino - The Batman (The Batman) - 06:48
6. James Newton Howard - A Full Heart (Fantastic Beasts: The Secrets of Dumbledore) - 03:48
7. Terence Blanchard - Nawi and Izogie - Part 2 (The Woman King) - 03:23
8. Alexandre Desplat - The Outfit (The Outfit) - 04:37
9. Alexandre Desplat - Going to Town (Guillermo del Toro's Pinocchio) - 03:11
10. John Powell - Welcome to the Party (Don't Worry Darling) - 04:05
11. Michael Abels - Wishing Well (Nope) - 03:43
12. Trent Reznor & Atticus Ross - Vinegar (Bones and All) - 06:26
13. Nick Cave & Warren Ellis - Wig (Blonde) - 03:23
14. Hanan Townsend - Family (Simple as Water) - 03:11
15. Colin Stetson - The Purifying Flame (The Menu) - 05:25
16. Chanda Dancy - Accepting What We Can't Except (Devotion) - 03:30
17. Emilie Levienaise-Farrouch - When the Time Comes (Living) - 05:25
18. Daniel Pemberton - Full House (See How They Run) - 03:22
19. Son Lux - It All Just Goes Away (Everthing Everywhere All at Once) - 02:45
20. Alex Somers - Swim (Causeway) - 03:55
21. Rob Simonsen - Deep Water (The Whale) - 03:02
22. John Williams - Reverie (The Fabelmans) - 01:45
23. Justin Hurwitz - Morning (Babylon) - 02:02
24. Nathan Johnson - The Center of the Onion (Glass Onion: A Knives Out Mystery) - 04:12
25. Nicholas Britell - Sorry, You Signed Up? (She Said) - 03:00
26. Mogwai - Waiting For Dad (Black Bird - Season 1) - 02:48
27. Carter Burwell - My Life Is On Inisherin (The Banshee of Inisherin) - 03:47
28. Abel Korzeniowski - I Shall Sing (Emily) - 02:16
29. Abel Korzeniowski - I'm Ready to Go (Till) - 04:10
30. Jeff Russo - The Next Step in Human Evolution (The Man Who Fell to Earth) - 06:17
Sonntag, 1. Januar 2023
Playlist #361 vom 01.01.2023 - R.I.P. ANGELO BADALAMENTI (1937-2022)
Mit seiner Titelmelodie für David Lynchs Mystery-Straßenfeger „Twin Peaks“ wurde Angelo Badalamenti weltberühmt und bildete in den darauffolgenden Jahren mit Regisseur David Lynch eine kongeniale Beziehung, wie sie zuvor schon David Lean/Maurice Jarre, Blake Edwards/Henry Mancini, Frederico Fellini/Nino Rota und Alfred Hitchcock/Bernard Hermann bis zu Steven Spielberg/John Williams, David Cronenberg/Howard Shore und Tim Burton/Danny Elfman eingegangen sind.
Angelo Badalamenti schuf mit seinen melancholisch-verträumten Melodien jedoch nicht nur die adäquaten Soundtracks zu Lynchs symbolträchtigen, surrealistisch anmutenden Bilderwelten, sondern veredelte auch Filme von Regisseuren wie Danny Boyle („The Beach“), Jean-Pierre Jeunet („Mathilde – eine große Liebe“, „Die Stadt der verlorenen Kinder“) und Paul Schrader („Der Trost von Fremden“). Nun verstarb der großartige Filmkomponist am 11. Dezember 2022 im Alter von 85 Jahren in Lincoln Park, New Jersey.
Der 1937 als Sohn eines Fischhändlers geborene Badalamenti erhielt mit acht Jahren Klavierunterricht, jobbte in Teenagerjahren als Pianist in Tourismuszentren, studierte zunächst an der Eastman School of Music in New York und dann an der Manhattan School of Music Komposition, Horn und Klavier, worin er 1960 seinen Magister machte. Während seiner Tätigkeit als Musiklehrer an der Dyker Heights Junior High in Brooklyn komponierte Badalamenti in seiner Freizeit Songs, wurde Anfang der 70er Jahre schließlich als Arrangeur bei einem Musikverlag eingestellt, wo er Jingles und Werbespots schrieb, aber auch schon seine Vorliebe für schwarze Musik umsetzen konnte, indem er Songs für Leute wie Shirley Bassey und Mel Tillis komponierte.
Schon in frühen Jahren verband sich bei Angelo Badalamenti das Interesse an Filmmusik mit dem an populärer Musik.
„In den frühen Jahren meiner High-School-Zeit war ich von bestimmten Filmmusiken angetan, die ein klassisches Gewand hatten. Ich mochte die Scores im Stile von Bernard Herrmann. Ich fand die klassische Annäherung an das Komponieren für den Film sehr interessant, gerade was die Ausarbeitung von starken Melodien und interessanten Harmonien anging. Außerdem bin ich schon sehr jung mit der Jazz-Welt der Musik aufgewachsen, weil mein älterer Bruder Jazz-Trompete spielte. Seine Freunde kamen jeden Sonntag in unser Haus, um eine Jam-Session zu machen. Das Piano hatten wir natürlich im Haus; sie brachten Saxophone, Trompeten, Posaunen und Flöten mit und spielten Jazz im Bebop-Stil, die Schule von Charlie Parker und Dizzy Gillespie. So wurde ich mit der Jazz-Welt vertraut. Ich mochte in Filmen die Kombination von klassischer Musik mit einem Jazz-Feeling, weil ich beide Welten liebte. Mein Interesse an Musik in Filmen reicht also bis in meine Kindheit zurück.“
Durch seine Anstellung beim Musikverlag wurde Badalamentis Tätigkeit aber zunächst auf die Songebene verlagert. Er komponierte Songs für schwarze Sängerinnen wie Nancy Wilson und Nina Simone, wobei er keinen reinen Jazz, sondern einen poporientierten, schwarzen Soul schrieb.
An seinen ersten Film-Job kam Badalamenti eher durch Zufall.
„Ich wurde von Paramount Pictures angestellt, das eine unabhängige Produktionsfirma war, und ich arbeitete an einem Musical für eine Fernsehshow von NBC, das auf Bibelgeschichten basierte. In dem Studio schwirrte ein Skript namens ,Law and Disorder‘ herum. Ich las das Skript, in dem Studio stand ein Piano, und ich setzte mich hin und komponierte ein Thema für die Rolle von Ernest Borgnine und eines für die Rolle von Carol O´Connor. Wenn die beiden Personen zusammentrafen, konnte ich die Themen miteinander verbinden und weiterentwickeln. Die Geschichte spielte in New York, und ich dachte, es wäre eine gute Idee, der Musik ein spanisches New-York-City-Flair mit Jazz-Klängen zu verleihen. Der tschechische Regisseur Ivan Passer, der den Film machte, war gerade im Studio. Ich fragte ihn, ob er einen Moment Zeit hätte, und bat ihn, mit in den Pianoraum zu kommen, um ihm ein paar Themen vorzuspielen. Ich spielte ihm das Thema für die eine Hauptrolle vor und dasjenige für die andere Hauptrolle und demonstrierte ihm, wie die beiden Themen zusammenlaufen könnten, wenn Konflikte aufkommen oder Freundschaften entstehen würden. Dann war da noch ein spanisch-kubanisches Jazz-Thema, das im spanischen Harlem bei Nacht gespielt werden konnte. Ich spielte ihm all die Sachen vor, und er war sehr beeindruckt.
Er meinte: ,Ich liebe das, was Sie gemacht haben, es ist perfekt für meinen Film, aber ich habe ein Problem', wobei er in die Tasche griff und einen frankierten, versiegelten Umschlag hervorholte, den er in den nächsten fünf Minuten zum Postkasten bringen wollte. Er war an Aaron Copland adressiert. Er öffnete den Brief und gab ihn mir zu lesen. Mit diesem Brief wollte Ivan Passer Aaron Copland bitten, die Musik für ,Law and Disorder‘ zu schreiben, aber er riss ihn entzwei und schickte ihn nie ab. Das war der Start für mich in der Filmmusik.“
Nachdem er 1973 und 1974 unter dem Pseudonym Andy Badale die Filmmusik zu Ossie Davis' „Gordon’s War“ und Ivan Passers „Law and Disorder“ geschrieben hatte, hielt sich Angelo Badalamenti weiterhin mit Songwriting, Arrangements und Orchestrationen für Sänger und vielen Instrumentalarbeiten über Wasser, doch die Begegnung mit David Lynch während der Produktion von „Blue Velvet“ eröffnete Badalamenti ganz neue Welten.
Eigentlich wurde Badalamenti zunächst nur dafür engagiert, mit der Schauspielerin Isabella Rossellini den Song „Blue Velvet“ aufzunehmen.
David Lynch war von dem Ergebnis so begeistert, dass er mit „Mysteries of Love“ einen weiteren Song in Auftrag gab, den Badalamenti mit der Sängerin Julee Cruise einspielte, und schließlich auch die Komposition des Scores in seine Hände gab.
David Lynch bezeichnete seinen nicht unumstrittenen Film, der vor Grausamkeiten und Schockszenen à la „Psycho“ nur so strotzt und eindrucksvoll demonstriert, wie das Böse in eine sorglos und idyllisch wirkende Kleinstadt einbricht, als eine „Reise unter die Oberfläche einer amerikanischen Kleinstadt, aber es ist auch eine Reise ins Unterbewusstsein oder an einen Ort, wo man mit Dingen konfrontiert wird, denen man sich normalerweise nicht stellt“. Diese psychologische Konstellation, die vor allem in den Beziehungen zwischen den Hauptfiguren, dem detektivisch-voyeuristischen Jeffrey Beaumont (Kyle MacLachlan), der Nachtclubsängerin Dorothy Vallens (Isabella Rossellini), der naiven Sheriff-Tochter Sandy (Laura Dern) und dem bösartigen Frank Booth (Dennis Hopper) zum Ausdruck gebracht wird, war für Angelo Badalamenti der Aufhänger für seinen elegischen, traumhaft-verführerischen Score.
„Natürlich ist ,Blue Velvet‘ eines der großen psychologischen Dramen unserer Zeit. Der Film ist brillant in der Studie von psychologischen Effekten von Leuten, die wir von außerhalb betrachtet so faszinierend finden. Ich denke, um die Verrücktheit und Tiefe eines so bösartigen Charakters wie Frank Booth und auf der anderen Seite die unglaubliche Reinheit und Unschuldigkeit des jungen Mannes und des jungen Mädchens musikalisch zu beschreiben, versuchte ich eine dunkle Schönheit auszudrücken. Dafür steht ,Mysteries of Love‘ in seiner Reinheit und Unschuld im Gegensatz zu der ganzen Welt außerhalb. Musikalisch gesehen konstruierten wir einen Konflikt, weil wir mit ihm beide Welten zusammenbrachten.“
Mit der fruchtbaren Zusammenarbeit bei „Blue Velvet“ wurde schließlich eine magisch funktionierende Beziehung zwischen David Lynch und Angelo Badalamenti geknüpft, die über Jahrzehnte hinweg die erstaunlichsten Resultate hervorbrachte.
David Lynch beschrieb die Zusammenarbeit mit seinem Hauskomponisten einmal so:
„Angelo Badalamenti hat mich mit der Welt der Musik vertraut gemacht. Er schreibt die Musik und ich die Texte. Wir unterhalten uns über die Atmosphäre, die Worte beeinflussen die Melodie und umgekehrt. Das zählt zu den glücklichsten Erfahrungen, die ich in meinem Leben gemacht habe. Es war, als bliebe die Zeit stehen. All diese Tätigkeiten - das Schreiben des Drehbuchs, die Regie, die Musik - hängen für mich zusammen, und jede davon liefert mir Ideen für die anderen. Aus der Arbeit an der Musik ziehe ich Inspiration für die Regie.“
Nach dem auch in musikalischer Hinsicht erfolgreichen Film „Blue Velvet“ hatte nicht nur David Lynch seinen Flop mit „Dune“ überwunden, auch Angelo Badalamenti musste sich einen Agenten nehmen, um dem steigenden Interesse an seiner Musik für zukünftige Filmprojekte gerecht werden zu können. Zunächst nahm Badalamenti alles an, was ihm an Angeboten offeriert wurde. Das erste Skript, das ihm nach „Blue Velvet“ auf den Schreibtisch kam, war das Sequel „Dream Warriors“, das Chuck Russell 1987 in der „A Nightmare on Elm Street“-Reihe drehte. Für Angelo Badalamenti bedeutete dieser Auftrag letztlich nur eine Fingerübung, die ihn für anspruchsvollere Aufgaben vorbereitete.
Bis zur nächsten Zusammenarbeit mit David Lynch, der Fernsehserie „Twin Peaks“ - und danach - arbeitete Badalamenti mit unterschiedlichen Regisseuren zusammen, komponierte die Scores für John Hancocks „Weeds“ („Der stählerne Vorhang“, 1987), Norman Mailers „Tough Guys Don’t Dance“ („Harte Männer tanzen nicht“, 1987), Joel Schumachers „Cousins“ („Seitensprünge“, 1989), Jeremiah Chechiks „National Lampoon’s Christmas Vacation“ („Schöne Bescherung“, 1989), Dominique Derudderes „Wait Until Spring, Bandini“ („Warte bis zum Frühling, Bandini“, 1990) und Paul Schraders „The Comfort of Strangers“ („Der Trost von Fremden“, 1990).
Mit der 1989 begonnenen Fernsehserie „Twin Peaks“ kamen David Lynch und Angelo Badalamenti erneut zusammen.
„David beschrieb die Stimmungen für ,Twin Peaks‘: ,Wir sind in den dunklen Wäldern, der Wind weht sehr mild, und außerhalb des Waldes erscheint dem wunderschönen jungen Mädchen eine Vision, und die Dunkelheit wandelt sich zu einer betörenden Melodie um, die einen Höhepunkt erreicht, abschwillt und wieder in den dunklen Wäldern verschwindet.‘ Allein mit dieser Beschreibung setzte ich mich ans Keyboard, während David neben mir saß, und spielte ihm die ganze Einführung und das ,Laura Palmer Theme‘ vor, Note für Note, allein auf seinen Worten basierend. Er sprach sehr langsam und weich, was eine Inspiration für mich war, und ich verstand, um was für eine Welt es sich handelte. Als David es hörte, meinte er, das wäre es. Ich hätte gerade eines der wichtigsten Themen für die ganze Serie komponiert. Das war der Grundstein für unsere wahre Beziehung, dass wir uns einander verstanden. Ich war in der Lage, die Musik zu schreiben, die seinen Visionen entsprach.“
Einen wichtigen Beitrag zur erneut hypnotischen, überwiegend sphärisch-elektronischen Musik lieferte einmal mehr Julee Cruise, die die von Angelo Badalamenti (Musik) und David Lynch (Text) geschriebenen Songs „The Nightingale“, „Falling“, „The World Spins“ und „Rockin‘ Back Inside My Heart“ interpretierte, die in der Kultserie zum Einsatz kamen und vom Julee-Cruise-Album „Floating Into the Night“ stammten, das Badalamenti und Lynch für die Sängerin schrieben und produzierten. Doch im Gegensatz zu der häufigen Praxis, Songs im Film einzusetzen, um das Soundtrackalbum besser verkaufen zu können, das wiederum für den Film wirbt, haben Songs in David Lynchs Filmen eine ganz eindeutige dramaturgische Funktion.
„Die Musik hat immer einen Bezug zu der Unschuld in solchen Szenen. Sie arbeitet immer gegen das, was eigentlich tatsächlich passiert. Insofern spielt sie eine enorm wichtige Rolle. Ich denke, wir beide, David und ich, arbeiten musikalisch gern gegen das, was zu sehen ist. Das beste Beispiel dafür ist eine Szene in ,Twin Peaks‘, wo in einer ziemlich schäbigen Roadhouse-Bar, in der mit Whisky, Drogen und Prostitution gehandelt wird, ein Mädchen mit wundervoller, sanfter, langsamer Stimme den Song ,The World Spins‘ singt. Bei all den Konflikten, der Gewalt und Rohheit ist diese Musik der totale Gegensatz zu dem, was gerade vorgeht. Für mich ist das sehr aussagekräftig, weil es die Gegensätze, die Positionen deutlich macht.“
1990 schrieb Badalamenti den Score zu David Lynchs „Wild at Heart“ (1990), wobei der Umstand, dass Lynch für den Soundtrack Songs wie „Blue Spanish Sky“, „Up in Flames“ und „Love Me Tender“ verwenden wollte, auch Badalamentis schwüle, spanisch kolorierte Kompositionen beeinflusste, während er sich bei reinen Score-Alben ziemlich frei entfalten kann.
Wie seine Kollegen ist auch Angelo Badalamenti nicht gut auf die Praxis zu sprechen, Filme mit Pop- und Rock-Songs musikalisch zu unterlegen, vor allem, weil es die Möglichkeit des Komponisten zu sehr einschränkt.
„Wenn ein Regisseur mit 15 Platten ankommt, die er in seinem Film benutzen will, fragt man sich natürlich, wozu er noch einen Komponisten benötigt. Wenn der Komponist nur noch für das Underscoring einiger weniger Szenen eingesetzt wird, ist er natürlich in seinen Möglichkeiten eingeschränkt, aber das passiert immer öfter, weil der Soundtrack hilft, den Film zu promoten. Regisseure schauen danach, was die Songs, die sie lieben, für ihre Filme tun können, wenn sie in die Zeit passen, in der der Film spielt, oder ein bestimmtes Gefühl wiedergeben, das sie suchen. Aber als Komponist sucht man immer nach Projekten, die einem erlauben, das zu tun, was man möchte.“
Dass Badalamenti bei Daniel Algrants „Naked in New York“ eine Ausnahme machte, hatte persönliche Gründe.
„Der einzige Grund, warum ich ,Naked in New York‘ gemacht habe, war, weil Martin Scorsese mich gefragt hat, als wir uns auf einer Party getroffen haben. Martin produzierte den Film, den ein junger Regisseur drehte, von dem Martin viel hielt, und ich liebte das, was ich auf dem Video sah. Aber der Regisseur nutzte das Budget für eine Reihe von Songs aus einer bestimmten Zeit. Anstatt also beispielsweise 50 Minuten an Musik zu komponieren, schrieb ich nur 22 Minuten. Aber selbst bei 22 Minuten versucht man, seinen eigenen Sound zu kreieren, wie immer er auch für das jeweilige Projekt aussehen mag. Und das bedeutet an und für sich schon eine Herausforderung. Zum jetzigen Zeitpunkt meines Lebens und meiner Karriere suche ich nach aufregenden Projekten. ,City of Lost Children‘ war eine solche Möglichkeit. Ich liebe den Film, und ich liebe jede Minute des 55-minütigen Scores. Er erlaubte mir, mich auf eine andere Weise auszudrücken. Er zeigt mich von einer anderen Seite. Ich möchte ja auch nicht auf einen bestimmten Stil festgelegt werden, sondern mag es, viele Gesichter zu haben. ,City of Lost Children‘ brachte mich zurück zu der Zeit, als ich als Songwriter anfing. Der Score brauchte eine Art von kontinentaler Melodie, aber nicht so geradlinig. Zum Beispiel gab es in ,City of Lost Children‘ einen Orgelspieler, der einen Flohzirkus unterhielt und eine kontinentale Melodie spielte, die besessen, repetitiv, off-center und dissonanter wurde, aufregender. Der Film war ideal für mich, weil er es mir ermöglichte, mich musikalisch voll zu entfalten.“
Angelo Badalamenti ist wie viele seiner Kollegen auch dafür bekannt, Synthesizer mit Orchester zu verbinden. Das hat gar nicht mal mit Budgetbeschränkungen zu tun, sondern entspricht einer generellen Vorliebe des Komponisten.
„Ich mag den Sound von bestimmten Synthesizer-Sachen. Ich liebe es, Synthesizer-Streicher mit Orchester-Streichern zu verbinden, die ich auf die Synthi-Streicher lege. Ich liebe Streicher vor allem im unteren und mittleren Register, um mit ihnen eine gewisse Stimmung zu erzeugen, die in Verbindung mit den Synthesizern einfach wundervoll klingen. Wenn ich darüber ein Cello lege und es auf eine bestimmte Weise abmische, erhalte ich genau den Sound, nach dem ich Ausschau gehalten habe.“
Neben dem französischen Fantasy-Abenteuer „Die Stadt der verlorenen Kinder“ komponierte Badalamenti die Musik für die Fernsehproduktion ,Witch Hunt‘, die sein Freund Paul Schrader inszenierte. Aber auch für interessante Aufgaben im Werbe-, Pop- und Rockbereich nimmt Badalamenti, der schon für Leute wie Dusty Springfield, Liza Minelli, The Pet Shop Boys und Paul McCartney orchestriert und arrangiert hat, Zeit.
„Wenn mich jemand fragt, ob ich das oder das machen würde, mache ich es, wenn ich glaube, dass ich der Sache etwas hinzufügen kann, meinen Sound oder mein Statement dazu. Deshalb fragt man ja nach mir, nach Angelo Badalamenti und nicht nach jemandem, der wie ein anderer klingt.
Ich denke, da ist ein gewisses Etwas, das ich beisteuern soll, oder sie wissen von meiner Arbeit. Die Pet Shop Boys haben mich engagiert, weil sie meine Welt gesucht haben, mit der sie arbeiten konnten. Bei Paul Mc Cartney war es das gleiche. Island Records riefen mich an, um mit Marianne Faithful zu arbeiten, um sie in Angelo Badalamentis Welt zu bringen. Man versucht immer sein Bestes.“
In den letzten Jahren hat Angelo Badalamenti vor allem an verschiedenen Psycho-Horror-Produktionen gearbeitet, an Paul Schraders „The Exorcist“-Prequel „Dominion“, an „The Wicker Man“ und „Dark Water“, aber auch romantische Stoffe wie Jeunets „Mathilde – Eine große Liebe“ und „The Edge of Love“ zählen zu den bekannteren Werken des Komponisten.
„Es gibt einige Skripts auf meinem Schreibtisch, die ich durchgehen werde. Ich werde mehr Künstler produzieren. Es gibt immer viele Dinge zu tun, aber ich liebe die Idee, an verschiedenen Arten von Projekten zu arbeiten.“
Filmographie:
1973 – Jagd auf linke Brüder (Gordon's War)
1974 - Law and Disorder
1986 - Blue Velvet
1987 – Nightmare 3 – Freddy lebt (A Nightmare on Elm Street 3: Dream Warriors)
1987 – Harte Männer tanzen nicht (Tough Guys Don't Dance)
1987 – Der stählerne Vorhang (Weeds)
1989 – Seitensprünge (Cousins)
1989 – Schöne Bescherung (National Lampoon's Christmas Vacation)
1989 – Warte bis zum Frühling, Bandini (Wait Until Spring, Bandini)
1990 - Industrial Symphony No. 1: The Dream of the Brokenhearted (TV)
1990 - Der Trost von Fremden (The Comfort of Strangers)
1990 - Wild at Heart
1990 - Calvin Klein: Obsession (TV-Miniserie)
1989/91 – Twin Peaks (30 Episoden)
1992 – On the Air – Voll auf Sendung (TV-Serie, 2 Episoden)
1992 - Cerimònia d'inauguració jocs olímpics Barcelona '92 (TV)
1992 – Twin Peaks – Der Film (Twin Peaks: Fire Walk with Me)
1993 - Hotel Room (TV-Mini-Serie, 3 Episoden)
1993 - Naked in New York
1994 - Witch Hunt (TV)
1995 – Die Stadt der verlorenen Kinder (The City of Lost Children)
1996 - Profiler (TV-Serie, 2 Episoden)
1997 – Immer wieder Fitz (Cracker, TV-Serie)
1997 - The Blood Oranges
1999 - Arlington Road
1999 - Forever Mine
1999 - Holy Smoke!
1999 - Story of a Bad Boy
1999 - The Straight Story
1999 – Forever Mine
2000 - A Piece of Eden
2000 - The Beach
2001 – Diese Liebe (Cet amour-là)
2001 - Julie Johnson
2001 - Mulholland Drive
2001 - Suspended Animation
2002 - Auto Focus
2002 - Cabin Fever
2002 - Darkened Room
2002 – Ein perfektes Leben (L'adversaire)
2002 - Lathe of Heaven (TV)
2002 - Rabbits
2002 - Secretary
2003 – Gefährliche Liebschaften (Les liaisons dangereuses, TV-Mini-Serie)
2003 - Indoor Fireworks
2003 - Murder in Scottsdale (Video)
2003 – Resistance
2004 – Mathilde – Eine große Liebe (A Very Long Engagement)
2004 - Evilenko
2004 - Napola
2004 - Push
2005 - Dominion: Exorcist – Der Anfang des Bösen (Dominion: Prequel to the Exorcist)
2005 - Fahrenheit (Videospiel)
2006 – Wicker Man – Ritual des Bösen (The Wicker Man)
2008 – Edge of Love – Was von der Liebe bleibt (The Edge of Love)
2009 - 44 Inch Chest
2009 - The Wait
2010 - Secrets of Love
2010 – A Woman – Zwischen Liebe und Obsession
2011 – Der Kuss des Schmetterlings (Un baiser papillon)
2012 – Saiten des Lebens (A Late Quartet)
2012 – Moja wola (Dokumentation)
2013 – Stalingrad
2015 – Gold Coast
2016 – The Wait
2017 – Twin Peaks (TV-Serie, 18 Folgen)
2019 – Koi
Playlist:
2. Angelo Badalamenti - Honky Tonk Part 1 (Blue Velvet) - 03:10
3. Angelo Badalamenti - Mysteries of Love (Blue Velvet) - 04:26
4. Angelo Badalamenti - Main Title (Tough Guys Don't Dance) - 03:06
5. Angelo Badalamenti - Trilogy For Godot (Weeds) - 03:33
6. Angelo Badalamenti - Love Theme from ,Cousins' (Cousins) - 03:28
7. Angelo Badalamenti - The Dream House (A Nightmare on Elm Street 3: Dream Warriors) - 02:03
8. Angelo Badalamenti - The Lights Don't Work (National Lampoon's Christmas Vacation) - 01:38
9. Angelo Badalamenti - Days of Passion (Cousins) - 03:59
10. Angelo Badalamenti - Audrey's Dance (Twin Peaks) - 05:17
11. Angelo Badalamenti - Laura Palmer's Theme (Twin Peaks) - 04:52
12. Angelo Badalamenti - Dark Spanish Symphony (Wild at Heart) - 02:36
13. Angelo Badalamenti - Fire Walk With Me [Film Mix] (Twin Peaks: Fire Walk With Me) - 06:47
14. Angelo Badalamenti - Josie and Truman (Twin Peaks: Season 2) - 04:32
15. Angelo Badalamenti - The Chair (Twin Peaks: The Return) - 04:32
16. Angelo Badalamenti - Brain's Birthday (The City of Lost Children) - 03:15
17. Angelo Badalamenti & David Lynch - Dub Driving (Lost Highway) - 03:44
18. Angelo Badalamenti - Lament for Leah (Arlington Road) - 03:52
19. Angelo Badalamenti - Waiting, Reaching, Seeking (Holy Smoke!) - 03:57
20. Angelo Badalamenti - Laurens Walking (The Straight Story) - 04:12
21. Angelo Badalamenti - The Beach Theme [Swim to Island] (The Beach) - 03:25
22. Angelo Badalamenti - Ending/Love Theme (Mulholland Drive) - 05:41
23. Angelo Badalamenti - Feeling Down (Auto Focus) - 03:19
24. Angelo Badalamenti - Elegy for Marguerite (Cet amour-là) - 03:14
25. Angelo Badalamenti - Orchids (Secretary) - 02:41
26. Angelo Badalamenti - Red Love (Cabin Fever) - 03:35
27. Angelo Badalamenti - Katya's Theme (Stalingrad) - 03:37
28. Angelo Badalamenti - Snapshot From Prague (Music For Film and Television) - 04:35
29. Angelo Badalamenti - Love Me (The Edge of Love) - 02:49
30. Angelo Badalamenti - Secret Meeting Note (The Wicker Man) - 03:57
31. Angelo Badalamenti - End Titles (A Very Long Engagement) - 06:54