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Sonntag, 20. Juni 2010

Elliot Goldenthal (Teil 3) - Der erste Academy Award

Elliot Goldenthal, der sich bislang stets unterschiedlicher Filmprojekte angenommen hatte und immer wieder mit außergewöhnlichen, erfrischenden Scores dazu aufwartete, wurde schließlich auch für den dritten Film in der "Batman"-Reihe engagiert, bei dem er zusammen mit Regisseur Joel Schumacher die Rollen von Regisseur Tim Burton, der als Produzent von "Batman Forever" fungierte, und seinem langjährigen musikalischen Begleiter Danny Elfman übernahm.

"Es war gut, dass es ein neuer Regisseur war, ein neues Batmobile, ein neuer Batman, so dass ich nicht mit dem Erbe der anderen beiden Filme insofern konfrontiert wurde, da der Regisseur alles neu haben wollte. Ich denke, Danny Elfman hat großartige Arbeit für Tim Burtons Filme geleistet, aber wir wollten etwas anderes, etwas Neues machen. Meine Umsetzung war recht einfach, weil ich den Film als Comic-Buch-Oper betrachtete. Tommy Lee Jones' Charakter war ein ganz simpler Bösewicht, so dass seine Musik sehr dunkel klang. Für Jim Careys Charakter benutzte ich elektronische Instrumente aus den 50ern und 60ern, um eine nicht zu moderne Musik zu kreieren, weil er für mich etwas aus der Vergangenheit darstellte. Für Batman komponierte ich natürlich eine heroische, aber sehr dunkle Musik."
Tatsächlich ist Goldenthal mit dem Score zu "Batman Forever" (Atlantic) ein weiterer Geniestreich gelungen, bei dem auf komplexe, höchst intelligente Weise großorchestrale Klangschöpfungen mit elektronischen Finessen zu einer vergnüglichen wie aufbrausenden Einheit verschmelzen, die Goldenthals Vorliebe für die Musik von Bernard Herrmann, Phillip Glass und den Einfluss von Richard Wagner auf das Szenario von "Batman Forever" deutlich macht. Das Erbe Wagners kommt schließlich auch in der Titelgebung von Tracks wie "Fledermausmarschmusik" und "Batterdammerung" zum Tragen.
"Ich finde, die deutsche Musik war Mitte bis Ende des 19. Jh. voller heroischer Charaktere. Der Protagonist aus ‘Der Fliegende Holländer’ ähnelt z.B. Batman sehr, indem er sich der Frau zu erkennen gibt, die er liebt; er ist eine sehr dunkle, mysteriöse Persönlichkeit voller Kraft. ‘Batman’ liegt also ein Konzept zugrunde, das ähnlich dem deutschen aus dem 19. Jh. ist. Ich finde, dass Wagner das in seinen frühen Opern sehr gut ausgedrückt hat.
Eine andere Komponente aus den drei ‘Batman’-Filmen, die einen Bezug zu Deutschland aufweist, ist die Ähnlichkeit zu Fritz Langs ‘Metropolis’, das auch eine Art von Gotham City darstellt. Das einzige, was von diesem deutschen Ursprung abweicht, sind die jazzigen Elemente, die mit Jim Careys Rolle und der Stadt an sich zusammenhängen. Amerikanische Städte werden irgendwie mit Jazz assoziiert, Ich bezog mich aber auch auf die Superhelden-Shows im Fernsehen aus den 50ern und 60ern, in denen dieser Sound vorhanden war."
Gerade hat Goldenthal seine Arbeit an einem symphonischen Choralwerk anlässlich des 20. Jahrestages des Vietnamkriegendes (Sony) beendet, das vom Pacific Symphony Orchestra aufgeführt werden wird, um auf musikalische Weise dem menschlichen Leiden durch den Vietnam-Krieg zu gedenken.
"Es ist ein musikalisches Monument, aber völlig unpolitisch, da ich nicht daran interessiert bin, ein politisches Statement über den Krieg abzugeben. Aber es ist sehr persönlich. Der Text enthält Briefe, Korrespondenzen sowohl von den Nord- und Südvietnamesen als auch von den amerikanischen Soldaten. Es ist ein persönliches Statement über die Leiden des Krieges, vor allem nach 1975. Es wird einen vollen Chor, Orchester, elektrische Gitarre (Jimmy Hendrix-Samples) und Solisten enthalten und in Englisch, Latein und Vietnamesisch vorgetragen. Es wird hinsichtlich des Publikums vielleicht das erste Mal sein, dass amerikanische und vietnamesische Kriegsveteranen in einem Raum sitzen werden, um derselben Musik zuzuhören. Das ist noch nie passiert.
Während des Vietnam-Krieges war ich völlig gegen den Krieg. Ich fand es dumm und unglücklich, diesen Krieg anzuzetteln. Wie auch immer, die Soldaten, die diesen Krieg kämpften, waren überwiegend sehr arm, meistens Schwarze. Soldat zu sein, war die einzige Möglichkeit, dem Elend der Stadt zu entkommen. Als die Soldaten zurückkehrten, waren sie nicht willkommen, weil der Krieg unpopulär geworden ist. Viele Soldaten fühlten sich sehr einsam, kehrten sehr verwirrt zurück und wurden drogenabhängig. Es war eine sehr unglückliche Situation für die Amerikaner, die teilweise ihre Arme und Beine, ihre Familien, Frauen und Kinder verloren. Sie hatten nichts. Für die Südvietnamesen konnte nichts schlimmer sein, als langsam ihre Familien und Leben zu verlieren und Stück für Stück zurückgedrängt zu werden. Die Nordvietnamesen wurden mit Napalm bebombt, ihre Leben und das Land wurde von Leuten zerstört, die 6000 Meilen entfernt waren.
Die Gefühle sind auf allen Seiten sehr komplex gewesen, immer noch lebendig, sehr roh. Sie kamen bislang noch nicht zur Ruhe. Wenn Amerikaner und Vietnamesen zur selben Zeit nebeneinander sitzen und derselben Musik zuhören, ist das ein sehr emotionales Erlebnis."
Was Goldenthal an dem Projekt faszinierte, war auch der Umgang mit so unterschiedlichen Kulturen, die Herausforderung, einen Rahmen zu finden, der die Komposition, die Texte und die Bedeutungen vereint. Für das, was Musik für ihn bedeutet, hat Goldenthal auch einen schönen Vergleich parat.
"Ich war 17, als Neil Armstrong auf dem Mond spazierte, auf die Erde schaute und feststellte, wie klein und schön sie aussah, und realisierte, dass nationale Grenzen wirklich dumm sind, dass Musik etwas ist, das wir alle miteinander teilen können. Wir müssen keine schwierige Sprache erlernen, um Musik verstehen zu können. Ein Kind aus Leipzig kann ebenso gut die Rolling Stones lieben wie ein Junge aus Ohio Bach lieben kann.
Es gibt keine Grenzen in der Musik. Es ist schön zu wissen, dass man ohne große Schwierigkeiten fast jede Sprache der Welt sprechen kann, wenn man nur die Ohren für die Musik offenhält. Ich glaube nicht an die Idee einer nationalen Musik. Als Bizet ‘Carmen’ komponierte, bin ich sicher, dass er kein Spanier sein musste. Richard Wagner musste kein Wikinger sein, um die ‘Nibelungen’ zu komponieren. George Gershwin musste kein Schwarzer sein, um ‘Porgy & Bess’ zu schreiben. Musik ist auf eine Weise heilig, dass der Turm zu Babel in der Musik nie existierte, da jeder diese Sprache spricht."
Dennoch scheint es bei Goldenthals Arbeit zu Michael Manns Thriller "Heat" (Warner) verschiedene Meinungen über das gegeben zu haben, was Musik in diesem Fall leisten sollte. Verlief die Arbeit zu "Batman Forever" noch reibungslos, was die Verwendung von Score und Songs anging, so trügt bei "Heat" die stimmig anmutende Symbiose zwischen Goldenthals teils elektronischen, teils orchestralen Score mit markanten Streichern des Kronos Quartetts und scharfen elektrischen Gitarren einerseits und den Songs von Moby, Lisa Gerrard, Passengers u.a. andererseits.
"Es gab insofern Probleme, als ich für die Szenen, in denen Songs eingesetzt werden sollten, ebenfalls Musik geschrieben habe. Es ging um Brian Eno und mich, wobei der Regisseur sich in die Stücke verliebt hat und sie in dem Film einsetzen wollte, obwohl ich schon für die entsprechenden Szenen Musik komponiert hatte. Es war der reinste Zirkus, so dass ich gehen musste. Ich konnte da nicht mehr sein. Ich hatte eine schöne Zeit damit, die Musik zu komponieren, aber als ich ebenso wie andere realisierte, dass der Regisseur willkürliche Entscheidungen traf, verließ ich mit Matthias Gohl das Projekt. Er ging in die Schweiz, ich nach Barbedos."
Mittlerweile haben sich beide von den Aufregungen des "Heat"-Projekts erholt, und Goldenthal durfte wieder für Michael Manns letzten Film „Public Enemies“ musikalisch tätig werden. Aber auch die Zusammenarbeit mit den Regisseuren Neil Jordan und Joel Schumacher fand ihre Fortsetzung. 1996 schrieb Elliot Goldenthal, der gerne für Bertolucci, Sidney Lumet und Jane Campion arbeiten würde, die Musik zu "Michael Collins", Neil Jordans epische Biographie des IRA-Terroristen.
"Michael Collins ist eine sehr wichtige Persönlichkeit für Irland, eine Art Malcolm X oder George Washington. Er war von 1916 bis 1922 der erste Terrorist der IRA und ist für viele Iren ein Held. Für mich bedeutet das eine große Verantwortung“, erzählte mir Goldenthal im Vorfeld der Produktion.
„Natürlich werde ich irische Folk-Elemente integrieren, traditionelle irische Musik, aber auch Vocals, vielleicht Sinead O’Connor oder Enya. Es wird aber auch ein volles Orchester geben, da es ein sehr großer, epischer Film im Stile von ‘Napoleon’ oder ‘Gandhi’ wird.
Nach ‘Michael Collins’ folgt ‘Time To Kill’, ein Film von Joel Schumacher. Und dann gibt’s es einen weiteren ‘Batman’-Film, 1997. Die Hälfte des Materials dafür ist praktisch schon fertig, das Batman-Theme, das Batmobile-Theme, insofern hoffe ich, dass der nächste Film einfacher wird."

Nach seinen furiosen Arbeiten für die „Batman“-Reihe sorgte auch die Computerspiel-Verfilmung „Final Fantasy: Die Mächte in dir“ im Jahre 2001 für Lobeshymnen, ehe Goldenthal ein Jahr später für die stimmungsvolle Musik zum Biopic „Frida“ mit dem Oscar ausgezeichnet wurde.
„Für ‚Frida‘ habe ich versucht, die Musik mit einer melodischen Intimität zu versehen, also mit Melodien oder Harmonien im Gegensatz zu motivischen Fragmenten zu arbeiten. Um eine zusätzliche Intimität zu erreichen, habe ich ein kleines Ensemble mit akustischen Instrumenten gewählt: die kleine mexikanische Gitarre (Vihuela), die normale klassische Gitarre, mexikanische Bass-Gitarre (Guitarron), Akkordeon, mexikanische Harfe, Marimba und Glasharmonika (eine Erfindung von Benjamin Franklin). Ich fand, dass die Gitarren die ganze Bandbreite an Lyrizismus und Percussion lieferten, die ich benötigte“, beschrieb der Komponist in den Liner Notes zum Soundtrack „Frida“.
„Mexikanische Musik kann nicht generalisiert werden, sie variiert extrem von einer Region zur nächsten, aber in ihrer folkloristischen Musik ist ein gewisser harmonischer Fingerabdruck zu erkennen, ein Gebrauch von fortlaufenden Dritteln und eine stolze Vermeidung überkomplexer Harmonien. Ich dachte, wenn ich dieser essenziellen harmonischen Signatur folge und meinen Melodien treu bleibe, wird mich der Film einladen.
Ein anderer extrem wichtiger Aspekt des gesamten Scores ist der Song. Songs findet man überall in Mexiko, du wirst angesungen und man erwartet von dir zu singen. In den Fiestasm auf den Seen, in den Feldern, in den Hinterhöfen, unter den Fenstern von Liebenden, auf den Friedhöfen, auf Hochzeiten – Mexiko singt. Diese traditionellen und regionalen Songs scheinen wunderbar neben den letzten romantischen Boleros und experimentellen Pop leben zu können.“

Filmographie
1979 Blank Generation
1989 Drugstore Cowboy
1989 Pet Semetary
1989 Criminal Justice
1992 Alien 3
1992 Grand Isle
1993 Demolition Man
1993 Golden Gate
1994 Cobb
1994 Interview with the Vampire
1995 Heat
1995 Voices
1995 Batman Forever
1996 Michael Collins
1996 A Time To Kill
1997 Batman and Robin
1998 The Butcher Boy
1998 Sphere
1999 In Dreams
2000 Titus
2001 Final Fantasy
2002 The Good Thief
2002 Frida
2003 S.W.A.T.
2007 Across The Universe
2009 Public Enemies
2010 The Tempest

Playlist # 35 vom 20.06.10 - ELLIOT GOLDENTHAL Special

1 Elliot Goldenthal - Heat (Heat) - 07:38
2 Elliot Goldenthal - To The Micmac Grounds (Pet Sematary) - 02:45
3 Elliot Goldenthal - The Woman Cries (Golden Gate) - 03:34
4 Elliot Goldenthal - The Kiss (Final Fantasy) - 04:14
5 Elliot Goldenthal - Tracking Simon Phoenix (Demolition Man) - 03:03
6 Elliot Goldenthal - Andante (Sphere) - 02:20
7 Elliot Goldenthal - Elegy Ostinato (In Dreams) - 04:07
8 Elliot Goldenthal - Libera Me (Interview With The Vampire) - 02:47
9 Elliot Goldenthal - Funeral/Coda (Michael Collins) - 04:33
10 Elliot Goldenthal - Lento (Alien3) - 05:48
11 Elliot Goldenthal - The Journey (Frida) - 02:55
12 Elliot Goldenthal - AK-47 Scherzo (S.W.A.T.) - 03:42
13 Elliot Goldenthal - Redemption Rehearsal (The Good Thief) - 08:38

Sonntag, 6. Juni 2010

Christopher Young (Teil 1) - Ein Trip in die Hölle

Wenn man in Hollywood nach Komponisten sucht, die über traditionelle Filmmusikmuster hinaus auch Elemente der sogenannten Neuen Musik in ihre Werke zu integrieren wissen, wird man unter Umständen gewaltige Anstrengungen unternehmen müssen, aber auf jeden Fall neben Elliot Goldenthal auch auf Christopher Young stoßen, der bereits eine über 20-jährige Karriere hinter sich hat, die ihn über unzählige Low-Budget-Horror- und Psychothriller ("The Vagrant", "The Fly II", "Nightmare On Elm Street II", "Hellraiser", "Hellbound") und erfolgreiche Thriller wie „Jennifer 8“ und „Copycat“ in den letzten Jahren zu größeren Produktionen wie "Ghost Rider" und „Spider-Man 3" geführt hat.

Dabei hat Chris Young eine grundsolide klassische Musikausbildung genossen und oft genug bewiesen, dass er für alle Filmgenres die passende Musik komponieren kann. Ursprünglich wollte er klassischer und Jazz-Percussionspieler werden, wurde aber bald so von Melodie und Harmonie fasziniert, dass er mit dem Schreiben begann. Durch eine Platte von Bernard Herrmann zu Ray-Harryhausen-Filmen fing er an, sich für die Verbindung von Bild und Musik zu begeistern.
„Als ich die Entscheidung traf, in die Filmmusik zu gehen, richtete ich all meine Energien in diese Richtung. Ich ging an die U.C.L.A. (University of California at Los Angeles), wo ich mit David Raksin an studentischen Filmprojekten arbeitete. Bevor ich nach L.A. zog, studierte ich Komposition und widmete der Filmmusik viel Aufmerksamkeit. Zu jener Zeit waren Filme noch nicht auf Video erhältlich, also musste ich, um wiederholt die Musik zu den Bildern hören zu können, einen Taperecorder an den Fernseher anschließen und die Musik direkt vom Fernseher aufnehmen. Das hörte ich mir wieder und wieder an, um festzustellen, wie Musik und Bild mit den Dialogen in Verbindung stehen. Ich lernte viel von den Audiocassetten der Soundtracks. Mit all diesen imaginären Szenen von nicht existierenden Filmen versuchte ich so visuell wie möglich zu sein, ohne irgendeine Geschichte zu schreiben.“
An der U.C.L.A. wurde er natürlich bald mit konkreten Filmen konfrontiert und den besonderen Umständen, unter denen Filmemacherstudenten Komponisten für ihre Projekte anheuerten. Denn damals gab es noch keine Synthi-Studio-Set-ups, so dass die engagierten Komponisten instrumentell denken und schreiben mussten.
„Heutzutage sind die Regisseure von Studentenfilmen Regisseure von Whole-Budget-Filmen und sie wissen, dass sie die Musik für einen Film quasi für nichts bekommen können, da es in einer Situation mit voll ausgerüsteten Studios nichts kostet, Material aufzunehmen.
Als ich an der U.C.L.A. war, machte ich für mich selbst Synthesizermusik, aber alle Scores, die ich für Studentenfilme schrieb, einschließlich der beiden, die ausgearbeitet wurden, als ich noch an der Uni war, wurden für ein volles Orchester geschrieben. Meine Methode hat sich nicht wesentlich geändert. Ich arbeite um auf Synthis basierenden Scores herum.
Da ich kein Keyboarder bin, sitze ich nicht vor dem Videomonitor und spiele die Musik zu den laufenden Bildern. Ich arbeite sie aus, miete Zeit in einem Aufnahmestudio und nehme die Musik wie ein Popalbum auf.“
Dass Christopher Young bislang bevorzugt an Horror- und Science-Fiction-Filmen gearbeitet hat, liegt einerseits an seiner persönlichen Vorliebe für phantastische Geschichten, aber auch an den außergewöhnlichen musikalischen Möglichkeiten, die das Genre der Phantastik einem Komponisten bietet.
„Horrorfilme sind für mich mit einer Hassliebe verbunden. Ich bin von der Spannung der Musik in Verbindung mit Bildern fasziniert, die mein ursprüngliches Gefühl von Angst anspricht, das die menschliche Psyche seit Anbeginn der Zeit beherrscht. Als ich jünger war, hatte ich Stars in der Musik und im Horror-Genre, seien es Filmpersönlichkeiten, Schauspieler, Bela Lugosi, Boris Karloff, oder Schriftsteller. Halloween waren neben Weihnachten immer meine Lieblingsferien gewesen. Die ganze Atmosphäre, die umliegende Aura, der Mystizismus, das Unbekannte - all diese Dinge haben mich immer fasziniert. Wo immer mir in einem Film die Möglichkeit gegeben wird, dieses zu erforschen, versuche ich mein möglichstes. Zusammen mit der Tatsache, dass ich sehr mit der Musik des 20. Jahrhunderts verbunden bin, mit der Avantgarde- und Experimentalmusik, verstärkt meine Faszination für dunkle Themen diese Parameter der Angst, die andere Filme bezüglich der dunklen Aspekte nicht bieten. Meine Unzufriedenheit bei der Arbeit in diesem Genre hängt damit zusammen, dass viele der heutigen Horrorfilme einfach schlecht sind. Es scheint eine Obsession für den Boogeyman und Mutanten zu geben. Meine liebsten Horrorfilme waren diejenigen, die in manchen Fällen keine Horrorfilme waren, in denen etwas nie zu sehen ist, Fragen, die aufgeworfen, aber nie beantwortet werden. Dinge, die erscheinen, aber nicht erklärt werden. Stimmungen, die geschaffen, aber nicht aufgelöst werden. Ein Film wie `The Haunting´ benötigt mehr als das Auge; da geht etwas hinter der Leinwand vor, etwas Unaussprechliches. Für mich ist es faszinierend zu versuchen, das in Musik einzufangen, was unsichtbar ist.“
Chris Young hat in den frühen 80ern stets erfolgreich versucht, den Schrecken, den uns das Unsichtbare einjagt, auf vielfältigste, höchst experimentelle Weise musikalisch umzusetzen. Vor allem bei der atonal-percussiven Musik zu „The Vagrant“ (Intrada) und dem verworfenen Score zu Tobe Hoopers 86er Remake von „Invasion vom Mars“ (Cinerama), Youngs erstem Synthi-Score, wurde deutlich, wie seine Liebe zur musique concrète in eine mit gregorianischen Chorälen durchsetzte Avantgarde-Musik einfloss. Für Hooper war diese ungewöhnliche Musik doch zu viel des Guten, so dass er Young eine neue, gefälligere Musik in Auftrag gab.
„Eins steht fest: Atonalität ist nicht etwas, für das die meisten Leute eine Karte kaufen würden, um diese Musik in einem Konzert zu hören. Konzerte mit atonaler Musik, orchestraler, atonaler Musik sind nicht etwas, das die Leute interessiert.
Dennoch gibt es in Filmen, vor allem Horrorfilmen, Momente, in denen man in der Lage ist, in das Gebiet von Soundmasses vorzudringen, wobei der Mangel an Tonalität die dramatische Stimmung kreiert, die der Film benötigt. Das Publikum wird darauf reagieren, weil es das unterstützt, was es sieht. Ein Publikum aus den gleichen Leuten, die kein Geld für ein Ticket für ein atonales Konzert ausgeben würden, hätte keine Probleme, dasselbe Stück Musik, wenn es dafür geeignet ist, in einer Filmszene zu hören, gerade in Szenen von Thrillern, von Horror- und übernatürlichen Filmen. Der erste Film, bei dem ich versuchte, wirklich die Dinge auszudehnen und mich völlig von der Melodie zu entfernen, wo ich total in eine an elektronische Soundmasses-orientierte Welt eintauchte, war `Invaders From Mars´.
Und das war der erste Score von mir, der herausgeschmissen wurde. Daraus lernte ich eine Lektion:
Die Leute, die dich beschäftigen, möchten innerhalb abgesprochener Konventionen arbeiten. Wenn man darangeht, Melodien zu vermeiden, sollte man besser einen verdammt guten Grund dafür haben. Man sollte es besser durchdenken und den Regisseur oder Produzenten vorwarnen, was man exakt zu tun beabsichtigt, weil Melodien etwas sind, mit denen sich jeder identifizieren kann. Wenn du keine Melodie benutzt, dich in die Atonalität, in Soundmasses oder was auch immer hineinbewegst, erfordert es das Vertrauen des Regisseurs und des Produzenten in die Möglichkeiten nicht tonalen Materials, mit dem man das erreichen kann, was in der gleichen Szene tonale Musik nicht leisten würde. 
Alle Horrorregisseure, mit denen ich bislang zusammengearbeitet habe, ausgenommen einer, meinten, dass die Momente, in denen ich atonales Material benutzte, wundervoll waren. Es ist immer ein Gleichgewicht vorhanden. `The Fly II´ hatte Melodien. Der Main Title war melodisch. Das war ein Thema, das das Publikum mit etwas in Zusammenhang bringen konnte. Ich habe so dem Publikum erlaubt, an den Konventionen teilzuhaben, in denen es sich am wohlsten fühlt. In den Momenten dann, wenn die Fliege erscheint, durfte ich mich von der Melodie entfernen, wenn ich glaubte, dass es die beste Möglichkeit wäre, um den Horror zu erzeugen, der benötigt wurde. Im Falle von `Invaders From Mars´ vermied ich Melodien völlig und experimentierte stark mit seltsamen Sounds, was wirklich eine Collage von hochgradig unmusikalischen Sounds war. Ich liebe es immer noch, experimentell zu sein, und wenn ich die Möglichkeit dazu habe, nutze ich sie auch. `Invaders From Mars´ war sicherlich derjenige Score, mit dem ich am ehesten die andere Welt in mir erforschte. Ich hoffe, dass ich auch in Zukunft die Möglichkeit bekomme, in dieses Gebiet einzutauchen, auch wenn es sich vielleicht nur auf nicht-filmische Musik bezieht.“
Bei den folgenden Horror-Scores versuchte Young, eine Verbindung zwischen Melodie und atonalen Elementen zu finden, und gerade die Musik zu den beiden „Hellraiser“-Filmen demonstrierte eindrucksvoll, wie der Zuschauer durch die Intensität, mit der die Musik die Wirkung der Bilder verstärkt, in die Filmrealität involviert wird.
„Horrorfilme handeln von den irrationalen Zuständen des Verstandes. Irrationale Leute tun irrationale Dinge in irrationalen Filmen auf eine extrem dramatische Weise. Viele der Horrorfilme, die ich gemacht habe, vor allem Clive Barkers Filme, haben ein sonderbares Publikum, das einen Trip zur Hölle nimmt, wie ihn sich der Regisseur ausdenkt.
Es ist immer meine Philosophie gewesen, dass die Hölle keine Melodie kennt. Ich nehme an - und natürlich bete ich-, dass ich nie die Gelegenheit haben werde, einen Trip zur Hölle zu nehmen.
Nichtsdestotrotz habe ich den Verdacht, dass eine Melodie, die jemanden in die Hölle begleitet, aufhört, wenn er die Hölle betritt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Hölle, falls sie existiert, von tonalen Ideen umgeben ist. Wenn ich in Filmen die Gelegenheit habe, eine große Vielfalt an musikalischen Begriffen zu verwenden, tendiere ich bei Szenen, die in der Hölle spielen, die mit Monstern zu tun haben, dazu, in die Atonalität abzuschweifen. Ich denke, es ist auch mein Job, das Kinopublikum in diesen Szenen hinabzustoßen. Es gibt immer wieder sehr viele Möglichkeiten für mich, um mit atonalen Elementen diese Stimmung hervorzurufen. Wenn man damit in den passenden Momenten richtig umgeht, kann man sicher sein, dass ihnen die Szene angst macht.“
Vor allem der Einsatz elektronischen Instrumentariums ermöglicht es dem versierten Komponisten, die Horrorszenarien adäquat zu illustrieren. Doch nicht nur im Horror-Genre, wo sich der Synthesizer längst etabliert hat, setzt Young elektronisches Equipment ein, auch Romantic- oder Action-Thriller wie „Haunted Summer“ (Silva Screen), „Rapid Fire“ (Varese Sarabande) oder „Dream Lover“ (Koch) versah er mit Synthi-Scores.
„Ich war immer von den Möglichkeiten angetan, die elektronische Musik bietet, gerade das Öffnen von solchen Türen zu Dingen, die nicht mit akustischen Instrumenten ausgedrückt werden können. Ich bevorzuge es, elektronische Musik in Situationen zu verwenden, wo ich in der Lage bin, die Tonalität zu verlassen. Das sind meine liebsten Momente, weil ich glaube, dass der Gebrauch von elektronischer Musik in diesen Momenten weniger mit der populären Handhabung von Musik verbunden ist. Wenn ich mit Synthesizern an tonalem Material arbeite, wie ich es für `Haunted Summer´, `Rapid Fire´ oder `Dream Lover´ gemacht habe, die auf Synthesizern basierende Scores sind, ist die Tonalität sehr stark mit dieser Art von New-Age-Kultur verbunden. Sie sprechen definitiv ein größeres Publikum an, nichtsdestotrotz vermute ich, dass ihre vielleicht zu reinen Strukturen in zwanzig Jahren überholt sein werden. Das ist meine größte Angst bei der Anwendung von elektronischer Musik in Filmen. Es ist sehr modern heutzutage, aber morgen völlig überlebt. Versteh´ mich nicht falsch: Ich liebe elektronische Musik, und du kannst in meinen Horrorfilmen sehen, dass es Momente gibt, bei denen ich mir erlaubt habe, tief in die Dunkelheit einzutauchen.“
Die tiefsten Abgründe hat Young sicherlich mit Clive Barker kennengelernt, der bereits als Schriftsteller („Die Bücher des Blutes“) großen Erfolg hatte und als „Zukunft des Horrors“ (Stephen King) betrachtet wurde, ehe er sich auch als Regisseur versuchte.
„Clive war natürlich nicht mein erster Horror-Regisseur, mit dem ich gearbeitet habe, aber es war sein erster Film und er hatte bereits eine sehr erfolgreiche Schriftstellerkarriere hinter sich. Ich kannte seinen Horror-Hintergrund, habe einige seiner Bücher gelesen und fühlte auf jeden Fall eine Verwandtschaft mit ihm. Das war, bevor ich den Film gesehen habe. Ich habe mich immer danach gesehnt, mit jemandem zu arbeiten, der mit meiner Philosophie von Horror übereinstimmt, der das Genre ernst nimmt.
Gerade in den 80ern, nach den Erfolgen der `Nightmare on Elm Street´-, `Halloween´- und `Freitag der 13.´-Serien, dachten viele junge Regisseure, dass sie mit ihren low-budget-Horrorfilmen zur Industrie gehen konnten, da es zu jener Zeit ein starkes Interesse an diesem Genre gab. Leute würden Geld investieren, weil es profitable Filme sind, aber ich glaube, dass sich viele Regisseure an den Zug hängen, ohne wirklich an dem Genre zu hängen. Ich bin fest davon überzeugt, dass man sofort die Leute aufzählen kann, die eine wirkliche Leidenschaft für das Genre besitzen, und diejenigen, die das nicht tun. Ich habe immer darauf gehofft, mit Leuten zu arbeiten, die eine ursprüngliche Leidenschaft für das Horror-Genre mitbringen, für einen Regisseur, für den Horror eine kräftig atmende Sache ist. Aus diesem Grund fand ich es aufregend, für Clive zu arbeiten. Wir führten sehr gute Diskussionen und hatten großen Respekt voreinander."
Was den "Hellraiser"-Score (Silva Screen) so auszeichnet, ist sein äußerst melodiöses Thema, das nur gelegentlich von wirklich schaurigen Sequenzen kontrastiert wird.
"Clive war von der Idee sehr angetan, ein simples Thema in den Köpfen des Publikums festzusetzen. Es gibt nur einige wenige bemerkenswerte Melodien in `Hellraiser´, aber sie erscheinen zusammen mit der Puzzle Box und am deutlichsten, als sich die Wände öffnen, wenn Frank wiederauferstanden ist. Clive glaubt - und ich denke, das ist ein tolles Konzept für den Film, weil es sehr gut funktioniert -, dass man das Publikum mit einem sehr einfachen, eingängigen und unvergesslichen Thema packen und verführen muss, dass es sich nach dem sehnt, was die Hölle anzubieten hat. Die Musikbox-Themen sind in einer Weise konzipiert, dass sie spontan erkannt und leicht gepfiffen und wiederholt werden können. Als ich an dieser Szene arbeitete, hatte ich sofort das Musikbox-Thema im Kopf; die ursprüngliche Orchestration dafür war das Jingle Jangle der Musikbox. Ich konnte das Thema entwickeln, dass es rearrangiert, orchestriert und auf eine Weise transformiert und vom Orchester aufgegriffen werden konnte. Ich hätte dieses Thema vielleicht öfter im `Hellraiser´-Film eingesetzt, wenn ich davon mehr überzeugt gewesen wäre, aber ich zweifle ständig an mir selbst. Wenn ich etwas schreibe, denke ich, dass es nicht gut genug ist. Das Verlangen nach einem simplen, fesselnden, leicht erkennbaren Thema entsprang Clives Philosophie, dass es der beste Weg wäre, das Publikum so zu fesseln, dass es sich selbst in dem Film glaubt und von der Idee gefesselt ist, von den Wundern der großartigen Kreaturen verführt zu werden, die Hölle zu betreten. Einmal hat er gesagt, dass er hoffe, dass die Musik, wenn sie erst einmal in den Köpfen der Leute ist, nicht mehr loszuwerden ist."

Christopher Young (Teil 2) - Mit Blitz und Donner zum Erfolg

Mit der 1989 von Tony Randel gedrehten Fortsetzung "Hellbound" (Crescendo) übertraf sich Young einmal selbst, setzte doppelt so viele Bläser wie üblich und einen kraftvollen Chor ein, variierte sowohl die Themen des Scores als auch generell die Texturen und Instrumentation, ließ den atonalen Elementen mehr Raum zur Entfaltung und schuf einen der wohl beeindruckendsten Horrorscores überhaupt.

"Es war eine gewaltige Herausforderung für mich, mich mit meiner eigenen Arbeit in einer Fortsetzung auseinanderzusetzen. Ehrlich gesagt graute mir davor. Ich habe das vorher noch nie gemacht.
In der jüngeren Filmgeschichte gibt es zwei oder drei ernst zu nehmende Beispiele dafür, wie man damit erfolgreich umgehen kann, wie man sich innerhalb von drei Filmen und sein Material erfolgreich weiterentwickeln kann: Jerry Goldsmith´ `Omen´-, John Williams´ `Star Wars´- und `Indiana Jones´-Trilogien. Das sind Vorzeigemodelle, großartige Beispiele dafür, dass sich Komponisten nicht selbst wiederholen. Sie bewegen sich in dem nächsten Film weiter, sie betrachten die Herausforderung, um sich zu steigern, was sie auch erfolgreich taten.
Meine größte Angst bei `Hellbound´ war: Ich wusste, dass sie mit `Hellraiser´zufrieden waren; die Frage, die ich mir stellte, war, ob ich es diesmal besser machen konnte. Zunächst wollte ich sicherstellen, dass sie das Geld hatten, um mir zu ermöglichen, es besser zu machen als beim ersten Mal. Ich wollte sicherstellen, dass der Score größer und eindrucksvoller wurde als der erste.
Tony Randel und ich sprachen sofort über die Idee, Chöre zu integrieren. Das würde mehr Geld kosten. Wenn sie den Score größer und besser als den ersten haben wollten, mussten sie das Geld haben, um dies zu ermöglichen. Hätten sie es nicht gehabt, wäre es für mich unmöglich gewesen, weiter an der Serie zu arbeiten, weil es eine Sache gab, die ich auf keinen Fall gemacht hätte, und zwar mit einem Score aufzuwarten, der offensichtlich weniger zu bieten hatte als der erste. Ich hätte den Score zu `Hellraiser III´ gemacht, wenn sie das Geld dafür gehabt hätten. Ich wußte, dass sie es nicht hatten. Da war nichts zu machen. Es hätte mich unglücklich gemacht, für `Hellraiser III´ einen Score zu produzieren, der weniger erfolgreich als die ersten beiden gewesen wäre.
Es gab eine Herausforderung für den zweiten Film. Er war sicherlich brutaler, dramatischer und hatte mehr Special Effects. Der erste Film war sehr persönlich, spielte innerhalb einer Familie. Im zweiten gab es mehr Charaktere. Das Thema spielte sich auf einer größeren Ebene ab. Meine Aufgabe bestand darin, für Blitz und Donner zu sorgen. Die letzte Einstellung des ersten Films war Blitz und Donner. Es gibt verschiedene Momente der Intimität. Es war in vielerlei Hinsicht die Erfüllung eines Traums. Letztlich hatte ich die Möglichkeit, all den Krach zu machen, auf den ich Lust hatte, ohne mich deshalb zu sorgen. Für mich war es eine Möglichkeit, Blitz und Donner zu erreichen wie es Bernard Herrmann in seinen besten Momenten konnte.
`Hellbound´ beginnt mit einer Collage aus Szenen des ersten Films. Was sie dafür aussuchten, war, den Score vom originalen `Hellraiser´-Film zu benutzen, eine Collage von zwei oder drei Cues des ersten Films, die in Mono abgemischt wurden.
Dann beginnt der Main Title der Fortsetzung `Hellbound´. Tony meinte, er wollte ihn gewaltig haben, so dass das Publikum sofort weiß, dass es von nun an Zeuge einer neuen, besseren Version von `Hellraiser´ ist. Mit acht Bläsern und einer Vielzahl von Percussions in Stereo wird diese intensive, dramatische Stimmung erzeugt. Der Grundbeat des Main Titles und dessen erste Note bestimmen den Ton des ganzen Films.
Durch die Arbeit mit dem Chor erfüllte sich ein Traum. Das wollte ich schon immer mal machen.
Ich sang in einem Knabenchor, was mein erstes musikalisches Erlebnis war, an das ich mich erinnern kann. Ich lernte viel von diesen Sonntagen und Proben, die ich in der Kirche verbrachte. Ich lernte viel über die Stimmenführung, Harmonie und Melodie. Es gibt dort großartige Melodien."
1988 wurde Chris Young nach "Hellbound" für eine weitere größere Horror-Produktion engagiert, nämlich für das Sequel des 86er Cronenberg-Films "Die Fliege". Chris Walas, der für seine Special Effects in dem auch von der Kritik gefeierten Horrorwerk mit einem Oscar ausgezeichnet wurde, übernahm bei "Die Fliege II" (Varese Sarabande) die Regie und heuerte Chris Young für die Musik an.
"Für mich war es ziemlich aufregend, dass Chris Walas mich als Komponist für `Die Fliege II´ ausgewählt hat. Für den ersten Film hatte Howard Shore die Musik geschrieben. Chris Walas bekam einen Oscar für seine Special Effects in 'Die Fliege', der von Mel Brooks produziert wurde. Der erste Film war ein sehr erfolgreicher Film; es war einer der wenigen Horrorfilme, den die Oscar-Academy ernst nahm, was alle drei oder vier Jahre passiert. Ich war also wirklich aufgeregt, als Chris meinte, er sei an mir interessiert.
Ich dachte, für eine Fortsetzung von `Die Fliege´ sollte man einen großen Komponisten nehmen. Sie hätten wieder auf Howard Shore zurückgreifen oder Jerry Goldsmith fragen sollen. Die meisten Komponisten bekommen ihre Jobs wegen ihrer Credits. Wenn du einen guten Credit hast, wirst du noch einen guten Credit bekommen. Oft werden Komponisten häufiger engagiert, die gute Credits aufweisen. Ich will damit nicht sagen, dass Leute mit guten Credits ihre Arbeit nicht gut machen würden. Ich sage nur, dass ich zu jener Zeit keine herausragenden Credits hatte, die mich für diesen Film prädestiniert hätten. Ich hatte vorher vielleicht vier, fünf Horrorfilme gemacht, war gerade mit `Hellbound´ fertig, aber nie an einem herausragenden Horrorfilm beteiligt, weder an `Alien´ noch an einem anderen, der zu jener Zeit Furore gemacht hat. 
Chris hat mich engagiert, weil er das mochte, was er von mir gehört hatte. Das hat mich dazu angestachelt, das Beste für den Film, das ich für Chris tun konnte, herauszuholen. Chris riskierte ziemlich viel, indem er sich für jemanden entschied, an den das Studio nicht gedacht hätte. Es war sein erster Film, und er war nicht geneigt, mit einem Starkomponisten anzukommen, um abzusichern, dass er die richtigen Namen hatte, die mit einem großen Film in Verbindung gebracht werden. Ich bin ziemlich sicher, dass er mit dem Ergebnis zufrieden war, weil er mich für seinen nächsten Film `The Vagrant´ anheuerte."
Obwohl Young nach diesen beiden Erfolgserlebnissen über mangelnde Beschäftigung nicht klagen konnte, wurde er zunächst weiterhin nur für B-Filme engagiert, u.a. für "Hider In The House", "Flowers In The Attic" (beide 1990) und "Bright Angel" (1991, alle Intrada).
Erst mit der Verfilmung des Stephen-King-Bestsellers "The Dark Half" (Varese Sarabande) von George A. Romero rückte Young wieder in das Licht einer größeren Öffentlichkeit.
"Für George Romero zu arbeiten, war die Erfüllung eines Traums. Ich war mir seiner Arbeit sehr bewusst und wollte schon immer an einem Romero-Film arbeiten.
Nachdem er `Creepshow´ gemacht hatte, gab er in einem Buch- und Postershop in Hollywood eine Autogrammstunde, zu der er mit dem Komponisten von `Creepshow´ erschienen war. Ich bin dort hingegangen, nur um im selben Raum mit diesem Mann zu sein. Ich finde, er ist einer der wahren Meister, deshalb genoss ich die Erfahrung und hoffe, wieder mit ihm zusammen arbeiten zu können. Er ist ein sehr interessanter Typ. Ich war mir seines Films bewusst und wollte ihm ein Demo schicken. Es gibt eine 18minütige Suite auf der `Hider In The House´-CD. Ich nahm es auf Cassette auf und dachte, dass das, nachdem ich das Skript gelesen hatte, genau die Musik wäre, die der Film benötigen würde, so dass ich das Stück `The-Dark-Half-Suite´ nannte. Eine Woche, nachdem ich ihm das Tape geschickt und er die 18minütige Suite gehört hatte, glaubte er, dass die Musik genau diejenige wäre, die der Film brauchte. Ich glaube, er war etwas sprachlos, als er herausfand, dass sie bereits zu einem anderen Film gehörte."
Nicht nur bei "The Dark Half" wurde die Musik erheblich von den Vorstellungen des Regisseurs geprägt. Young musste immer wieder feststellen, dass er ohne die Instruktionen der Regisseure oftmals ganz anders an die Musik herangegangen wäre, als er sie letztlich komponiert hat.
"Die Vorstellung des Regisseurs davon, was musikalisch benötigt wird, spielt eine wichtige Rolle bei der Entstehung des Films. Ich muss sagen, dass viel von dem Erfolg, den ich mit einigen Scores gehabt habe, den Regisseuren verdankt werden muss. Zum Beispiel muss ich sagen, dass der dramatischste Einfluss, den ein Regisseur auf mich ausgeübt hat, bei `Haunted Summer´ zum Tragen kam. Ivan Passers Periodenfilm spielt in der Schweiz an dem Wochenende, das Percy und Mary Shelley mit Byron verbringen. `Haunted Summer´ handelt von der Beziehung zwischen den drei Dichtern.
Es ist ein Beziehungsfilm, und die Geschichte um die Entstehung von `Frankenstein´ spielt eine wichtige Rolle in dem Film. Der Regisseur wusste sehr genau, was er wollte, nämlich einen Synthi-Score mit New-Age-Elementen. Um ehrlich zu sein: Als ich den Film sah, hätte ich nicht in einer Million Jahren daran gedacht, dass dies der beste Weg wäre, um mit dem Film zu harmonieren, aber das war, was er wollte. Er wusste in seiner Vorstellung, dass dies die geeignete Musik zu seinem Film sein würde. Das ist merkwürdig, weil der Film sein bestes versucht, der Zeit, in der der Film spielt, in allen Aspekten gerecht zu werden. Die Musik stellt die einzige Ausnahme dar. Aber hier ist noch ein Beispiel: In `Hellraiser´ gibt es diese Auferstehungswände, die sich auftun, als Frank ins Leben zurückgebracht wird. Ohne Clives Anweisung hätte ich wahrscheinlich etwas wirklich Schreckliches gemacht, aber er entwickelte die Idee, etwas Schönes daraus zu machen.
Er wollte nicht, dass es fürchterlich klingt. Es sollte etwas Schönes darin sein, etwas, das ich mit der Schönheit Julias und dem in Zusammenhang brachte, was geschah. Clive regte aber die Idee an, es mit den Wänden zu assoziieren, so dass die Wände auf drastische Weise mit dem eingängigsten, am meisten ausgearbeiteten Thema des ganzen Films belegt sind. Es gibt andere Beispiele. Die Interaktion zwischen dem Regisseur und mir führt den Score stets auf einen Kurs, den er möglicherweise nicht nehmen würde, wenn ich nicht den Dialog mit dem Regisseur hätte.
Die Regisseure sind zu dem Zeitpunkt, an dem ich involviert werde, die einzigen Personen, die mehr über den Film wissen als jeder andere. Man muss ein gewisses Maß an Glauben und Verständnis besitzen, auch wenn sie nicht über das musikalische Vokabular verfügen. Sie kennen ihren Film sehr genau. Häufig sind die Absichten, die sie haben, auf der Leinwand nicht zu erkennen. Was man sieht und was es beschreibt, was sich im Subtext von dem abspielt, was man sieht, ist etwas anderes, als wenn man sich nur den Film an sich ansehen würde."
Die überschäumende Kreativität von Christopher Young, dessen Soundtrackarbeiten neben den Full-Time-Soundtracks auch auf zwei wundervollen Intrada-Compilations - "Cinema Septet" und "Def-Con 4" - veröffentlicht wurden, lässt sich offensichtlich nicht allein in der Filmmusik verarbeiten. Um die starren Konventionen des Hollywood-Systems zu sprengen, widmet sich Young zunehmend der Konzertmusik.
"Wenn man an Filmen arbeitet, bedingt das Medium die Ideen; es ist etwas, das man sieht, es ist ein Film. In der Konzertmusik hat man die Möglichkeit, auf eine Weise zu experimentieren, wie man es im Film nur im Ansatz tun, aber nicht wirklich großartig im Detail ausführen kann, weil man sich an die Dauer der jeweiligen Szene, für die man zu experimentieren versucht, orientieren muss. Bei Filmen hat man mit einem kompletten Set von Bildern zu tun, dessen Stoff bereits definiert ist. Deshalb hat sich die Musik natürlich an die Natur des Films und seine Geschichte zu orientieren.
Es gibt einige bestimmte Erfordernisse, die mit der Natur des Films zusammenhängen. Bevor man zum Schreiben ansetzt, weiß man, dass man bestimmte Sachen nicht tun kann.
Zusätzlich hat man natürlich auf den Kern der jeweiligen Szene zu achten. Die Szene hat eine bestimmte Länge, also kann der Cue nur so lange dauern. In dieser Zeit hat der Cue bestimmte Dinge zu leisten. Es ist wie die Lösung eines Puzzles. Man hat eine Szene vorliegen, für die man versuchen muss, sie auf eine Weise dramatisch hervorzuheben, ohne dass die Musik zu viel Aufmerksamkeit auf sich zieht, was erfolgreich innerhalb der vorgegebenen Grenzen, den Schnitten und Längen der Szenen, sein muss.
Ein anderer Aspekt der Konzertmusik, der sich erheblich von der Arbeit an Filmen unterscheidet, ist die Möglichkeit, das Material über einen längeren Zeitraum zu bearbeiten. Wenn man allerdings über so lange Zeit hinweg an so vielen Filmen gearbeitet hat, ist es schwierig, sich auf Konzertmusik einzustellen, wo man nicht die visuelle Stimulation zur Verfügung hat.
Filmkomponisten arbeiten unter einem ungeheuren Druck. Sie haben einen Film vor sich, der eine bestimmte Geschichte zum Inhalt hat, und die Musik muss in so vielen Details ausgearbeitet werden, dass man sich quasi Fesseln anlegt. Wenn ich an Konzertmusik arbeite, bin ich keinerlei Beschränkungen unterworfen. Es ist ein mehr oder weniger offenes Territorium. Es gibt so vieles, was ich tun möchte, das ich mit Filmmusik nicht machen kann. Es gab eine Zeit, als ich noch jünger und Student war, wo ich Stücke schreiben konnte, weil ich einfach Lust dazu hatte.
Natürlich gab es viele Stücke, die ich in den Kursen schreiben und am Ende des Semesters abliefern musste, aber es gab auch viele Sachen, die für keinen bestimmten Zweck geschrieben wurden. Ich schrieb für niemanden, aber um der Notwendigkeit willen, einige Ideen, die ich hatte, umzusetzen. Das sind die berauschendsten Momente in jedem Leben eines kreativen Menschen. Wenn man älter und immer weiter in die Filmmusik einbezogen wird, kann ich verstehen, warum so viele Filmkomponisten in Amerika so wenig an Ideen außerhalb der Filmmusik arbeiten. Der Beruf des Filmkomponisten ist so anspruchsvoll, dass man sein ganzes Leben damit verbringen kann, ohne die Zeit zu finden, andere Ideen zu entwickeln. Wenn man nicht an einem Film arbeitet, hält man nach dem nächsten Ausschau."
Mittlerweile findet aber auch Chris Young kaum noch die Zeit, sich der Konzertmusik zu widmen, wie sie mit den Suiten "Holy Matrimony" auf "Invaders From Mars" sowie mit "Masses" und "Koku-ryû" auf "Max And Helen" (Bay Cities) repräsentiert ist. Mit seinen  Engagements für die Major-Produktionen "Virtuosity", "Species" und "Copycat" ist Young 1995 verdientermaßen in die erste Riege der Hollywood-Komponisten aufgestiegen, obwohl es lange Zeit nicht nach diesem Durchbruch aussah.
"Meine Credits bedeuten keinem Regisseur viel, der an einem großen Film arbeitet", meinte Chris noch ein Jahr zuvor. "Er schaut sich meine Credits an und denkt, wegen der schlechten Filme muss die Musik auch schlecht sein. Ein großer Regisseur möchte einen Komponisten, der letztes Jahr an einem großen Drama gearbeitet hat. Meine Credits haben mir definitiv geschadet. Ich bewege mich die Leiter hinauf, aber in ziemlich kleinen Schritten. Die Regisseure, die mich bislang engagiert haben, waren welche, die generell jemandem eine Chance geben wollten, der zwar noch keine entsprechenden Credits, aber die entsprechenden Fähigkeiten besitzt. Das ist die Art, wie ich Fortschritte mache. Viele Regisseure, mit denen ich gearbeitet habe, hatten nicht das Geld, um einen zweiten Film zu machen, oder sie waren dabei, einen zweiten zu machen, für den das Budget aber so niedrig war, dass ich nicht zurückkehren konnte, um die Musik zu machen.
Nicht viele Regisseure erklimmen die Karriereleiter sehr schnell, und keiner der Regisseure, mit denen ich zu tun hatte, machte große Schritte. Aber das ist eine der Bedingungen, um deinen Erfolg abzusichern, nämlich mit einem Regisseur verbunden zu sein, der die Leiter emporsteigt und dich mitnimmt. Viele Komponisten sind Superstars geworden, weil sie mit bestimmten Regisseuren zusammen sind, z.B. David Lynch mit Angelo Badalamenti, Robert Zemeckis mit Alan Silvestri, James Cameron mit Brad Fiedel, David Cronenberg mit Howard Shore, Rob Rainer mit Marc Shaiman, die Coen-Brüder mit Carter Burwell, Danny de Vito mit David Newman und Tim Burton mit Danny Elfman.
Das sind die Top-15-Jungs, die an großen Filmen arbeiten. Ich spreche ihnen damit kein Talent ab, aber einer der Gründe für ihre schnelle Karriere ist ihre Verbindung zu einem Regisseur, der große Filme macht."

Christopher Young (Teil 3) - Jennifer 8, 9, 10, 11 ...

Mittlerweile haben sich aber auch für Christopher Young einige feste Verbindungen zu prominenten Filmemachern ergeben, zu Sam Raimi ("The Gift", "Spider-Man 3", "Drag Me To Hell") und Jon Amiel ("Agent Null Null Nix", "Copycat", "Verlockende Falle", "Creation") beispielsweise. Doch trotz wachsenden Erfolgs glaubt Young, noch vieles ausprobieren zu müssen.

"Ich wünsche mir so sehr, dass ich mehr Gelegenheit bekomme, die Grenzen auszudehnen, Dinge zu versuchen, die noch nie in der Filmmusik gemacht worden sind. Es gibt einige Beispiele, wo ich diese Chance bekommen habe, vor allem bei `The Vagrant´. Das war der zweite Film von Chris Walas, einer, bei dem er wirklich nicht wusste, was für Musik er haben wollte. Es gab keine Musik, die sich für diesen Film angeboten hätte, also überließ er es überwiegend mir zu entscheiden, was man tun könnte, und ermutigte mich, zu experimentieren und Dinge zu versuchen, die noch nie gemacht wurden. Ich denke, jeder Komponist sorgt sich darum, ob die Musik, die ihn beeinflusst hat, in seiner eigenen Musik zu bemerken ist. Ich kann wirklich keinen bestimmten Einfluss benennen, nichts Bestimmtes, das mir im Kopf herumschwebte und meine Gedanken kontrollierte.
Die meisten Regisseure sind wegen ihrer Filme ziemlich unsicher. Sie sind offensichtlich daran interessiert sicherzustellen, dass ihr Film einer der Kassenschlager wird, weil sie die Gelegenheit bekommen wollen, einen weiteren Film zu machen. Was ich festgestellt habe, ist, dass viele der jüngeren Regisseure in ihrer Sorge um ihre Unsicherheit mit dem Wunsch nach einer sicheren Position in der Industrie vor allem Filme machen wollen, die zur Zeit von der Stimmung her angesagt sind und mich nicht zu mehr inspirieren als das zu kopieren, was ein anderer Komponist für einen ähnlichen Film gemacht hat. Das ist ziemlich frustrierend. Ich denke, es liegt in der Verantwortung des Komponisten, dass er, wenn er die Möglichkeit dazu hat, versucht, das musikalische Vokabular zu erweitern, es irgendwohin zu führen, wo es noch nicht gewesen ist. Ich denke, dass es viele Talente hier gibt, aber es sollte ihnen die Möglichkeit gegeben werden, dieses Talent einzusetzen. 
Vielleicht war es immer der Fall gewesen, aber ich glaube, die Standards in der Filmmusik waren in den 40ern, 50ern und sogar in den 30ern weitaus höher als heute. Ich denke, wir haben den Tiefpunkt erreicht, und ich hoffe, dass wir aus diesem Sumpf herauskommen. Die Talente sind vorhanden, ich denke nur nicht, dass die Regisseure und Produzenten die Komponisten ermutigen, mit etwas Neuem für den Film anzukommen. Das Problem ist, dass der Großteil der Regisseure, die heutzutage Filme machen, jüngerer Generation ist. Der Regisseur, der Produzent, der Drehbuchautor - alle sind sehr jung.
Die junge Regisseur-Generation ist sich der orchestralen Musik und ihrer Möglichkeiten überhaupt nicht bewusst. Die meisten sind mit Rockmusik aufgewachsen und haben ihren ersten Kontakt mit Filmmusik durch den Film erhalten. Um den Erfolg eines Films sicherzustellen, verlangen sie nur ein Vokabular, das mit dem Publikum auf überwiegend visueller Ebene kommuniziert.
Die Leute, die heutzutage ins Kino gehen, sind überwiegend Teenager und Leute um die 20. Diese Leute hören keine orchestrale Musik, sondern Rockmusik. Das Pop-Vokabular in Verbindung mit der Synthi-Technologie und das Interesse am Minimalismus hat dieses Monster kreiert, mit dem alles verwaschen wurde. Harmonien und Melodien sind sehr statisch geworden, was sehr tragisch ist. Ich bin der festen Überzeugung, dass die Mehrheit dessen, was heute produziert wird, gerade die Synthi-Scores, in 50 Jahren mit großer Scham und Fassungslosigkeit betrachtet wird.
Es ist für jedermann schwer zu realisieren, dass alles, was direkt auf die populäre Kultur bezogen ist, mit der Zeit nicht mehr dem Geschmack entspricht. Ich bin sicher, dass wir in einiger Zeit kopfschüttelnd auf unsere Werke zurückblicken und um Vergebung bitten, weil es lächerlich schlecht ist. Das hat nichts damit zu tun, dass die Komponisten nicht talentiert wären, sie werden nur nicht angespornt, ihr Bestes zu tun. Es ist momentan ziemlich schwer, einen Komponisten vom anderen zu unterscheiden. Das hängt auch damit zusammen, dass die Regisseure für ihre Filme Filmmusik als Temp-Scores verwenden, was eine enorme psychologische Belastung für einen Komponisten bedeutet, der versucht, etwas anderes zu machen. In der Regel soll der Komponist einen Score schreiben, der dem Temp-Score ziemlich ähnlich ist, der wiederum ein oder zwei Jahre alt ist. Das alles verhindert einen Fortschritt in der Entwicklung der Filmmusik. Filmmusik hängt immer der Zeit hinterher, was die Entwicklung der orchestralen Musik angeht."
Doch ebenso wie Elliot Goldenthal mit seinen Scores zu "Interview With The Vampire", "Drugstore Cowboy", "Alien 3" oder "Batman Forever" bewiesen hat, sind neue Töne auch bei Hollywoods Großproduktionen durchaus - wenn auch nur gelegentlich - gefragt, und nachdem sich Chris Young mit seinem ungewöhnlichen Score zu "Species" etabliert zu haben scheint, braucht sich dieser hoffentlich auch nicht mehr um zu geringe Budgets zu sorgen.
"Das Budget spielt natürlich eine ganz wichtige Rolle. Die ersten drei oder vier Filme, die ich gemacht habe - `Pranks´, `The Power´ - verfügten über ganz geringe Budgets, und ich habe `Pranks´, meinen ersten Film, seit Jahren nicht mehr gesehen. Ich habe Angst davor, es zu tun, aber wenn ich es tun würde, bin ich sicher, dass mir als erstes durch den Kopf gehen würde, was ich mit dem Film gemacht hätte, wenn ich mehr Geld zur Verfügung gehabt hätte. Es handelte sich um ein kleines Orchester, möglicherweise waren es alles Musikstudenten, und alles litt darunter. Aber im Laufe der Zeit hatte ich immer wieder mit Beschränkungen des Budgets zu kämpfen. Die Mehrheit der Filme, an denen ich gearbeitet habe, waren Independent-Filme, bei denen ich Package-Deals eingehen musste. Sie geben mir eine bestimmte Menge an Dollars, mit der ich den Score zu produzieren habe. Was immer davon übrigbleibt, ist mein Honorar. Die Major-Firmen arbeiten anders. Sie zahlen in der Regel ein Honorar für den Komponisten, und das Budget für den Score wird als eigenständige Einheit behandelt.
Es gibt einige Beispiele in meiner Arbeit, wo ich zuviel mit dem Geld versuchte, und ich denke, die Scores litten darunter. Meine Einstellung bei diesen Package-Deals war stets - gerade in den ersten vier, fünf Jahren meiner Karriere -, dass es eine Investition in meine Zukunft war.
Es ist wichtiger, dass ich mit einem Score ankomme, der eindrucksvoll mit dem Film harmoniert, statt umgekehrt, d.h. wenn der Film schlecht ist, ist es nicht mein Fehler. Wofür ich zur Verantwortung gezogen werden kann, ist die Musik. Das ist meine Aufgabe. Ich kann die Qualität eines Scores nicht damit entschuldigen, dass zu wenig Geld vorhanden war, indem ich unter meinen Credits `Music by Christopher Young´ die Notiz anfüge: `Oh ja, übrigens, es war kein Geld da, um den Score aufzunehmen.´ Die Leute wollen ins Kino gehen und den schönsten Score seit dem letzten großen Blockbuster hören.
Es war immer eine merkwürdige Sache, gerade bei Filmen, deren Story schwach war, wurde ich häufig angewiesen, den Produktionswert des Films zu erhöhen. Also lieferte ich einen Score ab, der möglicherweise größer war als der Film benötigte. Meine Frau wusste natürlich, dass jeder Musiker, den ich zusätzlich engagierte, um den Score zu verbessern, bedeutete, dass weniger Geld in die Familie floss.
Wegen dieses Interessenkonflikts muss ich mir nun keine Sorgen mehr machen. Außerdem bin ich jetzt in der Lage, in Los Angeles aufzunehmen, mit den besten Musikern und Technikern. Das war eine unglaubliche Erfahrung für mich. Als ich `Species´ aufnahm, war das mein erster Score gewesen, den ich gänzlich in Los Angeles aufnahm. Ich erinnere mich, wie wir den allerersten Cue zu der Szene aufnahmen, als der Alien aus dem Labor flieht, und ich hysterisch lachen musste, weil ich so aufgeregt war, dass meine Musik so harmonisch klang. Ich weiß noch, dass Roger Donaldson den Cue gar nicht mochte. Er hatte nicht erwartet, dass ich die Szene so angehen würde. Ich war so aufgeregt, dass ich zum Techniker, Bobby Fernandez, ging, mit dem ich seit Jahren zusammenarbeite, und fragte ihn, was er davon hielte. Ich muss sagen, dass es großartig ist, bei großen Filmen mit Orchestern zu arbeiten, bei denen sich seine eigene Musik stimmig anhört, mit den Nuancen, die man sich beim Schreiben des Materials vorstellt. Ich habe die Leute in Utah bewundert, sie sind sehr gute Musiker, aber das ist schon ein großer Unterschied, wie ich feststellen musste, als ich `Tales From The Hood´ in Utah aufnahm. Neben dem Package-Problem kam noch ein Problem hinzu, dass sich nämlich die Cues immer falsch für mich anhörten. Viele der Aufnahmesessions für meine Scores waren bisher weder für mich noch für die Leute um mich herum ein großes Vergnügen."
Es ist schließlich sein von einem Solo-Piano dominierter Score für die 92er Paramount-Produktion "Jennifer 8" (Milan) gewesen, der Chris Young die Türen zu weiteren Major-Produktionen öffnete, für die der Komponist ähnliche Scores abzuliefern hatte. Nachdem Young jahrelang auf Low-Budget-Horrorfilme festgeschrieben war, schien er auf einmal auf Solo-Piano geprägte Scores für Psychothriller abonniert zu sein, wie seine 95er Arbeiten für die Gerichts- und Psychothriller "Judicial Consent" (Intrada), "Murder In The First" (La Bande Son), "Copycat" (Milan) und "Unforgettable" nahelegen.
"Vor `Judicial Consent´ habe ich nur für einen Score das Piano so herausgestellt, und zwar bei `Jennifer 8´. Ich habe `Judicial Consent´ als `Jennifer 9´ bezeichnet, `Copycat´ als `Jennifer 10´ und `Unforgettable´ als `Jennifer 11´. Sie klingen alle ziemlich ähnlich. Für `Jennifer 8´ wurde ich von Regisseur Bruce Robinson engagiert, um einen Score zu ersetzen.
Er hat den Film mit `Presumed Innocent´ getemptrackt. Ich war sehr besorgt, möglichst schnell mit einem Score ankommen zu müssen, der ein Piano enthält. Wenn ich irgendein anderes Instrument herausgehoben hätte, wäre ich wahrscheinlich auf große Probleme gestoßen. Dass ich für `Jennifer 8´ ein Piano benutzt habe, wurde also durch `Presumed Innocent´ beeinflusst. Streicher und Piano gehören natürlich schon seit den Anfängen der Filmmusik zum Instrumentarium. Sie scheinen nur jetzt wieder populär zu werden. Und diese Popularität haben wir zum großen Teil John Williams zu verdanken.
Was folgte, war, dass mit `Jennifer 8´ andere Filme getemptrackt wurden. `Judicial Consent´ wurde mir angeboten, weil der Regisseur sich in meinen `Jennifer 8´-Score verliebt hat. Natürlich wollte auch er ein Solo-Piano, das in dem Score eingesetzt wurde. Es ist also ein Schubladen-Problem, und ich versuche, da herauszukommen. Ich bin es ziemlich leid, immer die gleichen Sachen machen zu müssen. Der erste Gedanke, der mir durch den Kopf ging, als ich mit `Judicial Consent´ anfing, war: `Oh, mein Gott, Chris, nicht schon wieder! Das kannst du nicht machen!´ Aber das ist der Grund, warum man dich anheuert, und man kann sich nicht gegen die Wünsche des Regisseurs aufbäumen. Ich habe es nicht bereut, `Jennifer 8´ gemacht zu haben. Das war eine schöne Sache. Das Problem ist, dass, wenn man einen anderen Komponisten ersetzen muss (in diesem Falle Maurice Jarre, Anm. d. Verf.), der gefeuert wurde, weil er offensichtlich nicht das lieferte, was sich der Regisseur vorstellte, kann man sich noch weniger gegen die Vorstellungen des Regisseurs wenden, weil man sonst der nächste ist, der gefeuert wird. Bei `Copycat´ hatte ich das erste Mal das Gefühl, dass ich mich wiederholen könnte. Ich schreibe seit Jahren für Suspense- und Horrorfilme, und für was ich auch gerade arbeite, versuche ich doch stets, etwas Neues zu schreiben, aber ich befürchte, dass ich mittlerweile zu viele Filme in dieser Richtung gemacht habe."
Etwas skeptisch wirkt Chris Young auch, wenn man ihn auf seinen momentanen Erfolg anspricht. "Das ist ein zweischneidiges Schwert. Um einen gewissen Erfolg zu erreichen, muss man etwas in Schwung kommen. 1995 war sicherlich ein sehr wichtiges Jahr für mich, da ich in der Lage war, an mehr Filmen zu arbeiten, als ich es in den Jahren zuvor gewohnt gewesen war, und was noch wichtiger war, einige der Filme waren Kassenschlager, wie beispielsweise `Species´. Ich habe nie so schnell und so viel Musik geschrieben wie im letzten Jahr. Unglücklicherweise musste ich sogar einige Filme zurückgeben, weil ich nicht die Zeit dafür hatte. Ich habe feststellen dürfen, dass die Filme besser geworden und häufiger gekommen sind. Es ist ein schönes Gefühl, dass sich die Dinge letztlich auszahlen. Schließlich habe ich die letzten 14 Jahre sehr hart gearbeitet. Es gab auch schon in der Vergangenheit einige Filme, drei oder vier, bei denen ich gehofft hatte, dass sie mich von den B-Filmen zu den A-Filmen bringen würden, `Jennifer 8´, `BAT-21´, `Haunted Summer´, was ein Film war, von dem sich viele Beteiligte erhofften, dass er ihre Karriere verändern würde. Die Zeit wird zeigen, wie es weitergeht. Karrieren können über Nacht steigen und fallen. Ich hatte ein großartiges letztes Jahr und ich hoffe, das bleibt in diesem Jahr auch so. Man kann aber nie genau vorhersagen, wie der nächste Film sein wird. Ich hoffe natürlich, dass auch in diesem Jahr einige Filme dabei sein werden, die Kassenerfolge werden.
`Species´ war schließlich der Film, der einen Wendepunkt in meiner Karriere bedeutete. `Tales From The Hood´ war sicherlich ein guter Film, wurde aber als B-Horror-Movie kategorisiert. Bei `Species´ hatte ich eben das Glück, dass er ein Sommerhit wurde, obwohl ich glaube, dass es nicht unbedingt meine beste Musik gewesen ist."
Dass Young für den Überraschungserfolg "Species" von Roger Donaldson engagiert wurde, der bislang für jeden Film mit einem neuen Komponisten zusammengearbeitet hat, verdankte er weder seinem Agenten, noch der ohnehin fehlenden guten Beziehung zum Regisseur, wie es sonst üblich ist.
"An `Species´ bin ich durch den Picture Editor, Conrad Buff, und den Music Editor, Don Garde, gekommen, mit denen ich an `Jennifer 8´ gearbeitet habe. Diese beiden empfahlen mich Roger Donaldson, und ich habe diesen Job diesen beiden Leuten zu verdanken. Ich glaube kaum, dass sich Roger Donaldson ohne deren Einfluss für mich entschieden hätte. Sie glaubten sehr stark an mich und taten alles, damit ich den Job bekomme. Und man bekommt einen Job meistens dann, wenn der Film mit deiner Musik getemptrackt wird. Und das passiert dann, wenn der Picture- und Music Editor mit deiner Arbeit vertraut sind. Das hatte also nichts mit den Kontakten zu tun, die ich hatte, noch mit meinem Agenten."
Die besondere Herausforderung lag für Young vor allem darin, sehr viel Musik in recht kurzer Zeit zu schreiben und es den vielen Geldgebern rechtzumachen. Wenn sich der experimentelle "Species"-Score auch von den sogenannten "Jennifer 8"-Scores unterschied, setzte Young wie schon bei "Murder In The First" und später bei "Copycat" die menschliche Stimme sehr elaboriert als Instrument ein.
"Mit der flüsternden Stimme bei `Copycat´ wollte ich die Stimme im Kopf des Serienkillers repräsentieren. Ich versuche immer, Stimmen einzusetzen, wo man mir die Gelegenheit dazu gibt. Ich habe als Junge in einem presbyterianischen Kirchenchor gesungen, was eine großartige Erfahrung für mich war. All die Hymnen, die ich dort gesungen habe, sind mir noch in Erinnerung. Nachdem ich `Murder In The First´ beendet hatte, dessen Chorsequenzen zwar englischer Natur, aber nicht allzu weit von der presbyterianischen Tradition entfernt sind, habe ich mir überlegt, an was mich diese Hymne erinnert, und es war schließlich eine sehr presbyterianische Hymne, die ich im Kirchenchor oft gesungen habe. Sie basiert auf einer Melodie aus dem Kölner Liederbuch von 1623, die im 19. Jh. von einem Engländer mit einem Text versehen wurde.
In `Species´ wurde ein Frauenchor von ungefähr 18 Stimmen eingesetzt, weil die Alien-Kreatur eine Frau war. Sie hatte in dem Film einige sehr seltsame Traumsequenzen, für die ich eine einzelne Frauenstimme einsetzte, die einen gregorianisch-ähnlichen Choral sang."

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