Playlist # 33 vom 23.05.10 - RIDLEY SCOTT Special
Der britische Regisseur Ridley Scott zählt zu den besten Handwerkern seines Fachs. Nachdem er mit „Alien“ und „Blade Runner“ zwei wegweisende Werke des Sci-Fi-Genres abgeliefert hatte, wurde er dem breiten Publikum durch die monumentalen Historien-Epen „1492 – Die Eroberung des Paradieses“ und „Gladiator“ bekannt und bewegt sich gern in unterschiedlichen Genres.
Er gründete mit seinem Bruder Tony die Werbefilmagentur Ridley Scott Associates und lieferte mit dem historischen Abenteuerfilm „Die Duellisten“ 1977 sein Kinofilmdebüt ab.
Schon mit seinem nächsten Projekt gelang dem Filmemacher der künstlerische und kommerzielle Durchbruch: 1979 adaptierte er mit „Alien – Das unheimliche Wesen aus einer fremden Welt“ das Drehbuch des Sci-Fi-Spezialisten Dan O’Bannon („Dark Star – Finsterer Stern“) und kreierte einen extrem düsteren wie grausamen Schocker, für den der Schweizer Künstler H.R. Giger das beeindruckende Design des Alien-Monsters beisteuerte. Star-Komponist Jerry Goldsmith lieferte zudem einen eindringlichen Soundtrack ab, der die durchweg beunruhigende Wirkung des Films noch verstärkte.
Wie sehr Ridley Scott futuristische Designs schätzt, bewies er auch bei der Verfilmung von Philip K. Dicks Roman „Do Androids Dream of Electric Sheep?“ . In „Blade Runner“ leben Androiden und Menschen nahezu voneinander nicht unterscheidbar nebeneinander in übervölkerten Metropolen. Neue Aspekte des Films traten beim 1992 veröffentlichten „Director’s Cut“ zutage, auch wenn Ridley Scott betonte, dass Warner Bros. Nur sieben der siebzig vorgeschlagenen Änderungen berücksichtigt hätten. Änderungen hin oder her, „Blade Runner“ wurde zum ästhetischen Meilenstein der 80er Jahre. Er entwarf das düstere Szenario einer vielleicht nicht allzu entfernten Zukunft, in der der Kopfgeldjäger Deckard (Harrison Ford) Jagd auf Replikanten macht, die sich unerlaubterweise auf der Erde aufhalten, um ihre genetisch festgelegte Lebensdauer von vier Jahren zu verlängern. Ridley Scott zeichnet das deprimierende Bild eines immer in Dunkel getauchten Los Angeles, in dem ethnische Identitäten keine Rolle mehr spielen. Reich an philosophischen Verweisen auf die menschliche Selbstgewissheit und Nietzsches Übermenschen, hat der „Blade Runner“ seine filmischen Wurzeln sowohl in Fritz Langs „Metropolis“ als auch im Film noir und stellt die wesentliche Frage nach der menschlichen Identität.
Perfekt dazu passt der elektronische Score von Vangelis, mit dem Ridley Scott erneut bei „1492“ erfolgreich zusammenarbeitete. Bis dahin übte sich der Regisseur in eher optisch ansprechenden, inhaltlich jedoch weniger überzeugenden Filmen.
Das affektiert und prätentiös wirkende Fantasy-Märchen „Legende“ entstand 1985 mit dem jungen Tom Cruise in der Hauptrolle eines Prinzen, der sich mit Hilfe eines Elementargeists in die Tiefen der Hölle hinabbegeben muss, um das Paradies retten zu können. Interessanter als die klischeehaften Figuren und die wenig originelle Story wirken hier das knallbunte Produktionsdesign und die Tatsache, dass Tangerine Dream die Filmmusik nur für den europäischen Markt komponierten. Für die amerikanische Version wurde Jerry Goldsmith engagiert, der das unausgegorene Fantasy-Machwerk aber auch nicht retten konnte.
1987 inszenierte Scott mit „Der Mann im Hintergrund“ einen wenig spektakulären Erotik-Psycho-Thriller um einen Cop (Tom Berenger), der sich in seinen Schützling (Mimi Rogers) verliebt. Der Cop-Thriller „Black Rain“ (1989) erwies sich als One-Man-Show für Michael Douglas, der in Tokyo gezwungenermaßen mit seinen japanischen Kollegen gegen Yakuza-Gangster ermittelt.
Dieser Film war die erste Zusammenarbeit zwischen Ridley Scott und dem deutschen Komponisten Hans Zimmer, der damals für seine exotischen wie elektronischen Klänge bekannt war und so die Idealbesetzung für die musikalische Untermalung im Kampf der Kulturen schien.
Erst 1991 fand Ridley Scott mit „Thelma & Louise“ zu alter Stärke zurück. Susan Sarandon und Geena Davis flüchten vor gewalttätigen Männern und schlagen schließlich zurück. Auf dieses feministische Roadmovie fuhren aber nicht nur Frauen ab. Der Film dokumentiert auch Scotts Vorliebe für gesellschaftliche Außenseiter, die verzweifelt versuchen, ihre Individualität zu entwickeln.
Ein Jahr später – und 500 Jahre nach der Entdeckung Amerikas durch Kolumbus – inszenierte Scott mit „1492 – Die Eroberung des Paradieses“ allerdings ein Abenteuer-Drama, das Kolumbus (Gérard Depardieu) als fortschrittlichen Wissenschaftler glorifizierte, der zwar Tod und Krankheit über die Ureinwohner brachte, allerdings schienen diese Opfer nicht weiter tragisch zu sein. Gegen die fragwürdige Aussage des Films konnten die prächtigen Kostüme und Bilder wenig ausrichten. Immerhin gab es einen Oscar für die vor allem auch kommerziell erfolgreiche Musik von Vangelis.
Dem Meer blieb Ridley Scott auch beim Hochsee-Drama „White Squall“ treu. Da Hans Zimmer für diesen Film nicht zur Verfügung stand, brachte er mit Jeff Rona einen bis dahin gänzlich unbekannten Komponisten aus seinem umfangreichen Studio-Umfeld in Position – eine Praxis, die von einigen Hollywood-Komponisten immer wieder kritisiert wird. Wenn man Hans Zimmer nicht bekommen kann, nimmt man einfach jemanden aus seinem Team …
Einen kreativen wie kommerziellen Tiefpunkt erlebte Scott 1997 mit dem Militärdrama „G.I. Jane“, in dem Demi Moore die erste Frau spielte, die zu den Navy Seals wollte.
Erst mit „Gladiator“ gelang dem Regisseur im Jahre 2000 wieder ein Welterfolg, belebte er doch ein Genre, das seit 40 Jahren als ausgestorben galt. Inspiriert von Jean-Léon Gérômes Gemälde „Pollice Verso“ („Daumen nach unten“) erzählt er die bewegende und actionreiche Geschichte des Feldherrn Maximus (Russell Crowe), der von seinem Nebenbuhler um den kaiserlichen Thron verraten wird und schließlich Heimat und Familie verliert. Zum Sklaven degradiert macht er als Gladiator Furore und kann sich schließlich an seinem Verräter rächen.
Ridley Scott ist es hervorragend gelungen, die Epoche des antiken Roms mit prächtigen Kulissen und Kostümen sowie imposanten Schlachten wieder lebendig werden zu lassen und bei aller Gigantomie und brachialer Barbarei doch glaubwürdig das menschliche Drama seines Protagonisten im Fokus behält.
„Ich liebe es, Welten zu erschaffen, und jede Facette dieser Welt muss in das Gesamtbild der Filmhandlung passen. Man muss das Schlachtfeld riechen können und die Schönheit und das Licht der goldenen Stadt vor sich sehen. Der Film sollte einen so in diese Welt hineinziehen, dass man sich in das Jahr 175 n.Chr. zurückversetzt fühlt“, erzählt der Regisseur in der Einführung zu „Gladiator. Die Entstehung des Epos von Ridley Scott“ (Burgschmiet Verlag).
Musikalisch konnte sich Ridley Scott einmal mehr auf Hans Zimmer verlassen, der sich als besonderen Clou mit Lisa Gerrard eine versierte Musikerin und Sängerin an Bord holte, die dem Soundtrack eine besonders einfühlsame, menschliche Note verlieh.
Eindrucksvoll fiel auch die Fortsetzung von Jonathan Demmes Thriller-Meisterwerk „Das Schweigen der Lämmer“ (1992) aus. Bei „Hannibal“ (2001) konnte er vor allem auf Anthony Hopkins bauen, der den kultivierten Kannibalen Hannibal Lecter erneut mit lässiger Eleganz verkörperte und seine Gegenspielerin – diesmal mit Julianne Moore in der Rolle der gescholtenen FBI-Agentin Clarice Starling – in einen intellektuellen wie emotionalen Schlagabtausch verwickelt.
Zwar wird auch Ridley Scotts Verfilmung der grandios spannenden Romanvorlage von Thomas Harris nicht gerecht, aber dem Regisseur gelingt zumindest eine atmosphärisch dichte, sehr düstere Adaption mit drastischen Horror-Effekten (weshalb Jodie Foster es ablehnte, erneut die Rolle von Clarice Starling zu übernehmen).
Hans Zimmer komponierte wiederum die Filmmusik, ebenso zum nachfolgenden Kriegsdrama „Black Hawk Down“, ehe sich Ridley Scott ganz anderen Genres zuwandte. Die Gaunerkomödie „Tricks“ (2003) ging dabei allerdings ebenso künstlerisch wie kommerziell unter wie die Romanze „Ein gutes Jahr“ (2006), bei der Scott erstmals auf den bis dato unbekannten Komponisten Marc Streitenfeld zurückgriff. Dieser stammt wie zuvor schon Jeff Rona („White Squall“) und Harry Gregson-Williams („Königreich der Himmel“) aus Hans Zimmers direkten Umfeld.
„Königreich der Himmel“ bedeutete im Jahre 2005 noch einmal eine Rückkehr zu einem historischen Stoff, der im später veröffentlichten Director’s Cut um satte 40 Minuten verlängert erschien. Orlando Bloom, der durch „Herr der Ringe“ und „Fluch der Karibik“ zu Weltruhm kam, mimt den französischen Schmied Balian, der um 1184 herum plötzlich mit der Tatsache konfrontiert wird, adliger Herkunft zu sein und nach Jerusalem ziehen soll, wo er den zerbrechlichen Waffenstillstand zwischen Christen und Muslimen bewahren soll. Doch sowohl unter den Tempelrittern als auch Muslimen sind Kräfte am Werk, die nicht auf Frieden, sondern persönliche Macht aus sind.
Wie bei „Gladiator“ sind auch hier prächtige Kulissen und aufwendig inszenierte Schlachten zu bestaunen, zu denen Harry Gregson-Williams – der sonst vor allem bei Ridleys Bruder Tony Scott („Déjà vu“, „Die Entführung der Pelham 1-2-3“) und Joel Schumacher („Phone Booth"“ „Number 23“) zum Einsatz kommt, den passenden opulenten Soundtrack liefert.
Die Zusammenarbeit zwischen Ridley Scott und Russell Crowe, die mit „Gladiator“ so erfolgreich begann und bei „Ein gutes Jahr“ fortgesetzt wurde, etablierte sich auch bei Scotts weiteren Filmen, dem 2007 inszenierten Gangster-Epos „American Gangster“, dem CIA-Thriller „Der Mann, der niemals lebte“ (2008) und der diesjährigen Neuauflage des Abenteuer-Klassikers „Robin Hood“.
Filmographie:
1977: Die Duellisten (The Duellists)
1979: Alien – Das unheimliche Wesen aus einer fremden Welt (Alien)
1982: Blade Runner
1985: Legende (Legend)
1987: Der Mann im Hintergrund (Someone to Watch Over Me)
1989: Black Rain
1991: Thelma & Louise
1992: 1492 – Die Eroberung des Paradieses (1492 – Conquest of Paradise)
1996: White Squall – Reißende Strömung (White Squall)
1997: Die Akte Jane (G.I. Jane)
2000: Gladiator
2001: Black Hawk Down
2001: Hannibal
2003: Tricks (Matchstick Men)
2005: Königreich der Himmel (Kingdom of Heaven)
2006: Ein gutes Jahr (A Good Year)
2007: American Gangster
2008: Der Mann, der niemals lebte (Body of Lies)
2010: Robin Hood
Playlist
1 Hans Zimmer - Weird Is Good (Matchstick Men) - 06:42
2 Jerry Goldsmith - Main Title (Alien) - 03:30
3 Vangelis - Perfume Exotico (Blade Runner) - 05:21
4 Jeff Rona - The Return Home (White Squall) - 03:24
5 Hans Zimmer - Hunger (Black Hawk Down) - 06:37
6 Hans Zimmer & Lisa Gerrard - Duduk Of The North (Gladiator) - 05:35
7 Harry Gregson-Williams - Terms (Kingdom Of Heaven) - 04:26
8 Hans Zimmer - Avarice (Hannibal) - 03:55
9 Marc Streitenfeld - Frank Lucas (American Gangster) - 02:42
10 Marc Streitenfeld - Betrayal (Body Of Lies) - 03:31
11 Marc Streitenfeld - Godfrey (Robin Hood) - 03:35
12 Vangelis - Pinta, Nina, Santa Maria (1492 - Conquest Of Paradise) - 13:19