Radio ZuSa

Sonntag, 6. Dezember 2009

John Carpenter (Teil 1) - Ein Meister des Suspense-Kinos

Man nennt ihn den „Meister des Horrors“ und darf ihn zu Recht als Kultregisseur bezeichnen. Mit seinen Science-Fiction- und Horror-Thrillern „Halloween“, „Die Klapperschlange“, „Christine“ und „Die Fürsten der Dunkelheit“ schuf John Carpenter Klassiker, die sowohl Kritiker als auch das Publikum zu begeistern verstanden.

Zwar sind seine letzten Filme „Das Dorf der Verdammten“, „Flucht aus L.A.“ und „Ghosts Of Mars“ nicht nur an der Kinokasse gefloppt, sondern ließen auch in künstlerischer Hinsicht zu wünschen übrig. Doch egal, wie gut oder schlecht seine kommenden Filme auch ausfallen mögen, Carpenters in den 70er und 80er Jahren produzierten Filme und Soundtracks zählen schon heute zu den Juwelen des amerikanischen Nachkriegskinos und haben das Multitalent, das Drehbücher schreibt, Filme dreht, schneidet, produziert und vertont, in gewisser Hinsicht unsterblich gemacht.
John Carpenters Leidenschaft für den Film wurde schon von seinen Kindesbeinen an entdeckt und gefördert, und die Tatsache, dass John Carpenter aus einem sehr musikalischen Hause kommt, erklärt sein Talent für die passende musikalische, atmosphärisch intensive Untermalung der von ihm inszenierten Bilder.
Sein Vater, Howard Carpenter, studierte nämlich an der berühmten Eastman Musikschule in Rochester, New York, und war Musiklehrer am College von Bowling Green, Kentucky, wo der am 16. Januar 1948 in Carthage geborene John H. Carpenter auch aufgewachsen ist.
Sowohl Vater als auch Mutter spielten Geige und Klavier, ermunterten ihren Sohn zum Musizieren, doch mit vier Jahren fand dieser noch keinen rechten Gefallen am Geigen- und Klavierunterricht.
Nachdem er aber Humphrey Bogart in John Hustons „African Queen“ sah, stand sein Entschluss fest, selbst Schauspieler zu werden, zumindest aber Filmregisseur.
„Mein Wunsch, Regisseur zu werden, geht auf ein Erlebnis zurück, das ich mit fünf Jahren hatte. 1953 sah ich mir Jack Arnolds 'It Came From Outer Space' in 3-D an. Die erste Sequenz zeigte, wie ein Meteor vom Himmel fiel. Ein Feuerball, der direkt von der Leinwand auf dich zuzufliegen schien und explodierte. Ich sprang auf, schrie und lief den Seitengang hinauf. Aber plötzlich merkte ich, dass ich nicht wirklich Angst hatte. Ich war im Innersten aufgewühlt und erregt“, blickt John Carpenter zurück. „Ich sagte mir: Das möchte ich auch mit den Leuten machen. Ich will so eine Art von Erregung schaffen. Ich ging also zu meinem Platz zurück, setzte mich und sah mir den Rest des Films an. Von da an wollte ich Filmregisseur werden. Ich wollte Filme machen, die die Leute von den Sitzen reißen.“
Carpenters Eltern unterstützten ihren Zögling, nachdem sie sich vom humanistischen Charakter der von Arnold verfilmten Ray-Bradbury-Story überzeugt hatten, und schenkten ihm eine 8mm-Kamera, nachdem er zunächst die Kamera seines Vaters verschlissen, den halben Monatslohn in einer Woche an Materialkosten verdreht und wahre Action-Orgien im Sandkasten hinter dem Haus entfacht hatte.
Sein erster, von Jack Arnold und anderen SF- und Fantasy-Regisseuren inspirierter Film hieß „Revenge of the Colossal Beasts“, eine 40minütige Invasionsgeschichte mit riesigen Aliens.
Bis zu seinem 14. Lebensjahr drehte er mit „Gorgo vs. Godzilla“, „Terror From Space“ und „Sorcerer From Outer Space“ drei weitere Kurzfilme, gründete mit Emerald Productions seine erste Produktionsfirma und experimentierte in „Warrior and the Demon“ erstmals mit Stop-Motion, während er beim Dreh von „Gorgon the Space Monster“ zahlreiche Effekte erprobte.
Als John Carpenter entdeckte, dass er die Faszination für Monster, Mutationen und Aliens mit vielen anderen teilte, verstärkte das nur seine Ambitionen. Wie zu jener Zeit üblich gründete auch John Carpenter sein eigenes Fanzine, „Fantastic Films Illustrated“, dessen Cover er selbst zeichnete und mit Wasserfarben kolorierte. Zusammen mit einigen Freunden rezensierte der junge Carpenter aktuelle Filme und Klassiker, schrieb Science-Fiction- und Fantasy-Geschichten und träumte von fremden Welten und Imperien.
Nach drei Heften schloss John Carpenter mit diesem Kapitel ab, veröffentlichte anschließend - als Hommage an Ernest B. Schoedsack, dem Regisseur des 1933 publizierten „King Kong“-Films - das „King Kong Journal“, um sich danach mit dem Heft „Phantasm - Terror Thrills of the Films“ endgültig in die Richtung zu bewegen, die er später als Regisseur einschlagen sollte.
Doch zunächst lernte Carpenter sehr gründlich das Handwerk des Filmemachens. Seine Eltern überredeten ihn, die Filmklasse der Universität von Süd-Kalifornien (USC) zu besuchen.
Seit seiner Immatrikulation dort im Jahre 1968 drehte er elf Studentenfilme, vor allem aber studierte er die Handschriften seiner Vorbilder.
„Die Film-Universität war eine unschätzbare Erfahrung für mich“, blickt Carpenter zurück, „allerdings nicht im traditionellen Sinn von solchen Erfahrungen, also dass man für einen bestimmten Job vorbereitet wird, diesen Job erhält und dann jahrzehntelang macht. Das ist im Film ja anders."
"Ich habe die technischen Aspekte des Films gelernt, ich habe alle Aspekte des Filmemachens kennengelernt, von der Regie zur Kameraführung, über den Ton zum Schnitt und auch zur Postproduktion. Und ich habe jeden Tag Filme angeschaut. Im Vorführraum haben wir gesessen und Filme angesehen, bis wir eingeschlafen sind. Ich habe alle Filme von Howard Hawks, Orson Welles und John Ford gesehen. Das sind Giganten des Kinos. Das war eine wundervolle Zeit in meinem Leben und sehr aufregend, aber auch ziemlich unrealistisch, wenn man bedenkt, was für Filme zu dieser Zeit tatsächlich gemacht wurden. Aber das war in diesem Moment nicht so wichtig.“
Fasziniert war Carpenter vor allem von Howard Hawks, der in allen Genres (Komödie: „Leoparden küsst man nicht“; Krimi: „Tote schlafen fest“; Science Fiction: „Das Ding aus einer anderen Welt“; Western: „Rio Bravo“) beheimatet war und als klassischer Handwerker des Hollywood-Kinos gilt. Sowohl seine bevorzugte Kameraführung in Augenhöhe als auch sein Lieblingsthema - eine Gruppe zusammengewürfelter, teils gebrochener Charaktere muss sich einer Übermacht stellen - tauchen später bei John Carpenter auf.
Dieser konnte 1970 seinen ersten großen Erfolg feiern, als er für seinen Kurzfilm „The Resurrection of Bronco Billy“ den Academy Award gewann. Carpenter finanzierte den Film mit Sponsorgeldern seines Vaters und einer Reihe von Nebenjobs.
Die Gemeinschaftsproduktion von Carpenter und zwei Kommilitonen erzählt innerhalb weniger Minuten die Geschichte eines jungen Mannes, der mit seinem Leben nicht klar kommt und in eine märchenhafte Westernwelt flieht.
Damit verarbeitete Carpenter teilweise seine eigenen Universitätserfahrungen und ließ dabei bereits sein vielseitiges Talent erkennen, indem er als Co-Autor, Co-Regisseur, Produzent und Komponist fungierte. Angespornt durch diesen großartigen Erfolg - den Carpenter bislang nicht wiederholen konnte - begann er noch im selben Jahr mit den Dreharbeiten zu „Dark Star“, die als Abschlussarbeit gedacht war und Carpenter als Sprungbrett für seine zukünftige Karriere dienen sollte. Unterstützt wurde er dabei von seinem Freund Dan O’Bannon, der den Filmschnitt besorgte, an den Effekten arbeitete und als Darsteller auftrat. Später schrieb er das Drehbuch für „Alien“ und wurde von George Lucas für die Computer-Animationen von „Star Wars“ engagiert.
Bis 1972 hatten Carpenter und O’Bannon eine 45 Minuten lange Version fertig, doch spürten die beiden, dass in der Science-Fiction-Parodie auf die legendären Kubrick-Filme „Dr. Seltsam oder wie ich lernte, die Bombe zu lieben“ und „2001 - Odyssee im Weltraum“ das Potential für einen größeren Film steckte. Von Jack H. Harris, der 1958 „The Blob“ produzierte und mit dem Porno-Kultfilm „Deep Throat“ zum Millionär geworden war, bekamen die beiden Studenten 60.000 Dollar und konnten bis 1974 eine Spielfilmfassung fertigstellen, die auf der jährlichen „Los Angeles Film Exhibition“ debütierte. Die Weltraum-Variante von „Warten auf Godot“, wie Carpenter sein Kino-Debüt bezeichnete, spiegelte in gewisser Hinsicht die Lebensumstände der beiden Späthippies wider, die während des Vietnam-Krieges mehr am Konsum von Haschisch-Zigaretten und ausgeflippter Musik als an der ernsthaften Weiterentwicklung ihrer Situation interessiert waren. Die Geschichte spielt im 22. Jahrhundert, als es der Menschheit bereits gelungen ist, das irdische Sonnensystem bis an die Grenzen zu erforschen und sich dabei befindet, sich in immer entferntere Regionen zu bewegen. Die fünfköpfige Crew des Erkundungsschiffes „Dark Star“ hat dabei den Auftrag, den Weg für die großen Transporter mittels thermonuklearer Bomben freizumachen. Allerdings ist die „Dark Star“-Besatzung schon seit über zwanzig Jahren im Weltraum unterwegs und hat seit langem jeglichen Kontakt mit der Erde verloren. Der Bordcomputer bestätigt den Army-Seargeants Doolittle, Pinback, Boiler, Talby und dem verstorbenen, im Gefrierraum konservierten Kommandanten zwar immer wieder, dass „alles klar“ sei, doch das Raumschiff gammelt so allmählich vor sich hin. Als schließlich eine Bombe abgeworfen werden soll, um Asteroiden aus dem Weg zu räumen, bleibt sie im Schacht stecken und kündigt an, dass sie bald explodieren wird - was sie nach einem philosophischen Diskurs mit der Besatzung schließlich auch tut...
Während einer der Piloten auf einem Wrackteil durchs All gleitet, ertönt die von Carpenter komponierte fetzige Country-Musik. Der spannende, teils von makabrem Humor und spöttischer Satire gespickte Film ist sicher zum einen ein höchst unterhaltsames Werk geworden, zum anderen aber auch eine treffende Anspielung auf das SF-Genre mit seiner strengen Wissenschaftsgläubigkeit.
„Das Besondere an 'Dark Star' ist nicht die Technologie des Raumschiffes oder die Handlung. Es ist vielmehr die Situation“, meint Carpenter.
„Die Helden sind für zwanzig Jahre in ihrem Schiff im Weltall eingeschlossen; sie werfen Bomben auf instabile Planeten, um sie zu zerstören und Platz zu schaffen für die Raumschiffe, die ihnen folgen. Und, na gut, die Leute sind ein bisschen wahnsinnig geworden in dem Raumschiff... Im Grund macht nur die Situation, das, was den Helden widerfährt, den Film ungewöhnlich, nicht das Raumschiff oder die Technologie oder die Raumanzüge. 'Star Wars' zum Beispiel oder '2001' - da sind die Effekte die Stars der Show. Nicht so in 'Dark Star'. Da ist es die Situation.“
Nach einigen Anlaufschwierigkeiten begeisterte der Film auf einigen Festivals Publikum und Kritiker und spielte in den USA im ersten Anlauf an der Kinokasse bereits sieben Millionen Dollar ein.
Dank dieses finanziellen Erfolgs war es John Carpenter möglich, seinen nächsten Film „Assault on Precinct 13“ mit einem Budget von 200.000 Dollar zu realisieren. Inspiriert wurde Carpenter dazu durch eine wahre Begebenheit im Kontext der zunehmenden Gewalt auf den Straßen von Los Angeles: Im Jahr 1975 hing eine Gang von Jugendlichen an einer Bushaltestelle herum, bis ein Bus kam und einer der Jungen ankündigte: „Ich erschieße den ersten, der jetzt aussteigt.“ Nachdem ein kleines Mädchen die Bustür als erstes passierte, wurde sie von dem Jungen erschossen, der darauf in seinen Wagen stieg und davonfuhr.
„Was sind das für Leute, die so etwas tun?“, fragte sich Carpenter daraufhin. „Am helllichten Tag. Ihre Aktionen sind völlig sinnlos und verrückt. Dass ich einfach so durch die Straßen gehe und irgendeiner erschießt mich, einfach nur so - das ist für mich ein wahnsinniger Gedanke, der mir unheimlich angst macht.“
Bei der filmischen Umsetzung dieser Gewalt berief sich Carpenter vor allem auf Howard Hawks Western-Klassiker „Rio Bravo“, dessen Mythos er in die Slums der modernen Großstädte transformierte. Zugleich verband der erste Breitwand-Film von John Carpenter das klassische amerikanische Erzählkino mit der synthetischen und sterilen Produktionsweise, die in einem Großteil der in den Spätsiebzigern inszenierten Hollywood-Filme vorherrschte.
Ausgangspunkt der Story von „Assault“ ist eine in den Massenmedien verbreitete Nachricht, dass die Polizei in einem Feuergefecht sechs Jugendliche erschossen hat. Doch die gesuchten automatischen Waffen wurden nicht bei ihnen gefunden, und man hofft, dass nicht die anderen Bandenmitglieder in ihrem Besitz sind. Derweil plant der Rest der Gang einen Rachefeldzug, bei dem zunächst einige Zivilisten wahllos erschossen werden, bis man schließlich das Polizeirevier 13 in einem menschenleeren Stadtteil von Los Angeles ins Visier nimmt.
Die Situation der drei Polizisten und der beiden weiblichen Angestellten sowie den Gefangenen scheint ausweglos, zumal die Gang Verstärkung gefunden hat. Immer mehr namen- und gesichtslose Bewaffnete dringen in die behelfsmäßige Festung ein, die Leichenberge häufen sich, doch letztlich kann das Revier befreit werden.
Carpenters Film bietet keine Lösungsvorschläge für die beängstigenden Ausmaße urbaner Gewalt. Die brutale Realität dient auch nur als Mittel zum Zweck, nämlich Spannung zu erzeugen.
Mit zuweilen bis zu 25 Schnitten pro Minute und einer dumpf pulsierenden Musik, die die Zuschauer auf die nächste gewalttätige Handlung vorbereitet, schuf Carpenter ein Meisterwerk des Suspense-Kinos. Allerdings lehnt Carpenter Vergleiche mit dem Meister des Suspense, Alfred Hitchcock, vehement ab. „Wie jeder andere Regisseur habe ich eine Menge von ihm gelernt. Ich bewundere ihn auch, und dennoch habe ich niemals versucht, ihn zu kopieren - im Gegenteil: Ich wollte es immer irgendwie anders machen als er. Er war der Meister des Suspense, jener Spannung, die sich über eine halbe Stunde hinweg entwickeln kann. Ich aber konfrontiere mein Publikum lieber mit Schocks - das geht schneller.“
Und so erzielte Carpenter mit der kalkulierten Ökonomie der dramaturgischen und produktionstechnischen Mittel ein Höchstmaß an Spannung, die sich ohne Rücksicht auf tiefere Bedeutung ganz der Maxime verpflichtet, das Publikum gut zu unterhalten.
„Ich habe das Gefühl, dass ich mich mit diesem Film auf sehr dünnem Eis bewege“, meinte Carpenter damals. „Wenn ich diesen Film unheimlich realistisch, ohne Feinheiten und Ironie gemacht hätte, wäre er in Amerika wahrscheinlich sehr viel besser angekommen. Meine Absicht war es, die Zuschauer zu unterhalten, sie mit den Personen im Film zum Lachen zu bringen und gleichzeitig die Gewalt im Film zu entwickeln.“
Dieses Ziel schien der Regisseur auch erreicht zu haben. Allein in den USA spielte der Film mit knapp acht Millionen Dollar wieder das Vielfache seiner Herstellungskosten ein und wurde zu einem Meilenstein in der Karriere des vielseitigen Regisseurs, der es schon immer vorgezogen hat, auch selbst die Musik zu seinen Filmen einzuspielen.
„Ich mache die Musik zu meinen Filmen deshalb selbst, weil ich der preiswerteste Komponist bin, den ich finden kann, und nebenbei auch gleich der beste. Ich arbeite sehr schnell. Ich kenne alle Szenen eines Films und weiß, was gerade gebraucht wird. Gerade für die kleinen und preiswerten Filme brauchten wir große Soundtracks. Und ich wollte nicht die üblichen Klischees von spannender Musik. Ich bin überzeugt davon, dass Musik einen Film total ruinieren kann, besonders die tollen Effekte eines Films.“

John Carpenter (Teil 2) - Schocks und Grusel in Serie

1978 inszenierte John Carpenter nicht nur die beiden Fernsehfilme „Someone’s Watching Me“ und die verherrlichende Elvis-Biographie „Elvis“ mit einem überzeugenden Kurt Russell in der Rolle des „Kings of Rock’n’Roll“, sondern setzte mit „Halloween“ einen oft kopierten und nie erreichten Meilenstein des neuen Horrorfilms.
Dieses Projekt wurde Carpenter von dem unabhängigen Produzenten Irwin Yablans herangetragen, der zunächst ein von ihm selbst erarbeitetes Treatment namens „The Babysitter Murders“ realisieren wollte. Carpenter assoziierte die Story, in der es ein Killer auf Babysitter abgesehen hat, gleich mit der Halloween-Nacht, die er aufgrund der unheimlichen Kürbismasken und der Streiche, die die Kinder ihren Kameraden spielen, so liebt und schuf mit Michael Myers eine Kultfigur des Horrorgenres, die in bislang sieben weiteren „Halloween“-Filmen und zwei Remakes durch Rob Zombie ihr dämonisches Treiben fortsetzen durfte.

Begonnen hat die Geschichte in der Halloween-Nacht 1963, als der sechsjährige Michael Myers ein Messer aus der Küche holt, die Stufen zum Zimmer seiner Schwester hinaufgeht und sich dabei eine Clownsmaske aufsetzt, durch die der Zuschauer das folgende Geschehen verfolgt.
Die Schwester hat gerade ihren Freund verabschiedet und sitzt noch nackt vor dem Spiegel, als Michael ins Zimmer kommt und seine Schwester mit mehreren Messerstichen tötet. Nach der Tat läuft der Junge direkt in die Arme seiner Eltern, die dem verstörten Kind die Maske vom Gesicht nehmen.
15 Jahre später bricht Michael Myers aus einer geschlossenen Nervenheilanstalt aus und kehrt in seine Heimatstadt zurück, um sein blutiges Werk an Halloween fortzusetzen.
Die Geschichte ist bei „Halloween“ sicher weniger wichtig als bei „Dark Star“ und „Assault“. John Carpenter wollte etwas ganz anderes erreichen.
„Ich nahm mir vor, den entscheidenden Film des Sub-Genres der Psychopathen-Filme zu machen. Die Geschichte war mir egal. Ich wollte eine 'Geisterhaus'-Story erzählen, und da war mir die Exposition gleichgültig. Ich wollte natürlich alle Kino-Konventionen erfüllen und ausspielen, was man erwartete. Man erwartet ständig, dass irgendetwas passiert, und bis es passiert, hat man Angst davor. Wenn man die Leute dann ein paar Male warten lässt, steigert sich die Angst“, 
erläutert Carpenter das einfache, aber wirkungsvolle Rezept von „Halloween“.
Zwar dreht sich der Film um den Einbruch des Horrors in eine Scheinidylle bürgerlicher Langeweile und Oberflächlichkeit, wie sie gerade in der typisch amerikanischen Collegeatmosphäre vorherrscht, doch inszenierte Carpenter die eigentlich banale Geschichte eines quasi unverwundbaren Psychopathen äußerst geschickt durch die sich ständig bewegende, oft subjektive Kamera und sorgte mit dem unkonventionellen Schluss für eine Abstrahierung des Killers zum personifizierten Bösen, als nämlich der eigentlich tödlich durch mehrere Schüsse verwundete Michael Myers rücklings durch ein Fenster im dritten Stock hinunterstürzt, aber anschließend spurlos verschwunden ist. Nach der Tat fragte die von Michael verfolgte Laurie den Arzt, der die tödlichen Schüsse abgegeben hat: „War das der Schwarze Mann?“ Und Dr. Loomis antwortet: „Wenn Sie mich fragen, war er es...“
Während Carpenters ersten beiden Filme einhellig als Meisterwerke gefeiert wurden, spalteten sich die Kritiker bei „Halloween“ in zwei Lager. Die einen verpönten Carpenters reaktionäre, puritanische Moral, weil er junge Mädchen und Jungen, die ihre ersten sexuellen Erfahrungen sammeln, mit dem Tod bezahlen lässt. Die anderen lobten den Film als intelligente Reflexion über die Mechanismen der Furcht.
Carpenter selbst äußerte sich zu diesen Kritiken wie folgt: „Ich glaube nicht, dass die Kritik der populären Presse an meiner Arbeit falsch ist. Ich schätze sie, und einige Kritiken sind richtig. Aber sie übersehen immer noch den entscheidenden Punkt: Ich mache meine Filme nicht für die Kritik, sondern für mein Publikum. In 'Halloween' geht es nicht um einen verrückten Jungen, der Leute umbringt. Das ist zwar die Story, aber nicht das, was ich eigentlich sagen will. Es geht um das Böse, um Sexualität. Die Leute ärgerten sich darüber, aber sie übersahen einen wichtigen Punkt. Ironischerweise ist das einzige Mädchen, das in diesem Film nicht herumalbert, Jamie Lee Curtis, diejenige, die den Killer niedersticht. Sie ist denselben Repressionen ausgesetzt wie der Killer, aber sie wird diese sexuelle Energie los.“
Zwar knüpfte John Carpenter mit „Halloween“ an so erfolgreiche Filme wie William Friedkins „The Exorcist“ (1973), Tobe Hoopers „Texas Chainsaw Massacre“ (1974) und Richard Donners „The Omen“ (1976) an, doch nahm „Halloween“ mit seinen 60 Millionen Dollar Einnahmen und mehr als einer Million verkauften Videocassetten bald eine Schlüsselstellung in der Geschichte des modernen Horrorfilms ein, indem der suggestive Horrorthriller eine ganze Psychoschlitzer-Welle ins Rollen brachte („Friday the 13th“, „Nightmare on Elm Street“).
Im Gegensatz zu den nachfolgenden Splatterfilmen, in denen die Schockeffekte nur um ihrer selbst willen eingesetzt wurden, setzte Carpenter die Story des Psychopathen Michael Myers ganz subtil und in erster Linie durch dramaturgische und Toneffekte um, bezog den Betrachter durch die suggestiven Kamerafahrten aktiv in das Geschehen ein.
Einerseits ist „Halloween“ mit inhaltlichen Anleihen und Rückgriffen sowohl auf Hitchcocks Suspense-Thriller als auch auf Gruselklassiker wie „The Thing“ oder „The Forbidden Planet“ gespickt. Andererseits versuchte sich Carpenter ganz bewusst von Hitchcock zu distanzieren.
„Wenn man einen Film wie 'Halloween' dreht, zieht man in Betracht, was auf diesem Gebiet vorher getan wurde. 'Psycho' war das Beste, was es jemals gab. Jedoch machte Hitchcock mehr Suspense-Filme, in denen das Publikum eher langfristig auf Schocks vorbereitet wird. Ich habe weniger einen Suspense-Thriller gedreht als vielmehr einen Film voller Schocks.“
Doch die junge Studio-Chefin von 20th Century Fox fand den Film kein bisschen gruselig, worauf John Carpenter sich entschloss, den Film mit der eigenen Musik zu retten und sich damit beschäftigte, wie Bernard Herrmann für „Psycho“ und Ennio Morricone für „Spiel mir das Lied vom Tod“ die Musik komponiert hatten.
Herrmanns Fähigkeiten, einen imposanten, kraftvollen Score mit begrenzten orchestralen Mitteln zu kreieren, indem er die grundlegenden Töne eines bestimmten Instruments benutzte, war beeindruckend. Sein Score für 'Psycho', den Film, der 'Halloween' inspiriert hat, wurde nur mit Streichinstrumenten eingespielt.“
Zusammen mit Dan Wyman schuf Carpenter daraufhin einen ebenso minimalistischen, allein auf Synthesizern eingespielten, elektrisierenden, rhythmischen Score, dessen Hauptthema im Film die Bedrohung bereits dann erahnen lässt, bevor sie visuell zu erkennen ist. Ungewöhnlich ist allerdings, dass John Carpenter seine Musik oft komponiert, ohne die Bilder des Films dazu zu sehen.
„Wir haben 1978 in einem - wie ich es nenne - 'double blind'-Modus gearbeitet, was einfach bedeutet, dass die Musik im Studio komponiert und eingespielt wurde, ohne Bezug oder Synchronisation zum tatsächlichen Film.“
Nach den kommerziellen Erfolgen seiner ersten drei Filme hatte John Carpenter für seinen nächsten Film ein fast gigantisches Budget von 5 Millionen Dollar zur Verfügung und inszenierte mit „The Fog“ eine klassische Gespenstergeschichte mit modernen Darstellungsmitteln.
'The Fog' ist eine gotische Horrorgeschichte, die etwas von Edgar Allen Poe hat, eigentlich aber mehr eine Hommage an alte Comic Strips wie 'Tales from the Crypt' ist, die in den 50er Jahren sehr populär und für Kinder verboten waren.
Ich habe sie natürlich trotzdem gelesen“, erzählt Carpenter, der mit dem Nebel und den daraus hervorkommenden Geistern verstorbener Seeleute, die Rache dafür nehmen wollen, dass sie vor 100 Jahren einem Schatz geopfert wurden, der sich an Bord des Schiffes befand, atmosphärisch beeindruckende Hauptdarsteller zur Verfügung hatte. Dabei setzte er einmal mehr auf bravouröse Weise die Schock-Motive des Genres ein und inszenierte mit beklemmender Intensität den Countdown des Schreckens: Sechs Bewohner von Antonio Bay müssen sterben, um die ruhelosen Seelen der Seefahrer zu erlösen...
Während die Geschichte damit von Höhepunkt zu Höhepunkt wandert, wird sie einmal mehr durch John Carpenters atmosphärisch dichten Synthesizerklänge begleitet, die die Spannungsmomente mit peitschenden, metallisch unterkühlten Rhythmen einleitet.
„Ich kann ja keine Noten. Aber ich kann hören und Instrumente spielen. Mein Freund Dan Wyman half mir wieder und übersetzte meine Ideen in die entsprechenden Arrangements“, erläutert Carpenter seine musikalische Arbeitsweise. „Ich spielte die Themen, und er programmierte alles. Ich musste sagen, dafür brauchen wir jetzt Bläser und eine Orgel, die ungefähr klingen soll wie... Dann haben wir zum Schluss mehrere Stimmen übereinandergemischt, manchmal bis zu zwanzig Stimmen, bis es richtig klang. Dann muss die Musik noch dem Film angepasst werden. Das dauert weitere Zeit, aber die wichtigsten musikalischen Themen habe ich in weniger als drei Tagen geschrieben.“
Etwas länger dauerte es allerdings, bis John Carpenter sein Drehbuch zu „Escape from New York“ umsetzen konnte, das in einer ersten Fassung bereits 1974 vorlag. In diesem Jahr befand sich der Regisseur nämlich in diesem Hexenkessel, wobei ihm die ständige Präsenz von Kriminalität „stark zu schaffen“ machte. „In Los Angeles bekommt man es weniger mit als hier. Ich musste diese beklemmenden Eindrücke verkraften. Das kann ich am besten, wenn ich darüber schreibe.“
Für das Szenario zu „Escape from New York“ machte Carpenter einfach eine Hochrechnung: 1960 gab es in New York 390 Mordopfer. Zehn Jahre später hatte sich diese Quote bereits verdoppelt, weitere zehn Jahre darauf war erneut ein doppelter Zuwachs zu verzeichnen. Spinnt man dieses Zahlenspiel weiter, würde eine bürgerkriegsähnliche Konfrontation zwischen Polizei und den vermeintlich Kriminellen unvermeidbar sein.
Inspiriert durch den Charles-Bronson-Film „Death Wish“ („Ein Mann sieht rot“), der diese Vision bereits thematisierte, schrieb John Carpenter ein erstes Drehbuch, das jedoch zunächst in der Schublade verschwand, weil noch zahlreiche andere, leichter zu finanzierbare Projekte auf dem Plan standen, nämlich die Fernseh-Produktion „Die Augen der Laura Mars“, „Das unsichtbare Auge“ und „Elvis“ sowie „Assault - Anschlag bei Nacht“ und „Halloween“.
Als es 1981 endlich an die Verfilmung des Projektes ging, knüpfte Carpenter an die in „Assault“ bereits thematisierte bedrohliche Kriminalität wieder an und übertrug sie in einem größeren Maßstab auf die Stadt New York, deren Stadtteil Manhattan zu einem ausbruchssicheren Großgefängnis umfunktioniert wurde, in dem sich die Kriminellen eine eigene Gesellschaft geschaffen haben.
Eines Tages stürzt das Flugzeug des Präsidenten über diesem heruntergekommenen Territorium ab. Das Staatsoberhaupt war gerade auf dem Weg zu einer internationalen Gipfelkonferenz, auf der er versuchen wollte, einen drohenden Atomkrieg zu verhindern. Um den Präsidenten aus den Fingern seiner Geiselnehmer zu befreien, wird Snake Plissken (Kurt Russell), ein hochdekorierter Soldat, der auf die schiefe Bahn geriet und gerade auf dem Weg ins Hochsicherheitsgefängnis war, in diese Hölle auf Erden geschickt. 24 Stunden hat die „Klapperschlange“ Zeit, den Präsidenten zu finden und aus diesem Ghetto zu holen, damit dieser seine Botschaft den anderen Regierungschefs noch rechtzeitig übermitteln kann.
Snake bleibt auch keine andere Wahl, weil ihm eine Mikro-Bombe injiziert wurde, die in genau 24 Stunden in seinem Körper explodieren würde, wenn er nicht rechtzeitig mit dem Präsidenten zurückkommt, um sie entschärfen zu lassen...
Natürlich kann man auch in diesem Film gesellschaftskritische Züge ausmachen, doch Carpenter weist diese Bezüge weit von sich. „Botschaften jeder Art gibt es in meinen Filmen nicht. Meine Vorstellung von Kino ist die totale Unterhaltung“, meint Carpenter, schränkt dann aber ein: „Die Gewalttätigkeiten dieser Stadt, die Straßenschlachten, der Unrat, die Freaks und die Kriminellen, dies alles ist der Zustand von heute. In die Zukunft projiziert ergibt sich die Wahnsinnssituation, die ich in 'Escape' zeige.“
Entsprechend futuristisch fiel auch der düstere, synthetisch unterkühlte Score aus, den John Carpenter erstmals mit seinem dann langjährigen Partner Alan Howarth eingespielt hat. Dieser war beim Soundtrack zu „Halloween“ noch als Stereo-Re-mix-Engineer tätig, wurde in den folgenden Jahren aber zu einem verlässlichen Partner für John Carpenter, zumal er sich als absoluter Electro-Freak erwies, der Carpenters Vorliebe für elektronische Scores noch besser umsetzen konnte.
„Meine Faszination für elektronische Musik rührt einfach daher, dass man mit Synthesizern relativ einfach ein Orchester imitieren kann. Wenn man also nicht das Geld hat, um einen orchestralen Score zu produzieren, bietet der Synthesizer eine recht kostengünstige Möglichkeit, einen umfangreichen Score zu kreieren. Ich begann mit Low-Budget-Filmen, und mit Synthesizern konnte ich trotzdem einen großartigen Sound schaffen.“
Allerdings liegen die Qualitäten von Carpenters Filmmusiken gerade nicht in der Imitation von Orchester-Arrangements, sondern in der ausgeprägten Betonung synthetischer Klänge.
Nachdem auch „Escape From New York“ ein voller Erfolg für John Carpenter wurde, kamen nun größere Studios auf ihn zu, so dass sich Carpenter mit seinem nächsten Film einen alten Traum verwirklichen konnte, nämlich ein Remake von Howard Hawks „The Thing“ zu drehen.
Aus Respekt vor seinem großen Idol wollte Carpenter allerdings keine bloße Kopie des SF-Klassikers von 1951 in modernem Gewand liefern, sondern sich enger an die zugrundeliegende Geschichte „Who goes there?“ von John W. Campbell halten, der das „Ding“ in die Lage versetzte, jede beliebige Gestalt anzunehmen. Carpenter inspirierte das zu einigen expliziten Splatterszenen, die von der Kritik allerdings nicht durchweg angenommen wurden.
Das „Zehn kleine Negerlein“-Prinzip, das bereits in „Assault“, „The Fog“ und „Halloween“ spannungsvoll durchgespielt wurde, kommt auch bei „Das Ding aus einer anderen Welt“ zum Tragen, als ein Team von zwölf Forschern in der Antarktis geophysikalische und andere wissenschaftliche Phänomene zusammentragen soll. Dabei stoßen sie auf ein norwegisches Lager, dessen Besatzung gestorben ist und ein Wesen beherbergt, das vor 100.000 Jahren vom Himmel fiel und im Eis begraben wurde. Von wissenschaftlicher Neugier angetrieben, erwecken die Amis das „Ding“ zum Leben, das kurz darauf verschwindet und sich wie ein Parasit in anderen Körpern fortpflanzt.
Nachdem „Escape from New York“ ein Budget von 8,5 Millionen Dollar zur Verfügung hatte, durfte Carpenter 1982 bei „The Thing“ sogar mit 15 Millionen Dollar arbeiten. Dafür ließ sich Carpenter auch überreden, das Komponieren der Filmmusik einem Veteranen zu überlassen: Ennio Morricone zählte durch seine eindrucksvolle Musik zu „Spiel mir das Lied vom Tod“ zu Carpenters Lieblingskomponisten, doch versuchte Morricone vergebens, Carpenters Sound zu imitieren, so dass ihm nur ein mäßig überzeugender Score gelang.
Ähnlich verhielt es sich mit dem ganzen Film, der offensichtlich zu sehr auf das breite Publikum zugeschnitten war, wobei die blutrünstigen Szenen diesen Erfolg allerdings verwehrten.

Dennoch steht Carpenter zu diesem Werk: „Das ist mein Lieblingsfilm. Da habe ich Horror gezeigt, wie er sich bis dahin nur in meiner Gehirnrinde sehen lassen durfte.“
Während Carpenter bei „The Thing“ seine musikalischen Talente ruhen lassen musste, schrieb er aber 1981 und 1982 zusammen mit Alan Howarth die Scores zu den „Halloween“-Sequels Teil 2 und 3, mit denen er ansonsten aber wenig zu tun hatte.
„Wir haben keine Story, wir haben die gleiche Geschichte, es gibt keine andere Geschichte, und wir haben sie bereits erzählt“, lehnte Carpenter die Arbeit an „Halloween“-Fortsetzungen kategorisch ab. „Ich machte diesen Film einmal, und ich wollte ihn wirklich nicht noch einmal drehen.“

John Carpenter (Teil 3) - Ärger mit den großen Studios

Für das 1981 inszenierte Sequel „Halloween II“ schrieb Carpenter nur noch das Drehbuch, produzierte den Film zusammen mit Debra Hill und steuerte auch wieder die Musik bei. Nachdem der Film zwar genügend Geld einbrachte, um eine weitere Fortsetzung zu drehen, aber in allen Belangen künstlerisch enttäuschte, überließ er für die 1982 inszenierte Fortsetzung „Halloween III - Seasons of the Witch“ seinem Freund Tommy Lee Wallace nicht nur die Regie, sondern auch das Drehbuch, und war an diesem Teil nur noch als Produzent und Komponist beteiligt, bevor er ganz die Finger von den weiteren Sequels ließ.

Dafür nahm er sich 1983 des gerade auf den Bestsellerlisten ganz oben rangierenden neuen Stephen-King-Romans „Christine“ an. Die Vorproduktion war bereits bei Erscheinen des Romans, in dem ein 58er Plymouth ein unheimliches, mörderisches Eigenleben entwickelt, abgeschlossen. Mit fünf Wochen Drehzeit und einem Budget von 10 Millionen Dollar ging es dann an die Arbeit.
„Ich spürte sofort, dass dieses Buch viel mit dem Amerika von heute zu tun hat“, meinte Carpenter nach der Lektüre des Romans. „Es ist eine phantastische Geschichte, die man hervorragend verfilmen kann.“
Auch Stephen King war von der Idee angetan, dass John Carpenter seinen Bestseller auf die Leinwand bringen sollte.
„Wir beide lieben es, den Leuten Angst einzujagen, keine Frage, und beide mögen wir auch Fantasy-Elemente, und davon kann man eine Menge in den Film einbauen. Ich denke, John Carpenter ist ein extrem farbenfroher Regisseur mit einer gewaltigen Imagination. Er hat Energie, eine Menge Energie, die er in seinen Filmen umsetzt, und deswegen gehe ich eben in solche Filme, weil man diese Energie da sehen kann.“ Allerdings fiel Kings Reaktion offensichtlich etwas anders aus, nachdem er den Film gesehen hatte. „Stephen King mochte den Film überhaupt nicht“, meint Carpenter. „Er warf mir vor, seinen Stoff lieblos behandelt zu haben. Wahrscheinlich berührten ihn die Kritiker-Reaktionen nach „The Thing“ doch mehr, als er zugeben wollte, denn bei „Christine“ verzichtete er auf Splatter-Effekte, ließ dadurch aber den gesamten Film sehr blutleer wirken.
Daraufhin zog sich der Regisseur erst einmal aus dem Horror-Genre zurück und inszenierte 1984 das von Michael Douglas mitproduzierte Science-Fiction-Märchen „Starman“.
„Ich habe eine ganze Menge Thriller, Suspense- und Horrorfilme gemacht. Da möchte ich langsam auch in andere Gefilde. 'Starman' ist ein Schritt in die Richtung des eher dramatischen Films. Da gibt es auch Komödien-, Abenteuer- und Science-Fiction-Elemente, und das sind ja Dinge, an die ich gewöhnt bin“, begründete Carpenter den Genre-Wechsel, der zudem eine weitaus positivere Grundstimmung aufwies als seine apokalyptisch gefärbten Action- und Horror-Thriller.
„Es gibt so viele Filme in den USA heutzutage, die nur im Blickpunkt haben, was an diesem Land nicht stimmt. Mit 'Starman' gab es endlich einmal die Gelegenheit, die gute Seite Amerikas zu zeigen, die Schönheit des Landes und das Potential der Menschen, die darin wohnen.“
Jeff Bridges spielt darin einen Außerirdischen, der der Einladung der Voyager II Folge leistet, die Erde zu besuchen, wird aber von US-Kampfbombern abgeschossen. Während sein Körper beim Absturz des Raumschiffes verglüht, bleibt sein Geist in einem glühenden Energiefeld erhalten und findet im Wald ein beleuchtetes Haus. Anhand eines Fotos und einer Haarlocke verwandelt sich der Starman in das Ebenbild des kürzlich verstorbenen Mannes der Hausbewohnerin, die sich nach anfänglicher Verwirrung um den geheimnisvollen Besucher aus dem All kümmert und sich in ihn verliebt.
Für Jeff Bridges gab es immerhin eine Oscar-Nominierung, aber der domestizierte Regisseur, der das Komponieren der Filmmusik diesmal Jack Nitzche überlassen musste, wurde wieder mit dem Vorwurf konfrontiert, unter den Bedingungen eines Major-Studios seine eigene Handschrift eingebüßt zu haben. Da die „E.T.-Version für Erwachsene“ (Carpenter) aber genügend Zuschauer in die Kinos lockte, stand bereits das nächste Studio vor Carpenters Tür.
20th Century Fox plante den opulentesten Film überhaupt, und das Drehbuch zu „Big Trouble in Little China“ gefiel Carpenter so gut, dass er sogar das Angebot ablehnte, den Eddie-Murphy-Film „Auf der Suche nach dem goldenen Kind“ zu machen.
 Kurt Russel und John Carpenter am Set von "Big Trouble In Little China"

„Ein unglaubliches Potential an Magie, Unschuld, Freiheit und Verrücktheit“, schwärmte der Regisseur, der seit langem ein Fan der ostasiatischen Kampfsportarten Martial Arts war und immer davon geträumt hatte, einen Kung-Fu-Film zu drehen.
„Ich dachte lange darüber nach, was das Publikum wohl zu diesem Film sagen wird, als ich das Skript las. Mein Gott, ich habe nie zuvor etwas Abgedrehteres gelesen als das. Es ist ein amerikanischer Film mit amerikanischem Humor. Das Publikum, das sich mit unserem Protagonisten identifiziert, wird mit ihm in eine Welt katapultiert, in der es nie zuvor war, eine Welt, die so voll von Action und Abenteuern ist, dass man es kaum glauben kann.“
Allerdings war das Publikum von dem 19 Millionen Dollar teuren effektüberladenen Genre-Mix aus Abenteuerfilm, Thriller, Kung-Fu-Action und Fantasy-Spektakel allzu irritiert und verwehrte ihm den großen Erfolg.
Zwar sorgten die knallbunten Kostüme, die choreographisch hervorragend inszenierten Kampfszenen, die spektakulären Special Effects und die witzigen Dialoge für gute Unterhaltung, doch die Marketing-Strategie, den Film als „Indiana Jones“-Variante anzubieten, zündete nicht. Letztlich war auch John Carpenter mit seiner Situation unzufrieden und kündigte an, nie mehr mit einem großen Studio zusammenarbeiten zu wollen.
 „Ich hatte es satt, mich mit den Studios und unübersehbaren Budgets herumzuschlagen. Mit 15-20 Millionen Dollar werden die kreativen Instinkte nämlich paralysiert. Man will nichts mehr wagen und schläft selbstzufrieden ein“, meinte Carpenter, nachdem er einen Vertrag bei Alive Films unterschrieben hatte, die ihm völlige Freiheit bei seinen Filmen zusicherten.
„Sehen Sie sich die großen Produktionen doch einmal an. Jeder Special Effect kostet ein Vermögen, niemand bemüht sich mehr, erfinderisch zu sein. Wenn ich sage, da soll ein abgeschlagener Kopf am Boden mit den Augen rollen, dann rechnet mir der Experte vor, dass ich eine Gussplastik des Kopfes mit eingebauter Mechanik für die rollenden Augen benötige. Die können gar nicht mehr anders. Ich muss selbst kommen und diesem Experten sagen, dass sie vielleicht einen lebenden Mann einbuddeln, nur seinen Kopf zeigen, ein bisschen Make-up um den Hals legen, und dann ist der ach so teure Effekt fertig. Dann bekomme ich sofort recht. Aber niemand denkt mehr preiswert und kreativ. Da liegt die Misere.“
Mit seinem nächsten Film kehrte John Carpenter in vieler Hinsicht zu seinen Ursprüngen zurück. Zum einen finanzierte er „Prince Of Darkness“ (1987) mit einem relativ bescheidenen Budget von drei Millionen Dollar, wandte sich wieder dem von ihm so geschätzten Horror-Genre zu und griff in der Story ein Motiv auf, das er bereits in „Assault“ erfolgreich umsetzte: eine kleine Gruppe von „guten“ Menschen verbarrikadiert sich in einem Gebäude und wird von bösen Kreaturen belagert. Bei den guten Menschen handelt es sich um Studenten der Fachgebiete Atomphysik, Mikrobiologie, Chemie, Astrologie und Theologie, die in einer Kirche ein mysteriöses Gefäß mit einer grün leuchtenden Flüssigkeit untersuchen sollen, das von der ausgestorbenen Sekte der „Bruderschaft des Schlafes“ hinterlassen wurde.
Dabei stellt sich heraus, dass Satan selbst in diesem Gefäß gefangen ist und sich durch die Flüssigkeit, die aus dem Behälter dringt, ebenso vermehrt wie die finsteren Kreaturen (unter ihnen der brillante Alice Cooper), die um die Kirche herum lungern.

Die Voraussetzungen für einen erfolgreichen Film waren durchweg vorhanden: John Carpenter konnte - unter dem Pseudonym Martin Quatermass - sein eigenes Drehbuch verfilmen, seine Wunsch-Crew einsetzen und noch einen genialen, düster-wabernden, sphärisch-dichten Synthi-Score mit seinem Partner Alan Howarth komponieren, der durch die neu eingesetzte Midi-Technik sehr komplex wirkt und seine unheimliche Wirkung noch verstärkt.
„Der Einsatz der Midi-Technik ermöglichte es Alan, verschiedene Synthesizer übereinanderzulegen, die gleichzeitig von einem Keyboard gespielt wurden. Früher hätten wir beachtliche Zeit gebraucht und viele Tonspuren verwendet, um unsere musikalische Linie zusammenzustellen. Jetzt konnten alle Synthesizer im Studio zur gleichen Zeit auf einer Spur gespielt werden. Die orchestralen und elektronischen Möglichkeiten werden so plötzlich riesig.“
Abgesehen von der absoluten Kontrolle, die John Carpenter vertraglich von Alive Films für die vier vereinbarten Projekte bereits im Vorfeld durch Carolco finanziell abgesichert, die durch ihre Stallone- und Schwarzenegger-Produktionen Riesengewinne erzielt hatte und eine geschickte Video-, TV- und Auslandsmarketing-Strategie entwickelte.
„Na los, dann wollen wir mal sehen, ob ich jetzt mal wieder ein paar gute Filme machen kann. Ich habe mehr als vier Ideen im Kopf“, meinte damals ein optimistischer John Carpenter, der von seinem Alive-Debüt „Prince Of Darkness“ sehr angetan war. „Eine Kombination von Science Fiction und Horror, mit der ich wieder zu meinen Ursprüngen zurückkehrte. Von all meinen Filmen wurde er am meisten unterschätzt. Er war seiner Zeit weit voraus.“
Vielleicht konnte sich der Film deshalb nicht so recht an der Kinokasse durchsetzen. Auch wenn er der treuen Fangemeinde endlich wieder ein paar schauderhafte Gruselmomente präsentierte, blieben die Schockeffekte letztlich zu sehr der Horror-Tradition der 70er Jahre verhaftet.
Dank Carpenters rationeller und kostengünstiger Produktionsweise wurde das Drei-Millionen-Dollar-Budget immerhin schnell wieder eingespielt und sogar weit übertroffen. Es schien, als würden Carpenters Filme sowohl in künstlerischer als auch finanzieller Hinsicht besser abschneiden, wenn nicht so große Budgets und Kontrollinstanzen im Spiel sind.
„Jeder weiß, dass es einen direkten Zusammenhang zwischen meinen niedrigen Budgets und der kreativen Kontrolle über meine Filme gibt. Weniger Geld heißt weniger Leute, die mir in meine Anliegen hineinpfuschen können“, erklärte Carpenter diesen Zusammenhang. „Es heißt auch, dass ich nicht mehr den Verlockungen der Mega-Budgets erliegen kann. Jetzt bin ich wieder in der Wirklichkeit - in meiner Wirklichkeit.“

John Carpenter (Teil 4) - Der künstlerische und kommerzielle Niedergang

Da John Carpenter von der Realität in Amerika der Spätachtziger wenig angetan war,  präsentierte er mit seinem nächsten Projekt für Alive Films seine satirische Abrechnung mit der Reagan-Ära.
„Wir stehen am Ende einer Dekade. Die 80er Jahre haben die Erfolge einer kleinen Gruppe der menschlichen Gesellschaft verbessert. Ein halbes Prozent der Bevölkerung Amerikas verfügt über 50% des Wohlstands des ganzen Landes - es ist nur zu sichtbar, dass das soziale Gefälle immer größer wird. Global betrachtet wird das Gefälle noch viel größer.
Die Nationen der zivilisierten 'ersten' Welt beuten die Menschen der dritten Welt aus, kaufen ihnen die Rohstoffe weg, um ihnen die Produkte daraus später teuer zu verkaufen“, bilanzierte Carpenter die Lage der Nation.

Für „They Live!“ (1988) ließ er sich vom Comic „Alien Encouters“ inspirieren, das Bill Wray nach der 1960 im Magazine of Fantasy and Science Fiction veröffentlichten Geschichte „Eight o’ Clock“ von Ray Faraday Nelson gezeichnet hat.
Darin wird ein Mann von einem Bühnenmagier hypnotisiert und erkennt daraufhin außerirdische Invasoren, die er nur bis zum nächsten Morgen zu bekämpfen Gelegenheit hat.
John Carpenter schuf aus dieser Idee ein nicht in allzu weiter Zukunft liegendes Szenario, in der der amerikanische Traum von jedem Bürger verwirklicht werden kann. Im Prinzip kann jeder Arbeit finden und so am Leben im Luxus teilhaben. John Nada muss allerdings eine andere Erfahrung machen. Nachdem sein Arbeitgeber in Detroit dichtgemacht hat, versucht er sein Glück in Los Angeles, wo er gerade mal einen Job als Bauarbeiter auf einer Großbaustelle findet. Als er bemerkt, dass ein Piratensender des Öfteren das örtliche Programm überlagert und dass von einer infamen Verschwörung die Rede ist, geht John Nada der Sache auf den Grund und stößt auf ein chemisches Labor, in dem Sonnenbrillen hergestellt werden. Als er eine dieser Brillen aufsetzt, verwandeln sich farbenfrohe Werbeplakate in Botschaften wie „Gehorche“, „Schlaf“, „Fernsehen“, „Kaufe“, „Denk nicht“. Aber mit der Brille lassen sich auch Außerirdische mit metallischen Totenschädeln identifizieren, die menschliche Formen angenommen haben und die Erdbewohner mit unterschwelligen Botschaften zu ihren willfährigen Dienern gemacht haben.
„Ich kam auf die Idee, dass die gesamt Ära Reagan in Wirklichkeit von Außerirdischen gelenkt wird, dass all die Dinge, die sich momentan in Amerika abspielen - die Reichen werden reicher, die Armen ärmer, die Mittelklasse löst sich in Luft auf -, in Wahrheit Teil dieser enormen außerirdischen Verschwörung sind. Mir schwebte ein Film gegen die achtziger Jahre vor, gegen die Yuppies, ein Plädoyer für den Verfolgungswahn“, berichtet Carpenter.
Die gesellschaftskritischen Ansätze, die Carpenter in frühen Filmen wie „Assault“ und „Escape from New York“ konstruiert hat, wurden in „They Live!“ etwas mehr auf den Punkt gebracht, ohne im besonderen Maße politisch ambitioniert zu wirken. Dennoch weiß der Film den alltäglichen Horror auf symbolische Weise zu thematisieren.
„Was mich am meisten ängstigt, ist die Realität, die Politik, die Einstellung der Menschen und ihre offensichtliche Bereitwilligkeit, sich selbst und andere zu zerstören“, resümiert Carpenter.
'They Live!' ist eine Art, auf die man Amerika heutzutage betrachten und portraitieren kann. Heimatlosigkeit und das Glück auf der Seite des Starken sind Dinge, die mich mehr ängstigen als jedes andere natürliche und übernatürliche Ereignis.“
Leider sollte „They Live!“ der letzte Erfolg für John Carpenter bleiben. Die nächsten drei Jahre verbrachte der überzeugte Independent-Filmer damit, Ideen zu entwickeln, um sie dann wieder zu verwerfen. So scheiterte das geplante Remake von Jack Arnolds Grusel-Klassiker „Der Schrecken vom Amazonas“ an finanziellen Schwierigkeiten; „The Mummy“ wurde zunächst an Clive Barker, dann an Mick Garris („The Stand“) weitergereicht und die Fortsetzung von „They Live!“ - „They Live II - Hypnowar“ blieb im Stadium einer bloßen Idee stecken.
Schließlich erlag Carpenter dann doch erneut der Versuchung, für ein großes Studio zu arbeiten, und landete mit der 45 Millionen teuren Fantasy-Komödie „Memoirs of an Invisible Man“ („Jagd auf einen Unsichtbaren“) den nächsten Flop.
Zwar erwies sich Carpenter bei der Umsetzung von H.F. Saints gleichnamigen Erzählung einmal mehr als hervorragender Handwerker, doch letztlich glänzten nur die auf Hauptdarsteller Chevy Chase zugeschnittenen Gags und das Special-Effects-Feuerwerk von Industrial Light & Magic.
Nach diesem Desaster wandte sich Carpenter zwangsläufig wieder kleineren Projekten zu. 1993 produzierte er fürs TV in Anlehnung an die erfolgreiche Grusel-Serie „Tales from the Crypt“ den Episodenfilm „Body Bags“, in der er als Leichenbeschauer zugleich sein Schauspiel-Debüt gab. Bei den beiden Episoden „The Gas Station“ und „Hair“ führte Carpenter auch selbst Regie (die dritte namens „Eye“ stammt von Tobe Hooper) und komponierte zusammen mit Jim Lang den kaum nennenswerten Soundtrack.
Trotzdem fanden sich die beiden Musiker auch bei Carpenters nächstem Film zusammen. Mit „In the Mouth of Madness“ („Mächte des Wahnsinns“), einer Hommage an H.P. Lovecraft, tauchte der Regisseur endlich wieder tief ins Horror-Genre. Sam Neill spielt darin den Versicherungsdetektiv John Trent, der bei der Suche nach dem Horror-Schriftsteller Sutter Cane in eine magische Zwischenwelt gelangt, in der der Wahnsinn regiert.
Carpenter ließ seiner Phantasie freien Lauf und kreierte einen Batzen Horroreffekte, doch wirkt die Story alles andere als logisch. „Luis Buñuel trifft H.P. Lovecraft. Ein entfernter Verwandter des 'Fürsten der Dunkelheit', aber weitaus humorvoller und radikaler“, fasst Carpenter das wirr inszenierte Konzept zusammen und ging damit ein weiteres Mal an der Kinokasse baden - ebenso wie mit dem 95er ideenlosen Remake von Wolf Rillas 1960 inszenierten Gruselschocker „Village of the Damned“, in dem die Frauen einer englischen Kleinstadt im bewußtlosen Zustand von Aliens geschwängert werden, worauf die wasserstoffblonden Zöglinge mit ausdruckslosen Gesichtszügen ihren Eltern den Krieg erklären. Das einzig Positive an dem Film, der hierzulande nicht mal in die Kinos kam, war das gut siebenminütige, hymnische und rhythmische „March of the Children“ vom Soundtrack, den Carpenter mit dem Kinks-Gitarristen Dave Davies komponiert hat.
1986 war es dann endlich wieder Zeit, Snake Plissken auf die Leinwand zurückzubringen. Obwohl Carpenter schon immer mit einem Sequel geliebäugelt hatte, schien die Realisierung überhaupt nicht mehr hinzuhauen. Für den Regisseur bestand das Problem vor allem darin, eine interessante Story für die Fortsetzung zu finden.
„Ich wollte einfach nicht den gleichen Film noch einmal drehen. Mit Kurt Russell habe ich mich oft darüber unterhalten, aber wir hatten keine Story, wussten nur, dass dann Los Angeles zum Schauplatz werden sollte“, erklärt Carpenter die lange Entstehungsgeschichte von „Escape from L.A.“. „In den 90ern löste L.A. New York als schrecklichste Stadt der Welt ab. Es gab Erdbeben, viele Leute zogen weg. Die Kriminalität ist gestiegen. Eine Stadt der Angst, genau das brauchten wir. Ich wollte einen Film wie Stanley Kubricks 'Dr. Seltsam'. Je ernster der Hintergrund, desto absurder kann die Story sein.“
Tatsächlich war es das Erdbeben, das 1994 Los Angeles erschütterte, das zur Wiederbelebung von Snake Plissken führte.
„Nach dem Erdbeben in L.A. kam Kurt Russell zu mir und sagte: 'Ich glaube, es wird Zeit für uns, mit L.A. das anzustellen, was wir mit New York gemacht haben'“, blickt Carpenter zurück. „Er sagte mir, dass Snake Plissken die einzige Rolle ist, die er wieder spielen würde. Snake ist ein klassischer Charakter, den man nicht ändern muss. Niemand weiß so ganz genau, wie er wirklich ist und wo er eigentlich herkommt, aber man ist sich im klaren darüber, dass er der schlimmste Mensch in einer schlimmen Welt ist und er sich um die Bösen kümmert. Dieser Film ist eigentlich das, was ich einen 'cowboy noir' nenne, einen schwarzen Western, der in der Zukunft spielt.“
Das Szenario von „Escape from L.A.“ beginnt mit einer Rückblende auf die Erdbeben, die ins Jahr 2000 verlegt werden und die Los Angeles vom Rest der USA isoliert haben. Hierhin werden seitdem alle 'Unmoralischen' verbannt, während die christlich-fundamentalistische Regierung eine erzkonservative Diktatur errichtet hat, die von einem auf Lebenszeit ernannten, puritanisch-religiösen Präsidenten geführt wird. Ausgerechnet seine Tochter Utopia schlägt sich mit den Plänen für eine neue Vernichtungswaffe auf die Seite der vom anarchistischen Guerilla Cuervo Jones angeführten Rebellen. Diesmal hat Snake Plissken, dem ein tödlicher Designer-Virus injiziert wird, nur zehn Stunden Zeit, um Utopia zu eliminieren und die Diskette mit den Plänen zurückzubringen. Carpenter folgt dabei minutiös der Dramaturgie von „Die Klapperschlange“, so dass man eine wirklich originelle Story schmerzlich vermisst.
„Wir haben uns für eine déjà-vu-Situation entschieden, weil die Mehrheit des Publikums nicht den ersten Film gesehen hat. Obwohl der Film auf Video und Laserdisc erschienen ist, gibt es ein ganz neues Publikum. Deshalb haben wir die Geschichte noch einmal neu erzählt. Auf der anderen Seite wollten wir den Fans des ersten Films auch etwas Neues bieten, so dass eine gewisse Balance stattfand.“
Allerdings schlug der Versuch, mit dieser Strategie ein neues Publikum zu erschließen und die alten Fans ebenfalls zu begeistern, auf klägliche Weise fehl. In den USA spielte der Film gerade mal die Hälfte der 50 Millionen Dollar Produktionskosten ein und dürfte damit die Pläne für ein abschließendes dritte Sequel, in dem Snake von der Erde fliehen sollte, frühzeitig begraben haben.
Mit einer Neuerung konnte der Film immerhin aufwarten und die bezog sich einmal mehr auf die Filmmusik. Zum ersten Mal verschmelzen Carpenters kargen Synthi-Klänge mit orchestralen Arrangements, für die Shirley Walker verantwortlich zeichnete, nachdem sie zuvor schon Carpenters „Jagd auf einen Unsichtbaren“ mit einem großorchestralen Score versehen hatte.
„Es gibt einen Hollywood-Stil, von dem ich mich immer ferngehalten habe. Shirley bezeichnet mich als Minimalisten, was meine Musik angeht. Aber wenn man einen großen Film wie 'Escape From L.A.' macht, muss man das Publikum mit einem orchestralen Gefühl erreichen. Da diese Art von Musik nicht meine Stärke ist, wollte ich mit einem Komponisten zusammenarbeiten, der die symphonische Erfahrung besitzt.
Shirley war die erste Person, an die ich dachte, und sie sagte: 'Warum nicht? Lass es uns machen!'“, erklärt John Carpenter die Zusammenarbeit mit Shirley Walker. „Wir haben uns zu Beginn zusammengesetzt und den Film in zwei Teile aufgeteilt, wobei der eine der Score-, der andere der Synthesizer-Part war. Ich kümmerte mich um all das Synthesizer-Material, während sie sich des Orchesters annahm. Aber Shirley orchestrierte und arrangierte letztlich die ganze Musik, auch meinen Part.“
Nicht nur die Story von „Escape from L.A.“ rekapitulierte den 15 Jahre alten Vorläufer, auch die Musik musste sich am Original orientieren.
„Die Musik entstand 1981, als Alan und ich noch Prophets und andere alte Synthesizer verwendeten“, erinnert sich Carpenter. „Ich wollte den Sound auf den letzten Stand der Technik bringen. Tom Milano, der Musikregisseur, mischte die ursprüngliche Melodie an den Anfang von 'Escape from L.A.'. Die Melodie erschien uns etwas langsam, deshalb sequentierten wir sie neu und erhöhten das Tempo.“
Tatsächlich gehört das so weiterentwickelte prägnante Hauptthema des ursprünglichen „Klapperschlange“-Films zu den Höhepunkten des durchwachsenen Scores, dessen Faszination vor allem in den düsteren Electro-Sequenzen als in den konventionell arrangierten Orchester-Passagen liegt.
„Der Film hat viel Humor. 'Escape from L.A.' ist ein Abenteuerfilm, der dich an die Leinwand fesselt, sich aber selbst nicht zu ernst nimmt. Es ist ein sehr, sehr schwarzer Film, in dem es aber durchaus Lacher gibt. Shirley und ich haben keine `Friede-Freude-Eierkuchen´-Musik geschrieben. Snake geht in eine sehr dunkle, sehr seltsame Stadt und wir mussten das Publikum mit einer dunklen, seltsamen Musik darauf einstimmen.“
Für die Filmmusiken Carpenters gilt aber letztlich das gleiche wie für seine Filme. Je geringer das Budget und die Restriktionen, die sich in künstlerischer Hinsicht daraus ergeben, desto unbefriedigender fällt das Resultat aus. Mit dem 88er Film „Sie leben“ hat Carpenter seinen letzten wirklich gelungenen Film präsentiert. Gleiches lässt sich bezüglich seiner Filmmusik sagen. Man sieht es dem nun 50jährigen Allround-Talent nur zu deutlich an, dass die Reibereien mit den großen Studios ihre Spuren in dem eingefallenen Gesicht des Kult-Regisseurs, der mit seinen schlohweißen Haaren wie ein 70jähriger aussieht, hinterlassen haben. Doch sobald John Carpenter wieder eine Chance angeboten bekommt, wird er sie ergreifen, denn als Regisseur verfolgt er unbeirrt seine Vision: „In meiner Persönlichkeit gab es immer viele verschiedene Aspekte. Ich denke, ich bin ein Langzeit-Pessimist und ein Kurzzeit-Optimist.
Ich fühle, dass eine große Dunkelheit über die Menschheit hereinbricht. Gleichzeitig und im Widerspruch dazu fühle ich, dass das Leben wunderschön sein kann. Und das möchte ich natürlich auch in meinem Werk ausdrücken. Ich möchte als Filmemacher auf keinen Fall auf ein Genre beschränkt sein. Filme müssen eine bestimmte Stimmung schaffen und einen emotional aufrütteln.“
Allerdings ist das John Carpenter in den letzten Jahren immer weniger gelungen.

Filmographie/Diskographie:
(wenn nicht anders angegeben, hat John Carpenter jeweils auch die Musik komponiert)
1974 - Dark Star
1976 - Assault on Precinct 13 (Assault – Anschlag bei Nacht)
1978 - Someone’s Watching Me (Das unsichtbare Auge) – M: Harry Sukman
1978 - Halloween
1978 - Elvis – M: Elvis Presley
1980 - The Fog
1981 - Escape From New York (Die Klapperschlange) – M: mit Alan Howarth
1981 - Halloween II – M: mit Alan Howarth
1982 - The Thing (Das Ding aus einer anderen Welt) - M: Ennio Morricone
1982 - Halloween III – Season of the Witch – M: mit Alan Howarth
1983 - Christine – M: mit Alan Howarth
1984 - Starman – M: Jack Nitzsche
1986 - Big Trouble In Little China – M: mit Alan Howarth
1987 - Prince of Darkness (Die Fürsten der Dunkelheit) – M: mit Alan Howarth
1988 - The Live! (Sie leben!) – M: mit Alan Howarth
1992 - Memoirs of an Invisible Man (Jagd auf einen Unsichtbaren) – M: Shirley Walker
1993 - Body Bags – M: mit Jim Lang
1995 - In The Mouth of Madness (Mächte des Wahnsinns) – M: mit Jim Lang
1995 - Village oft he Damned (Dorf der Verdammten) – M: mit Dave Davies
1996 - Escape from L.A. (Flucht aus L.A.) – M: mit Shirley Walker
1998 – Vampires
2001 – Ghosts of Mars
2006 – Masters of Horror: Cigarette Burns – M: Cody Carpenter

Playlist # 21 vom 06.12.09 – JOHN CARPENTER Special


1 John Carpenter - Theme from „The Fog“(The Fog) - 05:10
2 John Carpenter & Alan Howarth - Suite B (Halloween II)- 05:04
3 John Carpenter & Alan Howarth - Moochie's Death (Christine) - 02:26
4 John Carpenter & Alan Howarth - Main Title (Escape From New York) - 03:53
5 John Carpenter - Main Theme (Assault on Precinct 13) - 02:52
6 John Carpenter & Alan Howarth - Abduction at Airport (Big Trouble In Little China) - 04:21
7 John Carpenter & Alan Howarth - Hell Breaks Loose (Prince of Darkness) - 09:57
8 John Carpenter & Alan Howarth - Coming To L.A. (They Live) - 04:00
9 John Carpenter & Shirley Walker - History of L.A. (Escape from L.A.) - 03:12
10 John Carpenter - Ghost of Mars (Ghost of Mars) - 03:42
11 John Carpenter & Jim Lang - Long Beautiful Hair (Body Bags) - 05:40
12 John Carpenter & Dave Davies - March of the Children (Village of the Damned) - 08:03

Soundtrack Adventures #21 with JOHN CARPENTER at Radio ZuSa by Dirk Hoffmann on Mixcloud

  © Blogger template Brooklyn by Ourblogtemplates.com 2008

Back to TOP